Protocol of the Session on January 29, 2014

(Heiterkeit und Beifall von den GRÜNEN)

Lieber Armin Laschet, ich will ganz konkret werden, weil dann deutlich wird, warum wir an den Eckpunkten arbeiten müssen: Unsere Stadtwerke Aachen haben, nachdem im Land – Minister Wittke ist zitiert worden – 5 Jahre lang eine Blockade geherrscht hat, im Vertrauen auf das, was wir vereinbart haben, angefangen zu investieren. Unsere Stadtwerke Aachen sagen uns jetzt: 240 Millionen €, die dieses Jahr verbaut werden könnten und woran wir vier Jahre lang gearbeitet haben, stehen auf der Kippe, wenn die Eckpunkte umgesetzt werden.

In den Eckpunkten stehen nämlich Sachen, die nicht Gegenstand der Verhandlungen waren. Wer schreibt, am 22. Januar müsse die Genehmigung vorliegen, der weiß eigentlich genau, dass das nicht machbar ist. Wir können gegenüber den Akteuren nicht so kurzfristig handeln. Das, was im Kreis Aachen die 240 Millionen € sind, sind im Kreis Steinfurt rund 400 Millionen €.

Das heißt, wenn man mit denjenigen fair umgeht, die so einen Vorlauf in Kauf nehmen und auch wissen, dass die Vergütungen in Zukunft sinken werden und auch nach unten angepasst werden müssen, dann sage ich als Grüner nicht Nein. Das ist völlig klar. Dann muss man diesen Vertrauensschutz aber auch gewährleisten.

Josef Hovenjürgen weiß das ganz genau, Hubertus Fehring weiß das auch. Hubertus, wir haben euch im Raum Höxter besucht. Ihr macht das genauso. Wir haben alle Kommunen, alle Stadtwerke aufgefordert, tätig zu werden, und mit denen müssen wir sorgfältig umgehen.

Ich will an der Stelle weiter fachlich argumentieren. Man kann mit einem atmenden Deckel die Fotovoltaik eingrenzen.

(Zuruf: Was ist das?)

Atmender Deckel bedeutet, dass die Neubauleistung, die pro Jahr für den Zubau gewährt wird, limitiert wird. Das kann man bei PV machen. Denn wenn sich jemand entscheidet, eine PV-Anlage zu betreiben, dann bestellt er diese Anlage, und dann wird diese sechs Wochen später auf seinem Dach installiert; wenn es eine größere Anlage ist, dauert es drei Monate.

Bei Windkraftanlagen – das wissen wir alle aus den Kommunen – dauert der Vorlauf aber vier Jahre; beispielsweise müssen über eine Vegetationsperio

de Risiken und Schäden für die Natur beobachtet werden. Außerdem sind Planungsvorläufe und kommunale Mehrheiten nötig. Schließlich wollen wir die kommunale Autonomie an der Stelle nicht antasten, und diese entscheidet, ob sie Standorte ausweist. Insofern sind mehrere Jahre Vorlauf nötig, und daher kann man auch nicht mit einem atmenden Deckel operieren. Josef, du weißt das ganz genau, schließlich bist du bei dir in der Gegend tätig.

Also, wenn das Grundziel darin besteht – und dieses Ziel hat die Große Koalition –, die Erneuerbaren weiter auszubauen – jetzt könnte ich als Grüner wieder 5 % mehr fordern –, dann darf man nicht gleichzeitig Bedingungen schaffen, die es handelnden Akteuren unmöglich machen, ihre Pläne umzusetzen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Keine landwirtschaftliche Genossenschaft, kein Bürgerwindpark kann über vier Jahre im Vorlauf planen, mehrere Hunderttausend Euro in die Hand nehmen und Fachprüfungen machen, wenn dann mit einem atmenden Deckel argumentiert und gesagt wird, dass nicht sicher ist, was sie in vier Jahren bekommt. Dann findet man auch keine Bank, die sich an einer Finanzierung beteiligt. Insofern sind das ganz konkrete Punkte, die – das akzeptiere ich – nicht Gegenstand der Koalitionsverhandlungen waren, die aber in den Eckpunkten stehen und bei denen wir daher nachbessern und nachverhandeln müssen.

Darüber hinaus wissen wir alle: Ein Koalitionsvertrag ist das eine, die konkrete Ausgestaltung ist das andere. Dass wir bestimmte Punkte etwas anders sehen oder etwas stärker in den Blick nehmen als unser Koalitionspartner, ist völlig nachvollziehbar. Mir wäre es ja lieb, wenn CDU und FDP beide ganz konkret bezüglich der jeweiligen Punkte argumentieren würden. Dann könnten wir darüber streiten. So müssen wir es alleine regeln. Wir haben es in Nordrhein-Westfalen geregelt und die Blockade aufgebrochen.

Ich bin zuversichtlich – jedenfalls noch jetzt; denn ich weiß, dass unsere Ziele im Koalitionsvertrag klar beschrieben sind –, dass wir es auch im Diskurs mit Berlin schaffen werden, dafür zu sorgen, dass die Entwicklung hier in Nordrhein-Westfalen nicht abgebrochen, sondern weitergeführt wird. Das wird unsere Arbeit sein, und wir werden genauso weiterarbeiten wie bisher.

Deshalb kann ich sagen: Die Koalitionsvereinbarung in Berlin ist die Grundlage. Die Eckpunkte sind vorgelegt. Es gibt viel größere Probleme, die vor uns liegen; beispielsweise die Marktgestaltung und den Punkt, Speicher in den Markt zu bringen. Aber nach vier Jahren der Agonie ist das wenigstens ein Schritt nach vorne, über den man diskutieren kann. Der Rest obliegt unserer Arbeit hier in Nordrhein

Westfalen, und ich bin ganz zuversichtlich, dass wir da noch etwas hinbekommen. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Priggen. – Für die Piraten spricht der Kollege Schmalenbach.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Lindner, Sie haben gerade gesagt, NordrheinWestfalen sei Nettoverlierer beim EEG. Und ich stelle mir die Frage, ob das nicht vielleicht daran liegt, dass die vorletzte, nämlich schwarz-gelbe Regierung in NRW den Ausbau der Erneuerbaren stark vermindert hat. Ich glaube, dass die Rechnung dann aufgeht, wenn wir darin investieren und die Anlagen hier stehen.

Ich würde in dem Zusammenhang gerne über Nordrhein-Westfalen reden. Denn Nordrhein-Westfalen ist Energieland Nummer eins, und das soll aus unserer Sicht auch so bleiben. Historisch ist diese Rolle zweifellos dem Kohlebergbau im Ruhrgebiet und am Niederrhein zu verdanken. Er hat einen wesentlichen Anteil am Aufbau der Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland gehabt. Zu Recht konnten die Menschen damals stolz auf diesen Beitrag sein.

Aber wir alle wissen: Der Steinkohlebergbau wird 2018 enden. Was bleibt, ist der Braunkohlebergbau. Ihm und dem damit verbundenen Kraftwerk ist es zu verdanken, dass NRW auch einen anderen Spitzenplatz hält. Denn NRW ist Nummer eins bei den CO2-Emissionen, die allein 2013 mit rund 300 Millionen t Kohlendioxid etwa ein Drittel des gesamten Ausstoßes in Deutschland ausmachen. Wenn das der Preis dafür ist, Energieland Nummer eins zu sein, dann ist er zu hoch – viel zu hoch für unser Klima, viel zu hoch für unserer Zukunft.

(Beifall von den PIRATEN)

Vor diesem Hintergrund muss diese Debatte geführt werden. Anhand der Steinkohle sehen wir, wie schwierig es ist, den Strukturwandel zu gestalten, und dass es richtig ist, ihn aktiv, am besten proaktiv zu begleiten.

Wer fordert, den notwendigen unvermeidlichen Wandel dem Markt zu überlassen, der beweist, dass ihm Menschen, Arbeitsplätze und Klimaschutz gleichgültig sind.

(Beifall von den PIRATEN)

Es ist die Aufgabe der Politik, hier einzugreifen und die Anpassungsprozesse zu gestalten. Zweifellos muss die Regierung hierbei geschlossen handeln. Der Umweltminister darf nicht „hü“ sagen, während der Wirtschaftsminister „hott“ ruft.

Auch wir vermissen eine klare Linie. Diese muss aber vor allem auf den Ausbau der im Land verfüg

baren Potenziale von Wind- und Sonnenenergie ausgerichtet sein. Sie darf nicht zulassen, dass von Berlin aus gebremst wird.

Die Regierungschefin ist gefordert; denn sie kann Einfluss auf den Bundesrat und die Ministerpräsidentenkonferenz nehmen. Nur sollte sie nicht den Fehler machen, sich zur Lobbyistin der Braunkohle zu machen. Ebenso wie bei der Steinkohle ist hier ein geregelter Ausstieg weit früher als 2045 notwendig. Wir denken, der beste Weg dazu ist ein Braunkohleausstiegsgesetz, das Klarheit für alle Betroffenen schafft und die Grundlage für aktive Gestaltungen des Prozesses bildet.

Die Industrie- und Wirtschaftskultur unseres Landes unterliegt dem Wandel. Wer sich gegen ihn stellt, der wird keinen Erfolg haben. Die CDU sollte heute begriffen haben, wie falsch es war, den Ausbau der Windkraft im Land während ihrer Zeit in der Regierung aus populistischen Gründen zu behindern. Die SPD sollte heute begreifen, dass die Braunkohle auf Dauer nicht zu halten ist. Und die Grünen sollten sich erinnern, wofür sie in NRW einmal standen.

(Beifall von den PIRATEN)

Ja, die gemeinsame Strategie ist wichtig, aber sie muss in die Zukunft gerichtet sein und darf nicht die Vergangenheit konservieren wollen. Die Zukunft gehört den Erneuerbaren.

Dezentrale Strukturen müssen auch durch den Netzausbau ermöglicht werden. Auch hier gilt: Es dürfen keine Planungen umgesetzt werden, die heute schon nicht mehr der Realität entsprechen. Hierzu behandeln wir nachher noch einen Antrag im Plenum; ich hoffe, dass Sie diesem zustimmen werden.

Beim Netzausbau und beim Bau von Speichern ist auch das Know-how der Netzbetreiber gefragt. Stadtwerke können wesentliche Anteile an der Energieversorgung der Zukunft zurückgewinnen. So können auch Arbeitsplätze erhalten oder geschaffen werden. Zu der Strategie muss auch ein neues Strommarktdesign gehören, das vor allem eine gerechte Verteilung der Kosten gewährleistet.

Wenn sich mittlerweile die energieintensive Industrie in Holland bei der eigenen Regierung beklagt, dass der Strom für die Wettbewerber in Deutschland viel günstiger sei, dann sollten zwei Dinge klar sein: Das Marktdesign passt nicht mehr zur veränderten Wirklichkeit, und es gibt keinen Grund für die viel zu weit gehende Befreiung von der EEGUmlage für Deutschlands Großverbraucher.

(Beifall von den PIRATEN)

Statt an dieser Stelle immer weiter so lange in die falsche Richtung zu steuern, bis die EU die Notbremse zieht, sollte die Landesregierung auch hier endlich zu einer vernünftigen Linie finden, die sie konsequent auf allen Ebenen vertritt. Dann wird auch die Forderung nach einem gleichseitigen Drei

eck aus Bezahlbarkeit, Versorgungssicherheit und Klimaverträglichkeit bei der Energieversorgung

glaubwürdig. Und glaubwürdig will unsere Regierung doch sicher sein. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schmalenbach. – Für die Landesregierung spricht die Ministerpräsidentin.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, ob uns die Debatte wirklich weiterbringt. Das ist ein zu wichtiges Thema, als dass wir auf der Ebene verharren, die ich hier insbesondere vonseiten der FDP wahrgenommen habe, nämlich zu schauen, wie man den Spaltpilz zwischen Rot und Grün säen kann. Ich glaube, es ist deutlich geworden, dass das nicht gelingen wird.

Das Thema ist für Nordrhein-Westfalen enorm wichtig. Ich wurde nach dem Zeitplan gefragt. Er ergibt sich aus dem Gesetzgebungsprozess.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Lieber Herr Lindner, machen Sie sich keine Sorgen: Am 20. Januar waren die Ministerpräsidenten schon im Gespräch mit Herrn Gabriel. Es ist und bleibt Chefsache, auch wenn Ihnen das nicht in den Kram passt.

Denn eines muss man auch sagen: Den Spagat bekomme ich noch hin, Herr Lindner, aber ob Sie mit dem Kopf über die Reckstange kommen, weiß ich noch nicht.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Also, es ist sinnvoll, das EEG zu reformieren. Wir haben lange genug darauf gewartet. Deutschland muss die Spitzenposition behalten; auch das steht außer Frage. Deutschland ist Vorreiter. Wir sind stolz darauf. 25 % des im Industrieland Deutschland verbrauchten Stroms stammen zwar aus erneuerbaren Energien, aber klar ist auch, dass wir nachjustieren müssen, um die Funktionsfähigkeit des Gesamtsystems nicht zu gefährden,

(Hanns-Jörg Rohwedder [PIRATEN]: Wie denn?)

die Kosten für die Verbraucher und die Wirtschaft im Griff zu behalten. Außerdem müssen wir wieder ein Gleichgewicht zwischen den drei Seiten des Dreiecks „sicher“, „sauber“ und „bezahlbar“ herstellen. Nur so – davon sind wir zutiefst überzeugt – können wir die Akzeptanz der Energiewende auf Dauer sichern.