Hier werden in erster Linie ausländerfeindliche Wahlkampfparolen auf dem Rücken der Asylbewerber aus Serbien und Mazedonien ausgerufen.
Meine Damen und Herren, wir Piraten bleiben dabei: Wir lehnen eine restriktive Einwanderungs- und Visapolitik, die nur weiter die Festung Europa ausbaut, kategorisch ab.
Was wir hier erleben, ist populistische Stimmungsmache auf Kosten der betroffenen Zuwanderer. Wir fordern die Landesregierung auf, sich für eine hu
mane und offene Visa- und Asylpolitik in NRW, in Deutschland und in der ganzen EU einzusetzen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kern, ich glaube, in Nordrhein-Westfalen – wenn ich das richtig überblicke – gab es kaum eine Landesregierung, die sich so sehr für Zuwanderer und für Asylbewerber eingesetzt hat wie diese Landesregierung, um das einmal deutlich zu machen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir über Visa reden, dann reden wir oft über Schicksale von Menschen, die sich in der Regel in erbärmlichsten Lagen befinden, in den allermeisten Fällen, weil sie in ihrem Heimatland keine Perspektiven haben, weil sie ausgegrenzt, diskriminiert und mitunter sogar verfolgt werden.
Zurzeit erleben wir einen Zustrom von Menschen aus den Balkanländern, die in ihren Ländern blanker Armut ausgesetzt sind, die nichts zu essen haben, die gesellschaftlich ausgegrenzt werden, die keine Chance auf einen Job, auf Perspektive haben. Sie flüchten aus EU-Ländern wie zum Beispiel aus Bulgarien und Rumänien genauso wie aus Serbien und Mazedonien. Vielfach handelt es sich dabei um Sinti und Roma, Volksgruppen, die aus ethnischen Gründen in ihren Heimatländern ausgegrenzt und benachteiligt werden.
Die Aufnahme dieser Menschen ist eine enorme Herausforderung für unsere Städte und Gemeinden. Wir haben in unserem Haushalt deshalb Mittel bereitgestellt, um unsere Kommunen bei dieser schwierigen Aufgabe zu unterstützen.
Gleichzeitig jedoch, liebe Kolleginnen und Kollegen, erleben wir in Deutschland eine enorme Nachfrage nach qualifizierten Facharbeitern. Nicht zuletzt aus Gründen des demografischen Wandels sollten wir uns gegen einen Stopp der Zuwanderung zur Wehr setzen. Durch die Visumsbefreiung kommen auch qualifizierte Arbeitskräfte ins Land. Junge Familien, die eine Existenz gründen, brauchen wir in Deutschland, um uns weiterzuentwickeln.
Deshalb betrachten wir als SPD grundsätzlich die Visumsfreiheit für Drittstaatangehörige positiv. Wir haben immer gesagt, wir wollen eine offene EU haben, in der sich Menschen frei bewegen können. Das Problem, dass es diesen Menschen in ihren Ländern schlecht geht, muss an der Wurzel gepackt werden, und das geht nur in ihren Heimatländern.
Hier brauchen diese Staaten wie Serbien, Mazedonien, aber auch Rumänien und Bulgarien, die schon zur EU gehören, unsere Unterstützung. Aber viel mehr brauchen diese auch endlich den politischen Druck der Bundesregierung, die sich entschieden dafür einsetzen muss, dass in diesen Ländern die Diskriminierung und Ausgrenzung ein Ende nimmt.
Als SPD sehen wir die Aussetzung der Visumsfreiheit als überflüssig an, wenn man die notwendige Hilfe im Heimatland gewährt. Die Visumsbefreiung ist für die Menschen im Westbalkan eine wichtige Errungenschaft. Sie lässt die Menschen die Annäherung an Europa konkret erleben. Sie ist auch ein wichtiger Schritt gegen Nationalismus; denn der Frieden auf dem Westbalkan ist immer noch nicht beständig. Wenn wir diese Länder wieder abschotteten, würde sich die Situation dort sicher nicht stabilisieren.
Deshalb ist unsere Linie klar: Anstatt Schranken aufzubauen und Reisefreiheit einzugrenzen, brauchen wir Hilfen in den Herkunftsländern. Das ermöglicht den Menschen, die qualifiziert sind und hier Arbeit finden wollen, die Einreise, und es ermöglicht denen, die bislang aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen hierhergekommen sind, ein menschenwürdiges Leben in ihren Heimatländern.
An dieser Stelle möchte ich noch einen Satz zur CDU sagen, das kann ich Ihnen nicht ersparen. Mit Stimmungsmache, Herr Laumann – er ist gerade nicht da –, gegenüber Menschen anderer Herkunft wurde schon häufig gerne Wahlkampf gemacht. Ich halte das für unseriös und für gefährlich.
Wenn Ihr Bundesinnenminister und auch Sie sagen: „Wir müssen vermeiden, dass Menschen aus sicheren Herkunftsländern zu uns kommen“ und damit die Aufhebung der Visafreiheit begründen, dann ist das eine ganz plumpe Argumentation. Das sollten Sie unterlassen. Ich glaube, das Ganze ist schon dem Bundestagswahlkampf geschuldet. Auf dem Rücken der Menschen Wahlkampf zu machen ist populistisch. Das halte ich für schäbig.
Meine Bitte an Sie lautet: Lassen Sie das sein. Lassen Sie uns anständig mit diesem Thema umgehen. Gerade weil es in den Städten, die unter dieser Zuwanderung leiden – unter anderem auch Duisburg, angrenzend an meinen Wahlkreis –, eine Verunsicherung bei den Menschen gibt, weil es dort Sorgen und Ängste gibt, müssen wir als Politiker hier beruhigend einwirken. Wir müssen uns ehrlich machen und diese Ängste zur Kenntnis nehmen. Wir sollten versuchen, gegenzusteuern und nicht mit Wahlkampfgetöse für Verunsicherung sorgen und Stimmungen bedienen, die wir nicht wollen.
Die Lösung kann nicht darin bestehen, in der europäischen Einheit einen Schritt zurückzugehen. Deswegen sind wir für die Visafreiheit. Was uns in Ihrem Antrag jedoch fehlt, liebe Piratinnen und Piraten, ist die deutliche Kritik an der Bundesregierung sowie die Aufforderung, zu unterstützen und zu helfen.
Wir haben Ihnen gestern angeboten, diesen Antrag zu überweisen. Dann hätten wir gemeinsam einen Antrag erarbeitet, der vollständig gewesen wäre. So aber können wir Ihren Antrag heute nur ablehnen. – Ich danke Ihnen.
Danke sehr, Herr Kollege Yetim. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Frau Kollegin von Boeselager das Wort.
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Es ist in der Tat richtig: Man darf solche Themen nicht populistisch behandeln. Es handelt sich um ein sehr wichtiges Thema. Die Visumsfreiheit ist eine große Errungenschaft und ein sehr ermutigendes Signal.
Ich verstehe nur nicht, Herr Kern, warum die Piraten immer Anträge formulieren mit direkter Abstimmung. Warum lassen Sie nicht zu, dass man im Ausschuss noch einmal intensiv darüber diskutieren kann?
Die Visumsfreiheit für die Länder des westlichen Balkans muss natürlich bestehen bleiben. Gerade die Menschen in Serbien und Mazedonien, die im Antrag der Fraktion der Piraten konkret angesprochen werden, sind sehr daran interessiert. Die Visumsfreiheit ist eine vitale Brücke für diesen Annäherungsprozess, die Bewusstseinsbildung, das Kennenlernen und den Wandel. Ein solch hohes Gut darf nicht zum Versatzstück werden.
Auf der anderen Seite hat die Einführung der Visumsfreiheit in den Jahren 2009 und 2010 zu einem erkennbaren Missbrauch des Asylrechts geführt, der ökonomischen Druck erzeugt. Der vorliegende Antrag räumt die starke Belastung überhaupt nicht ein. Es sind ja ausgerechnet die sozialdemokratisch geführten Kommunen in Nordrhein-Westfalen, die deshalb nach Hilfe gerufen haben. Herr Kollege Yetim, Sie haben es vorhin selbst erwähnt.
Auch die Jahresmitteilung des Düsseldorfer Verwaltungsgerichts vom 15. Februar dokumentiert unter der Überschrift „Klagewelle von Asylverfahren aus den Herkunftsländern Serbien und Makedonien“ die Betroffenheit unseres Bundeslandes. Um die Asylsachen zu bearbeiten, mussten im Geschäftsjahr 2012 noch zwei weitere Kammern eingerichtet werden, nachdem schon 2010 drei zusätzliche Kam
„Im vergangenen Februar seien in NordrheinWestfalen 1.725 Asylantragsteller registriert worden, rund 65 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Das Ministerium rechnet für die kommenden Monate mit konstant hohen und sogar noch steigenden Flüchtlingszahlen.“
Es geht darum, grundsätzlich und angemessen eine Regelung zu entwickeln, um auf extrem zugespitzte Fehlentwicklungen künftig reagieren zu können, und zwar im Einklang mit der Kultur der freiheitlichen Ordnung und des Willkommenseins.
Die Konzeption, über die der LIBE-Ausschuss am 8. April 2013 abgestimmt hat, nimmt eine solche Regelung dazu in Aussicht. Sie zielt nicht darauf, die Visumsfreiheit für die Länder des westlichen Balkans abzuschaffen, wie das im Antrag der Piraten suggeriert wird. Es ist auch kein willkürlicher Automatismus vorgesehen, sodass auf Antrag eines Landes sogleich die Anwendung der Visumsschutzklausel folgen könnte.
Hier ist Ihr Antrag besonders lax formuliert. Sie müssen sich die Frage gefallen lassen, lieber Herr Kern, warum Sie die Zuständigkeiten der Kommission nicht deutlich benennen. Die Visumsfreiheit – da sind wir uns alle einig – ist ein hohes Gut und in höchstem Maße schützenswert.
Die Gestaltung muss allerdings auch verlässlich sein. Visumspolitik kann keine Einbahnstraße sein. Ich möchte in diesem Zusammenhang auch auf das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung hinweisen. Es stehen ebenso alle Länder in der Verantwortung, denen gegenüber die Visumsfreiheit besteht.
Ich denke, wir müssen leider Ihren Antrag in der Form ablehnen. In Zukunft – da wiederhole ich mich – sollten Sie Ihre Anträge so formulieren, dass wir sie auch intensiv diskutieren können. – Danke.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Frau Kollegin Düker.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, wir Grüne stimmen der Aussage der Antragsteller zu, dass eine gestiegene Zahl an Asylbewerberinnen und -bewerbern in unserem Rechtsstaat kein Grund sein
darf, Visumsfreiheit für ein Land auszusetzen. Wir Grüne schätzen das Recht auf Asyl, das in unserem Grundgesetz verankert ist, als ein sehr hohes Gut ein, und hier darf es keine Relativierung geben.
Über welche Länder reden wir überhaupt? – Wir reden über Serbien. Serbien hat seit 2012 den Status eines EU-Beitrittskandidaten. Oder Mazedonien: Seit 2003 gilt Mazedonien als potenzieller EU-Kandidat, und seit 2009 laufen hier die Beitrittsverhandlungen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, was für ein Signal, hier die errungene Visumsfreiheit wieder auszusetzen! In diesen Prozessen wäre es für diese Länder ein enormer Rückschlag, wenn Sie die Visumsfreiheit verlieren, und auch ein Rückschlag für den gesamten Prozess der Beitrittskandidaten.
Schauen wir uns an, um was es geht: nicht nur um die gefühlten Zahlen, sondern wirklich um Fakten, um welche Einwanderungszahlen bzw. Flüchtlingszahlen es sich hier handelt: 2012 stellten 64.539 Menschen in Deutschland einen Erstantrag auf Asyl. Dieser Wert von 2012 liegt weit unter dem Wert, den wir vor zehn Jahren noch hatten. Das muss man einfach einmal ins Verhältnis setzen. Von diesen 64.500 kamen 8.477 Erstanträge aus Serbien. Seitdem – und auch das muss man zur Kenntnis nehmen – ist der Anteil der Balkanländer wie Serbien bei den Antragstellern kontinuierlich zurückgegangen.
Schauen wir uns den Monat März an: Im März sind 5.579 Erstanträge auf Asyl gestellt worden. Die meisten davon – vielleicht sollte man sich mit den Fakten beschäftigen, bevor man hier in dieses Getöse einstimmt –, nämlich 1.004 Anträge, kamen aus Russland. Dahinter mit 552 Anträgen liegt Syrien. Auf Platz drei der Länder der Asylantragsteller liegt dann Afghanistan mit 459 Anträgen. Weiter hinten findet man auch den Anteil serbischer Antragstellerinnen und Antragsteller. Der liegt mit 6,9 % und absolut 385 Anträgen im Monat März nicht in den vorderen Rängen.
Wenn ich mir dann ansehe, was der Innenausschuss des EU-Parlamentes sagt, warum wir so eine Visumsschutzklausel benötigen und warum Innenminister Friedrich hier vorstellig wird, wird einem klar, wie absurd das eigentlich ist. Der Innenausschuss der EU stellt fest: Der Kommission sollte – jetzt kommt es – in Ausnahmefällen im Zusammenhang mit einer Notlage, in der eine dringliche Reaktion erforderlich ist, um die Schwierigkeiten eines oder mehrere Mitgliedstaaten abzuwenden, … Und so weiter.