Sie haben keine Linie. Sie haben behauptet, Kernkompetenz der Piraten sei die Wissenschaftspolitik. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Wenn Ihr Gesetzentwurf das Ergebnis einer zwei Jahre andauernden Debatte ist, wobei Sie je nach Software 40 bis 45 % wortwörtlich Übereinstimmung mit unserem Gesetzentwurf haben, dann muss ich sagen: Das ist Niveaulimbo.
Wenn man es sanft formuliert – die Punkte sind nicht falsch, das wäre schizophren –, könnte man sagen: Sie sind sehr eng an den Formulierungen mit den 40, 45 %, die Sie wortwörtlich an unseren
Gesetzentwurf angelehnt haben. Wenn man es deutlicher sagen würde: Sie haben es einfach geklaut. Lassen wir das einmal beiseite. Werten wir die Punkte einmal als Zustimmung zu Rot-Grün. Ich glaube, Kollege Schultheis hat das auch gemeint, der einen ziemlich friedlichen Beitrag zu diesem Gesetzentwurf hier lieferte. Das kann auch am Karlsjahr und an der guten Stimmung liegen.
Herr Kollege Abel, wenn ich einmal unterbrechen darf: Kollege Bayer würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. Möchten Sie die zulassen?
Vielen Dank, Herr Präsident. – Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Ich hätte Sie jetzt fragen können, ob Sie meine Rede zur Zivilklausel überhaupt ganz gelesen haben. Viel wichtiger finde ich die Frage, ob Sie es denn für sinnvoll halten, wenn man einen Gesetzentwurf macht, der im Grunde vor allem das Hochschulgesetz selbst reformieren oder modernisieren möchte, etwas komplett neu zu schreiben, bei dem kein Wort auf irgendetwas basiert. Ist es nicht besser, sich an dem zu orientieren, was da ist, und zu versuchen, das besser zu machen und zu optimieren?
Wahrscheinlich haben Prominente wie Herr zu Guttenberg damals ähnlich formuliert: Man kann nicht alles neu erfinden. Aber bei 40 bis 45 % der Punkte – wenn Sie sich zum Beispiel den Tierschutz ansehen oder bei den Zielen von Studium und Lehre, dann ist das einfach wortwörtlich herübergezogen. Da kommen Sie auch nicht hinterher.
Ja, ich habe Ihre Rede ganz gelesen. Ich habe ja gesagt: Es ist kein Problem. Wir werten das einmal als Zustimmung. Sie haben suggeriert, Sie würden hier einen großen Wurf bringen und Ihre Gedanken einbringen. Interessant ist, was Sie ausgelassen haben, nämlich das, was Sie von uns nicht übernommen haben. Das ist neben der angesprochenen Friedensklausel zum Beispiel der ganze Themenkomplex zur Gleichstellung.
Sie haben nicht nachvollzogen, wie Sie denn das geltende Gleichstellungsrecht auf die Hochschulen übertragen wollen. Sie reden lediglich von einer Selbstverpflichtung. Sie haben in der Diskussion wohl mitbekommen, dass wir, wenn wir so weitermachen wie bisher, 50 bis 100 Jahre brauchen, bis wir genügend Professorinnen an den Universitäten
haben, um eine echte Gleichstellung in allen Gremien zu gewährleisten. Da bleiben Sie weit hinter unserem Gesetzentwurf und sogar hinter dem aktuellen Hochschulfreiheitsgesetz zurück.
Das hilft uns so nicht weiter. Wir müssen damit leben, dass der Gesetzentwurf überwiesen wird. Ich würde mich freuen, wenn Sie im Laufe der Debatte konkrete Änderungsanträge zu unserem stellen würden. Ich denke, das ist zielführender. – Vielen Dank.
Herr Kollege Abel, wenn ich Sie noch einmal zurück zum Rednerpult bitten darf. – Herr Dr. Paul hat sich zu einer Kurzintervention angemeldet. Dafür hat er wieder 90 Sekunden Zeit. Das Verfahren kennt er schon. Herr Dr. Paul hat das Wort. Bitte schön.
Herr Abel, ich kann es Ihnen leider an dem Punkt nicht ersparen. Ich hätte es Ihnen gerne erspart. Herr Schultheis hat friedvolle Worte gesprochen. Ich persönlich bin auch eher in einer friedvollen Stimmung. Aber ich kann Ihnen das jetzt nicht ersparen.
Ihr Passus zur Zivilklausel im Gesetz: Wir sagen, die Hochschule ist frei. Wenn man einer demokratisch verfassten Institution freie Entscheidungen einräumt, dann ist das auch Freiheit. Was Sie machen, ist Staatsdirigismus.
Herr Dr. Paul, ich weiß nicht, ob Sie, wenn Sie eher mit linken Gruppen diskutieren, nicht unter Umständen Probleme bekommen. Erst einmal haben wir eine Friedensklausel. Ihre Aussage gerade widerspricht auch beispielsweise Ihrem Gesetzentwurf.
Wenn Sie sich einmal vergewissern: § 43 ist es, glaube ich, der ist von uns – ich kenne ihn. Wenn Sie dann zum Beispiel Ziele für Studium und Lehre fortschreiben und beispielsweise beim Tierschutz konkrete Maßnahmen machen, dann beißt sich das total mit dem, was Sie jetzt gesagt haben.
Ansonsten belasse ich es dabei. Es gibt bei uns HSV-Fans. Ich will jetzt keinen Ärger mit denen haben. – Vielen Dank.
Das mit den HSVFans irritiert mich. Trotzdem vielen Dank, Herr Kollege Abel. – Als nächster Redner spricht für die FDP-Fraktion Herr Kollege Hafke.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Die Mehrheit der Fraktionen in diesem Hause scheint es nicht wirklich gut mit unseren Hochschulen zu meinen. Bei der Beratung zum rot-grünen Hochschulzukunftsgesetz haben wir bereits ausführlich die Erfolge des schwarz-gelben Hochschulfreiheitsgesetzes diskutiert.
Lieber Herr Schultheis, selbst die Ministerin hat in der Vergangenheit immer wieder dargelegt, wie gut die Hochschulen aufgestellt sind und die aktuellen Erfolge bewältigt haben. Das liegt mit Sicherheit zum Großteil an dem exzellenten Gesetz, das damals Andreas Pinkwart auf den Weg gebracht hat.
Ohne dieses Gesetz wäre die Bewältigung des doppelten Abiturjahrgangs in dieser Form überhaupt nicht möglich gewesen. Auch die deutlich gesteigerten Studierenden- und Absolventenzahlen wären nicht möglich gewesen. Das gilt auch für die exzellent prämiierte Forschung und Lehre hier in Nordrhein-Westfalen.
Ich habe in der Vergangenheit von Rot-Grün noch kein Argument gehört, warum dieses Hochschulfreiheitsgesetz erneuert werden muss. Ganz im Gegenteil, vielleicht wurden eher sogar positive Begriffe verwandt, warum das alles in der letzten Zeit so gut gelaufen ist.
Das Gleiche kann man auch zu dem aktuellen Gesetzesentwurf der Piraten sagen. Das Einzige, was Sie hier immer wieder anführen, was an dem Hochschulfreiheitsgesetz denn so falsch sei, betrifft die Hochschulräte, die Sie abschaffen wollen. Man muss sich einmal anschauen, was immer als Begründung dafür angeführt wird. Es wird nämlich gesagt, dass die böse, böse Wirtschaft in NordrheinWestfalen die Universitäten stark beeinflusst. Ich glaube, dahinter steckt bei Piraten, SPD und Grünen ein komplett falsches Weltbild. Ich meine, die Hochschulräte haben eher dazu beigetragen, dass die Universitäten tatsächlich an die reale Welt angedockt wurden und dass dort eine gute Vernetzung stattfindet. Wir wollen diese Hochschulräte in der Form beibehalten.
Weiterhin habe ich den Eindruck, dass die Piraten darüber diskutieren, dass die Hochschulen demnächst vielleicht in einer Art Elfenbeinturm forschen sollen. Die Professoren sollen sich still und heimlich in ihr Kämmerlein zurückziehen, sich da einigeln und darüber diskutieren, wie die Welt vielleicht besser werden könnte. Auch das ist, glaube ich, der falsche Weg. Wir brauchen Wissenschaftler so, wie sie heute aufgestellt sind – und nicht so, wie die Piraten sie haben wollen.
Es gibt einen weiteren Punkt, den man sehr kritisch hinterfragen kann – ich frage mich, ob Sie in den
letzten Wochen und Monaten den Debatten darüber überhaupt nicht gefolgt sind –, betrifft die Veröffentlichungspflicht im Rahmen der Forschung mit Drittmitteln so, wie Sie sie im Gesetzentwurf beschreiben. Die Privatwirtschaft wird, wenn das in dieser Art und Weise kommen sollte, keinerlei Drittmittel mehr geben; denn dann besteht die Gefahr, dass alle Vorhaben vorher von der Konkurrenz im Internet nachzulesen sind.
Westfalen ausdünnen und dafür sorgen, dass hier Karrieren und Innovationen zerstört werden. Ich denke, das ist der falsche Weg.
Ich könnte noch viele andere Punkte ansprechen, die wir hier immer wieder diskutiert haben. Ich nenne zum Beispiel das Thema der Rektorengehälter. Auch deren Veröffentlichung würde dem Wissenschaftsstandort Nordrhein-Westfalen schaden. Es gibt noch andere Bevormundungen, die Sie hier in Ihren Gesetzentwurf aufgenommen haben.
Ich möchte noch eine letzte Anmerkung zu einem Punkt machen, weil der sehr deutlich klar macht, wie Sie diesen Gesetzentwurf erarbeitet haben – nämlich in gewissem Umfang sehr schlampig. In der Einleitung schreiben Sie, dass es in § 11c um die geschlechtergerechte Zusammensetzung von Gremien geht. Wenn man dann in den weiteren Text schaut, sieht man, dass es diesen § 11c gar nicht gibt. Vielleicht sind Sie so nett, dem Parlament irgendwann mitzuteilen, wie Sie sich das vorstellen.
Die FDP wird zwar der Überweisung zustimmen, aber den Gesetzentwurf ablehnen, weil wir der Meinung sind, dass das aktuell bestehende Hochschulfreiheitsgesetz ein gutes Gesetz ist. Die Hochschulen sind gut aufgestellt. Darauf sollte man aufbauen und das Ganze nicht wieder kaputt machen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich inhaltlich auf den Gesetzentwurf der Piraten eingehe, möchte ich mich erst einmal bei den Piraten bedanken, denn die Piratenfraktion ist die erste Oppositionsfraktion, die auf Punkt und Komma ganz genau – Paragraf für Paragraf – auf 96 Seiten gesagt hat, was denn ihre Vorstellung von der Zukunft der Hochschulen beziehungsweise des Hochschulrechts in NordrheinWestfalen sind. Das unterscheidet Sie wirklich wohl
tuend von den beiden anderen Oppositionsfraktionen, die sich bis jetzt einer Sachdebatte konsequent verweigern. Sie haben nur ein einziges Credo: Sie sagen immer wieder, dass alles so bleiben soll, wie es ist. So kann die Welt sich aber nicht weiterentwickeln. – Das erst einmal vorab.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das war es jetzt leider auch schon mit dem Lob für den Gesetzentwurf der Piraten. Ihr Entwurf greift zwar das eine oder andere wichtige Thema auf, zum Beispiel die Transparenz oder die Öffnung der Hochschulen. Viele der Regelungen sind aber nicht wirklich zu Ende gedacht, oder sie widersprechen dem, was man unter einem modernen Hochschulgesetz versteht.
Ich nehme zum Beispiel die Regelungen zur Aufsicht über die Aufgaben von Hochschulen. Das, was Sie dazu beschreiben, sind keine konkreten Instrumente. Das Ministerium hätte nach Ihrem Gesetzentwurf faktisch noch weniger Aufsicht über die Hochschulen, als es heute schon der Fall ist.
So ähnlich ist es auch bezüglich der vermutlich gut gemeinten, aber nicht gut gemachten Regelungen zur Mobilität von Studierenden. Das gilt auch hinsichtlich der Regelungen zum Übergang zwischen Bachelor und Master sowie zwischen Fachhochschulen und Universitäten. In der Weite, wie Sie das gefasst haben, bleiben die Regelungen praktisch nichtssagend und wirkungslos.
Nicht sehr komplex ist, wie Sie die Frage der Hochschulsteuerung beschreiben. Bezüglich des Zusammenwirkens von Land und Hochschule muss man sich schon etwas mehr Gedanken machen, als das aus Ihrem Gesetzentwurf hervorgeht.
Es gibt eine ganze Reihe von Punkten, wo die Landesregierung ausdrücklich anderer Meinung ist. Ich will angesichts der Zeit nur den Punkt der Gleichstellung hervorheben. Mit Ihren Formulierungen zur Zusammensetzung der Gremien fallen Sie weit hinter das Landesgleichstellungsgesetz zurück. Das, was wir in unserem Gesetzentwurf vorgesehen haben – nämlich das Kaskadenmodell –, kommt bei Ihnen überhaupt nicht vor. Was Sie beschreiben, ist Gleichstellungspolitik von vorgestern. Das kann nicht der Weg in die Zukunft sein.