Wir hatten gemeinsam verabredet, dass wir zunächst eine Anhörung zum Thema „Menschenhandel“ und auch eine Anhörung zum Thema „Hilfen für die von Zuwanderung betroffenen Kommunen“ durchführen und daraus resultierend eventuell parteiübergreifende Anträge zu diesem Themenbereich machen wollen. Ich frage mich: Warum halten Sie sich nicht an diese Verabredung?
Grundsätzlich – da haben Sie recht – hat die EUOsterweiterung das Wohlstandsgefälle verstärkt. Menschen aus allen Ländern Europas kommen nach Deutschland, sehen hier Chancen für sich. Sie kommen übrigens auch in andere europäische Länder, zum Teil auch mehr als nach Deutschland. Das haben wir alle so gewollt. Das geschieht im Zuge des europäischen Einigungsprozesses. Und das war uns allen bewusst.
Den Herausforderungen müssen wir uns stellen, und die Probleme, die daraus ja auch resultieren, müssen wir eindeutig ansprechen. Das tun wir auch. Mit Anträgen wie diesen, liebe Kollegen von der CDU, geschieht das aber nicht. Sie tun damit so, als wenn Sie Probleme ansprechen würden, die gelöst werden müssen. In Wahrheit versuchen Sie damit aber, am rechten Rand Stimmen zu fischen.
Mich erstaunt, dass Sie die Landesregierung auffordern, aktiv zu werden. Ich habe den Eindruck, dass Sie die Debatten der letzten Zeit konsequent verschlafen haben.
Das Kabinett beschäftigt sich schon seit Langem mit diesem Thema. Im Januar 2013 wurde dazu die Interministerielle Arbeitsgruppe Zuwanderung eingerichtet, die bereits sehr viel vorgearbeitet hat. Nordrhein-Westfalen ist bis heute das einzige Flächenland, das zu diesem Thema ein umfangreiches Handlungskonzept zur Unterstützung der Kommunen vorgelegt hat. Wahrheitswidrig behaupten Sie – das können Sie auch Ihren Anträgen entnehmen –, die rot-grüne Landesregierung würde die Kommunen nicht unterstützen. Das Gegenteil ist der Fall! Die Stadt Duisburg – das haben Sie gerade angesprochen – hat zu diesem Zweck 3,2 Millionen € an Fördermitteln erhalten.
Einige Maßnahmen, die unsere Landesregierung bereits erfolgreich umgesetzt hat und umsetzt, will ich Ihnen kurz skizzieren:
Wir planen, Integrationslotsen einzusetzen, die als Brückenbauer in den Stadtteilen wirken sollen. Wir wollen niedrigschwellige und flexible Bildungsangebote für Kinder. Wir wollen die Sicherung des regulären Schulbesuchs von Zuwandererkindern. Wir wollen die Heranführung der Zuwanderer an den Arbeitsmarkt unterstützen. Wir wollen die Kommunen bei der Gesundheitshilfe unterstützen. Die nordrhein-westfälische Polizei unterstützt die kommunalen Ordnungsbehörden gezielt in Ordnungspartnerschaften. Und so weiter.
Ich empfehle Ihnen an dieser Stelle, vielleicht mal die Drucksache 16/1550 zu lesen; das ist der Bericht der IMAG. Darin sind ganz viele Projekte aufgeführt, die im Land durchgeführt werden, ganz viele Projekte und Initiativen von Trägern und Menschen, die sich dafür einsetzen, dass wir die Zuwanderer in Deutschland integrieren können.
Mich wundert, dass Sie aus dem Zwischenbericht des Staatssekretärsausschusses auf Bundesebene abschreiben und dessen Vorschläge hier als Ihre Lösungsvorschläge ausgeben. In diesem Zwischenbericht finden sich unter anderem Vorschläge für Maßnahmen, die Herr Biesenbach soeben thematisiert hat: eine Verschärfung des Aufenthaltsrechts, eine Verschärfung der Familienleistungen – das Thema „Kindergeld“ –, die Bekämpfung von Schwarzarbeit und Scheinselbstständigkeit. Das sind alles mögliche Maßnahmen, über die man diskutieren muss, um festzustellen, ob sie richtig sind oder nicht, die Sie hier aber aus parteipolitischem Kalkül nach der Methode „Wolf im Schafspelz“ ganz neu formulieren.
Insgesamt werden vom Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales und vom Ministerium für Inneres und Kommunales jährlich rund 7,5 Millionen € aus verschiedenen Fördertöpfen zur Verfügung ge
stellt, damit unsere Städte den sozialen Frieden sichern können und die zu uns gekommenen Menschen angemessen unterstützen können.
Wir sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir auf der Bundesebene, auf der Landesebene und auch in den Kommunen viele Initiativen und Projekte angestoßen haben, die in der Umsetzung sind.
Ihr Antrag lautet: „Freizügigkeit klug gestalten: Schlepperbanden und Missbrauch bekämpfen“. Zur Bekämpfung der Schlepperbanden haben Sie leider kein Wort geschrieben. Das Wort „Schlepperbanden“ taucht in Ihrem Text genau ein Mal auf.
„Es besteht die Gefahr, dass die Armutsmigration von Rechtspopulisten für billige Stimmungsmache instrumentalisiert wird.“
Das tun Sie an dieser Stelle ganz deutlich! Und das nicht nur mit diesem Antrag: Ich habe der „WAZ“ vom 21. März entnommen, dass die Duisburger CDU die Themen „Asylbewerber“ und „Zuzug aus Südosteuropa“ zum Hauptwahlkampfthema im
Kommunalwahlkampf machen will. Darüber war ich ein wenig irritiert. Denn seit der Integrationsoffensive des Landtags Nordrhein-Westfalen im Jahr 2001 war es Konsens der demokratischen Parteien, Migration und Integration nicht zum Wahlkampfthema zu machen, um die politische Auseinandersetzung der Parteien nicht auf dem Rücken der Zuwanderer zu führen und Rechtsextremisten keine Plattform zu bieten.
2001 war Thomas Mahlberg Landtagsabgeordneter; heute ist er CDU-Vorsitzender in Duisburg. Mich irritiert, dass er an der Stelle die eigenen Beschlüsse nicht mehr wahrhaben will. Ich stelle fest, dass dieser Konsens von Ihnen aufgekündigt wird.
Herr Laschet, ich erwarte von Ihnen als ehemals für Integration zuständigem Minister, dass Sie mit Ihren Parteifreunden aus Duisburg mal ins Gebet gehen; denn wer den demokratischen Konsens aufbricht, macht die Rechten salonfähig.
Herr Biesenbach, lassen Sie mich zum Schluss noch eine Bemerkung zu Ihren Anträgen machen. Sie überschreiben diese mit „Freizügigkeit klug gestalten“. Ich rate dringend zu einem Seminar „Anträge klug gestalten“. – Danke.
Vielen Dank, Herr Kollege Yetim. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Schäffer.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nordrhein-Westfalen ist ein Einwanderungsland, und davon profitieren wir alle, und zwar nicht nur wirtschaftlich, sondern vor allen Dingen als demokratische Gesellschaft. Wir Grüne verstehen Zuwanderung als Bereicherung, nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen und nicht nur dann, wenn wir einen demografischen Wandel haben und es einen Fachkräftemangel gibt. Vielmehr begreifen wir Zuwanderung als Chance für eine pluralistische Gesellschaft, und das unterscheidet uns von der CDU.
Wie Sie alle wissen, war am Dienstag der Internationale Roma-Tag, der von vielen genutzt wurde, um auf die Stigmatisierung und die Diskriminierung der Roma, die nach wie vor vorhanden sind, hinzuweisen.
Leider enthalten auch die Anträge der CDU Formulierungen, in denen gerade Roma als besondere Gruppe im Kontext von Armut und Zuwanderung herausgegriffen werden. Warum ist es eine eigene Herausforderung, wenn Unklarheit darüber besteht, wie viele Zugewanderte aus Bulgarien und Rumänien Roma sind? Ich frage Sie: Wofür ist das überhaupt relevant? Was, bitte schön, verstehen Sie unter „Roma-Biographien“ und „die kulturelle Prägung von Roma“? Ich finde solche Aussagen problematisch und in der aktuellen gesellschaftlichen Stimmungslage auch ein Stück weit gefährlich.
Sie schreiben in Ihrem Antrag, es bestehe die Gefahr, dass die Armutsmigration von Rechtspopulisten als billige Stimmungsmache missbraucht werden könnte. Das ist richtig, wenn man sieht, was die rechtsextremen Parteien jetzt machen und auch – nicht nur zu Kommunalwahl – schon in den letzten Monaten und Jahren gemacht haben: wie sie eine menschenverachtende Hetze gegenüber Zuwanderern betreiben. Wenn wir uns angucken, wer am 1. Mai in Duisburg wieder aufmarschieren wird, wissen wir, dass Rechtsextreme Hetze betreiben.
Aber wissen Sie, unter welchem Slogan PRO NRW momentan in Nordrhein-Westfalen auftritt? – Mit dem Slogan „Wer betrügt, der fliegt“. Das zeigt auch, dass wir hier als Parlament – als Abgeordnete und Politiker – eine Verantwortung dafür haben, wie wir mit dem Thema umgehen und welche Begriffe wir prägen. Deshalb appelliere ich an die CDU, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und mit den Forderungen nach Abschiebungen und Kindergeldkürzungen aufzuhören.
Wir Grüne – ich denke, das kann ich auch für viele andere in diesem Parlament sagen – stehen hinter den Werten der Solidarität und der Freizügigkeit für
alle Bürgerinnen und Bürger in der Europäischen Union, und wir wehren uns vehement gegen Forderungen nach Abschiebung. Stattdessen brauchen wir Integrationsangebote, und wir brauchen Zugänge zum Arbeitsmarkt und zum Gesundheitssystem für Zugewanderte.
Es kann nicht sein, dass Sie immer wieder eine bestimmte Gruppe herausgreifen, wenn es darum geht, dass man die Voraussetzung für die Gewährung von Freizügigkeit überprüfen muss; denn Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien haben genauso das Recht, hier zu leben und zu arbeiten, wie Menschen aus Spanien, aus Schweden und auch aus Griechenland, und das ist auch gut so.
Was das Kindergeld angeht, möchte ich festhalten, dass Bürgerinnen und Bürger der EU mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland einen Anspruch auf Kindergeld haben. Dafür müssen die Kinder nicht selbst in Deutschland leben.
Wenn Sie jetzt bürokratische Hürden für die Auszahlung von Kindergeld fordern, machen Sie das insbesondere auf dem Rücken der Kinder, und das halte ich für falsch.
Richtig ist – das muss man auch ansprechen –, dass wir Herausforderungen haben, die es gemeinsam mit den Menschen zu bewältigen gilt. Gestern haben wir hier das Gesetz zur Neuregelung des Wohnungsaufsichtsrechts beschlossen. Das ist ein erster wichtiger Schritt, um die derzeitige Wohnsituation zu verbessern.
Frau Kollegin Schäffer, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche. Herr Kollege Biesenbach würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.
Frau Kollegin Schäffer, wir erleben es häufig, dass Sie uns erst in nachträglichen Gesprächen verstehen. Deswegen will mithilfe einer Frage eines sicherstellen: Wenn es um Kindergeld geht und wir feststellen lassen wollen, ob antragstellende Eltern in Deutschland wohnen und ob die Kinder, die angemeldet werden, ihre eigenen sind, halten Sie das für unsinnig?
Ich halte es für problematisch, dass Sie diese Forderung immer genau auf eine bestimmte Gruppe fokussieren, genauso wie Sie es bei den Abschiebungen machen.
Das halte ich für stigmatisierend, und das halte ich in der aktuellen Situation wirklich für schwierig, insbesondere fünf Wochen vor der Kommunalwahl. Wir haben bereits das ressortübergreifende Handlungskonzept. Ich finde, es sind die richtigen Schritte, die wir hier gehen. Wir sollten darüber in der Diskussion bleiben. Ich würde mir wünschen, dass wir es im Parlament schaffen, gemeinsam darüber zu diskutieren, und dass nicht – wie gesagt, fünf Wochen vor der Wahl – Einzelne mit solchen Anträgen und Forderungen ausscheren. – Vielen Dank.