Protocol of the Session on January 29, 2014

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine Damen und Herren! Wir reden über Fair Play im Sport. Deshalb möchte ich Frau Kollegin Paul und Herrn Kollegen Bischoff danken, dass sie dieses Thema in den Landtag einbringen. Ich kann vorwegnehmen, dass wir Ihrem Antrag am Ende zustimmen werden, weil er richtig ist und weil er wichtig ist.

Allerdings gibt es durchaus Kritikpunkte an dem Antrag, und auf diese möchte ich zu Beginn eingehen.

Zum einen – das hatte ich dem Kollegen Bischoff gerade bereits zugeworfen – kommt der Antrag viel zu spät. Mit der Thematik haben wir es im Prinzip spätestens seit August letzten Jahres zu tun, da die Sportwelt genau weiß, was mit den Olympischen Spielen in Sotschi auf sie zukommt. Daher wäre es schön gewesen, wenn wir schon zum damaligen Zeitpunkt über diesen Antrag geredet hätten. Selbstverständlich hätten auch wir Piraten ihn einbringen können. Das haben wir genauso wenig gemacht. Ich wollte es einfach einmal erwähnen. Denn eine Woche vor Sotschi klingt natürlich schon eine gehörige Prise Populismus mit.

(Volker Jung [CDU]: Ach nee!)

Ich hätte mir gewünscht – es ist ein bisschen schade, dass das jetzt so gelaufen ist; vielleicht ist das auch der Kürze der Zeit geschuldet –, dass wir als Landtag Nordrhein-Westfalen in dieser wichtigen Debatte tatsächlich ein gemeinsames Statement abgegeben hätten. Das kriegen wir aber nicht mehr hin. Wir stimmen den Antrag direkt ab. Das ist auch logisch. Denn die Olympischen Spiele in Sotschi können wir nicht mehr verschieben. Aber wir hätten diesen Antrag früher einbringen sollen. Ich glaube, dass wir auch die CDU und die FDP auf den richtigen Weg gebracht hätten, der in einigen Punkten sicherlich derselbe ist. Aber das ist leider nicht er

folgt. Insofern ist es schade, dass wir „nur“ den rotgrünen Antrag haben.

Im Antrag steht, dass die Landesregierung handeln soll. Ich würde gleich gerne von der Landesregierung hören, was denn dann morgen passiert. Der Antrag wird vermutlich gleich mit Regierungsmehrheit und unserer Zustimmung angenommen werden. Ich bin schon gespannt, wie die konkrete Handlung der Landesregierung aussieht. Was tut die Ministerin morgen? Wird der Außenminister angerufen, um sich noch einmal dafür einzusetzen? Oder was passiert tatsächlich? – Ich bin sehr gespannt auf die Antworten. Gucken wir einmal, was passiert.

Wir Piraten finden es natürlich gut, wenn Politiker gegen Diskriminierung kämpfen. Diskriminierung in jeglicher Form ist zu verurteilen. Herr Kollege Lürbke hatte gerade schon gesagt: Wenn sich Sportler hier in Nordrhein-Westfalen bzw. in Deutschland outen, ist es etwas Besonderes. – Ich finde es schade, dass es etwas Besonderes ist. Wenn sich Hitzlsperger als schwul outet, dann ist es meiner Meinung nach eine Frechheit, dass wir tagelang nichts anderes in der Presse lesen, außer dass sich ein Fußballer geoutet hat und sagt: Hey, ich bin homosexuell. – Wo ist das Problem? Das sollte selbstverständlich und überhaupt nicht erwähnenswert sein.

Viel schlimmer ist allerdings der Zustand in Russland. Frau Kollegin Paul hat bereits Putin zitiert. Ich nehme noch den Bürgermeister von Sotschi, Pachomow, dazu. Er sagt, in Sotschi gebe es keine Homos. Natürlich gibt es die nicht. Er wird sicherlich recht haben. Was ist das für ein Vogel?!

(Heiterkeit und Beifall von den PIRATEN)

Die Olympische Charta ist auch schon angesprochen worden. Wir als Piraten sind der Meinung, dass Sportler, sofern sie irgendwo auftreten oder auf der Bühne stehen, gerade aufgrund ihrer exponierten Rolle die Pflicht haben, auf politische oder gesellschaftliche Missstände hinzuweisen.

(Volker Jung [CDU]: Aber nicht während der Wettkämpfe!)

Gerade Spitzensportler sollten sich immer äußern dürfen, weil es ihr verdammtes Recht ist. Menschen müssen Missstände aufzeigen können, egal wo, weil es eben ihr Recht ist. Wenn Sportler – ich sagte es gerade – dafür ihre Bühne nutzen, wenn Sportler auf einem Podium stehen und beispielsweise eine Goldmedaille bekommen, dann sollten sie das auch dort tun.

Es gibt viele Beispiele aus der Vergangenheit dazu, etwa Carlos und Smith 1968 in Mexiko, die entsprechend ihre Unterstützung gezeigt haben. Das ist für uns unterstützenswert. Und die Vergangenheit zeigt immer wieder: Wenn Sportler das getan haben, sind sie in dem Moment dafür abgestraft worden. Später,

in der Zukunft, ist ihnen das jedoch irgendwann honoriert worden. So war es auch bei Carlos und Smith, die 2008, also 40 Jahre später, den Arthur Ashe Courage Award dafür bekommen haben.

Ich hatte eingangs gesagt, wir werden dem Antrag zustimmen. Wir haben die Bedenken, dass der Antrag zu diesem Zeitpunkt reiner Populismus ist. Trotz der Tatsache, dass wir das Thema nicht weiter im Landtag beraten, werden wir zustimmen.

Wir Piraten wollen eine Sportwelt, an der jeder teilhaben kann – egal, ob er Mann, Frau oder transsexuelles Eichhörnchen ist, egal, mit welcher Sexualität er lebt. Wir wollen eine Gesellschaft, in der jeder teilhaben kann.

Wir leben in diesem Parlament sachorientierte Entscheidungen vor. Deswegen stimmen wir Ihrem Antrag zu. – Vielen Dank dafür.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Düngel. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Schäfer.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die olympische Idee ist mit dem Wertekanon der Menschenrechte eng verbunden. So lautet eines der fundamentalen Prinzipien der olympischen Bewegung, die Teil der Olympischen Charta sind:

Das Sporttreiben ist ein Menschenrecht, und jedem Menschen soll der Zugang zum Sport ermöglicht werden, und zwar ohne Diskriminierung, im gegenseitigen Verständnis, im Geist der Freundschaft, der Solidarität und des Fair Play.

Es ist gut, dass diese Grundüberzeugung in dem vorliegenden Antrag heute im Vorfeld der Olympischen Winterspiele in Sotschi noch einmal deutlich von diesem Landtag bekundet wird.

Und, Herr Jung, es geht in diesem Antrag um die Menschenrechte. Es geht nicht um den Eingriff in die Autonomie des Sports, wie Sie es missinterpretiert haben.

(Beifall von der SPD – Volker Jung [CDU]: Das steht auch drin!)

Die Menschenrechte – und das ist elementar – sind allumfassend. Sie sind in der Charta der Vereinten Nationen, in der Olympischen Charta, im Grundgesetz und in den Landesverfassungen festgeschrieben.

2013 – darauf ist schon mehrfach verwiesen worden – wurde im Rahmen der Weltsportministerkonferenz die Berliner Erklärung verabschiedet, in der die Menschenrechte auch in Bezug auf Sportgroß

veranstaltungen für unverzichtbar erklärt werden. Und hieraus ergibt sich auch der Zusammenhang mit der Bundesregierung. Denn die Bundesregierung hat diese Berliner Erklärung maßgeblich vorbereitet.

Aus diesen Festlegungen leitet sich der klare Auftrag ab, für diese Grundüberzeugungen einzutreten. Die strikte Beachtung der Menschenrechte und damit auch die Wahrung demokratischer Prinzipien sind absolut unverzichtbar.

Den internationalen Sportverbänden kommt hier natürlich eine besondere Verantwortung zu. Sie müssen die elementaren Grundsätze der modernen Olympischen Spiele glaubwürdig vertreten und deren Einhaltung einfordern. Im Zentrum steht dabei immer die Friedensidee, die den Frieden sowohl nach außen als auch nach innen umfasst.

Eines sollte auch noch betont werden: Der Sport wird niemals in der Lage sein, internationale und gesellschaftliche Fehlentwicklungen zu beheben. Das ist auch nicht seine Aufgabe. Der Sport ist aber in besonderer Weise in der Lage, Verbindungen zwischen Völkern, Nationen, den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppen und den Generationen herzustellen.

Die Sportverbände und den Sport insgesamt dabei zu unterstützen, dafür ist dieser Antrag zum jetzigen Zeitpunkt ein richtiger und wichtiger Beitrag als deutliches Zeichen für die Einhaltung der Menschenrechte im Sport und für den diskriminierungsfreien Sport. Insofern, Herr Lürbke, empfinde ich es als eine böswillige Missinterpretation, wenn Sie diesen Antrag als einen Boykottaufruf bezeichnen.

(Beifall von der SPD)

Das ist wirklich eine böswillige Missinterpretation.

Für die Landesregierung möchte ich noch einmal sagen, dass wir ganz klar für ein gesellschaftliches Klima des Respekts und der Toleranz eintreten. Denn Sie wissen: Wir haben in Nordrhein-Westfalen einen „Aktionsplan für Gleichstellung und Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt – gegen Homo- und Transphobie“. Wir treten mit diesem Aktionsplan für die Menschenrechte aller ein, und in diesem Sinne werden wir das Thema auch hier in Nordrhein-Westfalen weiter diskutieren.

Wenn der Antrag heute abgestimmt wird, muss das nicht heißen, dass das das Ende einer gesellschaftspolitischen Debatte ist, bei der die Menschenrechte in den Mittelpunkt gestellt werden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin Schäfer. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit schließe ich die Aussprache zu

Tagesordnungspunkt 8, und wir kommen zur Abstimmung.

Die antragstellenden Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben direkte Abstimmung beantragt. Diese führen wir jetzt über den Inhalt des Antrags Drucksache 16/4808 durch. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Piraten, die SPD und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Niemand. Wer möchte sich enthalten? – CDU und FDP. Damit ist mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis der Antrag Drucksache 16/4808 angenommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 8 und rufe auf:

9 Die Demokratie verteidigen im digitalen Zeital

ter – Aufruf der Schriftsteller anerkennen

Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/4814

Änderungsantrag der Fraktion der SPD, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/4895

Entschließungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/4903

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion der Piraten Herrn Kollegen Schwerd das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Am 9. Dezember des vergangenen Jahres protestierten über 1.000 Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus der ganzen Welt in einer gemeinsamen Erklärung gegen die systematische Überwachung unserer Kommunikation durch Geheimdienste wie die amerikanische NSA. Die Schriftsteller rufen Menschen und Regierungen aller Länder auf, die Demokratie auch im digitalen Zeitalter zu verteidigen. Sie fordern hierfür unter anderem eine verbindliche internationale Konvention digitaler Rechte.

Eine entscheidende Passage des Aufrufs lautet – ich zitiere das gerne –:

„Eine der tragenden Säulen der Demokratie ist die Unverletzlichkeit des Individuums. Doch die Würde des Menschen geht über seine Körpergrenze hinaus. Alle Menschen haben das Recht, in ihren Gedanken und Privaträumen, in ihren Briefen und Gesprächen frei und unbeobachtet zu bleiben. Dieses existenzielle Menschenrecht ist inzwischen null und nichtig, weil Staaten und

Konzerne die technologischen Entwicklungen zum Zwecke der Überwachung massiv missbrauchen.“