Protocol of the Session on May 16, 2013

„Nordrhein-Westfalen eine Oase für Kriminelle“, titelte „Die Welt“ bereits im Januar 2012. Denn das Risiko der Täter ist bei uns in Nordrhein-Westfalen ausgesprochen gering. Die Aufklärungsquote bei Wohnungseinbrüchen beispielsweise beträgt landesweit 13,8 % und, man höre und staune, in Köln 6,3 %. Die Polizei ermittelt landesweit also nur bei jedem siebten bis achten Wohnungseinbruch einen Tatverdächtigen, in Köln sogar nur bei jedem 16. Wohnungseinbruch. Das ist Ihr Verdienst.

Tatsächlich verurteilt wird wegen Einbruchs aber auch davon nur ein Bruchteil. Nur in zwei von hundert angezeigten Fällen steht nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ am Ende des Verfahrens ein Urteilsspruch.

Fazit: Einbrechen ist in Nordrhein-Westfalen ein weitgehend risikoloses Geschäft.

Den Ursachen geht das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen nach. Auf das Ergebnis dürfen wir sehr gespannt sein. Aber erste Ergebnisse gibt es. Erste Ergebnisse hören wir von den Staatsanwälten. Die Staatsanwälte sehen die Ursache vor allem in zwei Gründen: einmal bei den Tätern, die immer geschickter vorgehen, und zum anderen bei Mängeln in der Polizeiarbeit.

Nach Einschätzung des Vizevorsitzenden des Bundes der Richter und Staatsanwälte wird schlechter ermittelt als früher. Die Akten werden bei häufigen Delikten wie Einbrüchen nicht mehr so gut bearbeitet wie in den 90er-Jahren. Wir müssen die Polizei immer wieder zu Nachermittlungen veranlassen, sagt Hartmann.

Ich kann leider aus Zeitgründen nicht auf die vielen Möglichkeiten eingehen. Ich will nur sagen, wo die Ursache dafür liegt. Denn diese Ursache ist der eigentliche Skandal.

In Nordrhein-Westfalen gibt es etwa 8.300 Beamtinnen und Beamte in der Kriminalpolizei. Der Anteil der Kriminalpolizei an der Gesamtpolizei liegt seit 1992 unverändert bei ca. 22 %. Das ist der Skandal. Denn in dieser Zeit sind die Straftaten um 220.000 Fälle angestiegen.

Die Kripo hat zur Aufklärung eines Falles von Wohnungseinbruch 60 Minuten, in denen bereits sieben bis acht neue Wohnungseinbrüche begangen werden. Das liegt an den Rahmenbedingungen der kriminalistischen Arbeit: Hetze durch den Alltag. Wer 100 bis 120 Vorgänge permanent auf dem Tisch hat, wer zu allen Sonderaktionen gerufen wird, der kann sich nicht mehr im Einzelnen wirklich

um die Fälle kümmern. Die Ermittlungsruhe ist weggekommen.

Sie, Herr Minister, bekommen zwar 5.000 Beamtinnen und Beamte für Ihre „Blitze“ auf die Straße, aber Sie schaffen es nicht, mehr Kräfte für die Kriminalitätssachbearbeitung zu organisieren.

(Beifall von der CDU)

Wie „Spiegel online“ am 10. Januar 2013 berichtete, soll eine von Ihnen eingesetzte Arbeitsgruppe „Bekämpfung mobiler Intensivtäter Eigentum“ erhebliche Defizite bei der polizeilichen Ermittlungsarbeit aufgedeckt haben. Danach werden Datenbanken schlecht gepflegt, Kriminalakten vernachlässigt, erkennungsdienstliche Instrumente nicht aktualisiert. Es fehlt die Abstimmung zwischen den Polizeibehörden, und es wird nicht überregional ermittelt. Wir brauchen aber mehr länderübergreifende Ermittlungen. Wir brauchen auch in Nordrhein-Westfalen eine Sachfahndung, und wir benötigen in NordrheinWestfalen viel stärker eine täterorientierte Ermittlungsarbeit bei Serientätern.

Das alles, Herr Minister, sind Fehler der politisch Verantwortlichen. Vor der Arbeit der einzelnen Beamten haben wir hohen Respekt. Millionen Überstunden machen das deutlich. Aber es fehlt an den Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Arbeit. Dafür, Herr Minister, sind Sie verantwortlich.

(Beifall von der CDU)

Solange Sie Ihre Hausaufgaben nur mangelhaft erledigen, solange wird Nordrhein-Westfalen dir rote Laterne bei der Kriminalitätsbekämpfung behalten. Das, Herr Minister, ist Ihr Verdienst. Das Versagen ist Ihr Versagen. Daran sollten Sie schleunigst etwas ändern.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Biesenbach. – Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Stotko.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Biesenbach, die Frage der Bewertung von Komikfiguren will ich hier weglassen. Ihr Auftritt hat mich eher an SpongeBob erinnert als an Popeye, will ich Ihnen einmal ganz deutlich sagen.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Mir würden auch andere Figuren einfallen, die ich aber jetzt besser weglasse.

Manches ist Ihnen aber einfach nicht peinlich genug. Das will ich einmal ganz deutlich sagen. Bereits gestern hat Ihnen der Kollege Körfges gesagt, dass Ihr Antrag zu den V-Leuten ein bisschen spät kommt, um es einmal nett zu formulieren. Wenn

man zwei Jahre zu spät ist und dazu dann auch noch spricht, dann ist das eben so.

Gleiches gilt für die Aktuelle Stunde, die Sie heute beantragt haben. Da hat Ihnen vor ein paar Tagen Ihr Kollege Friedrich im Bund gesagt: Macht mal eine Aktuelle Stunde. Ich habe eine Statistik, da kommt heraus, in NRW sieht es ganz schlecht aus! – Und da greifen Sie wie ein Ertrinkender nach diesem Strohhalm, beantragen vor drei Tagen diese Aktuelle Stunde. Gestern ist diese Statistik veröffentlicht worden. Jetzt wollen wir einmal ehrlich sein: Ein Rohrkrepierer – nichts anderes ist aus dem geworden, was Sie heute vorgehabt haben.

(Beifall von der SPD)

Denn was ist herausgekommen? Herausgekommen ist: Frankfurt und der Vatikanstaat sind die Horte des Verbrechens.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD)

Jetzt werden diejenigen, die hier sitzen und sich nicht viel mit Innenpolitik beschäftigen, fragen: Was sagt der Stotko da, wieso denn der Vatikanstaat? Sie werden denken, das gibt es doch gar nicht. Doch! Nach der Statistik von Herrn Friedrich kommen auf jeden Düsseldorfer und Kölner 0,15 Straftaten, aber auf jeden Einwohner im Vatikanstaat 2, also 13 Mal so viele Straftaten als in Köln und in Düsseldorf. Gut, dass dafür kein deutscher Papst mehr verantwortlich ist!

(Heiterkeit und Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Spaß beiseite! Die knapp 900 Verfahren im Vatikanstaat entfallen auf 490 Einwohner. Aber zu 99 % werden diese Straftaten nicht von den Einwohnern des Vatikanstaats begangen. Warum erkläre ich das? Weil das natürlich auch unter anderem für Köln und für Düsseldorf gilt. Millionen von Pendlern, an denen und von denen Straftaten begangen werden, jede illegale Krokodilbrieftasche, jedes Passvergehen und – mit Verlaub – jedes unerlaubte Einführen eines Affen durch Justin Bieber – das sind alles Straftaten, die man in ein anderes Verhältnis setzen müsste. Das interessiert Herrn Friedrich aber für keine fünf Cent.

Das machen übrigens die Baden-Württemberger besser. Die Baden-Württemberger – ich bin ja wirklich erstaunt und rege an, dass wir darüber einmal nachdenken – haben in ihrer Kriminalstatistik ein paar Seiten zum Thema „Import von Straftätern“. Über das Wort „Import“ kann man meiner Meinung nach reden. Aber wenn Sie die Statistik in BadenWürttemberg sehen – im Übrigen geprägt noch von der früheren CDU-Führung –, dann können Sie ablesen, dass in den Großstädten in BadenWürttemberg über 40 % der Straftaten von Tätern begangen werden, die nicht aus der Stadt oder dem Landkreis stammen, und im Übrigen nur 10 % von solchen Tätern in den ländlichen Gemeinden. Viel

leicht sollten wir diese Importdaten einmal auf Köln und Düsseldorf anwenden. Das wäre, glaube ich, besser.

Herr Dr. Orth, beim Thema Düsseldorf bin ich erstaunt, dass Sie heute nicht reden. Ich hoffe, Sie kommen in der zweiten Runde noch nach; dann bin ich beruhigt. Denn Sie werden uns als Düsseldorfer Abgeordneter vielleicht erklären können, dass die Statistik völlig richtig ist, dass Sie in Düsseldorf versagen und dass es in Düsseldorf so schlecht ist, wie es bei Herrn Friedrich steht, oder Sie erklären uns, dass man das für Düsseldorf etwas anders sehen muss. Ich bin sehr gespannt.

Das gilt im Übrigen auch für den Kollegen Möbius – ich sehe ihn gerade nicht –, der in Köln wie wild wettert, in Köln müsse mehr geschehen. Als die Daten für Köln in der Zeit von 2005 bis 2009 veröffentlicht wurden – der Oberbürgermeister kam von der CDU –, hat Herr Möbius immer gesagt: Ja, so könne man das nicht sehen; das könne man nicht vergleichen. – Also, der Peinlichkeit genug. Das geht so nicht.

Ich lege gerne noch einen Punkt obendrauf: Münster. Münster hat einen besonderen Kriminalitätsschwerpunkt – oooh! – weit über alle anderen Städte hinaus. Sie ist jetzt nicht anwesend, aber, Kollegin Schulze und lieber Thomas Marquardt, keine Angst, es ist nicht Schlimmes. Münster ist der Spitzenreiter bei Fahrraddiebstählen. Wen wundert es bei der Menge an Fahrrädern? Daran sieht man schon, was man mit dieser Statistik anfangen kann.

Alle Statistiken, insbesondere die von Herrn Friedrich, haben noch weitere Mängel. Die Statistik von Herrn Friedrich wird nicht der Tatsache gerecht, dass viele Leute immer viele Tatgelegenheiten und auch viele Täter und Opfer bedeuten. Sie wird nicht der Tatsache gerecht, dass es Internetstraftaten gibt, die bundesweit begangen werden, die aber von allen Geschädigten an einer Stelle in der Bunderepublik angezeigt werden. Sie wird übrigens auch nicht der Tatsache gerecht, dass Polizeibehörden sehr unterschiedlich arbeiten. Dort, wo sehr aggressiv ermittelt wird – derjenige, der viel sucht, findet auch viel –, da ist bei gleicher Kriminalität die Statistik höher als bei anderen.

Diese Äpfel-und-Birnen-Theorie dieser FriedrichStatistik wird noch klarer, wenn wir sie einmal auf NRW anwenden, Herr Kollege Biesenbach. Ich fände es spannend, wenn Sie es so nehmen würden, wie Herr Friedrich es für den Bund sagt. Nach der Friedrich-Statistik sind in Nordrhein-Westfalen die Kreise Herford und Siegen-Wittgenstein top und Köln und Düsseldorf, wie wir gerade gehört haben, Flop. Jetzt müssen Sie aber wissen, dass in Düsseldorf und in Köln auf 250 Einwohner ein Polizeibeamter kommt, in diesen beiden Top-Kreisen aber nur auf 700 Bürger. Im Umkehrschluss bedeutet das: Je weniger Polizei, desto sicherer lebt man in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Also, Herr Biesenbach, wenn es nach Ihnen geht, müssen wir in Köln und in Düsseldorf Polizisten abziehen. Das können Sie nicht ernsthaft verlangen.

Als Letztes – Kollege Marc Herter sitzt da nicht, aber zumindest Hans-Willi Körfges –: Mönchengladbach und Hamm sind die sichersten Städte in der Bundesrepublik Deutschland. Das liegt daran, dass die beiden dort Abgeordnete sind. Oder woran soll das, bitte schön, liegen?

(Beifall von der SPD)

Lieber Hans-Willi, nimm es mir nicht übel: Es hat weder etwas mit dem Abgeordneten zu tun noch mit der Frage, wer Polizeipräsident ist,

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Er ist von der FDP!)

und, Herr Innenminister, auch nicht mit der Frage, welche Partei den Innenminister stellt.

Fest steht: Diese Statistik, um die es geht, ist in den letzten 25 Stunden so zerrissen worden, wie ich es selten in der Bundesrepublik erlebt habe. Das muss hier einmal ganz deutlich sagen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Mit dieser Einschätzung, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wir nicht alleine. Jetzt will ich gar nicht die CDU aus Frankfurt oder andere zitieren, auch nicht den Düsseldorfer Oberbürgermeister. Ich berufe mich auf drei Institutionen, die mit uns, mit der Politik, erst einmal wenig zu tun haben, nämlich das Max-Planck-Institut in Berlin, die renommierte Statistik-Fakultät der TU Dortmund und das RWI, also unser Institut hier vor Ort. Denn die haben diese Statistik von Herrn Friedrich gemeinsam zur „Unstatistik des Monats“ erklärt. Das hätte mir einfallen sollen – ich gebe es zu. Ich kann ihnen dazu nur gratulieren. Den Preis hat man verdient.

Es wäre mehr drin gewesen. Schade, dass Sie daraus nicht mehr gemacht haben. Es wird Zeit, dass diese unsägliche Diskussion beendet wird. – Besten Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Stotko. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Lürbke.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Jäger, Sie stehen als Innenminister vor einem innenpolitischen Scherbenhaufen in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der FDP – Lachen und Zurufe von der SPD)