Protocol of the Session on March 20, 2013

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben sehr häufig über dieses Thema gesprochen. Deswegen möchte ich mich auf drei aus unserer Sicht wesentliche Punkte konzentrieren.

Ich beginne mit dem Thema „Wahlbeteiligung“. – Es ist vorhin – auch vom Kollegen Biesenbach – angesprochen worden, dass wir alle für hohe Wahlbeteiligungen, und zwar auch bei Kommunalwahlen, Sorge tragen müssen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, in der letzten kurzen Wahlperiode haben SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP gemeinsam die Stichwahlen wieder eingeführt, obwohl bei Stichwahlen die Wahlbeteiligung traditionell ganz besonders niedrig ist. Insofern ist das Argument der Wahlbeteiligung sicherlich ein Argument, aber kein durchschlagendes Argument. Ansonsten hätten Sie seinerzeit den Beschluss zur Wiedereinführung der Stichwahl nicht mit uns gemeinsam treffen dürfen.

Sie dürfen sich, verehrte Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, die Argumente nicht so drehen, wie es passt.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Der zweite Punkt, Herr Kollege Krüger, betrifft die Amtszeiten. Sie haben davon gesprochen, es sei parteipolitisches Kalkül der Freien Demokraten gewesen. – Ich sage Ihnen: Es ist parteipolitisches Kalkül, dass Sie wieder einen Gleichklang der Amtszeiten von Hauptverwaltungsbeamten und Stadträten haben wollen, weil Sie kein Interesse an unabhängigen Bürgermeistern, Oberbürgermeistern und Landräten haben, obwohl diesen in der kommunalen Verfassung eine besonders hervorgehobene Stellung eingeräumt wird,

(Beifall von der FDP)

die besonders in Amtszeiten und der Unabhängigkeit einen Ausdruck findet.

Dass wir da nicht zusammenkommen, ist bedauerlich, aber ist in der Tat parteitaktisches Kalkül auf Ihrer Seite. Ich gebe deswegen diesen Spielball über Bande gern zurück, auch wenn Minister Jäger ihn gleich in seinem Wortbeitrag wieder zu uns spielen wird. Ich prophezeie aber: Der Ball geht nicht ins Tor, Herr Minister.

(Minister Ralf Jäger: Den werde ich volley nehmen!)

Ich bin gespannt.

Aber der entscheidende Punkt – den versenke ich volley bei Ihnen im Tor, und zwar von der Mittellinie aus –,

(Zuruf von Britta Altenkamp [SPD] – Heiter- keit)

Herr Minister Jäger, ist, dass Sie – Herr Kollege Biesenbach hat es sehr fein ausgeführt – die verfassungsrechtlichen Fragen …

(Lachen)

Jetzt lachen Sie noch und sind humoristisch. Ich sehe Sie schon in Münster. Sie haben ja Erfahrungen, wie das vor dem Verfassungsgericht ist. Warten Sie es ab!

(Zuruf von Jochen Ott [SPD])

Meine Damen und Herren, der entscheidende Punkt ist, dass Sie im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Zulässigkeit beim Rücktrittsrecht der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister nahezu sämtliche Sachverständigen ignorieren. Das kann niemand bestreiten.

Ich sage Ihnen: Insofern legen Sie eben ein anderes Verständnis an den Tag. Denn oberster Souverän ist aus Ihrer Sicht nicht der Bürger, der 2009 gewählt hat, sondern oberster Souverän des Landes Nordrhein-Westfalen ist aus Ihrer Sicht eine rotgrüne Landtagsmehrheit, die heute per einfachgesetzlicher Mehrheit und ohne Beachtung des unsere Verfassung tragenden Demokratieprinzips diese Regelung verändert. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist verfassungsrechtlich bedenklich.

Deswegen bin ich der festen Überzeugung: Diese Angelegenheit wird Ihnen auf die Füße fallen. Wahlrecht ist keine Petitesse, Wahlrecht macht man interfraktionell. Deswegen ist das einer der Hauptgründe, warum wir diesem Gesetz nicht zustimmen können. – Ganz herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP)

Danke schön, Herr Abruszat. – Nun spricht für die Fraktion der Piraten Herr Herrmann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich hoffe, zu Hause sind noch mehr Zuschauer als hier im Saal.

Wir sprechen hier über ein Gesetz, das die kommunale Demokratie stärken will. Im Gesetzestext wird jedoch der Titel nicht weiter erwähnt.

Was steckt dahinter? – Das Gesetz sieht vor, die bei der letzten Kommunalwahl 2009 für unterschiedliche Zeiträume gewählten kommunalen Vertretungen und die Hauptverwaltungsbeamten wieder in einer gemeinsamen Wahl am selben Tag und im selben Jahr zu wählen.

Das finden wir zunächst einmal gut, aber für die Stärkung der kommunalen Demokratie ist das ein zu kleiner Baustein.

Viel wichtiger finden wir den Plan, die Wahlperiode allgemein, also auch für Hauptverwaltungsbeamte, wieder auf fünf Jahre festzulegen und es nicht mehr bei sechs Jahren wie nach der Änderung 2004 durch die frühere schwarz-gelbe Landesregierung zu belassen oder sie sogar auf acht Jahre zu verlängern, wie es die FDP-Fraktion mit ihrem Entschließungsantrag heute möchte.

Kürzere Wahlperioden sind demokratischer. Denn der Bürger kann seine Vertretung häufiger wählen. Teil der Demokratie muss es immer sein, dass sich auch die Gewählten ihrer Legitimation regelmäßig in absehbarer Zeit versichern. Deshalb sind Wahlen auch so oft wie möglich durchzuführen.

(Beifall von den PIRATEN)

Längere Wahlperioden dagegen mit einer vermeintlich notwendigen Kontinuität zu begründen, ist absurd. Das sind leere Argumente, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP. Die beste Kontinuität erreichen Bürgermeister dadurch, dass sie sich mit einer ständig offenen und im Sinne der Bürger erledigten Arbeit nach fünf Jahren zur Wahl stellen und wiedergewählt werden. Das ist dann Kontinuität über zehn, fünfzehn oder mehr Jahre.

(Beifall von den PIRATEN)

Dass fünf Jahre eine ausreichend lange Zeit sind, um sich zum einen in eine neue Aufgabe einzuarbeiten und zum anderen durch Leistung zu belegen, dass man es Wert ist, wiedergewählt zu werden, werden wir Piraten bei der nächsten Landtagswahl in NRW beweisen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPDFraktion und von Bündnis 90/Die Grünen, wenn die Demokratie durch gleichzeitige Wahlen der kommunalen Verantwortungsgemeinschaft und durch kürzere Wahlperioden gestärkt werden kann, könnte der Gesetzentwurf sehr einfach sein. Warum haben Sie ihn so kompliziert gemacht und Rücktrittsrechte für Bürgermeister bei vollen Versorgungsbezügen neu eingeführt, nur um deren Wahl schon im kommenden Jahr möglich zu machen?

Dass die nächste gemeinsame Wahl eben nicht schon 2014 erreicht werden kann, haben wir in der Anhörung aus unserer Sicht von allen Experten gehört. Der freiwillige Rücktrittszwang wurde nicht nur als verfassungsbedenklich, sondern als verfassungswidrig eingestuft, weil damit der eigentliche Wählerwille aus dem Jahr 2009, nämlich die Bürgermeister bis zum Jahr 2015 zu wählen, im Nachhinein ausgehebelt wird. Das verstößt gegen das Demokratieprinzip und ist deshalb absolut inakzeptabel.

Gleichzeitig stellt das Gesetz trotz Rücktritt gleichbleibende Versorgungsansprüche in Aussicht und belastet damit die Haushalte.

Zum Abschluss streichen Sie auch noch das Mindestzustimmungsquorum für Einzelbewerber. Damit kann ein einzelner Bürgermeisterkandidat demnächst auch ohne Wahl zum Sieger erklärt werden.

Spätestens durch diese Änderung ist nach unserer Auffassung der Titel des Gesetzes neutralisiert bzw. ins Gegenteil verkehrt. Von einer Stärkung der kommunalen Demokratie kann hier nicht mehr die Rede sein.

Jetzt muss ich eine Rückfrage an den Präsidenten stellen, weil ich mich auf einen Änderungsantrag beziehen wollte.

Sie können sich auf den Änderungsantrag beziehen. Er ist inzwischen eingegangen, wird aber gerade erst verteilt.

Okay, danke schön.

Es tut mir leid. Da ist irgendwo etwas schiefgelaufen. Ich hoffe, Sie haben noch Gelegenheit, in den Antrag zu schauen. Ich will ihn kurz vorstellen. Mit unserem Änderungsantrag möchten wir den gesamten Ballast über Bord werfen und Ihren Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, auf den nächstmöglich erreichbaren gemeinsamen Wahltermin und auf die gemeinsame Wahlperiode von fünf Jahren konzentrieren.

Bereits ab 2019 können wir dieses gemeinsam gewollte Ziel erreichen, wenn wir die Wahlperiode von Hauptverwaltungsbeamten einmalig auf ca. vier Jahre verkürzen. Die Verkürzung ist nach dem Demokratiegebot aus Artikel 20 Grundgesetz in jedem Fall vorzugswürdiger als eine Verlängerung auf sechs Jahre. Auch versorgungsrechtliche Bedenken für eine einmalig kürzere Periode können dem nicht entgegenstehen.

Ich möchte zusammenfassen: Mit unserem Antrag wird der vorliegende Gesetzentwurf so geändert, dass die kommunalen Vertretungen und die Hauptverwaltungsbeamten wieder in einer gemeinsamen Wahl am selben Tag und im selben Jahr zu wählen sind, und zwar zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Das wäre im Jahr 2019.

Gleichzeitig wird die gemeinsame Wahlperiode auf fünf Jahre festgelegt und damit wirklich eine Stärkung unserer kommunalen Demokratie bewirkt. Ich bitte für den Änderungsantrag um Ihre Zustimmung. – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Herrmann. – Nun spricht für die Landesregierung der zuständige Minister, Herr Jäger.

Herzlichen Dank, Herr Präsident. Eigentlich sollten wir über alle Fraktionen hinweg einer gemeinsamen Auffassung sein: Rat und Hauptverwaltungsbeamte in Form von Bürgermeistern, Oberbürgermeistern, Landrätinnen und Landräten stellen eine Verantwortungsgemeinschaft dar. Diese Verantwortungsgemeinschaft nehmen die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land wahr. Der Strang, der die Verantwortungsgemeinschaft miteinander verbindet, nämlich sich gleichzeitig zur Wahl zu stellen, ist 2007 zerschnitten worden. Das hat auch eine große Fraktion inzwischen als Fehler erkannt. Es ist gut, wenn man dazu steht und hinterher gemeinsam versucht, es zu reparieren.

(Beifall von der SPD)

Herr Abruszat, die präsidiale Stellung, die Sie den Bürgermeistern und Landräten in Ihrem Redebeitrag gerade zugeschrieben haben, gibt es in der Gemeindeordnung nicht.

(Beifall von der SPD)

Es gibt eine Gleichwertigkeit von Rat und Verwaltung und damit von Oberbürgermeistern oder Bürgermeistern. Es ist ein Beitrag zur Demokratie, diese Augenhöhe zwischen gewählten Ratsmitgliedern und Hauptverwaltungsbeamten dadurch wiederherzustellen, dass sie an einem gemeinsamen Termin gewählt werden.