Die Ungerechtigkeit dieser Welt ist uns aber Ansporn. Darauf sind wir stolz. Wir sind stolz darauf, dass es nämlich Demokratie und soziale Gerechtigkeit in diesem Land immer nur mit uns und mit den deutschen Gewerkschaften gegeben hat. Die konservative Seite, meine Damen und Herren, hat meistens auf der Gegenseite gestanden.
Wir wollen für alle Menschen die Zuversicht und auch die Lebensfreude für die Zukunft sichern. Deswegen haben wir im Land eine Politik begonnen, die unter dem Motto steht: „Kein Kind zurücklassen“. Ich ergänze: Wir wollen auch keinen Arbeitslosen in diesem Land zurücklassen.
Zu einer solchen Politik gehört natürlich zunächst einmal Wahrhaftigkeit. An dieser Wahrhaftigkeit fehlt es leider bei der Union und bei der FDP; denn zur Wahrhaftigkeit gehört, die Realität so zu nehmen, wie sie ist, und sich die Realität nicht rosig zu malen und sich hinzubiegen. Es ist eben so, dass gerade auf der Bundesebene die Realität diesen Maßstäben untergeordnet wird. Sie biegen sich die Realität so hin, wie Sie sie gerade brauchen. Man darf Sie auch ungestraft „Fälscher“ nennen.
„Fälscher“ – so titelte der „Spiegel“ und meinte damit Herrn Schäuble und auch Frau Schröder, die die wissenschaftliche Expertise zu den geringen Wirkungen der familienpolitischen Leistungen umzudeuten wussten. Das Schmierentheater zum Armuts- und Reichtumsbericht ist allen noch in Erinne
rung. Dieser dreiste Versuch der Trendumkehr, der schamlosen Fälschung und Verfälschung hat auch tief bis ins konservative Lager Entrüstung hervorgerufen.
Als knallharten Statistikbetrug kommentiert nun der „Spiegel“ in der vorletzten Woche die Statistiken der Bundesagentur für Arbeit im Zusammenhang mit dem Bericht des Bundesrechnungshofs. Es ist von Betrug und Täuschung die Rede. Auch in dieser Woche bestätigt der „Spiegel“ noch einmal, was die Innenrevision angeht, im Prinzip Gleiches. Der Zentralvorwurf ist die Vernachlässigung von Langzeitarbeitslosen und die Fokussierung auf die sogenannte Betreuung marktnaher Kunden.
Es ist ja nicht so, als stehe diese Kritik alleine da. Selbst im „Handelsblatt“ und im „Westfälischen Anzeiger“ war zu lesen, dass der Vertreter der Arbeitgeber im Verwaltungsrat der Agentur für Arbeit in Nürnberg, Herr Clever, gesagt hat, die Bundesagentur sei für Krisen nicht gerüstet.
Es gibt neben der Verantwortlichkeit der BA natürlich eine politische Verantwortlichkeit für alle diese Vorgänge, die eine Adresse hat, nämlich die schwarz-gelbe Bundesregierung. Wir wissen: Wer den Spielraum für aktive Arbeitsmarktpolitik immer wieder einschränkt und schlussendlich immer weniger Mittel zur Verfügung stellt, die Latte des Erfolgs aber immer höher legt, der muss kreativ gestalten, der zwingt sozusagen zur kreativen Gestaltung. Die Mitarbeiter – so in der letzten Ausgabe des „Spiegel“ zu lesen – durchlaufen sozusagen eine Metamorphose, sehen sich vom Sozialarbeiter zum Statistikfälscher degradiert.
Meine Damen und Herren, es ist klar: Die politische Vorgabe kommt aus Berlin. Wer mehr fordert, aber nicht mehr fördert, der setzt eine solche Entwicklung in Gang. Hinweise dazu hat es schon viel früher gegeben, und zwar 2009 durch den Hauptpersonalratsvorsitzenden der BA. Bei allen Veränderungen, die Sie bei den arbeitsmarktpolitischen Instrumenten vorgenommen haben, ist Ihnen in den Anhörungen im Prinzip eine solche Entwicklung prophezeit worden.
Diese Vorgänge werden insgesamt nicht nur politisch gedeckt und legitimiert, sondern im Prinzip durch die Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung geradezu hervorgerufen. Sie ignorieren nicht nur prekäre Beschäftigung, sondern Sie fördern insbesondere Leiharbeit, Hire and Fire. Raus aus der Arbeitslosigkeit in Leiharbeit, raus aus der Leiharbeit wieder in Arbeitslosigkeit, das ist Ihre Richtung.
Wir haben deshalb in unserem Forderungskatalog eine Trendumkehr gefordert, insbesondere, sich bei Vermittlung an der tariflichen und ortsüblichen Bezahlung zu orientieren. Wer das nicht angehen will, meine Damen und Herren, der gestaltet weiterhin die Dinge so, wie sie …
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Dieser Punkt würde eigentlich eine intensivere Debatte erfordern.
Abschließend will ich nur sagen: Der Entschließungsantrag der CDU ist im Prinzip ein Dokument der Unfähigkeit. Ich weiß nicht, wer ihn geschrieben hat – ob er ähnlich wie der Ärzteantrag vom Hausärzteverband geschrieben worden ist. Nach dem Motto „Weiter so“ geht es nicht.
Es geht darum, den Menschen in diesem Land eine existenzsichernde Beschäftigung anzubieten. Das ist Kernanliegen unseres Antrags. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Garbrecht. – Für die grüne Landtagsfraktion spricht nun Frau Kollegin Maaßen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Prüfmitteilung des Bundesrechnungshofes an die Bundesagentur für Arbeit hat in den letzten Tagen für erheblichen Wirbel gesorgt. Um die Vermittlungsstatistik und die interne Zielerreichung zu verbessern, wurden Arbeitslose mit weniger guten Vermittlungsperspektiven vernachlässigt. Es wurden vermeintliche Arbeitslose künstlich akquiriert. Auszubildende mit Übernahmezusage wurden aufgefordert, sich dennoch arbeitslos zu melden. Sie wurden anschließend als „Vermittlungserfolge“ registriert. Mehr als ein Drittel der vermittelten Stellen waren Zeitarbeitsjobs, oft mit einer Beschäftigung von weniger als drei Monaten.
Die Vorwürfe des Bundesrechnungshofes wiegen schwer: „nicht zielführend“, „nicht sachgerecht“, „nicht kundenfreundlich“, „nicht dem gesetzlichen Auftrag entsprechend“. – Sie reichen hin bis zu „bewusste Täuschung“ und „Manipulation“. Was schon lange klar war, haben wir nun von entscheidender Stelle schwarz auf weiß: Die Arbeitsagenturen konzentrieren Zeit und Geld auf leicht in den Arbeitsmarkt zu vermittelnde Arbeitslose. Arbeitslose, die nur mit größerer Anstrengung wieder in Arbeit gebracht werden können, werden systematisch links liegen gelassen.
entgegenzuwirken und Arbeitslosigkeit zu verkürzen, sondern es ist auch zentrale Aufgabe, Langzeitarbeitslosigkeit durch die Verbesserung der individuellen Beschäftigungsfähigkeit zu vermeiden. Jedoch hat das Steuerungssystem der BA offensichtlich dazu geführt, dass zentrale soziale und arbeitsmarktpolitische Zielsetzungen einer systematischen Bestenauslese zum Opfer gefallen sind. Es wurden erhebliche Ressourcen dazu verwandt, nichtunterstützungsbedürftige Arbeitslose, soge
Es stellt sich die Frage: Wie gut ist ein Steuerungssystem, das Ressourcen dorthin lenkt, wo sie nicht gebraucht werden, und dort wegnimmt, wo am meisten Bedarf besteht? – Die Antwort ist eindeutig, meine Damen und Herren: Die Überprüfung des Steuerungssystem der Bundesagentur durch den Bundesrechnungshof muss Konsequenzen haben, denn die Ergebnisse sind vollkommen inakzeptabel. Das Steuerungssystem darf nicht den Zweck haben, darstellbare Ergebnisse zu erzielen, um den Bestand der BA zu sichern.
Zu Konsequenzen muss der Bericht des Rechnungshofes aber nicht nur bei der BA, sondern auch beim Bundesministerium für Arbeit führen. Die Jobcenter mussten seit Antritt der schwarz-gelben Bundesregierung eine Kürzung ihrer Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik von 6,6 auf 3,9 Milliarden € hinnehmen. Das sind mehr als 40 %. Aber auch die Bundesagentur für Arbeit wurde von der Bundesregierung in den letzten Jahren schwer geschröpft. Alleine 2013 verliert die BA rund 2 Milliarden € durch die Finanzrochaden der Bundesregierung.
Entsprechend enger sind die Spielräume für die aktive Arbeitsmarktpolitik geworden. Politisch verordnet wurde der BA, den Mangel zu verwalten. Gerade Arbeitslose, die besonders intensiv unterstützt werden müssen, fallen durch das Betreuungs- und Vermittlungsraster. Vor den Folgen des Kurses der Bundesregierung haben wir Grünen schon seit langem gewarnt. Doch Schwarz-Gelb hat die Pflicht zur Rechtsaufsicht über die BA nicht ernst genommen.
Meine Damen und Herren, die Probleme sind hausgemacht: Finanzdruck bei der BA, drastische Kürzungen der Eingliederungstitel bei den Jobcentern, mehr Rankingpunkte bei der Bewertung von Arbeitsagenturen bei der Job-to-Job-Vermittlung, weniger Punkte bei der Vermittlung von Langzeitarbeitslosen!
Und über allem schwebend: die Königin des Schönredens und Wegschauens, Frau von der Leyen, die Königin des Schönredens der Vermittlungserfolge, des Schönredens der Arbeitslosenstatistik, des Wegschauens bei der Ausuferung prekärer Beschäftigung. Frau von der Leyen schöpft mittels Creaming die Sahnehaube ab, den abgestanden Kaffeesatz lässt sie aber zurück. Über sieben Millio
nen Minijobs ohne Klebeeffekt, von denen besonders Frauen betroffen sind, hohe Vermittlungszahlen in Leiharbeit ohne Brückenfunktion. Das, meine Damen und Herren, ist ihre wahre Erfolgsbilanz.
Die einseitige Ausrichtung auf Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt ist für uns Grüne der falsche Weg. Dies fördert meistens eine männliche Bestenauslese und hängt belastete Menschen ab, und sie führt insbesondere Frauen nicht selten aufs berufliche Abstellgleis.
Meine Damen und Herren, wir wollen ein Umsteuern. – Ich komme zum Ende. – Wir wollen eine Eingliederung langzeitarbeitsloser Menschen, und das muss bei den Arbeitsagenturen höhere Punkte bekommen.
Noch eine Anmerkung zum Entschließungsantrag der CDU: Sie erwähnen dort positiv den sozialen Arbeitsmarkt, leider nur im Blick auf die BA. Aber das Programm „Perspektivbetriebe“ der BA will nur 50 Personen in ganz Deutschland mit Mitteln des sozialen Arbeitsmarkts eingliedern. Das ist ein Tropfen, der bereits verdampft, bevor er den heißen Stein erreicht hat.
Ich würde mir wünschen, dass gerade die CDAMitglieder in der CDU-Landtagsfraktion uns stärker im Bemühen des sozialen Arbeitsmarktes unterstützen. Das haben Sie bisher verweigert. Sie haben auch dieses Jahr wieder die Chance dazu. – Danke schön.
Vielen Dank, Frau Kollegin Maaßen. – Von den Vertretern hören wir jetzt einen. Für die CDU-Fraktion spricht jetzt der Kollege Walter Kern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Lieber Günter Garbrecht, liebe Frau Maaßen, beim vorliegenden Antrag der Koalitionsfraktionen habe ich mich gefragt: Rot-Grün wurde 2005 abgewählt. Warum eigentlich? Damals hatten wir – daran möchte ich erinnern – 5 Millionen Arbeitslose, davon alleine
keitsfremd muss Rot-Grün sein, die Erfolge der Merkel-Regierungszeit zu übersehen? Diese Erfolge zu übersehen, ist böswillig.
Ich bin davon überzeugt, dass dieser Antrag nur gestellt wurde, um von der Nullleistung des Spitzenkandidaten Steinbrück abzulenken. Ich muss daran erinnern, dass er 2005 abgewählt wurde, weil er Nordrhein-Westfalen heruntergewirtschaftet hatte.
Zur Sache selbst: Es ist die objektive Wahrheit, dass wir mit fast 42 Millionen Menschen die höchste Beschäftigung seit der Wiedervereinigung haben, dass wir mit unserer Unterstützung 1,5 Millionen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze neu zu verzeichnen haben.
Zweitens. Diese gute Entwicklung hat vielen Menschen Geld ins Portemonnaie gebracht. Es ist Fakt, dass wir heute weniger Hartz-IV-Empfänger denn je haben. Die Arbeitslosigkeit ist in der Bundesrepublik in den letzten sieben Jahren in jedem Jahr gesunken. Wir haben die niedrigste Arbeitslosigkeit in der Republik seit 20 Jahren.
Wir haben die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in Europa. Darüber werden wir am Freitag ja noch einmal sprechen. Im Land Nordrhein-Westfalen gibt es durchaus auch Landesteile, in denen noch einiges zu tun ist, zum Beispiel in meinem Heimatkreis Lippe. Es gehört zur Wahrheit dazu, dass durch jeden neuen Beschäftigten die Beitragszahlungen für unsere sozialen Sicherungssysteme steigen. Das ist gut so. Und was machen Sie? – Schaut man in Ihre Wahlprogramme, sind Zweifel angebracht, dass diese Entwicklung anhält. Es bleibt eine herausragende politische Aufgabe, dass wir weiterhin daran arbeiten, dass jeder Mensch seinen Lebensunterhalt selbst verdienen kann.