Protocol of the Session on June 21, 2013

(Martin-Sebastian Abel [GRÜNE]: Es gibt Google!)

Noch etwas zu den Geschäftsmodellen: Liebe Grüne, Ihre Reaktion auf die Aussage, Sie würden Menschen in Hartz IV schicken, fand ich ein bisschen befremdlich. Natürlich ist es so: Wenn ich jemandem die Geschäftsgrundlage entziehe, lässt er sich entweder fix etwas Neues einfallen oder er steht vor einem finanziellen Problem. Wie gesagt: Das wird von Ihnen komplett ignoriert. Ich würde mir wirklich wünschen, wir würden darüber noch einmal explizit reden und diese Dinge ausräumen.

(Beifall von den PIRATEN)

Ich habe schon sehr viele Wünsche geäußert, tue das aber noch einmal: Ich wünsche, dass wir tatsächlich wieder in die inhaltliche Debatte einsteigen und uns über Anträge unterhalten.

(Christian Lindner [FDP]: Stellen Sie doch ei- nen!)

Herr Lindner, das werden wir tun, verlassen Sie sich darauf. – Dann sollten wir noch einmal darüber reden und das Gesetz an den Stellen ändern, an denen es wirklich zu ändern ist. – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schmalenbach. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Steffens.

Barbara Steffens, Ministerin für Gesundheit,

Emanzipation, Pflege und Alter: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben gerade schon in dem einen oder anderen Redebeitrag gehört, wie wichtig eigentlich der Nichtraucherschutz für den Schutz der Gesundheit ist. Ich möchte es deutlich sagen: Es geht um Nichtraucherschutz und darum, wie gefährlich die Substanzen sind, die im Tabakrauch enthalten sind – nicht nur für diejenigen, die rauchen, sondern auch für diejenigen, die dem Passivrauchen ausgesetzt sind. Wir wissen, wie viele Menschen jährlich an den Folgen des Rauchs sterben, die in ihrem Leben selber nie geraucht haben.

Das heißt: Wir haben es mit einer massiven gesundheitlichen Belastung eines großen Teils der Bevölkerung durch einen kleinen Teil der Bevölkerung zu tun. Die Menschen, die ihre Gesundheit schützen wollen, haben nur die Wahl, entweder am gesellschaftlichen Leben nicht teilzunehmen, woanders teilzunehmen oder ihre Gesundheit zu gefährden. Deswegen gibt es in vielen europäischen Län

dern an vielen Stellen einen konsequenten Nichtraucherschutz. Denn das höchste Gut des Menschen ist seine Gesundheit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Diejenigen, die sich jetzt hier hinstellen oder die ganze Zeit dazwischenbrüllen und meinen, es habe in Nordrhein-Westfalen einen konsequenten, guten und die Gesundheit schützenden Nichtraucherschutz gegeben, darf ich erinnern: In den Reihen der CDU-Fraktion gab es zwei Menschen mit der nötigen fachlichen Expertise, nämlich zum einen den damaligen gesundheitspolitischen Sprecher und heutigen Bundestagsabgeordneten Rudolf

Henke, der diesem Nichtraucherschutzgesetz der damaligen Regierung nicht zugstimmt hat, und zwar mit der Begründung: Es schützt die Gesundheit der Menschen nicht. – Er als Arzt kann das auch beurteilen. Und der damalige Staatssekretär ist mit der Begründung, dass dieses Nichtraucherschutzgesetz nicht konsequent ist, als Staatssekretär in der schwarz-gelben Regierung zurückgetreten.

Das sind Menschen, die die gesundheitspolitische Expertise als Ärzte hatten und wissen, wie hoch das Gut Gesundheit ist.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie haben damals ein Gesetz nach dem Motto gemacht: Wasch mich, aber mach mich nicht nass! Sie haben ein Gesetz gemacht, das den Namen Gesundheitsschutzgesetz nicht verdiente, sondern bundesweit das löchrigste Gesetz von allen war.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Nicht nur die gesundheitspolitische Szene – die Ärztinnen und die Ärzte -– hat gesagt: Macht für Nordrhein-Westfalen etwas anderes! Auch viele Gastronomen haben das gesagt – vielleicht nicht die, die heute auf der Matte stehen, aber viele haben gesagt: Das ist ein Gesetz zur Wettbewerbsverzerrung, weil wir in Nordrhein-Westfalen nicht die gleichen Chancen für alle haben, und wir wollen diese Chancen haben. – Wir haben Zuschriften von Wirten bekommen, die gesagt haben: Wir müssen rauchen lassen, weil die nebenan das tun, obwohl wir unsere Gesundheit schützen wollen. Wir haben viele Beschäftigte gehört und breite Proteste der Menschen, die ihre Gesundheit schützen wollen.

An der Stelle gebe ich Ihnen Recht: Ja, es ist eine Abwägung. Ich will es gar nicht schönreden und behaupten, dass es für einzelne Gastronomen, nämlich für diejenigen, die in einem ganz kleinen Umfang eine ausschließlich rauchende Gastschaft hatten, kein Risiko ist. Das ist keine Frage. Aber die Frage ist: Ist es der Abwägung zum Gesundheitsschutz eines großen Teils der Bevölkerung richtig, dass jeder einzelne Gastronom am Ende auch mit einem gesundheitsgefährdenden Geschäftsmodell bestehen können muss?

An der Stelle will ich Klartext reden, weil ich weiß: Es wird diese einzelnen Geschäftsmodelle geben. Aber, noch einmal: Dass es – wie Sie darzustellen versuchen – die Masse an Gastronomen und Unternehmen ist, die jetzt alle in die Insolvenz laufen, sehen wir an der Stelle nicht. Dazu haben auch schon einige Vorredner etwas gesagt.

Ich kann Ihnen auch deutlich die Umsatzeinbußen in der Jahreshälfte beziffern, bevor wir den Nichtraucherschutz in seiner verschärften Form in Nordrhein-Westfalen hatten: Im Januar waren es Umsatzeinsatzbußen von minus 2,7 %, im März minus 4,6 %, im April minus 2,7 %. Unter dem Strich kann man sagen: In Bayern ist die Wirtschaftlichkeit höher als in Nordrhein-Westfalen gewesen, obwohl Bayern den konsequenten Nichtraucherschutz hat.

Herr Lindner, ich würde mir wünschen, dass Sie – statt heiße Luft zu pusten und an der Stelle Wahlkampf zu machen – zur Sachlichkeit zurückkommen. Sie haben damals in der schwarz-gelben Regierung beim Thema „Nichtraucherschutz“ gesagt, als wir als Opposition bemängelt haben, das Gesetz sei nicht konsequent genug und nicht schütze: Wissen Sie, liebe Opposition, Sie müssen an der Stelle etwas geduldig sein, weil man die Wirksamkeit eines Gesetzes und seine Auswirkungen nicht nach einem halben Jahr erkennen kann. – Jetzt sagen Sie schon nach einem Monat: Untergang des Abendlandes!

Herr Lindner, lassen Sie uns doch die Diskussion versachlichen und uns in einem Jahr auf der Grundlage einer ordentlichen Datenerhebung, aber keiner Umfrage der DEHOGA, wo 700 von 10.000 Unternehmen befragt werden oder rückmelden, einer solchen Debatte aussetzen. Wir müssen diese Debatte wirklich ernsthaft führen und prüfen: Wie hat sich der Gesundheitsschutz durchgesetzt? Wie haben letztendlich die Folgen die Lebensqualität für die Menschen gesteigert?

Ich wundere mich, welchen Freiheitsbegriff Sie an der Stelle immer wieder nach oben stellen: Die Freiheit, die Gesundheit anderer zu gefährden, stellen Sie obenan. Das aber hat nichts mit Freiheit zu tun, sondern das, was Sie einfordern, ist ein Recht auf Destruktivität, statt das Recht einzufordern, Menschen zu schützen und an der Stelle staatliche Verantwortung zu übernehmen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich bin gespannt darauf, ob Sie bei der Maßnahme, die jetzt die Bundesregierung unterstützt, nämlich die Mentholzigaretten zu verbieten, auch sagen: Freiheit für die Raucher und Raucherinnen, Mentholzigaretten zu rauchen! – Die sollen ja in der Bundesrepublik zu Recht vom Markt genommen werden, weil sie gefährlich sind.

(Widerspruch von Christian Lindner [FDP])

Herr Lindner, melden Sie sich nachher, aber brüllen Sie nicht immer dazwischen. Es strengt so an, gegen Sie anzureden.

(Christian Lindner [FDP]: Das ist Demokratie, Frau Steffens!)

Zwischenrufen ist nicht Demokratie an der Stelle, sondern das ist eigentlich ein …

(Christian Lindner [FDP]: Dann verbieten Sie es doch! – Weitere Zurufe – Unruhe)

Frau Präsidentin, könnten Sie nicht dafür sorgen, dass irgendwie …

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben vorhin schon festgestellt, dass diese Debatte sehr kontrovers, sehr emotional und damit auch sehr hitzig geführt wird. Es wäre schön, wenn Wort und Widerwort dann über das Redepult kommen, damit alle etwas davon haben. Vielen Dank.

Herr Lindner, Sie haben ja gleich noch Redezeit. Dann können Sie sagen, ob Sie die Mentholzigaretten- und die Slimzigarettenindustrie für wichtiger halten als den Gesundheitsschutz. Oder wo ziehen Sie die Grenze, dass der Gesundheitsschutz greift? – An der Stelle machen Sie sich auch ein Stück weit unglaubwürdig.

Deswegen, meine Damen und Herren, würde ich mir wünschen, zu einer sachlichen Diskussion zurückzukommen und über das zu reden, was die Menschen in Nordrhein-Westfalen wirklich wollen. Einer meiner Vorredner hat vorhin bereits die große Online-Umfrage zitiert, die momentan von einer großen Zeitung in Nordrhein-Westfalen durchgeführt wird. 82 % der Beteiligten der OnlineBefragung sagen nach der Demonstration jetzt: Wir wollen, dass das Gesetz so bleibt. Vor der Demonstration waren es 78 %. Das heißt, die Diskussion hat noch einmal einen regen Zulauf ergeben.

Herr Lindner, wenn 82 % der Befragten sagen, dass dieses Gesetz gut ist, und nur ein geringer Teil gerne Raucherklubs hätte, dann kann man – glaube ich – nicht behaupten, dass wir in NordrheinWestfalen die Bevölkerung nicht mitnehmen. Ganz im Gegenteil: Wir haben viele Umfragen aus der Bevölkerung ausgewertet, und dieses Gesetz entspricht dem Wunsch der großen Menge der Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen, denen ihre Gesundheit wichtig ist.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Christian Lindner [FDP]: Minderheitenschutz!)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Für die CDU-Fraktion spricht der Kollege Hegemann.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich als ehemaliger Raucher kenne heute keinen Raucher, der sagt: Ich freue mich, dass ich Raucher bin. Die meisten sehen das als Sucht, und die Allermeisten möchten auch davon runterkommen. Man hört ab und zu, dass zu einem Pilschen auch eine schöne Zigarette gehört, aber so richtig glücklich ist als Raucher niemand.

(Zuruf und Heiterkeit von der CDU)

Es ist natürlich blöd, wenn man einen Zwischenruf nicht mitbekommt.

(Beifall von Marc Herter [SPD])

Es stellt sich jedoch die Frage: Wie vergewaltige ich Menschen? Wie bewerte ich individuelle Selbstbestimmtheit, dass jeder für sich selbst verantwortlich ist?

(Martin-Sebastian Abel [GRÜNE]: Meine Her- ren!)

Es ist etwas ganz anderes, ob in einem Büro Raucher und Nichtraucher zusammensitzen dürfen – da schütze ich den Nichtraucher – oder ob jemand sagt: Ich habe eine Raucherkneipe und ich gehe da rein, weil ich Raucher bin. Sie aber sagen dann: Das kommt nicht in Frage, das ist Teufelszeug. Dann wollen Sie einen neuen Menschentyp erschaffen. Sie haben die Rede des Kollegen Wüst …

(Martin-Sebastian Abel [GRÜNE]: Holen Sie mal das Niveau aus dem Keller!)

Ich als Münsterländer würde sagen: Ich komme auf Ihnen retour; warten Sie mal ab! – Der Kollege Wüst hat Ihnen dargelegt, was Sie alles nicht wollen. Sie sind die Neinsager-Partei.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Darum geht es. Die Menschen haben den Mund und die Ohren voll von Bevormundung. OnlineUmfragen mögen ja repräsentativ sein, aber ich bezweifle solche Umfragen. Es geht darum, dass jeder für sich entscheiden kann, was er möchte. Ich kann es nicht einsehen, dass heute Raucher gehetzt, Haschraucher aber gehätschelt werden.