Protocol of the Session on September 26, 2013

In den letzten Tagen ist die Bedeutung dieses Projekts für die Region mehrmals in komprimierter Form in allen Medien dargestellt worden. Daher mache ich erst einmal keinen Hehl daraus, dass ich als Kommunalpolitiker und Gewerkschafter, der die Entwicklung der Industriefläche Datteln/Waltrop von Beginn an begleitet hat, bei Kenntnisnahme der Ablehnung der Bürgschaft für den newPark enttäuscht und auch sehr verärgert war.

Aber morgen ist heute schon gestern, und so kann sich unsere Region nicht schmollend zurückziehen. Wenn die Ministerien zu der Überzeugung kommen, dass die Landesregierung nach üblichen Bewertungskriterien eine Bürgschaft nicht gewähren kann, so ist diese Entscheidung leider zu akzeptieren. Dabei gilt es jedoch, weder zu resignieren noch den Kopf in den Sand zu stecken und schon gar nicht aufzugeben. Dafür gibt es überhaupt keinen Grund.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die Region ist in vielen Weltmärkten mit starken Kompetenzen aufgestellt. Das gilt zum Beispiel für die Schlüsselbranche Chemieindustrie, die Energie- und Umweltwirtschaft, aber auch für die Gesundheitswirtschaft oder den Tourismus. Zusätzlich benötigen wir das newPark-Projekt mit seinen arbeitsplatzintensiven Ansiedlungen, um den Strukturwandel weiter voranzutreiben.

(Beifall von Lothar Hegemann [CDU])

Die Akteure vor Ort – 23 Kommunen, Kreise, Wirtschaftspartner und Gewerkschaften –, die dieses Konzept entwickelt haben, sind gewillt, für die Bürgerinnen und Bürger die Zukunft weiterhin selbst in die Hand zu nehmen.

Ohne Zweifel hat sich die Region die Bürgschaft der Landesregierung als Anerkennung und Beitrag zu einer regionalen Kraftanstrengung gewünscht. Aber sie ist nach Ansicht der Akteure nun nach der Ablehnung auch kein K.-o.-Kriterium.

Bitte erwarten Sie von mir keinen Wirtschaftsprüfungsbericht im Detail. Ich bin aber überzeugt von einem Projekt, welches uns bei allen möglichen Risiken eine große Chance bietet. Ich bin davon überzeugt, dass das Konzept, welches im PrognosGutachten Anerkennung fand, nicht aufgegeben werden darf. Sollten hier durch das PwC-Gutachten Risiken im Businessplan erkennbar sein, so erwarte ich von den Projektbeteiligten, dass diese Risiken diskutiert und minimiert werden. Kritik bietet auch Chancen, und diese Chancen werden wir in der Region nutzen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Eine große interkommunale Gemeinschaft – Kommunen, Kreise, IHK, Handwerkskammer, Gewerkschaften, Banken und die katholische und evangeli

sche Kirche – tritt nun erstmalig geschlossen und öffentlich für ein Projekt in unserer Region ein.

Die Gründe dafür vor Ort sind nachvollziehbar. Dass die von uns ausgewiesene Fläche eine Industriefläche von landespolitisch großer Bedeutung ist, ist unstrittig. Die Bemühungen um Handwerkerbetriebe und ansässige Unternehmen sowie um neue Bildungskonzepte und die Projektentwicklung von Industriebrachen – all diese Maßnahmen sind wichtig. Sie erhalten jedoch erst dann den nötigen Aufwind, wenn große industrielle Projekte den Anker für mittelständische Unternehmen aus Industrie und Dienstleistungen bilden.

Im Hinblick auf die hohe Arbeitslosigkeit – mit der hohe Transferleistungen verbunden sind – in unserer Region, die auch durch die Schließung unserer letzten Schachtanlagen bedingt ist, reichen diese Bemühungen allein nicht aus. Die Zeitschiene hat uns gezeigt, dass man arbeitsplatzintensive Ansiedlungen nicht von heute auf morgen realisieren kann.

Daher sind die Akteure zu der Auffassung gekommen, dieses Projekt zu überarbeiten und weiterhin an der Verwirklichung festzuhalten. Die EmscherLippe-Region will die Finanzierung des Flächenankaufs aus eigener Kraft stemmen. Wenn dies gelingt, ist der Beweis erbracht, dass das regionale Engagement und der Glaube an das Projekt newPark auch ohne Bürgschaft des Landes möglich macht.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Die Region hat die Kraft und den Mut zu erklären: Wir sind überzeugt, der Flächenankauf ist zu realisieren. Ich bin mir sicher, dass die Landesregierung unter dieser Voraussetzung diese Kraftanstrengung mit den ihr außerhalb der Gewährung von Bürgschaften zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützen wird.

Zum Schluss: Es hilft der Region nicht weiter, wenn einige an der Frage der Bürgschaft festhalten, statt die Initiative, die jetzt von dieser Region ausgeht, zu unterstützen, damit wir den newPark verwirklichen können. – Glück auf!

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Müller. Bleiben Sie noch einen Moment hier, Herr Kollege. Herr Abgeordneter, vielen Dank für Ihre Rede und herzlichen Glückwunsch zur Jungfernrede!

(Beifall)

Es gibt aber auch eine Kurzintervention, und zwar vom Abgeordneten Hegemann. Deswegen bitte ich Sie, noch einen Moment zu bleiben. Herr Kollege Hegemann, bitte schön.

Herr Müller, es ist zwar schon etwas länger her, aber ich weiß, wie einem bei einer Jungfernrede zumute ist. Sich in der Jungfernrede kritisch mit der eigenen Fraktion und Landesregierung auseinanderzusetzen, ist nicht einfach. Deshalb möchte ich Ihnen herzlich gratulieren.

Danke schön.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Hegemann. Vielen Dank, Herr Kollege, Müller. – Für die FDP-Fraktion hat sich Herr Kollege Witzel gemeldet.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Wirtschaftsminister, Sie haben einen Riesenproblem am Industriestandort Ruhr mit Stellenabbau: RWE, ThyssenKrupp, Opel und jetzt auch Evonik. Die Liste können wir noch weiter fortsetzen.

Sie müssen jetzt dringend handeln für Arbeitsplätze in der Region – nicht für Radautobahnen. Lösen Sie deshalb die grüne Industriebremse und beantworten Sie vor diesem Parlament die Frage: Was hat sich zwischen dem 25. Juli und dem Zeitpunkt Ihrer Bekanntgabe sechs Wochen danach geändert, dass aus einer positiven Einschätzung des Gutachters, die es zunächst gab, mittlerweile Ihre kritische Entscheidung geworden ist?

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. - Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir sind damit am Schluss der Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung. Die antragstellenden Fraktionen von CDU und FDP haben direkte Abstimmung beantragt. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Inhalt des Antrages Drucksache 16/4011. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag von CDU und FDP befürwortet und von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und den Piraten abgelehnt worden. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt

2 Gegen Sperrklauseln – Verbot im Kommu

nalwahlgesetz verankern

Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/3838

Ich eröffne die Beratung und erteile für die Fraktion der Piraten dem Herrn Abgeordneten Herrmann das Wort.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Bürgerinnen und Bürger im Saal und im Stream! Am vergangenen Sonntag machten

6.855.044 Menschen von ihrem Wahlrecht Gebrauch, deren Stimmen aber nicht zählen und deren politische Willensäußerung sich im 18. Deutschen Bundestag nicht widerspiegeln wird. Das heißt, dass 15,7 % aller Stimmen, die am Sonntag abgegeben wurden, keine Berücksichtigung finden. Ein ähnliches Bild ergab sich übrigens auch bei der Wahl in Bayern am vorvergangenen Sonntag. Dort hatten 14 % der gültigen Stimmen keinen Erfolgswert.

Damit werden zwei Dinge klar: Unsere Gesellschaft wird pluralistischer, aber das findet keine Entsprechung in den Parlamenten. Das finde ich sehr bedenklich. Es zeigt, wie nötig unser heutiger Antrag ist, damit Sie, liebe Kollegen aus den etablierten Parteien, ihre Machtstellung nicht missbrauchen und durch die Hintertür wieder eine Sperrklausel in Nordrhein-Westfalen einführen; denn damit drohen Sie, seitdem wir hier im Landtag sind.

Wie schnell dieses undemokratische Instrument durchgesetzt werden kann, haben wir bei der Einführung der Drei-Prozent-Sperrklausel für die kommende Europawahl sehen müssen. Am 4. Juni dieses Jahres wurde ein Gesetzentwurf durch die ganz große Koalition von Union, SPD, FDP und Grünen in den Bundestag eingebracht und bereits am 13. Juni, also neun Tage später, verabschiedet.

Das geschah nach einer aus dem Stand durchgeführten Anhörung, trotz verfassungsrechtlicher Bedenken aller beteiligten Parteien und trotz eines höchstrichterlichen Urteils, nach dem Sperrklauseln als demokratiefeindlich empfunden werden. Die Parteien im Bundestag haben nicht einmal das Protokoll der Anhörung abgewartet. Egal was die Experten sagten, es stand für sie schon vorher fest, dass sie nicht lange fackeln wollen, um unliebsame Konkurrenten – eben die kleineren Parteien – wegzumobben.

Sperren und Schranken gehören aber nicht auf-, sondern abgebaut. Dafür stehen wir Piraten wie keine andere Partei.

(Beifall von den PIRATEN)

In unserer Partei leben wir den Pluralismus. Wir finden, dass Pluralismus ein Markenzeichen der modernen Demokratie ist. Es ist eine Bereicherung der Gesellschaft, wenn neue Ideen gehört werden und ihren Weg in die Parlamente finden.

Es wird immer so getan, als würde ohne eine Sperrklausel das totale Chaos herrschen. Aber das ist nicht der Fall. Das zeigen die vielen Beispiele

aus dem Ausland und die vielen Stadträte in Nordrhein-Westfalen. Seit 1999 kommt bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen jeder Stimme dasselbe Stimmgewicht zu, und das ist auch gut so. Wieso wollen Sie einen Teil der Bürgerstimmen wertlos machen?

Wenn überhaupt, dann leidet die Demokratie unter den Schaukämpfen und nicht unter den engagierten Stimmen der sogenannten kleinen Parteien. Vom parteipolitischen Kalkül haben die Bürger doch genug. Viele wählen nicht einmal mehr nach ihrem Interesse, sondern wägen ab, ob die Stimme überhaupt Erfolg hat, also ob die Partei eine Chance hat, die Sperrklausel zu knacken. Das kann aber nicht im Sinne einer demokratischen Gesellschaft sein.

Besonders im kommunalen Bereich hätte eine Sperrklausel eine fatale Wirkung. Hier sinkt seit Jahren die Wahlbeteiligung. Es fehlt an Menschen, die ihre Freizeit opfern, um sich zu engagieren. Wir wollen das Ehrenamt fördern und nicht kaputt dirigieren. Der Erosion an Bürgerbeteiligung müssen wir doch entgegenwirken. Das tun wir aber ganz bestimmt nicht, indem wir die Wahlmöglichkeiten beschränken oder dem Wählerwillen nicht Rechnung tragen. In den Kommunalparlamenten liegen die Wurzeln, das Fundament unserer Demokratie. Gerade dort ist es wichtig, ein Höchstmaß an Partizipation zu haben.

Ich baue auf Ihre Vernunft und freue mich auf die argumentative Auseinandersetzung im Ausschuss, vor allem in der Anhörung, zu der Frage, ob ein Gesetz mit Sperrklauselverbot verfassungsgemäß ist. – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Herrmann. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Körfges.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will nicht auf die allerjüngste Vergangenheit zurückkommen, weil der Antrag schon vor der Bundestagswahl gestellt wurde. Ich kann verstehen, dass die eine oder der andere unter prinzipiellen Aspekten Bedenken gegen Sperrklauseln hat. Das halte ich für legitim. Ich halte es allerdings – vorsichtig ausgedrückt – für gewagt, nein, lassen Sie mich ein bisschen klarer werden, eher für unverschämt, denjenigen, die eine geringfügige Sperrklausel bei Kommunalwahlen einführen möchten, undemokratisches Denken zu unterstellen.