Protocol of the Session on April 6, 2017

Lieber Reiner Priggen – wahrscheinlich kommen Sie gleich noch einmal wieder, weil wir das an anderer Stelle auch erlebt haben –, wenn eines in der Welt nicht geht, eigentlich, dann ist das eine gute Zusammenarbeit zwischen Ostfriesen und Emsländern.

(Beifall von allen Fraktionen)

Man kann über viele Kulturen reden, Ostfriesen und Emsländer – das sind wirklich Welten. Trotzdem haben wir es irgendwie hinbekommen, erst in Ihrer Rolle als Fraktionsvorsitzender, später dann eben auch in Ihrer Rolle als wirtschaftspolitischer Sprecher. Wir haben vor jeder Plenarsitzung miteinander gefrühstückt, haben die wichtigen Dinge besprochen. Ich habe das sehr genossen, weil man mit Ihnen nicht nur über die jeweils auf der Tagesordnung stehenden Dinge sprechen kann, sondern über den Tag hinaus ein bisschen strategisch denken kann, auch über Rollenverteilungen sprechen kann. Das habe ich sehr genossen. Deswegen ganz herzlichen Dank für diese sehr kooperative Zusammenarbeit.

Wir haben auch Themen gehabt, wo wir uns noch nicht einig waren. Ich freue mich darauf, dass wir künftig – dann müssen Sie von außen meckern – das eine oder andere hier doch noch mit anschieben können.

(Zuruf von Lutz Lienenkämper [CDU])

Ganz im Ernst – ich will Sie nicht in Schwierigkeiten bringen –: Sie sehen ja auch an meiner Anrede, wir sind nicht verbrüdert und nichts von dem. Aber Sie

waren in diesen fünf Jahren hier mein Lieblingsgrüner. Hoffentlich schadet Ihnen das nicht. Vielen Dank für die Zusammenarbeit!

(Heiterkeit und Beifall von allen Fraktionen)

Vielen Dank, Herr Minister Duin. – Nun spricht für die SPD-Fraktion Herr Kollege Hübner. Aber nicht sehr lange, Herr Kollege Hübner.

(Michael Hübner [SPD]: Weiß ich schon!)

Wissen Sie schon. Gut, Sie kennen die Wahrheit.

(Michael Hübner [SPD]: Ich kenne die Wahr- heit!)

Ja dann. Auf geht es!

Herr Präsident, vielen Dank! Ich will mich auch beschränken. Aber nachdem Kollege Brockes in den Raum gestellt hat, 2012 hätte es in Nordrhein-Westfalen kein Wirtschaftswachstum gegeben, habe ich mir das natürlich noch einmal angeschaut. Und in der Tat hatten wir Wirtschaftswachstum, und zwar 0,4 % in Nordrhein-Westfalen, im Bund 0,7 %, beides bereinigte Zahlen, weil gestern Kollege Lindner in der Frage da ja nicht so ganz sattelfest war.

Wir sind in einem stetigen Aufwärtstrend, Kollege Brockes, 0,4 % in 2012, 0,8 % in 2015, jetzt 1,8 %. Das macht deutlich, dass wir mit unserer vorausschauenden Wirtschaftspolitik auf dem richtigen Weg sind und die richtigen Schlüsse gezogen haben, um uns hervorragend weiterzuentwickeln.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Eines will ich Ihnen noch sagen, auch in Richtung Herrn Lindner: Die Vergleiche mit dem Saarland liegen wirklich so was von daneben. Das Saarland hat in diesem Jahr 0,0 % Wachstum. Dort den Strukturwandeln zu loben, wie das in einer Rede hier deutlich gemacht worden ist, der dazu geführt hat, dass dieses Jahr im Saarland 0,0 % Wachstum vorhanden ist, zeigt, dass unsere Wirtschaftspolitik richtig ist und Ihre wirtschaftspolitischen Vorstellungen völlig danebenliegen. – Danke schön.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – La- chen von Dietmar Brockes [FDP] – Dietmar Brockes [FDP]: Sie sind doch gar nicht aus dieser Region!)

Vielen Dank, Herr Hübner. – Nun spricht für die FDP-Fraktion Herr Rasche.

Herr Präsident! Kurz zur Sache, dann kurz zum Reiner. – Gibt es in der Wirtschaftspolitik grüne Hebel, die Wirtschaftsminister Duin ausbremsen und dem Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen schaden? Um das zu betrachten, muss man ins Detail gehen. Und das will ich einmal tun beim Landeswassergesetz und dem dazugehörigen Erlass in Bezug auf den größten Produktionsstandort für Zement. Der liegt in Nordrhein-Westfalen, der liegt in Erwitte.

Da gibt es immer wieder – muss ja so kommen – Anträge für neue Steinbrüche, hier konkret von einem Zementwerk, und bisher fand da eine Abwägung zwischen unterschiedlichen Interessen statt, auch zu Wasserschutzgebieten. Da muss man abwägen und dann entscheiden.

Der neue Erlass lässt eine Abwägung nicht mehr zu, sondern zwingt die Bezirksregierung, dass sie den Abgrabungsantrag ablehnen muss.

(Dietmar Brockes [FDP]: Hört, hört!)

Es haben Gespräche stattgefunden – auch mit der SPD – seitens der Betriebsräte. Dann gab es neue Fragen und Prüfaufträge aus dem Wirtschaftsministerium mit dem Ziel, den 14. oder 15. Mai zu erreichen, damit dann entschieden werden kann, ob es eine neue Regierung gibt und ob dieser Erlass zurückgenommen werden kann. Hunderte von Malochern haben die Hoffnung, dass es am 14. Mai zu einem Regierungswechsel kommt, damit dieser völlig verrückte Erlass Geschichte wird.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das ist ein typisches Beispiel, wie der Umweltminister dem Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen elementar schadet. Die Menschen haben immerhin noch Hoffnung – das hat das Wirtschaftsministerium vor drei Wochen erreicht –, und hätten sie so nicht gehandelt mit diesen Fragen und Prüfaufträgen, wäre es mit der Hoffnung vorbei gewesen.

Kurz zum lieben Reiner. Reiner, ich mache es ganz kurz: Danke, Top-Fachwissen, Top-Verlässlichkeit, Top-Charakter – mit dir hat die Arbeit Spaß gemacht. – Herzlichen Dank.

(Beifall von allen Fraktionen)

Vielen Dank, Herr Rasche. – Weitere Wortmeldungen haben wir nicht vorliegen. Damit ist der Tagesordnungspunkt 1 „Unterrichtung durch die Landesregierung“ aufgearbeitet oder auch abgearbeitet.

Wir kommen zu:

2 Koordinierung von Schuldner- und Verbrau

cherinsolvenzberatung ermöglicht effiziente Beratungsstrukturen und stärkt Prävention

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/14665

Die Aussprache ist eröffnet. Es beginnt für die SPDFraktion Herr Kollege Ott.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kommen wir zu einem anderen Thema. Der Sozialbericht Nordrhein-Westfalen 2016 beschreibt, dass die Anzahl der überschuldeten Menschen in unserem Land deutlich angestiegen ist. In Nordrhein-Westfalen sind 1,69 Millionen Menschen überschuldet.

Bei Überschuldung reden wir nicht davon, dass Menschen verschuldet sind, sondern so überschuldet sind, dass sie ihren Lebensstandard und die Ein- und Ausgaben im Monat nicht mehr übereinbekommen. Aber nicht nur in Nordrhein-Westfalen, auch bundesweit ist der Trend der gleiche.

In Nordrhein-Westfalen sind seit 2011 92.000 Menschen mehr von Überschuldung betroffen. Im Jahr 2015 sind es 11,5 % der Bevölkerung, in Städten wie Wuppertal oder Herne liegen wir bei 18 oder 17 %. Was sind die Hauptgründe? Die Hauptgründe sind Arbeitslosigkeit, Trennung bzw. Scheidung, Erkrankung und auch kleine Renten. Bei jungen Leute kommt häufig unwirtschaftliche Haushaltsführung dazu. Besonders betroffene Gruppen sind Alleinerziehende, Niedrigqualifizierte, ältere Menschen und Migranten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, welche Instrumente haben wir, um gegen diese Zahlen vorzugehen? Zum einen ist das Thema „soziale Gerechtigkeit“ – das hat auch der Bundesvorsitzende meiner Partei in den letzten Wochen und Monaten häufig deutlich gemacht –, eine sozial gerechte Politik, die insbesondere diese Gruppen auch in den Blick nimmt, von besonderer Bedeutung. Aber: Es geht für uns auch darum, ganz konkret auch Hilfestellung zu leisten.

Neben Schuldnerberatung kommt auch die Insolvenzberatung dazu, immer dann, wenn Privatinsolvenzen eingeleitet werden. Und im Sinne einer präventiven Politik müssen wir uns doch bestimmte Fakten genauer anschauen. Wenn wir feststellen, dass von den Alleinerziehenden 80 % eine Verschuldung, eine Überschuldung von unter 10.000 € haben, dann stellt sich doch die Frage: Müssen wir nicht viel früher anfangen mit der Schuldnerberatung, viel früher unterstützende Maßnahmen leisten? Wenn wir sehen, dass viele junge Leute mit der Haushaltsführung

überfordert sind, müssen wir dann auch nicht frühzeitig beraten, damit das Kind erst gar nicht in den Brunnen fällt?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, unser Staat hat in den letzten Jahren an verschiedenen Stellen Finanzierungen entwickelt. Da ist zum einen der Bund, der über die Agentur für Arbeit immer dann arbeitslosen Menschen hilft, wenn die Verschuldung ein Vermittlungshemmnis ist. Das ist die Beratung, die über die Bundesagentur für Arbeit finanziert wird. Zum Zweiten finanziert das Land zum einen über das Jugendministerium die Insolvenzberatung, und zum anderen finanziert das Justizministerium die Verfahrenskosten rund um die Abwicklung solcher Insolvenzverfahren.

Last but not least ist es Aufgabe der Kommunen, im Rahmen ihrer freiwilligen Leistungen Schuldnerberatung vor Ort anzubieten. Viele Kommunen machen das auch, aber ein Zusammendenken findet bisher nicht statt. Es gibt keine klare Strategie der verschiedenen staatlichen Ebenen. Es gibt keine Koordination und kein gemeinsames Vorgehen. Die Prävention nach vorne zu stellen und zu überlegen, wie können wir dort früher tätig werden, findet nicht statt. Insofern geht es darum, Synergien neu zu heben und vor allen Dingen zu bedenken, dass jedes Verfahren, das im Insolvenzverfahren eingeleitet wird, etwa 1.500 € kostet. Und bei über 22.000 Fällen im Jahr stellt sich die Frage: Kann man dieses Geld nicht früher besser einsetzen?

Die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben mit den Überlegungen insgesamt zum Verbraucherschutz, zum Verbraucherschutz im Quartier, zur Sozialraumorientierung immer wieder deutlich gemacht, dass wir kleinräumlich schauen müssen, wo wir stehen und wie wir die Menschen mit den Beratungsangeboten, die sie brauchen, begleiten können. Wir wollen, dass wir die Synergien der Angebote der Träger vor Ort nutzen können, um den Menschen zielgenauer zu helfen, sie frühzeitig zu beraten und dafür zu sorgen, die Menschen im sozialen und wirtschaftlichen Leben zu halten.

Deshalb ist dieser Antrag eine wichtige Weichenstellung, um dann in der nächsten Legislaturperiode zusammen zu denken, zu koordinieren, Qualitätsstandards zu formulieren und dafür zu sorgen, dass wir überall da, wo Verschuldung und insbesondere Überschuldung droht, frühzeitig eingreifen, damit die Menschen nicht aus dieser Gesellschaft heraus überschuldet werden, sondern eine Perspektive haben, ihr Leben selbst und eigenverantwortlich zu führen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Ott. – Jetzt spricht für die grüne Fraktion Herr Markert.

Lieber Herr Präsident, meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Wenn man in diesen Tagen – aber auch schon seit einigen Jahren – unterwegs ist in dem wohlhabenden Land, in dem wir leben, in Deutschland, aber auch in Nordrhein-Westfalen, dann trifft man nicht nur die Leistungsträger und die Wohlhabenden, sondern man trifft zunehmend auch auf Menschen, denen es eben nicht gutgeht.

Egal, ob man den Armutsbericht der Bundesregierung oder den Sozialbericht NRW aufschlägt, diese auseinanderklaffende Schere kann man auch tatsächlich in Zahlen fassen. In Nordrhein-Westfalen – das ist übrigens ein Trend, den man bundesweit auch auf andere Regionen übertragen kann, um das gleich vorweg zu sagen – gibt es rd. 1,7 Millionen Menschen, die bereits überschuldet sind. Armut – eben nicht genug im Portemonnaie zu haben – ist der Beginn einer Spirale, die dann häufig zu Schulden führt und die dann hinterher auch in die Privatinsolvenz mündet. Hier gute Strukturen zu haben und die Menschen zu beraten, ist sehr wichtig.

Ich will an zwei Beispielen klarstellen, um wen es da auch geht, weil wir das auch oft verdrängen. Wir haben da unsere typischen Fälle von Menschen vor Augen, die auf Transferleistungen angewiesen sind. Aber das setzt viel früher an, und es sind auch ganz andere Leute. Als Verbraucherpolitiker kennt man natürlich auch die Zahlen, die die Verbraucherberatung, die einen Teil der bisherigen Beratung übernimmt, einem immer wieder schildert, oder man kennt es aus persönlicher Anschauung.

Viele Menschen wissen eben nicht, dass 40 % der Rentnerinnen in Nordrhein-Westfalen, also im Westen Deutschlands, mit Renten von unter 450 € klarkommen müssen – übrigens: meine Mutter auch.

(Henning Rehbaum [CDU]: Mütterrente!)