Protocol of the Session on June 20, 2013

Nordrhein-Westfalen hat schon Solidarität gezeigt. Die Ministerpräsidentin hat die vielen Einsätze der vielen Menschen aus Nordrhein-Westfalen benannt. Wir haben das vorhin mit Beifall durch alle Fraktionen unterstützt und diesen Menschen dafür gedankt – ja, man kann ihnen nicht genug danken –, dass sie in ihrer Freizeit – Herr Kollege Laumann,

Sie haben das beschrieben, auch fit sind, sich für solche Katastropheneinsätze einzusetzen. Ja, das ist ein gutes Pfund für uns hier in NordrheinWestfalen.

Mich ermutigt dieser große Zusammenhalt, der überall zu spüren war. Mich ermutigt es auch, weiterzumachen mit einer Politik, die bei all dem, was uns in der jeweiligen tagespolitischen Auseinandersetzung trennen mag, doch ein Ziel hat, nämlich dafür zu sorgen, dass alle Menschen in NordrheinWestfalen eine gute Perspektive bekommen und dann aus eigener Bereitschaft und aus eigenem Können heraus in der Lage sind, sich für diese Gemeinschaft und für diese Gesellschaft einzusetzen.

Ich möchte einen zweiten und letzten Punkt nennen, der wichtig ist und bereits angesprochen worden ist. Es geht immer auch darum, Vorsorge zu leisten und eine vorsorgende Politik zu betreiben – in allen Bereichen. Das hilft, an der einen oder anderen Stelle möglicherweise große Folgekosten einzusparen. Wir machen das mit dem Hochwasserschutz – auch das bleibt wichtig –, um mit vorbeugender und vorsorgender Politik dafür zu sorgen, dass eine gute Grundlage dafür geschaffen wird, dass die Menschen – Herr Kollege Laumann, gegen Katastrophen und gegen ihre Auswirkungen ist man nicht vollends geschützt – das sichere Gefühl haben können: Wir leben in einem Land, in dem alles getan wird, um so viel Schutz wie möglich vor solchen Katastrophen zu organisieren.

Deshalb haben wir, SPD und Bündnis 90/Die Grünen – die Piratenfraktion ist als Antragsteller diesem Entschließungsantrag inzwischen beigetreten – vorgeschlagen: Lassen Sie uns gemeinsam an diesen beiden entscheidenden Punkten, auf die es ankommt, von diesem Landtag durch einen Entschließungsantrag ein wichtiges Signal setzen. Ich möchte kurz verlesen, worauf es ankommt. Wir schlagen vor – und ich hoffe, dass sich CDU und FDP doch bereitfinden können, das gemeinsam mit uns zu tragen –:

1. Der Landtag Nordrhein-Westfalen unterstützt die

Landesregierung, einem „Aufbauhilfegesetz“ des Bundes in der Sitzung des Bundesrates am 5. Juli 2013 zuzustimmen und für eine zügige Umsetzung der Hochwasserhilfe zu sorgen.

2. Der Landtag Nordrhein-Westfalen bittet die Lan

desregierung, mit der Bundesregierung Gespräche über eine langfristig angelegte Finanzierungshilfe für Hochwasserschutzmaßnahmen auf der Grundlage des Vorschlags des Landes Niedersachsen für einen Sonderrahmenplan „Maßnahmen des Hochwasserschutzes im Binnenland infolge des Klimawandels“ aufzunehmen.

Unsere herzliche Bitte ist, dabei mitzumachen. Ich bin froh und dankbar, dass die Piratenfraktion als Antragsteller diesem Entschließungsantrag beige

treten ist. Ich bitte CDU und FDP, Ihr Herz über diese Hürde zu werfen und dem Entschließungsantrag ebenfalls zuzustimmen. – Vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Römer. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Lindner.

Frau Präsidentin! Verehrte Damen! Meine Herren! Wasser gilt gemeinhin als Quelle des Lebens. Wir haben nun aber wieder erlebt, dass Wasser auch Leid und Zerstörung über Menschen bringen kann.

An vielen Stellen haben Familien ihre Wohnung oder ihr Haus verloren, weil es unter Wasser steht. Landwirte werden im wahrsten Sinne des Wortes um die Früchte ihrer Arbeit gebracht. Diejenigen, die in Handel, Handwerk, Industrie und Mittelstand tätig sind, stehen vor einer wirtschaftlich schwierigen Situation, weil Ausrüstung und Waren verloren gegangen sind.

Vielfach sind die Menschen innerhalb eines Jahrzehnts jetzt zum zweiten Mal von dieser Art der Naturkatastrophe heimgesucht worden. Trotzdem sehen wir nicht nur Verzweiflung, sondern sehr oft Menschen, die nicht aufgeben, sondern die aufstehen, aufräumen und weitermachen. Diese Tapferkeit der Betroffenen nötigt uns Respekt ab, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Allgemeiner Beifall)

In der Not erkennt man Freunde. Es ist ja in Deutschland üblich, dass die Ellbogengesellschaft beklagt wird, eine Gesellschaft von Egotaktikern wird befürchtet. Mit dieser Art der Warnung wird, Herr Römer, auch mancher Parteitag aufgeheizt.

(Beifall von der FDP)

In dieser Situation sehen wir, wie viel gelebte Solidarität jenseits auch staatlicher Organisation in unserem Land in Wahrheit vorhanden ist.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir sehen Menschen, die sich spontan bereit erklären, zu helfen. In Köln haben sich Studierende auf Facebook verabredet, um in Passau zu helfen. Sie haben ihre Bücher zur Seite gelegt und sind spontan, ohne Organisation, ohne an den eigenen Studiererfolg zu denken, nach Passau gefahren, um dort zu helfen. Es gibt viele andere solcher Beispiele aus der Praxis.

Das zeigt eines: Deutschland ist ein solidarisches Land, und die Klage über die Ellbogengesellschaft dient höchstens dazu, mit gewissen klassenkämpfe

rischen Parolen in Deutschland das Klima aufzuheizen,

(Beifall von der FDP und der CDU)

es entspricht aber nicht der Realität dieses solidarischen Landes.

(Zurufe von der SPD)

Schlimmeres konnte dadurch verhindert werden, dass wir auch professionelle Einsatzkräfte vor Ort im Dienst hatten: Feuerwehr, Polizei, Technisches Hilfswerk, die Bundeswehr – sie alle sind hier bereits genannt worden. Über das hinaus, was man normalerweise an Einsatzbereitschaft erwarten darf, haben diese Frauen und Männer dafür gesorgt, gewissermaßen im Kampf Meter um Meter, dass Schlimmeres verhindert werden konnte. Aus Nordrhein-Westfalen kamen über 10.000 Einsatzkräfte. Kein anderes Bundesland, das nicht unmittelbar betroffen ist, hat einen vergleichbar großen Beitrag geleistet. Das gilt es heute anzuerkennen.

Übrigens gilt es auch anzuerkennen, dass es gelungen ist, bestimmte Einzelprobleme zu lösen – Stichwort Erwitte. Es ist keine Schande, Herr Jäger, wenn es einmal einen Fehler bei einem solchen Einsatz gibt, aber man muss auch zu seinem Fehler stehen können. Das macht die Sache gleich viel verantwortlicher, als wenn man nur herumdruckst.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Unser Dank gilt also denjenigen, die tätig waren, Schlimmeres zu verhindern, egal ob im Ehrenamt, ob freiwillig oder professionell.

Wenn Menschen unverschuldet in Not geraten, in eine Not, die auch über die eigenen Kräfte hinausgeht, dann ist die Solidarität der staatlichen Gemeinschaft gefordert. Deshalb begrüßt die FDP ausdrücklich, dass sich unser Land an dem geplanten Fluthilfefonds von Bund und Ländern beteiligen wird. Es ist richtig, dass Nordrhein-Westfalen einen Anteil leistet, um die schlimmste Not heute zu lindern, aber auch den Aufbau in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren zu realisieren.

Bemerkenswert ist aber – die Pegelstände waren noch nicht ganz zurückgegangen –, wie in Nordrhein-Westfalen bereits über die Finanzierung nachgedacht worden ist. Es ist inzwischen, Herr Finanzminister, fast schon komödiantisch. Egal, um welche staatliche Aufgabe es geht, egal, um welche Herausforderung es geht, von Ihnen kommen reflexhaft die Forderungen nach Steuererhöhungen.

(Beifall von der FDP)

Sie denken über Alternativen gar nicht mehr nach. Das kommt reflexhaft. Es ist noch gar nicht kalkuliert, wie viel Geld benötigt wird, da haben Sie schon in der Presse verlautbaren lassen, dass Sie für eine Körperschaftsteuererhöhung um zwei Prozentpunkte sind. Das ist eine Politik in Nordrhein-Westfalen,

meine Damen und Herren, die auf Kante genäht ist. Andere Länder und der Bund haben durch eine kluge Konsolidierungspolitik für solche unerwarteten Ereignisse Reserven und Spielräume geschaffen. Weil Sie sich in Nordrhein-Westfalen einer klugen Konsolidierungspolitik verweigern – ich will hier die Haushaltsdebatte nicht wiederholen –, fehlen hier Möglichkeiten, um auf Unvorhergesehenes flexibel reagieren zu können.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das ist eben nicht vorsorgende Politik, sondern das ist nachlaufende Politik.

Der Bund hat sich außerordentlich länderfreundlich gezeigt. Er übernimmt einen großen Anteil der Lasten, obwohl es, wie wir in Erinnerung rufen wollen, eine gesamtstaatliche Aufgabe des Bundes, aber auch der bündischen Solidarität unter den Ländern ist. Gleichwohl ist anzuerkennen, dass der Bund auch durch die Solidität seiner Haushaltsführung jetzt in der Lage ist, diese Verunsicherung bei den betroffenen Bürgerinnen und Bürger zu beenden. Das ist ein klares Signal der Solidität der Haushaltsführung, aber auch der sozialen Verantwortung, das die Bundesregierung hier sendet.

Meine Damen und Herren, nun komme ich zu meiner dritten Bemerkung. – In Nordrhein-Westfalen müssen wir natürlich auch an unsere eigenen Hausaufgaben, die hier zu lösen sind, denken.

(Vorsitz: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg)

Sobald die aktuelle Krisenbewältigung Erfolge zeitigt, müssen wir uns fragen, was wir zukünftig zur Krisenprävention beitragen können. Wir haben ja eine Reihe von Berichten aus den betroffenen Ländern gehört. In Dresden haben Bürger Deichbau verhindert, weil sie sich in ihrem freien Blick auf die Elbe gestört fühlten. In Flöha war das Problem, dass im Umfeld einer Talsperre Deiche nicht erhöht werden konnten, weil Umweltschutzverbände dagegen protestiert haben.

Über alle diese Fragen, Einzelperspektiven und Einzelinteressen wird man neu beraten müssen. Zwischen diesen Individualperspektiven und dem Gemeinwohl wird neu abgewogen werden müssen. Es kann nicht sein, dass Einzelinteressen und Einzelperspektiven zukünftig einen für alle Bürger notwendigen Hochwasserschutz verhindern, mindestens aber verzögern können.

Hier in Nordrhein-Westfalen müssen wir aber auch fragen, welches Engagement es seitens des Landes gibt. Karl-Josef Laumann hat bereits darauf hingewiesen: Im Jahr 2011 hat das Land noch einen Istbetrag von ungefähr 39 Millionen € für den Hochwasserschutz aufgewendet. Wie Frau Ministerpräsidentin eben ausgeführt hat, ist diese Summe jetzt auf einen Planansatz von 30 Millionen € reduziert worden – allerdings in dem Ministerium von Johannes Remmel, dessen Haushaltsansatz insge

samt steigt. In einem steigenden Haushalt wird Nordrhein-Westfalen also weniger für den Hochwasserschutz tun.

Nun ist bemerkenswert, welcher Entschließungsantrag von den Koalitionsfraktionen hier vorgelegt wird. Erst kürzen Sie in einem großen und wachsenden Umweltetat beim Hochwasserschutz, und dann legen Sie hier einen Entschließungsantrag vor, in dem Sie fordern, der Bund solle ein Finanzierungsprogramm für den Hochwasserschutz auflegen. So werden Sie Ihrer Verantwortung aber nicht gerecht!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das ist doch inzwischen zu einer Systematik dieser rot-grünen Koalition geworden. Weil Sie die wachsenden Steuereinnahmen für Ihre Wohlfühlprojekte verschießen, fehlt für den Kernbestand staatlicher Aufgabenerfüllung das Geld – insbesondere beim Hochwasserschutz.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Man kann das fortsetzen: Landesstraßenbau – heute nicht unser Thema. Man kann das fortsetzen: Inklusion – heute nicht unser Thema. Man kann das fortsetzen: Halbierung des Vertretungsunterrichts. Man kann das weiter fortsetzen. Weil Sie nicht klare Prioritäten setzen, fehlt das Geld für die wichtigen Aufgaben. Und dann soll der Bund für Sie die Kastanien aus dem Feuer holen. Bei dieser Politik ist der Lack nach einem Jahr ab, Frau Kraft. Das haben die Leute inzwischen erkannt.