Protocol of the Session on April 6, 2017

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

ist deswegen nicht zu einer Umsetzung gekommen, und es ist bedauerlich.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Herr Dr. Wolf, die zweite Kurzintervention ist von Herrn Körfges von der SPD-Fraktion angemeldet worden. – Bitte schön.

Lieber Herr Kollege Dr. Wolf, ich bin einigermaßen entsetzt darüber, dass Sie nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dass wir an der Stelle ganz genau diese unsägliche – ich hätte beinahe etwas Schlimmeres gesagt – Verknüpfung, die zum Scheitern wesentlicher Inhalte geführt hat, aufheben wollen. Wir wollen jetzt genau das tun,

(Beifall von den PIRATEN – Zuruf von Michele Marsching [PIRATEN])

was Sie von uns verlangt haben und was nachher dann – ich will hier keine Geschichtsklitterung durchgehen lassen – an Ihnen gescheitert ist. Wir wollen jetzt nur die Möglichkeit eröffnen, dass es einfachgesetzlich geregelt werden kann.

Dann will ich noch mit ein paar anderen Dingen aufräumen. Sie haben eben „Strafmündigkeit“ gesagt. Ich sage Ihnen nur einfach mal so von Kollege zu Kollege: Die beginnt bei uns mit 14 Jahren. Wir verlangen Menschen mit 16 Jahren wesentliche Entscheidungen für ihr weiteres Leben ab. Die Menschen mit 16 Jahren dürfen bei Kommunalwahlen an den Wahlen teilnehmen. Wir verhindern an der Stelle

mehr demokratische Legitimation, mehr Partizipation, und das alles nur, weil Sie meinen, Sie als FDP hätten nicht genügend Gegenleistung bekommen.

Ich darf Ihnen noch eins mit auf den Weg geben: Ich glaube, dass das gar nicht an der Verknüpfung hängt. Nach meiner tiefen Überzeugung hängt es daran, dass die FDP es im Augenblick aus taktischen Gründen nicht über das Herz bringen kann, auch einmal etwas gegen die CDU zur Abstimmung zu bringen; denn ansonsten wäre ihr internes programmatisches Verhalten und ihr tatsächliches Verhalten hier nicht miteinander in Einklang zu bringen.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Herr Dr. Wolf, Sie haben das Wort.

Hochgeschätzter Kollege Körfges, zunächst einmal darf ich festhalten, dass ich das Wort „Strafmündigkeit“ gar nicht in den Mund genommen habe.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Es wird nicht besser!)

Das hat der Kollege Jostmeier vorhin gesagt.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Das sagt Kol- lege Lindner ständig!)

Ich könnte allerdings darauf antworten, dass wir als Juristen trotz der sehr frühzeitigen Strafmündigkeit in praxi wissen, dass selbst bei Tätern zwischen 18 und 21 gerne noch das Jugendstrafrecht angewandt wird und kein Erwachsenenstrafrecht.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Angewandt wer- den kann!)

Aber diese Fachdiskussion gehört sicherlich nicht hierher. Glauben Sie mir bitte eins – und ich habe vorhin das Wort „Pacta sunt servanda“ an den Anfang gestellt –: Es ging zu jeder Zeit um ein Gesamtpaket.

(Jochen Ott [SPD]: Billige Flucht aus der Ver- antwortung!)

Das ist keine Frage der Eigenständigkeit von Parteien, sondern es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit der Personen

(Zuruf von der SPD: Eben!)

und auch der Glaubhaftigkeit von Aussagen. Wir haben von Anfang an gesagt: wenn, dann alles. – Und dazu waren wir bis zum letzten Moment bereit. Dazu ist es leider nicht gekommen.

(Beifall von der FDP – Jochen Ott [SPD]: Poli- tik zum Abgewöhnen! – Weiterer Zuruf von der SPD: Kuhhandel!)

Vielen Dank, Herr Dr. Wolf. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Damit kommen wir zur Abstimmung. Der Hauptausschuss empfiehlt in der Drucksache 16/14679, den Gesetzentwurf Drucksache 16/13313 Neudruck unverändert anzunehmen. Wir kommen somit zur Abstimmung in der zweiten Lesung über den Gesetzentwurf mit der Drucksache 16/13313 Neudruck selbst und nicht über die Beschlussempfehlung. Ich darf noch darauf hinweisen, dass für die Annahme des Gesetzentwurfs in zweiter Lesung gemäß § 43 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich, aber auch ausreichend ist. Das Quorum der Zustimmung von zwei Dritteln der gesetzlichen Mitglieder des Landtags gemäß Art. 69 Abs. 2 unserer Landesverfassung ist erst für eine Annahme des Gesetzentwurfs in dritter Lesung erforderlich.

Also stimmen wir in zweiter Lesung ab so wie gerade vorgetragen. Wer stimmt dieser Drucksache, dem Gesetzentwurf selbst zu? – SPD, Grüne, die Fraktion der Piraten und Herr Schulz, fraktionslos. Wer stimmt dagegen? – CDU und FDP stimmen dagegen. Gibt es Enthaltungen? – Ich sehe keine Enthaltungen. Damit ist der Gesetzentwurf in der Drucksache 16/13313 Neudruck in zweiter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Die Fraktionen haben nun vereinbart, die dritte Lesung durchzuführen. Gibt es hierzu Widerspruch? – Den sehe ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf die dritte Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der Piraten. Nochmals: Es geht um die Drucksache 16/13313 Neudruck „Gesetz zur Änderung der Verfassung für das Land NordrheinWestfalen“. Ich darf auf die Beschlussempfehlung und den Bericht des Hauptausschusses Drucksache 16/14679 zur zweiten Lesung hinweisen. Eine Aussprache ist in der dritten Lesung nicht vorgesehen. Kommen wir also unmittelbar zur Abstimmung. Ich weise vor der Abstimmung darauf hin, dass der Abgeordnete Höne der Fraktion der FDP gemäß § 47 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung dem Sitzungsvorstand eine kurze schriftliche Begründung zu der Abstimmung überreicht hat. Dies wird in das Plenarprotokoll aufgenommen.

Nun stimmen wir ab über den Gesetzentwurf Drucksache 16/13313 Neudruck in der Fassung nach der zweiten Lesung. Da das Beratungsverfahren hiermit abgeschlossen wird, handelt es sich um eine Schlussabstimmung nach § 76 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung. An dieser Stelle weise ich darauf hin, dass nach Art. 69 Abs. 2 unserer Verfassung für eine Verfassungsänderung die Zustimmung von mindestens zwei Dritteln der gesetzlichen Mitglieder des

Landtags, also von mindestens 158 Abgeordneten, erforderlich ist.

Die Fraktion der Piraten hat gemäß § 44 unserer Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung zu dem Gesetzentwurf beantragt. Nach Abs. 2 dieses Paragrafen erfolgt die namentliche Abstimmung durch Aufruf der Namen der Abgeordneten. Die Abstimmenden haben bei Namensaufruf mit „Ja“ oder „Nein“ zu antworten oder zu erklären, dass sie sich der Stimme enthalten.

Ich darf nun Herrn Kollegen Nückel bitten, mit dem Namensaufruf zu beginnen.

(Der Namensaufruf erfolgt. [Abstimmungsliste siehe Anlage 2])

Wir haben noch einige offene Voten. Deshalb ist Herr Kollege Nückel so nett und ruft die Namen der Kollegen, deren Votum wir noch nicht haben erfassen können, noch einmal auf. – Bitte, Herr Kollege.

(Die betreffenden Abgeordneten werden noch einmal aufgerufen.)

Meine Damen und Herren, darf ich fragen, ob ein Kollege seine Stimme noch nicht abgegeben hat? – Ich bitte um Entschuldigung, dass sich das Ganze etwas verzögert. Ein Teil des Problems ist, dass nicht alle entschuldigten Kollegen auch in den Listen der Schriftführer enthalten sind. Deshalb fragen wir im Zweifel lieber noch einmal nach.

Ich hoffe, dass wir jetzt alle Voten haben aufnehmen können. Dennoch frage ich der guten Ordnung halber, ob irgendein Kollege die Befürchtung hat, dass sein Votum noch nicht registriert worden ist. – Dem ist offenbar nicht so. Auch wir sind der Auffassung, dass alle Voten ordnungsgemäß notiert worden sind. Deshalb schließe ich die Abstimmung, und ich bitte die Schriftführer, die Auszählung vorzunehmen.

(Die Auszählung erfolgt.)

Meine Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Ihnen das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekanntgeben. Ihre Stimme abgegeben haben 206 Abgeordnete. Mit Ja votierten 135 Kolleginnen und Kollegen, mit Nein 71. Kein Abgeordneter hat sich der Stimme enthalten.

Im Einvernehmen mit den Schriftführern stelle ich gemäß § 46 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung ausdrücklich fest, dass nicht die erforderlichen zwei Drittel der gesetzlichen Mitglieder des Landtags dem Gesetzentwurf Drucksache 16/13313 – Neudruck – in der Fassung nach der zweiten Lesung zugestimmt haben. Damit ist der Gesetzentwurf Drucksache 16/13313 – Neudruck – in dritter Lesung abgelehnt.

Ich schließe die Beratung zu TOP 7 und rufe auf:

8 Gesetz zur Einführung der Individualverfas

sungsbeschwerde zum Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf der Fraktion der FDP Drucksache 16/13113

Beschlussempfehlung und Bericht des Hauptausschusses Drucksache 16/14681

zweite Lesung

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Müller-Witt das Wort. Bitte, Frau Kollegin.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als zweitem der übrig gebliebenen Themen aus der Verfassungskommission befassen wir uns in dieser Plenarsitzung mit einem Gesetzentwurf der FDP zur Einführung der Individualverfassungsbeschwerde zum Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen.

Welche Bedeutung diesem Thema in der Verfassungskommission beigemessen wurde, ist aus der Tatsache abzulesen, dass hierzu ein Symposium stattgefunden hat. Das Symposium hatte den Untertitel „Schließung einer Rechtsschutzlücke oder Arbeitsbeschaffungsmaßnahme – Perspektiven der Landesverfassungsbeschwerde in Nordrhein-Westfalen“. Allein der Untertitel weist schon auf mögliche Pro- und Kontra-Positionen hin.

Es liegt auf der Hand, angesichts der durch die Föderalismusreform gewachsenen Kompetenzen der Länder darüber nachzudenken, ob aufgrund der erweiterten überschießenden Grundrechte eine Individualverfassungsbeschwerde auch in NordrheinWestfalen eingeführt werden sollte. Dies wurde auch von Prof. Sachs zum Ausdruck gebracht, der allenfalls ein Bedürfnis mit Blick auf die im Grundgesetz nicht vorgesehenen Grundrechte unserer Landesverfassung sieht. Diese sind in Nordrhein-Westfalen im Gegensatz zu Bayern im Wesentlichen auf einen überschaubaren Bereich begrenzt.