Dann ist Gelegenheit, das hier – aber bitte breiter als Block I – zu debattieren. Wir sollten das dann nicht mit Anträgen machen, sondern gemeinsam überlegen: Was können wir denn tun für die Menschen, die in Nordrhein-Westfalen sind? Wir lösen nicht die Probleme in der Außenpolitik. Aber wir ändern die Lebenssituation der Menschen, die bei uns sind.
Der Gesetzentwurf der Landesregierung enthält unbestritten drei Aspekte: eine Entlastung der Kommunen mit zentralen Asylunterkünften, Veränderungen bei Landeszuweisungen an Kommunen aufgrund veränderter Rechtsprechung und die Beseitigung von Rechtsunsicherheit über das Fortbestehen der Zuweisungsentscheidungen.
Die hehren Vorgaben, die der Minister hier angesprochen hat, finde ich darin nicht wieder. Denn, Herr Minister Jäger, Sie schieben ein Stückchen nach, lassen die Kommunen aber dennoch alleine bei den Dingen, die wirklich wichtig sind. Die Änderungen, die Sie vorschlagen, greifen für die Städte und Kommunen zu kurz. Drängende Probleme werden nicht gelöst, etwa das Problem der uneinheitlichen Praxis bei der Übernahme der Krankheitskosten und Krankenkosten überhaupt. Mit der Kostenpauschale lösen Sie diese Nöte nicht; denn wir haben manchmal Kosten bis zu 100.000 €.
Wir werden sicher während der Debatte Gelegenheit haben, darüber zu diskutieren, ob und in welcher Situation wir ändern oder vielleicht auch differenzierter anbieten wollen. Auch die Landesregierung wird Gelegenheit haben, Vorschläge hierzu einzubringen.
Wir werden aber ebenfalls – vielleicht nicht nur im Zusammenhang mit diesem Gesetzentwurf – darüber zu diskutieren haben: Wie soll denn mit Menschen umgegangen werden, die hier in NordrheinWestfalen sind? Denn dafür haben wir die Verantwortung. Die Flüchtlingsunterbringung, die Verbesserung der Betreuung, die soziale Beratung und Betreuung und die Umsetzung der Schulpflicht – das wären Themen, die wir originär hier lösen könnten.
Wenn der Antrag der Piraten vielleicht auslöst, dass wir darüber einmal ernsthaft reden, hätte das einen zweiten entscheidenden Schub, der Menschen auch helfen würde.
Ich biete ausdrücklich für meine Fraktion an, bei der Suche nach Antworten helfen zu wollen. Das müssen wir nicht in einzelnen Anträgen machen, sondern wir müssen gemeinsam überlegen: Was kann wirklich getan werden?
Wenn wir das als zweites Ergebnis heute festhalten und erreichen können, dann, glaube ich, haben wir dem Thema ein Stück zum Erfolg verholfen, was dem Thema auch angemessen ist. Vielleicht kriegen wir das hin abseits aller politischen Unterschiede.
Vielen Dank, Herr Biesenbach. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich Frau Kollegin Düker das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Biesenbach, in einem Punkt muss ich Ihnen heute ausnahmsweise mal recht geben: Das wichtige Thema „Flüchtlingspolitik“ verlangt tatsächlich, auch etwas mehr in der Breite diskutiert zu werden. Ich würde mir auch wünschen, dass wir das öfter tun. Denn in der Tat ist das eine gesellschaftliche Herausforderung, die da vor uns liegt.
45 Millionen Menschen, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind derzeit weltweit auf der Flucht vor Krieg, Naturkatastrophen oder Vertreibung, Tendenz steigend, Höchststand seit 20 Jahren.
Der Krieg in Syrien wird dazu führen, dass bis zum Ende des Jahres allein 10 Millionen Syrerinnen und Syrer Flüchtlinge im eigenen Land oder im Ausland sein werden.
Die Prognose des Bundesamtes für Migration und Flucht sagt, dass wir in Deutschland zum Jahresende wahrscheinlich die 100.000er-Marke überschreiten, das heißt zum Jahresende mehr als 100.000 Erstanträge auf Asyl in Deutschland haben werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Katastrophe von Lampedusa mit mehr als 300 ertrunkenen Flüchtlingen hat die Asyldebatte wieder ins Licht der Öffentlichkeit gerückt.
Diese Katastrophen im Mittelmeer offenbaren die Mängel der europäischen Asylpolitik und vor allen Dingen die Unfähigkeit der Innenminister der Europäischen Union, daran etwas zu ändern. Kürzlich trafen sich die EU-Innenminister in Luxemburg. Und was ist dabei herausgekommen? Nichts. Es wird weiter an dem Verschiebebahnhof mit Namen Dublin-II-Verordnung festgehalten, den wir in Europa haben. Das heißt, dort, wo die Flüchtlinge einreisen, sollen sie ihren Asylantrag stellen und bitte schön auch bleiben. Nur: Die EU-Innenminister haben
noch nicht gemerkt, dass dieses System inzwischen kollabiert ist. Die EU-Asylpolitik ist gescheitert. Und der EU fehlt derzeit die Kraft, etwas nach vorne zu verändern.
Beispiel: Frontex, die EU-Grenzschutzagentur. Es ist mittlerweile mehrfach durch Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bestätigt, dass hier gegen Menschenrechte verstoßen wird, weil Flüchtlinge von ihrem Anspruch, ihre Rechte wahrzunehmen, abgehalten werden.
Beispiel: Verteilung Dublin II. Das funktioniert doch alles nicht mehr. Rücküberstellungen aus Deutschland werden inzwischen aufgrund der Situation in den Flüchtlingsaufnahmeeinrichtungen in Italien, Polen oder anderswo gerichtlich gestoppt.
Beispiel: Aufnahmequoten. Deutschland nimmt 5.000 Syrerinnen und Syrer auf. Andere Länder machen sehr viel weniger; das ist schade. Auch hier gibt es eine völlig unabgestimmte bzw. nicht vorhandene europäische Politik.
Beispiel: Gesteuerte Zuwanderung. Völlige Fehlanzeige, eine gemeinsame europäische Arbeitsmigration mit legalen Zugangsmöglichkeiten zu Europa zu erreichen!
Von den 45 Millionen Flüchtlingen weltweit landen in diesem Jahr wahrscheinlich 100.000 in Deutschland. Herr Innenminister Friedrich hält das für eine Katastrophe. Ich halte es für eine Katastrophe, dass Herr Innenminister Friedrich in Deutschland solche Sätze sagt.
Auf 1.000 Einwohner gerechnet liegt Deutschland in der Europäischen Union mit diesen Aufnahmen auf Platz 10 und nicht auf Platz 1.
Von den genannten 100.000 entfallen round about 20.000 auf Nordrhein-Westfalen. Von Januar bis August 2013 gab es fast 14.000 Erstanträge in NRW – bei 18 Millionen Einwohnern. Äußerungen wie Asylfluten oder -überschwemmungen – oftmals werden ja Naturkatastrophen als Bild für die Asyleinwanderung genommen – sind hier völlig fehl am Platze.
Aber wir müssen uns dieser Herausforderung stellen. Das ist völlig richtig; das ist eine Herausforderung. Wir haben auch reagiert. Im Haushalt 2014 – der Minister hat es dargestellt – werden im Asylkapitel insgesamt über 200 Millionen € bereitgestellt, also 67 Millionen € mehr als im Vorjahr,
um den Kommunen vor allen Dingen bei der Unterbringung und bei der Versorgung unter die Arme zu greifen. Ich finde, das ist ein faires Angebot an die Kommunen. Wir lassen sie hier nicht im Stich.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie steht es denn vor Ort mit der Willkommenskultur, die immer im Mund geführt wird? Das Ganze ist von einem „Ja, aber …“ geprägt. Die Kommunen sagen: Im Prinzip ja, selbstverständlich, aber bitte nicht vor meiner Haustür und bitte nicht in meiner Stadt. – Richtig ist, die Kommunen sind belastet, für sie ist es schwierig, zusätzliche Flüchtlinge aufzunehmen. Aber bis jetzt haben alle Kommunen, in denen eine Landesaufnahmeeinrichtung eingerichtet werden soll, sehr – um es vorsichtig zu formulieren – ablehnend reagiert,
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird den Kommunen das Angebot gemacht, die Zahl der Flüchtlinge, die in einer Aufnahmeeinrichtung des Landes im Ort aufgenommen werden, mit der Gesamtaufnahmequote für Flüchtlinge zu verrechnen. Das ist ein faires Angebot an die Kommunen.
Auch meine Fraktion erhofft sich von diesem Gesetz, von diesem Angebot eine erhöhte Bereitschaft in den Kommunen unseres Landes, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und Flüchtlingen eine menschenwürdige Unterkunft, eine Willkommenskultur anzubieten. Das wünsche ich mir. – Ich freue mich auf die Debatte im Ausschuss.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister Jäger hat heute, wie ich finde, sehr sachlich und sehr vernünftig ausgeführt. Das kann man auch seitens der Opposition durchaus zugestehen.
Es ist aus unserer Sicht auch richtig, dass in diesem Gesetzentwurf die Kommunen mit Erstaufnahmeeinrichtungen und zentralen Aufnahmeeinrichtungen entlastet werden. Da sind wir uns hier im Hause wohl alle einig.
Wir sehen allerdings noch Beratungsbedarf und halten es für problematisch, dass diejenigen Kommunen, die nun im Gegenzug mehr Flüchtlinge aufnehmen, laut Gesetzentwurf keine finanzielle Kompensation dafür erhalten sollen, zumal es sowieso äußerst fraglich ist, ob die Landespauschalen, die der Gesetzentwurf vorsieht, überhaupt ausreichen werden.
Wir sehen hier ein sehr sensibles Feld, in dem hohe Sach- und Fachlichkeit dringend geboten ist. Wir können uns von daher vorstellen, dass es sinnvoll sein könnte, im Ausschuss – auch unter Beteiligung der anderen Ausschüsse – eine Anhörung durchzu
Allerdings muss ich sagen: Es ist schade, dass Sie in einen Antrag mit dieser Bedeutung automatisch eine Forderung nach einem Computerplatz für jeden Flüchtling packen müssen. Das nimmt dem Antrag ein Stück weit die Seriosität. Wer vor Ort mit Flüchtlingen arbeitet und die Einrichtungen kennt, weiß, dass dort nicht ein Computerarbeitsplatz für jeden Flüchtling im Vordergrund steht, sondern dass die Flüchtlinge und die Kommunen bei der Unterbringung weiß Gott andere Sorgen haben.
Herr Kollege, entschuldigen Sie. Lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Herrmann von der Piratenfraktion zu?
Vielen Dank, Herr Stamp, dass Sie die Frage zulassen. – Wo haben Sie gelesen, dass wir einen Computerarbeitsplatz für jeden Flüchtling fordern?
Soweit ich mich erinnere, fordern wir einen Computerarbeitsplatz für je 100 Flüchtlinge in einer Unterbringungseinrichtung, damit sich die Menschen über die Situation in ihrem Heimatland informieren und gegebenenfalls mit ihren Angehörigen zu Hause kommunizieren können. Woher ist die Information, dass wir das für jeden Flüchtling fordern würden?