Protocol of the Session on October 17, 2013

Sämtliche Klagen – 1987 ist das Verfahren begonnen worden – sind gescheitert, bis auf die jetzige Klage des BUND und einer Privatperson vor dem Bundesverfassungsgericht. Das ist ausdiskutiert. Es ist also verantwortbar, es ist gerechtfertigt.

Wenn die Energiewende gelingen soll, dann geht es neben der Frage der Versorgungssicherheit auch um die Frage der Bezahlbarkeit. Die Landesregierung selbst hat ein gerüttelt Maß dazu beigetragen, die wettbewerbsorientierten Gesichtspunkte zu verschlechtern, Herr Minister Duin.

Das Wasserentnahmeentgelt für Kühlwasser wurde von 4,5 auf 5 Cent/m³ erhöht. Das soll jetzt auch für Sümpfungswasser gelten. Die Entscheidung hat das Verwaltungsgericht Arnsberg vor einer Woche wesentlich bemängelt, indem es gesagt hat: Dem Grunde nach kann man das auch auf Sümpfungswasser beziehen, aber doch nicht in dieser Höhe, sondern in einer Höhe von maximal 0,35 Cent/m³. – Das ist noch nicht ausgeurteilt. Aber hier hat die Landesregierung selbst einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Braunkohle zu verschlechtern. Das muss man auch sagen.

Meine Damen und Herren, wem nutzt es, die langfristige Orientierung von Garzweiler infrage zu stellen? Ich kann mir nicht vorstellen – da teile ich die Ansicht meines Kollegen Dietmar Brockes –, dass es RWE selbst gewesen sein soll; dazu fehlt mir die Fantasie. Die Leute da sind nach meiner Kenntnis und Erfahrung, nach meinem Empfinden ganz vorsichtig. Kann es jemand anders sein? – Ja, die Grünen haben eine langfristige Orientierung und sagen: 2030 Schichtende. – Vorsicht an der Bahnsteigkante! Biedermeier und Brandstifter! Hier im Koalitionsvertrag …

(Zurufe von den GRÜNEN: Oh!)

Ja, Leute, ihr müsst euch mal auf der Zunge zergehen lassen, was im Koalitionsvertrag steht und wie im Gegensatz dazu das tägliche Handeln aussieht. Das ist ein Spagat, der auseinanderbricht. Das ist schwierig. Das muss man sich mal vor Augen halten.

(Beifall von der FDP)

Das, was mich dabei umtreibt, ist – das ist der Grund, weswegen ich Politik mache –: Keine Politik mit der Angst der Menschen! Wenn wir vor Ort zündeln und die Menschen weiter in Unruhe versetzen, ihre Lebensperspektive infrage stellen, dann haben sie weniger Lebensfreude und werden eher krank. Das kann man nicht machen, das ist verwerflich! Man muss ihnen eine verlässliche Perspektive aufzeigen.

Diese Verlässlichkeit muss natürlich an die Rahmenbedingungen angepasst werden. Deswegen ist es richtig, bei jeder neuen Umsiedlungsentscheidung nachzufragen: Stimmen die energiepolitischen

Rahmenbedingungen? Das wird ja auch gemacht, siehe Landesplanungsgesetz.

Aber dahinter stehen Menschen, Kollege Priggen. Diese bewusst in Zweifel zu setzen, deren Lebensperspektive infrage zu stellen, das halte ich für unmenschlich, für verwerflich.

Ich teile die Ansicht meines Kollegen Bombis, der in der „Kölnischen Rundschau“ gesagt hat: Ja, wir müssen Klarheit von allen Seiten für alle Seiten schaffen. – RWE hat das deutlich gemacht. Der Minister hätte es eben noch deutlicher sagen können. Vielleicht kann er das in der zweiten Rederunde noch einmal versuchen. Wir müssen den Menschen eine Perspektive aufzeigen. Das heißt, verantwortlich zu handeln, und nicht, die Leute in Angst und Schrecken zu versetzen. – Schönen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Ellerbrock. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Brems.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal frage ich mich, Herr Kufen, wer hier nicht synchron läuft. Für mich ist das eher die CDU. Erst durfte Ihr Wahlkreisabgeordneter die Betroffenheit vor Ort darstellen, dann haben Sie als energiepolitischer Sprecher aber klargemacht, dass alles so weitergehen soll wie bisher, Energiewende hin oder her. Das ist an Scheinheiligkeit kaum zu überbieten.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Werfen wir doch einen Blick zurück. Anfang der 90er-Jahre hat sich die Politik in NordrheinWestfalen mit der Genehmigung zum Tagebau Garzweiler II beschäftigt. Ich saß währenddessen noch im Matheunterricht und habe mich mit den Binomischen Formeln beschäftigt. Deshalb kann ich nicht aus eigener Erinnerung dazu sprechen wie Herr Ellerbrock.

Gucken wir uns die Situation einfach sachlich an. Herr Ellerbrock, Sie sind damals, vor mehr als 20 Jahren, zu einem Ergebnis gekommen. Das ist so lange her. Schauen wir uns doch mal an, wie sich die Welt seitdem verändert hat.

Erster Punkt: Klimaschutz. Klimaschutz stand damals nicht gleichwertig neben der Versorgungssicherheit, wie Herr Schmalenbach es eben schon angedeutet hat. In den 90er-Jahren wurde stark vermutet, dass es den menschengemachten Klimawandel gibt, es gab keinerlei internationale Vereinbarung. Heute ist der menschengemachte Klimawandel zweifelsfrei nachgewiesen. Heute ist klar, dass die deutschen Klimaschutzziele nicht durch eine Effizienzsteigerung von Kraftwerken, sondern durch die Reduzierung der Verbrennung von Kohle und Öl und durch einen konsequenten Umstieg auf

erneuerbare Energien bei der Strom- und Wärmeversorgung und beim Verkehr erreicht werden. Dass wir im Übergang flexibel regelbare Kraftwerke brauchen, ist klar. Aber nur mit einem konsequenten Umstieg auf die erneuerbaren Energien ist dem Klimawandel entgegenzutreten.

Kommen wir zu den harten Fakten, die die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für das Unternehmen RWE verändert haben.

Gucken wir uns doch mal an, wie die Anteile der erneuerbaren Energien Anfang der 90er-Jahre aussahen. Im Bund hatten die erneuerbaren Energien einen Anteil von 3,6 %, in Nordrhein-Westfalen sogar von nur 0,4 %. Im Jahr 2011 – das sind die aktuell belastbarsten Zahlen, die wir haben – lagen wir im Bund bei 20,3 % und in NRW bei 7,7 %; in NRW haben wir noch viel vor uns. Daran sieht man, dass damals noch viel vor uns lag, was man seinerzeit nicht abschätzen konnte. Auch damalige Prognosen zu erneuerbaren Energien, beispielsweise grüne Prognosen, die gerne als Utopie verschrien waren, wurden deutlich übertroffen. All das hat sich in den letzten mehr als 20 Jahren verändert.

Gucken wir uns doch mal den Strommarkt an. Anfang der 90er-Jahre gab es keinen freien Markt, keine Strombörse. Es gab ein staatlich reglementiertes Oligopol und die vier großen Energieversorgungsunternehmen, die die Energieversorgung maßgeblich geprägt haben und in Händen hielten.

Bei den erneuerbaren Energien haben die vier großen Energieversorgungsunternehmen heute

nur noch einen Eigentumsanteil von 6,5 %. Mehrheitlich sind die erneuerbaren Energien in den Händen der Verbraucherinnen und Verbraucher selbst.

Wenn wir all diese Beispiele nehmen, uns einmal kurz rückwärts wenden und schauen, wo wir angefangen haben und im Vergleich dazu heute stehen, dann wird deutlich, dass es heute eben neue, veränderte Bedingungen gibt.

Bei diesen neuen Bedingungen innerhalb eines veränderten Marktes muss sich RWE endlich neu aufstellen und für Klarheit für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sorgen. RWE muss angesichts dieser klar veränderten Rahmenbedingungen vor allem aber – wie es meine Kollegin Gudrun Zentis vorhin schon eindrucksvoll beschrieben hat – für die Betroffenen vor Ort Klarheit schaffen und endlich den Anschluss an die Energiewende finden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Brems. – Für die Fraktion der Piraten spricht der Kollege Rohwedder.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Zuschauer auf der Tribüne und draußen im Stream! Ich kann mich den letzten Sätzen von Frau Brems nahtlos anschließen.

RWE überlegt jetzt den Ausstieg aus Garzweiler, wie wir aus den Medien erfahren haben. Das Ganze wird begleitet durch halbherzige Dementis von RWE.

Es ist gut, dass die Energiewende schon begonnen hat. Und gerade weil sie schon begonnen hat – und trotz aller Sabotageversuche insbesondere aus Berlin –, führt sie zu massiven Schwierigkeiten für den ökologisch, gesamtwirtschaftlich und sozial schädlichsten aller fossilen Brennstoffe, nämlich die Braunkohle.

Die großen Tagebaue führen zu großen Problemen und geradezu irrwitzigen Ewigkeitsschäden. Genau das ist die von Herrn Brockes, von der FDP eben „subventionsfrei“ genannte Braunkohle. Diese

Braunkohle, lieber Herr Brockes, ist genauso subventionsfrei wie Ihre Partei, die FDP. Mindestens!

(Beifall von den PIRATEN und den GRÜNEN)

Wir sehen, dass eine uralte Kulturlandschaft vernichtet wird. Wertvolle Parabraunböden, entstanden auf Lössgrundlage in 12.000 Jahren Bodenbildung nach der Eiszeit, werden zerstört. Das ist ein Ewigkeitsschaden, der durch die Kunstböden, die auf den Tagebau folgen, nicht annähernd aufgewogen werden kann.

Die Grundwasserabsenkungen führen zu Bergschäden, auch außerhalb des direkten Tagebaugebietes. Die danach folgende Wiederherstellung des alten Grundwasserniveaus behebt die Schäden nicht, sondern verstärkt sie nur noch.

Die Grundwasserabsenkungen haben auch Folgen für den internationalen Naturpark Maas-SchwalmNette, einschließlich wertvoller FFH-Gebiete unter besonderem Schutz, deren Bestand von der Landesregierung eigentlich garantiert wurde.

Das Verbrennen von Braunkohle hat einen enormen Ausstoß an Kohlendioxyd, Feinstaub und diversen weiteren Schadstoffen zur Folge.

Der Tagebau bringt schwefelhaltige Sedimente an die Oberfläche. Durch Luftsauerstoff und Wasser, durch Niederschläge und Wiederanhebung des Grundwasserspiegels nach Abschluss des Tagebaus kommt es dann zu Versauerungen mit Auswirkungen auf die zukünftige Trinkwasserversorgung.

Zwangsumsiedlungen, Heimatvertreibungen zerstören gewachsene soziale Strukturen. Mehrere Zehntausend Bürger in NRW werden durch die gesamten Tagebaue betroffen sein. Die Entrechtung durch das herrschende Bergunrecht, das Grundrechte bricht, führt zu verständlicher Enttäuschung über

einen Rechtsstaat, der hier nur das Recht des Stärkeren kennt.

(Zuruf von der SPD: Wirres Zeug!)

Zwangsumsiedlungen aus gewachsenen Kulturlandschaften in identitätslose, künstlich entworfene Siedlungen sind sozial nicht verträglich.

Und jetzt werden die Bürger, die sich gerade schweren Herzens mit dem Verlust ihrer Heimat abgefunden haben und in diese Situation hineingezwungen wurden, erneut verunsichert. Ein zynisches und schäbiges Spiel mit diesen tief verwurzelten und genauso tief verunsicherten Menschen wird hier betrieben, begleitet von den üblichen Propagandalügen zur Energieversorgung und ihren Kosten.

FUD, wie die Engländer sagen: Fear, Uncertainty and Doubt – Furcht, Unsicherheit und Zweifel – werden gesät durch RWE und ihre Propagandisten.

(Zuruf von der FDP: Dummes Zeug!)

Herr Dr. Hachen von der CDU hat als Betroffener in beeindruckender Weise dargelegt, welche sozialen und menschlichen Auswirkungen diese Schäbigkeiten dort haben.

Und während die Betroffenen, die Bürger, die Umweltorganisationen schon lange klare Kante zeigen, ist die Haltung der Landesregierung indifferent.

Wir fordern Sie auf – die Landesregierung und die regierungstragenden Fraktionen –, den schönen Worten zu Klimaschutz und Energiewende endlich harte Tatsachen folgen zu lassen.

(Beifall von den PIRATEN)