Vielen Dank, Herr Kollege Jörg. – Für die zweite antragstellende Fraktion, Bündnis 90/Die Grünen, erteile ich Frau Kollegin Asch das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Allen ist bekannt, dass der unsinnigen familienpolitischen Maßnahme „Betreuungsgeld“ eine gesellschaftliche Mehrheit fehlt. Es gibt eine große Allianz von gesellschaftlichen Gruppen. Verbände – angefangen bei den Arbeitgeberverbänden –, eine Vielzahl von Wissenschaftlerinnen, katholische Familienverbände, Gewerkschaften, die OECD und die Kirchen sagen alle: Das ist eine nicht zielführende familienpolitische Maßnahme, die Fehlanreize setzt und Kinder von der Förderung in der Kita fernhält.
Wir wissen auch aus den Großversuchen in Thüringen, Schweden und Norwegen, dass sich das Betreuungsgeld in der Tat negativ auf die Erwerbsbeteiligung von Frauen auswirkt, dass es sich negativ auf den Spracherwerb von Kindern mit Migrationshintergrund auswirkt, dass es sich negativ auf die Inanspruchnahme der Kita und damit die Förderung der Kinder auswirkt.
Zur Rechtfertigung wird von der CDU ins Feld geführt – wir haben das in den Debatten hier schon vermehrt gehört –: Wir wollen mit dieser Maßnahme Wahlfreiheit für die Eltern schaffen. – Aber wir wissen doch ganz genau, dass Wahlfreiheit für die Eltern erst dann hergestellt wird, wenn wir die Infrastruktur bedarfsgerecht ausbauen, wenn Eltern sich für einen Betreuungsplatz entscheiden können und wenn dieser Betreuungsplatz dann auch tatsächlich vorhanden ist.
Das sind die Punkte, mit denen Wahlfreiheit hergestellt wird, und daran arbeiten wir intensiv hier in Nordrhein-Westfalen.
Es ist doch ein völlig absurdes Argument, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, zu behaupten, irgendjemand halte einen Vater oder eine Mutter davon ab, zu Hause zu bleiben, wenn er oder sie sich dafür entscheidet, das Kind zu Hause zu betreuen.
Seitdem der Gesetzentwurf vorliegt, wissen wir nun auch, dass ein anderer Rechtfertigungsversuch für
diese Fehlmaßnahme ins Leere läuft. Familienministerin Schröder hat ja immer behauptet, sie wolle mit dem Betreuungsgeld die Erziehungsleistungen der Eltern anerkennen. Aber es wird ja auch bezahlt, wenn die Nanny, wenn das Au-pair oder wenn die private Einrichtung das Kind betreut. Und was ist eigentlich mit den Erziehungsleistungen der SGB-IIEmpfängerinnen, die das Geld nicht bekommen? Das ist doch abgründig und an Zynismus nicht zu überbieten, dass diesen Familien der Wert ihrer Erziehungsleistung durch die Nichtzahlung des Betreuungsgeldes aberkannt wird.
Nehmen wir das Beispiel der alleinerziehenden Krankenpflegerin! Sie wird, wenn sie ihr Kind ein- bis zweimal die Woche in der Kita betreuen lässt, weil sie halbtags arbeiten gehen muss, das Betreuungsgeld nicht bekommen. Aber die Chefarztgattin, die zu Hause eine Nanny anstellen kann, bekommt die 150 € quasi als Taschengeld und kann damit ihre Freundin zum Champagner einladen. Das ist eine krasse soziale Schieflage,
die mit der Ausgestaltung dieses Gesetzes, Herr Laumann, produziert wird. Es folgt dem gleichen Muster wie das Erziehungsgeld. Den Reichen wird das Geld gegeben, und die Armen, die SGB-IIEmpfänger, die Hartz-IV-Empfänger, bekommen es nicht.
Es gibt aber noch eine andere sehr schwerwiegende, fatale Nebenwirkung dieses familienpolitischen Fehlinstruments: Ein gesellschaftlicher Konsens, den wir nach langen Jahren mühsam erzielt haben, wird wieder infrage gestellt. Der Konsens lautet: Es ist gut für die Kinder, wenn sie in der Kita, der ersten Stufe der Bildungskette, betreut werden. Es ist gut für ihren späteren Bildungserfolg. – Dieser Konsens wird infrage gestellt.
Die Eltern werden doch völlig verwirrt. Einerseits sagt man ihnen: „Lass dein Kind in der Kita fördern!“ und andererseits bietet man ihnen einen Anreiz, das Kind zu Hause zu betreuen.
Das ist keine konsistente Familienpolitik; das ist Verwirrung. Und damit unterstützen Sie Eltern in ihrer Entscheidung, Kinder zu bekommen, nicht.
Wir wissen alle: Das Geld, das hier zum Fenster hinausgeworfen wird – wahrscheinlich wird diese Maßnahme 2 Milliarden € kosten –, brauchen wir dringend für den Ausbau der Infrastruktur, um die notwendigen Kitaplätze zur Verfügung zu stellen.
Viele von Ihnen in der CDU-Fraktion sehen das genauso. Der ehemalige nordrhein-westfälische CDUFamilienminister und jetziger Landesvorsitzender – er ist heute nicht hier, sodass ich ihm nicht gratulieren kann –, Herr Laschet, hat in seiner Zeit als Familienminister diese Maßnahme als unsinnig abgelehnt. Genauso hat es der damalige Ministerpräsident von der CDU, Herr Rüttgers, getan. Wir wissen doch auch, dass hinter vorgehaltener Hand viele aus der CDU-Fraktion im Bundestag nichts lieber machen würden, als dieses Gesetz zu beerdigen. Wir wissen genau, dass Herr Seehofer dahintersteht, der mit dem Kopf durch die Wand will, damit er 2013 seine Wahlen in Bayern gewinnt. Das ist der eigentliche Grund.
Frau Abgeordnete, ich darf es wiederholen: Ihre Redezeit ist überschritten. Kommen Sie bitte langsam zum Schluss.
Interessant ist auch, was der frischgebackene FDP-Fraktionsvorsitzende hier im Landtag Nordrhein-Westfalen macht. Er, Christian Lindner, hat das Betreuungsgeld in den Koalitionsvertrag in Berlin mit hineingeschrieben.
Du kannst es ja gleich richtigstellen. – Er, Christian Lindner, hat in der namentlichen Abstimmung diesem Betreuungsgeld zugestimmt,
und jetzt macht er sich vom Acker. Wendehals, kann ich da nur sagen, weil du feststellst, dass das jetzt nicht opportun ist.
Vielen Dank, Frau Kollegin Asch. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Frau Kollegin Doppmeier das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das ist ein wohlwollend klingender Antrag „Klug in die Zukunft investieren: Kita-Ausbau statt Betreuungsgeld!“ Die Überschrift, die Sie gewählt haben, hört sich erst mal sehr verantwortungsvoll, innovativ und zukunftsweisend an. Aber im Endeffekt wollen Sie den Menschen in NordrheinWestfalen nur wieder Sand in die Augen streuen.
Von wegen innovativ. Die SPD-Bundestagsfraktion hat schon am 9. Mai genau den gleichen Antrag „Kita-Ausbau statt Betreuungsgeld“ in den Bundestag eingebracht. Das zeigt, wie ideenlos Ihr Antrag ist.
Kommen wir zum Inhalt Ihres Antrags! Sie sprechen von Schulden auf Kosten anderer. – Aber was tun Sie denn? Beim Kitaausbau werfen Sie anderen vor, ihrer Verantwortung nicht nachzukommen, und versagen selber auf ganzer Linie.
Nordrhein-Westfalen ist immer noch Schlusslicht bei der U3-Betreuung. Dafür sind Sie verantwortlich.
Zeigen Sie also bitte nicht mit dem Finger auf die anderen, sondern schauen Sie aufs eigene Land! Nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr!
Und schauen Sie mal in den Bund! Der Bund erbringt nämlich seinen Anteil. Er ist jetzt bereit, für die fehlenden 30.000 Kitaplätze, die wir wohl mehr brauchen, als 2007 angedacht, seinen Anteil zu leisten. 580 Millionen € werden zusätzlich vom Bund für Investitionen gezahlt. Auch für die Betriebskosten gibt es zusätzliche Bundesmittel, nämlich ab 2014 jährlich 845 Millionen plus 400 Millionen für Sprach- und Integrationsförderung.
Was tun Sie denn? Umgarnen Sie nur mit warmen Worthülsen, um von Ihrem Versagen abzulenken? Auch Sie müssen wissen: Das Thema „Kindererziehung und frühkindliche Bildung“ ist von zentraler Bedeutung. Mir ist schon bewusst, dass es unterschiedliche Ansichten zu diesem Thema gibt. Ich