Sie sagen, Sie seien sozial. Wer sitzt denn alles im Petitionsausschuss? Wer hat denn Wahlkreise, meine Damen und Herren von der Koalition, gewonnen? Das sind auch CDU- und FDP-Leute.
heute geht es um den Sozialbericht von NordrheinWestfalen und nicht um den Bundestagswahlkampf, den Sie hier eröffnen wollen.
und Geringqualifizierte eingehen. Vorausschicken will ich, dass ein differenzierter Blick dabei nötig ist. Ein Werk wie der vorliegende Sozialbericht zeichnet als Zahlensammlung kein treffendes oder umfassendes Abbild der Realität.
Trotzdem möchte ich in den Bereichen Kinder und Jugend, ältere Menschen und Geringqualifizierte noch einmal einen Blick auf besondere Risikofaktoren werfen. Schon im letzten Sozialbericht 2007 haben die Zahlen der Kinderarmut bei einem Fünftel aller Kinder – 19,6 % – schockiert. Im Jahre 2011 lag die Armutsrisikoquote mit 21,6 % noch höher. Betrachtet man die Altersgruppe zwischen 18 und 25 Jahren, zeigt sich: Fast jede vierte Person zwischen 18 und 25 Jahren lebt in einem einkommensarmen Haushalt. Kinder und Jugendliche sind damit eine Gruppe, die besonders durch Armutsrisiken beeinflusst ist.
Vor allem Kinder und Jugendliche, die geringqualifizierte oder nicht erwerbstätige Eltern haben, die aus kinderreichen Familien stammen, die bei einem alleinerziehenden Elternteil aufwachsen oder einen Migrationshintergrund aufweisen, sind in besonderem Maße von Einkommensarmut betroffen.
Minderjährige sind zudem öfter von einer Anhäufung unterschiedlicher Risikolagen betroffen. Der geringe Bildungsstatus der Eltern, fehlende Erwerbstätigkeit der Eltern und mangelnde Unterstützung von zu Hause aus verringern den Bildungserfolg der Kinder. So besuchen Kinder mit Migrationshintergrund oder Kinder von Eltern mit niedrigem Bildungsstand seltener bzw. kürzer Kindertageseinrichtungen.
Werfen wir einen Blick auf die Situation der älteren Menschen: Für die große Mehrheit der Älteren sind Renten und Pensionen die Haupteinkommensquelle. Ältere sind im Vergleich zur Gesamtbevölkerung unterdurchschnittlich von Armut betroffen. Jetzt folgt die Einschränkung: Das wird wohl nicht so bleiben. Auch hier werden in der Zukunft bei Menschen mit Lücken in der Erwerbsbiografie bei steigender Pflegebedürftigkeit und steigenden Kosten die Probleme größer.
Wer ist in Nordrhein-Westfalen geringqualifiziert? – Im Jahre 2010 wurden 19,2 % der 25- bis 65Jährigen als geringqualifiziert eingestuft. Das heißt, sie hatten keinen Abschluss der Sekundarstufe II. Die Erwerbslosenquote ist seit dem Jahr 2000 vor allem bei jüngeren Geringqualifizierten zwischen 25 und 35 Jahren – bei Männern um 11,6 % auf 27,6 % und bei Frauen um 7 % auf 22,4 % – gestiegen.
Nun hat die Koalition von SPD und Grünen – das haben Sie gerade wieder deutlich gemacht, Herr Minister Schneider – in ihrem Koalitionsvertrag und der Regierungserklärung auf die Bekämpfung von Armut allerhöchste Priorität gesetzt. Sie haben Aspekte dieses Punktes bei der Haushaltseinführung
Diesen Worten sind seit 2010 keine Taten gefolgt, Herr Minister Schneider. Sie haben in der Einbringung des Haushalts im Ausschuss gesagt, dass Sie mit dem Haushaltsentwurf 2012 zeigen, dass Sie handlungsfähig sind. Ich habe beim letzten Mal schon gesagt: Dann handeln Sie endlich und beweisen, dass Sie wirklich gestalten wollen! Ich erwarte von Ihnen, dass Sie konkrete Zielvorstellungen und Lösungsansätze, die Sie in den einzelnen Bereichen umsetzen wollen, auch deutlich und klar benennen.
Wenn wir über den Bundestagswahlkampf sprechen, dann zeigen wir einmal kurz auf, was der Bund getan hat. Der Bund zahlt mit der steigenden Beteiligung an den Kosten zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung den Kommunen 19,9 Milliarden € mehr. Der Bund sichert den Rechtsanspruch über das Bildungs- und Teilhabegesetz auf Grundsicherung für Arbeitssuchende – Sozialhilfe – sowie den Kinderzuschlag und das Wohngeld für Familien.
Das Problem ist: Sie rufen die Mittel hier in Nordrhein-Westfalen nicht ab. Das ist das große Problem.
Frau Beer, der Bund fördert die Betreuung der Unterdreijährigen mit zusätzlich 580,5 Millionen €. Es gibt eine höhere Beteiligung an den Betriebskosten. Bisher beteiligt sich der Bund bereits zu einem Drittel an den zusätzlichen Kosten. Sie können sehen: NRW verschläft das, was der Bund dem Land gibt – ganz klar, meine Damen und Herren.
Ich möchte zum Schluss einfach nur sagen – vielleicht hören Sie einmal noch einen kurzen Moment zu, um das Wichtigste zu erkennen –: Es reicht nicht, den Menschen großes Verständnis für Probleme auszusprechen, wenn diese Probleme dann doch nur ausgesessen werden. – Danke schön, meine Damen und Herren.
Vielen Dank, Frau Kollegin Middendorf. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Maaßen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Sozialministeriums ist nicht geschönt. Er zeigt in ungeschönter Deutlichkeit, wie sich die Lebenslagen in Nordrhein-Westfalen darstellen. Es ist schon viel über Niedriglohn, Leiharbeit, Zeitverträge, Minijobs,
Werkverträge und Befristungen als Ursachen für Armut gesagt worden. Sozialromantik, Herr Preuß, ist das nicht. Es ist die Realität.
Ich möchte hier insbesondere auf die prekäre Lebenssituation der Menschen eingehen, die vom Bezug des Arbeitslosengeldes II leben müssen. Auch möchte ich aus Gründen der Selbstkritik nicht verschweigen, dass Grüne ihren Anteil daran hatten; aber wir arbeiten daran. Wir arbeiten unter anderem an einer Regelsatzerhöhung, an der Aussetzung von Sanktionen und an einem Mindestlohn.
Herr Preuß, Prekariat als positiven Einstieg in den Arbeitsmarkt zu definieren, ist schäbig. Einmal wieder enttäuscht der CDA-Flügel in der CDU-Fraktion.
Ich hoffe darauf, dass ich in dieser Legislaturperiode noch das eine oder andere „C“ und das eine oder andere „A“ erkennen kann. Ich würde mich darüber freuen.
denn das Bildungs- und Teilhabepaket ist leider – das wollten wir als Grüne nicht – ein individueller Anspruch. Es kommt bei den Menschen einfach nicht an. Das haben wir im Land nicht zu verantworten, sondern Sie mit Ihrer schrecklichen Gesetzgebung.
Wir wollten in Strukturen und nicht in die individuelle Antragstellung investieren. Dann hätten wir dieses Problem nicht, und dann wären die Mittel verausgabt worden. So sieht es aus.
Lassen Sie mich zum Sozialbericht zurückkommen. Im Jahr 2010 haben mehr als 1,6 Millionen Menschen in Nordrhein-Westfalen Hartz-IV-Leistungen bezogen. Besonders erschreckend ist jedoch, dass 40 % der erwerbsfähigen Leistungsbezieher seit mindestens vier Jahren Arbeitslosengeld II bekommen. Menschen in verfestigtem Leistungsbezug sind häufiger Frauen, Ältere und Personen mit niedrigem Qualifikationsniveau.
Was bedeutet das für diese Menschen? Ein Leben am Rande der Gesellschaft, ein Leben am Existenzminimum.
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Menschen, die es aus unterschiedlichsten Gründen auf dem Arbeitsmarkt schwer haben, in unserer Gesellschaft nicht gewollt sind. Ich frage Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wie will man das denn mit Hartz IV machen, wenn für Gaststättenbesuche 7 €, für Kultur, Freizeit und Unterhaltung 39 € sowie für Busfahrkarten rund 19 € zur Verfügung stehen, die günstigste Monatskarte aber bereits 30 € kostet?
Soziale Teilhabe wird hier durch statistische Größen bestimmt, soziale Teilhabe ist nur noch eine Rechengröße.
Ein Regelsatz von 374 € monatlich ermöglicht keine soziale Teilhabe, sondern ein Leben mit Suppenküchen, Tafeln und sozialen Warenhäusern. Überall wird propagiert, dass Bildung – soziale und berufliche Bildung – der Schlüssel zur Teilhabe in unserer Gesellschaft ist. Hierfür stehen für einen Erwachsenen jedoch gerade einmal 1,39 € im Monat zur Verfügung. Eine Hilfeempfängerin kann sich nach fünf Monaten Ansparphase vielleicht ein Taschenbuch für 7 € kaufen. Nach 21 Monaten ist vielleicht ein Fachbuch drin. Sogenannte arbeitsmarktferne Personen, meine Damen und Herren, finden bei Frau von der Leyen weder Geld noch eines ihrer medialen Zeitfenster.
Auch in 2013 kürzt die Arbeitsministerin weiter den Eingliederungstitel für Langzeitarbeitslose. Wir in NRW setzen etwas dagegen. Mit unserem Modellprojekt „Sozial-Integrativer Arbeitsmarkt“ haben wir eine bundespolitische Debatte ausgelöst. Immer mehr Bundesländer schließen sich uns an. Im Bundesrat wird zurzeit intensiv darüber beraten. Selbst bei der FDP ist der Passiv-Aktiv-Transfer kein Fremdwort mehr. Wir wollen Arbeit finanzieren, und zwar gute Arbeit, eine öffentlich geförderte Arbeit im ersten Arbeitsmarkt.
Meine Damen und Herren, hinter jeder Statistik, jeder Berechnungsgröße und jeder Betroffenenzahl stehen einzelne Menschen. Was ihnen neben all dem Geschilderten auch fehlt, ist das Mittendrin, das Dabeisein, die Wertschätzung von uns allen. Dazu sollten wir beitragen. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich an Herrn Minister Schneider wenden und einmal klarstellen: Lieber Herr Minister Schneider, Sie sind nicht mehr DGB-Vorsitzender, und heute ist auch nicht der 1. Mai.