Protocol of the Session on July 5, 2012

Was tun Sie denn? Umgarnen Sie nur mit warmen Worthülsen, um von Ihrem Versagen abzulenken? Auch Sie müssen wissen: Das Thema „Kindererziehung und frühkindliche Bildung“ ist von zentraler Bedeutung. Mir ist schon bewusst, dass es unterschiedliche Ansichten zu diesem Thema gibt. Ich

nehme es auch sehr ernst. Ich denke, es gilt, das Pro und Kontra abzuwägen, wenn wir im Sinne der Eltern und ihrer Kinder eine zielführende Entscheidung treffen wollen.

Aber vor allen Dingen gilt: Eltern haben das Recht, über die Art ihrer Kinderbetreuung frei zu entscheiden.

(Beifall von der CDU)

Das kann nicht gelingen, wenn Sie von Beginn an verschiedene Lebensmodelle gegeneinander ausspielen. Das ist unfair.

Entschuldigen Sie, Frau Doppmeier. Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Asch?

Nein, ich wollte im Zusammenhang vortragen. – Die Vielfalt der Lebensmodelle müssen wir doch als einen Gewinn betrachten. Unsere Aufgabe ist, die Voraussetzungen zu schaffen, um eine tatsächliche Wahlfreiheit zu ermöglichen.

(Beifall von der CDU)

Für uns, meine Damen und Herren, ist die Familie ein privater Lebens- und Entfaltungsraum, aus dem sich der Staat weitestgehend herauszuhalten hat. Für uns ist die Familie Inbegriff der Privatsphäre, die jeder nach eigenen Vorstellungen gestalten kann. Für uns unterliegt die Familie dem Schutz des Staates und nicht der Vormundschaft des Staates. Das ist ein großer Unterschied.

(Beifall von der CDU)

Eine Betreuung in der Familie ist doch nicht schlechter und weniger wert als die Betreuung in einer Einrichtung, insbesondere bei den kleinsten Kindern im Alter von null bis zwei Jahren.

(Beifall von der CDU – Rainer Bischoff [SPD]: Wer sagt das denn?)

Ich glaube, hier nehmen die allermeisten Eltern ihre Aufgabe sehr verantwortlich wahr. Wer diese Kompetenz allen Eltern pauschal abspricht, der beleidigt doch Mütter und Väter, die bewusst ihre Kinder erziehen

(Beifall von der CDU – Zurufe von der SPD)

und ihr Recht auf Erziehung nachhaltig wahrnehmen. Genau das tun Sie! Bitte sprechen Sie nicht so respektlos von diesen Eltern, indem Sie das Betreuungsgeld als Prämie bezeichnen!

(Beifall von der CDU – Rainer Bischoff [SPD]: Wer sagt das denn?)

Natürlich ist es mir auch wichtig, dass die Kinder aus sozial schwachen Familien die Möglichkeit einer frühkindlichen Bildung haben. Ebenso möchte ich

aber auch die Anerkennung der Eltern, die bereit sind, sich die ersten Jahre ihrem Kind zu widmen.

Sicherlich bin ich persönlich auch im Zweifel, ob Betreuungsgeld, das heißt: Barauszahlung, der richtige Weg ist. Ich würde mich mehr für eine Anerkennung zum Beispiel durch Rentenanrechnungszeiten aussprechen. Auch darüber ist noch nicht das letzte Wort gesprochen.

(Rainer Bischoff [SPD]: Aha!)

Ich persönlich finde: Zuerst einmal geht es darum, dass wir hier im Land den Ausbau der U3-Plätze voranbringen.

(Beifall von der CDU)

Dann haben Eltern echte Wahlfreiheit. Frau Ministerin Schäfer, das ist jetzt Ihre Aufgabe. Sie haben dafür zu sorgen, dass bis zum Sommer 2013, wenn der Rechtsanspruch greift, endlich genügend U3Plätze auch in Nordrhein-Westfalen vorhanden sind. Dann verfügen die Eltern über Wahlfreiheit.

Fangen Sie damit an! Schaffen Sie diese 27.000 fehlenden Plätze! Damit schaffen Sie für alle Eltern in unserem Land Betreuungssicherheit. – Danke sehr.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Doppmeier. – Für die FDP-Fraktion erteile ich nun Herrn Kollegen Hafke das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatte zum Betreuungsgeld könnte Anlass geben, konsequent und sauber zu argumentieren. Leider glänzt da nicht jeder auf gleiche Art und Weise. Was wir hier bislang gehört haben, war eine Mischung aus Scheinheiligkeit und einem Widerspruch zwischen Reden und Handeln.

Die Haltung der FDP zum Betreuungsgeld ist klar. Wir haben dies aus fachpolitischen Gründen immer abgelehnt. Ich brauche die einschlägige Kritik an dieser Stelle wohl nicht zu wiederholen.

(Zuruf von Gerda Kieninger [SPD])

Das Betreuungsgeld setzt falsche Anreize und stellt insbesondere Familien mit geringem Einkommen vor eine schwierige Abwägung, die wir nicht wollen.

(Rainer Bischoff [SPD]: In Berlin weitersa- gen! – Zurufe von der SPD)

Zur Ehrlichkeit gehört aber auch, liebe Freunde von der SPD, dass wir ganz deutlich sagen, wo das Betreuungsgeld herkommt. Die Einführung des Betreuungsgeldes ist im Kinderförderungsgesetz festgeschrieben worden, und zwar von der CDU/CSU und – Überraschung! – auch von der SPD

(Zurufe von der FDP: Hört, hört! – Beifall von der FDP und der CDU)

damals in der Großen Koalition.

Herr Abgeordneter, entschuldigen Sie …

Lieber Wolfgang Jörg, das war ein Kuhhandel, den Sie damals eingegangen sind.

Herr Abgeordneter Hafke.

Ich lasse keine Zwischenfragen zu.

Keine Zwischenfragen.

Wenn sich jetzt diese neue Dreifaltigkeit, die wir in Berlin immer wieder sehen, nämlich die Herren Steinmeier, Steinbrück und Gabriel von der SPD, zu den großen Kritikern des Betreuungsgeldes aufschwingen, dann sollten Sie nicht vergessen, dass Sie dafür selbst im Kabinett die Hand gehoben haben. So sieht die Wirklichkeit aus!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Sie mussten das damals auf Drängen der Union tun. So sah die Wirklichkeit aus!

Wir wissen, dass das das Herzensprojekt der CSU in Bayern ist. Ich hatte deshalb Hoffnung auf innerparteiliche Kritik bei der CDU gesetzt, die es dann vielleicht ermöglicht hätte, dieses Projekt abzuräumen. Leider scheinen nun in der CDU alle vor der blau-weißen Fahne aus Bayern eingeknickt zu sein. Im Grunde fragt man sich tatsächlich, warum Bayern das Betreuungsgeld nicht ganz alleine einführt, wenn es sonst gar keiner möchte.

Damit kommen wir zum Kernpunkt der Debatte, dem Thema „Finanzen“ und dem Thema „Prioritäten“.

Das Betreuungsgeld ist nicht nur bildungspolitisch falsch, es ist auch finanzpolitisch falsch, weil es die falschen Prioritäten setzt. Das sollten sich jetzt die Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün ganz genau anhören: Der von Ihnen in jeder Debatte zitierte Bildungsbericht kritisiert das Betreuungsgeld – richtig. Aber vielleicht sollten Sie auch einen Satz weiterlesen. Da kritisiert er genauso die Beitragsfreiheit des letzten Kindergartenjahres –

(Beifall von der FDP und der CDU)

die Beitragsfreiheit, die Sie hier in NordrheinWestfalen eingeführt haben. Der Bericht kritisiert das mit denselben Argumenten.

Ich frage Sie: Wie kann man das Betreuungsgeld ablehnen, weil damit zu viele Mittel in falsche Anreize gesteckt werden, und gleichzeitig die Beitragsfreiheit einführen, die gar keine Anreize setzt, während der U3-Ausbau in Nordrhein-Westfalen vor die Wand fährt?

(Beifall von der FDP)

In Nordrhein-Westfalen fehlen mindestens 27.000 U3-Plätze, um im nächsten Jahr den Rechtsanspruch zu erfüllen. Der Bedarf wird sogar noch größer sein. Dazu kommen noch Qualitätsverbesserungen, die wir dringend brauchen. Für die ist im Moment erst recht kein Geld da.

Und was machen Sie? – Sie geben 150 Millionen € für ein Wahlgeschenk aus, anstatt es in die Qualitätsverbesserung zu investieren. Das ist keine Politik, die den Menschen und den Familien in diesem Lande zugutekommt.