Protocol of the Session on April 10, 2014

Meine Damen und Herren, die Berichterstattung der letzten Wochen – Sie alle lesen ja Zeitung – zum Thema „Legalisierung von Cannabis“ nimmt zu. Sowohl die Lokalzeitungen als auch die überregionale Presse wie zum Beispiel die „SZ“ und die „FAZ“ sind nur so mit diesen Artikeln gespickt. Das ist kein Wunder, denn der gesellschaftliche Diskurs über die Cannabis-Legalisierung ist in anderen Ländern bereits weiter fortgeschritten.

So hat sich die Straf- und Verbotspolitik in Uruguay, in mehreren Bundesstaaten der USA, den Niederlanden, in Tschechien, in Portugal gewandelt. In den USA – ziehen Sie sich das einmal rein –, dem Law-and-Order-Staat schlechthin!

Meine Damen und Herren, erkennen Sie eigentlich die Zeichen der Zeit? – Ich bin mir nicht sicher. Lassen Sie uns endlich Schluss machen mit dieser widersinnigen Verbotspolitik. Es ist Zeit, die Drogenpolitik neu auszurichten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Danke, Herr Kollege. – Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Warden das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste auf der Besuchertribüne! Wir haben gerade den Antrag und die Begründung des Kollegen Lamla zum Antrag der Piratenfraktion mit dem Ziel gehört, die Drogenpolitik auf eine Legalisierung von Cannabis und damit Straffreiheit neu auszurichten. Die Fraktion der Piraten begründet den Antrag unter anderem damit, eine Drogenpolitik, die sich rein auf Verbote und Strafverfolgung konzentriere, sei nicht mehr zeitgemäß.

(Beifall von den PIRATEN)

Sie, Herr Kollege Lamla, haben ja gerade dazu gesprochen.

In der vergangenen Woche haben wir uns im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales mit dem ersten Monitoring der ambulanten Sucht- und Drogenhilfe in NRW befasst. Dieser Bericht veröffentlicht erstmals einrichtungs- und betreuungsbezogene Daten von 169 ambulanten Sucht- und Drogenhilfeeinrichtungen in ganz NRW. Dieser Bericht zeigt auf – das hat Ministerin Steffens in ihrem Statement deutlich gemacht –, dass es beim Thema Sucht keine Entwarnung gibt. Wir sind gefordert, uns als Politik vertieft mit den verschiedenen Aspekten, Ursachen und Auswirkungen des Gebrauchs der unterschiedlichen Suchtmittel zu befassen.

Eines ist deutlich zu sagen: Cannabis ist nach wie vor Einstiegsdroge und löst neben psychischer Abhängigkeit auch physische Schäden aus. So wurden laut dem genannten Bericht im Jahr 2012 rund 10.000 Personen mit der Hauptdiagnose „Cannabis“ in der Beratung dokumentiert. Das entspricht immerhin 12 % aller Beratungen im Suchthilfesystem von Nordrhein-Westfalen.

Mit dem Konsum von Drogen wird im durchschnittlichen Alter von 15,4 Jahren, also noch vor Vollendung des 16. Lebensjahres, begonnen. Nach durchschnittlich 1,5 Jahren kann man feststellen, dass sich erste Suchtprobleme entwickeln. Dabei fällt auf: Je geringer das Alter beim Einstieg ist, desto geringer ist der zeitliche Abstand zwischen Erstkonsum und dem Beginn von Störungen.

Diese Zahlen halten wir für besorgniserregend. Aus diesem Grunde werden wir uns Ihrem Vorschlag zur

Legalisierung dieser Einstiegsdroge Cannabis nicht anschließen. Wir werden unter Bezug auf das schon angesprochenen Monitoring überprüfen, wie wir mit Blick auf die Präventions- und Hilfestrukturen in Nordrhein-Westfalen zielgruppenspezifische und niedrigschwellige Angebote stärken und das Landessuchtprogramm weiterentwickeln können. Das Gesundheitsministerium hatte hierzu in Aussicht gestellt, dass wir möglicherweise schon in der zweiten Jahreshälfte mit einem Landesaktionsplan zu Drogen und Sucht rechnen können.

Heute geht es hier im Plenum aber noch nicht um die vertiefte inhaltliche Auseinandersetzung mit Ihrem Antrag, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Piratenfraktion, sondern die werden wir in den Fachausschüssen, nämlich im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales, im Ausschuss für Kinder, Jugend und Familie sowie im Innen- und im Rechtsausschuss durchführen. Alleine an der Anzahl der Ausschüsse kann man erkennen, dass es sich um eine wirklich komplexe und keine einfache Materie handelt, mit der wir es zu tun haben.

Der Überweisung in die Ausschüsse werden wir natürlich zustimmen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich danke Ihnen, Frau Kollegin. Bitte bleiben Sie noch einen Moment vorne, Frau Kollegin Warden. Denn Herr Kollege Dr. Paul hat sich für die Piratenfraktion zu einer Kurzintervention gemeldet und bekommt jetzt für 90 Sekunden das Wort. Danach haben Sie, Frau Kollegin, 90 Sekunden Zeit für Ihre Antwort.

Herr Kollege Paul, bitte schön.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Warden, ich möchte meine Kurzintervention zu einer Frage an Sie nutzen.

Im Jahr 2001 hat Portugal seine Drogengesetzgebung komplett auf den Kopf gestellt. Bei den Vereinten Nationen war man sehr erschüttert. Eine entsprechende Kommission befürchtete, da das Land verkehrspolitisch an einer Schnittstelle liege, könne es zu einer erheblichen Zunahme des Drogentourismus kommen. Man befürchtete, dass sich das Land in eine kiffende Hippie-Kommune verwandeln würde.

2004 hat dieselbe Kommission der Vereinten Nationen das Land besucht und war erstaunt über die Effekte der neuen Drogengesetzgebung in Portugal: weniger Rückfallquote, Entkriminalisierung des

Marktes, Austrocknung des Schwarzmarktes. – Ich kann nicht verstehen, weshalb Sie an der Stelle Studien aus Deutschland anführen, die offensichtlich, was die realen Ergebnisse angeht, nicht zeitgemäß sind. – Danke.

(Nadja Lüders [SPD]: Deswegen stehen die auch wirtschaftlich so gut da!)

Ich halte mich an die Studien, die ich kenne – aus Deutschland. Ich habe selber zwei Kinder und möchte auf gar keinen Fall, dass meine Kinder mit dieser Droge in Berührung kommen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich habe großen Respekt vor Menschen, die nach langem Entzug und großen Schwierigkeiten den Ausstieg aus der Drogenszene schaffen. Ich habe viel Kontakt zu Drogen- und Suchtberatungsstellen und weiß auch um die Gefährlichkeit dieses Stoffes.

Es mag Länder geben, die das anders einschätzen und bewerten. Die haben aber auch eine ganz andere Struktur als wir hier. Ich schlage vor, dass wir diese Diskussion qualifiziert und in Ruhe im Ausschuss fortführen.

(Beifall von der SPD, der CDU, den GRÜNEN und der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – So weit Kurzintervention und deren Beantwortung.

Wir fahren in der regulären Rednerliste fort. Das bedeutet, dass ich jetzt Herrn Kollegen Möbius für die CDU-Fraktion das Wort erteile.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen beschreibt die Wirkung von Cannabiskonsum auf die Psyche wie folgt – ich zitiere –:

„An die Stelle geordneten Denkens und logischer Schlussfolgerungen tritt häufig eine Art Scheintiefsinn, …“

Davon scheint auch der Antrag der Piraten zur Legalisierung von Cannabis gekennzeichnet zu sein.

(Beifall von der CDU – Nicolaus Kern [PIRATEN]: Sie machen sich verdächtig!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Piraten verkennen zum einen, dass eine Freigabe von Cannabis nicht nur den bisherigen Konsum legalisiert, sondern auch eine neue Nachfrage schafft. Das zeigen die Erfahrungen in den Niederlanden und anderen Ländern. Ich sage sehr deutlich, dass wir das nicht wollen. Cannabis wird vor allem von jüngeren Menschen konsumiert. Es wäre ein fatales Signal an die Gesellschaft, wenn der Staat so tut, als wäre der Konsum des Rauschmittels schon in Ordnung.

(Beifall von der CDU)

Die bekannten Nebenwirkungen des Cannabiskonsums machen deutlich, dass gerade jüngere Men

schen vom Konsum abgehalten werden müssen. Nebenwirkung ist beispielsweise, dass sich der Konsument den Anforderungen immer weniger gewachsen und verpflichtet fühlt und dem Alltag immer gleichgültiger gegenübersteht. Von Hirnschädigungen will ich gar nicht erst reden.

Daher ist es überhaupt nicht nachvollziehbar, dass die Piraten in ihrem Antrag den Cannabiskonsum als gesundheitspolitisch sinnvoll beschreiben. Genau das Gegenteil ist der Fall.

(Beifall von der CDU und Dr. Joachim Stamp [FDP])

Es sind wenige Einzelfälle, wie zum Beispiel Schmerzpatienten, bei denen Cannabiskonsum unter ärztlicher Aufsicht sinnvoll erscheint. Das sind aber Ausnahmefälle. Für den überwiegenden Teil der Konsumenten trifft das nicht zu. Daher bleibt es die vornehme Aufgabe des Staates, vor der Gefährlichkeit von Drogen zu warnen und den Zugang zu ihnen zu erschweren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es trifft auch nicht zu, wie die Piraten behaupten, dass eine Entlastung der Justiz zu erwarten sei. Am Ende des Verfahrens steht immer ein Staatsanwalt, der über eine Verfahrenseinstellung entscheiden und eine entsprechende Verfügung schreiben muss.

Die Piraten verkennen noch eines: Es ist keineswegs so, dass insbesondere jugendliche Erstkonsumenten bei geringen Mengen direkt vor den Kadi kommen und kriminalisiert werden.

(Lukas Lamla [PIRATEN]: Doch!)

Meistens werden doch Ermittlungsverfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende gegen Auflagen eingestellt. Auflagen sind zum Beispiel die verpflichtende Teilnahme an Drogenberatungsseminaren, Drogenscreenings, Drogentherapien oder die Ableistung von Sozialstunden. Dies macht auch Sinn, um den Konsumenten die Gefährlichkeit illegaler Drogen zu verdeutlichen.

Hinsichtlich der von den Piraten geforderten Eigenbedarfsgrenze von 30 g kann ich nur fragen: Darf es nicht noch ein bisschen mehr sein?

(Beifall von den PIRATEN – Zuruf von den PIRATEN: Ja!)

Fakt ist, dass in den letzten Jahren und Jahrzehnten der für den Drogenrausch maßgebliche THC-Gehalt in den Cannabisprodukten massiv angestiegen ist. Deshalb müssen wir auf Drogen- und Suchtprävention setzen und alles dafür tun, dass insbesondere Jugendliche von Drogen ferngehalten werden.

(Beifall von der CDU)

Denn die Realität, liebe Kolleginnen und Kollegen, zeigt doch, dass die Drogendealer meist auch andere und wesentlich gefährlichere Suchtstoffe in ihrem Angebotsportfolio bereithalten.

(Zuruf von den PIRATEN: Eben! – Weiterer Zuruf von den PIRATEN: Das wäre dann nicht mehr nötig! – Nicolaus Kern [PIRATEN]: Genau deswegen ist es richtig!)