Gehen wir das doch noch einmal durch: § 58a Aufenthaltsgesetz – Abschiebeanordnung. Unser Gutachter der FDP, Herr Prof. Müller, hat damals gesagt, vom Gesetzestext her wäre es möglich, aber unwahrscheinlich, diesen Paragrafen zu ziehen. Insofern hätte er Verständnis für die Regierung. Aber er hat das unter der Maßgabe gesagt, dass er zu diesem Zeitpunkt keine Akteneinsicht hatte und sich auf die Rechtsauffassung, die der Abteilungsleiter im Innenausschuss vorgelegt hat, verlassen musste, dass keine gerichtsverwertbaren Akten da waren.
Insofern bricht auch an dieser Stelle die Argumentation von Herrn Jäger, sich auf den FDP-Gutachter zu beziehen, zusammen, wenn er sagt: § 58a hätte man nicht ziehen können.
Das muss man sich noch einmal klarmachen: Da warnt das Landeskriminalamt, dass eine konkrete Anschlagsgefahr von Anis Amri ausgeht, und gibt die Information an das Innenministerium.
(Sigrid Beer [GRÜNE]: Das kann doch nicht wahr sein! Das ist doch eine Bewertung! – Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)
Frau Kollegin, Sie können hier dazwischenrufen, wie Sie möchten, ich beziehe mich auf das, was wir in der „WELT“ und in der „FAZ“, um zwei Zeitungen zu nennen, nachlesen konnten – in anderen Zeitungen stand es auch –,
dass sich das Landeskriminalamt, wie wir den Medien entnehmen konnten, mit einer konkreten Warnung an das Innenministerium gewandt hat. Das Landeskriminalamt hat auch bei der Generalbundesanwaltschaft gefragt, ob es denn, wenn denn § 58a gezogen werden soll, die Möglichkeit gibt, die Akten zu bekommen und damit gerichtfeste Beweise zu haben. Die Generalanwaltschaft hat dann nach Medienberichten gesagt: Wenn ihr den Mumm habt, § 58a zu ziehen, dann werden wir das wohlwollend prüfen.
Diese Argumente, es gäbe keine gerichtsverwertbaren Akten, zieht nach Aussage der Medien, Frau Kollegin, nicht mehr.
Stattdessen konnten wir den Medien Folgendes zur Sicherheitskonferenz entnehmen. Wir alle haben uns immer vorgestellt, was denn diese Sicherheitskonferenz sei. Das war nämlich das Treffen von sechs Sachbearbeitern, die das vorbereitet haben, und dann hat ein einzelner Abteilungsleiter entschieden. Auch das können Sie den Medien entnehmen, Frau Kollegin. Ein einziger Abteilungsleiter – ohne Rückkoppelung mit dem Minister! Was ist das für eine Sicherheitsarchitektur in diesem Innenministerium von Ralf Jäger? Und dann wird erzählt, man sei bis an die Grenze des Rechtsstaats gegangen. Das steht übrigens im öffentlichen Protokoll, Frau Kollegin, und das kann ich hier zitieren, wie ich will.
dann ist die Prognose eines einzelnen Abteilungsleiters der Exekutive mehr wert als die Beurteilung eines Richters, eines Vertreters der Judikative. Wenn das das Rechtsstaatsverständnis der Sozialdemokratie in Deutschland ist, dann gute Nacht, liebe SPD.
Dann habe ich noch 30 Sekunden. Es kommt ja noch eine zweite Runde, meine Damen und Herren. – Ich will an dieser Stelle aber schon einmal sagen, weil mir das wirklich wichtig ist: Wir haben auch über die Möglichkeit von Meldeauflagen gesprochen. Dazu gibt es Auffassungen, dass es möglich gewesen wäre, Amri nicht nur festzusetzen, sondern ihm auch Telekommunikation und Internet zu verbieten. Dann sagt der Minister in öffentlicher Sitzung im Innenausschuss, das hätte er bei seinem zwölfjährigen Sohn auch schon einmal probiert, und es wäre erfolglos gewesen.
Wenn man mit einer solchen flapsigen Haltung an dieses Thema herangeht, dann ist man auch charakterlich für dieses Amt nicht geeignet, meine Damen und Herren. Entlassen Sie diesen Minister, Frau Ministerpräsidentin!
Vielen Dank, Herr Dr. Stamp. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Mostofizadeh.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin, ich bitte zumindest den Redebeitrag des Kollegen Stamp zu prüfen. Wir hatten uns nämlich ausdrücklich darauf geeinigt – und Sie hatten darauf hingewiesen –, dass von Mitgliedern des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses keine Vorabbewertung von Beweisstücken in der heutigen Debatte stattfinden sollte. Meines Erachtens ist das überschritten worden.
Ich möchte da auch einen wichtigen Punkt ansprechen: Wir sind in dieser Aktuellen Stunde in einer Debatte, in der es wieder massiv durcheinandergeht, was der aktuelle Anlass ist, was die Frage von Punkten betrifft, die wir seit Monaten diskutiert haben. Die Aktuelle Stunde ist jetzt zugelassen worden – das
nehmen wir zur Kenntnis –, aber ich möchte auch darauf hinweisen, dass wir über einen Vorgang reden, bei dem zwölf Menschen nach dem schlimmsten islamistischen Anschlag, den es in Deutschland bisher gegeben hat, zu Tode gekommen und bei dem 50 weitere Personen verletzt worden sind.
Deswegen appelliere ich an alle, die heute an der Debatte beteiligt sind, dass wir dieses Thema mit großer Sorgfalt angehen,
da wir ein Vorbild für die Öffentlichkeit darstellen, und dass wir uns an die Gesetze, die wir uns selbst gegeben haben, auch in diesem Hohen Hause halten.
Ich möchte darauf hinweisen, dass zumindest ich – und das geht etlichen anderen ganz genauso – den Eindruck hatte, dass es nicht um die Sachaufklärung geht, sondern um das, was der Kollege Römer eben gesagt hat, nämlich um Wahlkampfgezerre und eben nicht um Aufklärungsarbeit, um billige Geländegewinne und nicht darum, die Arbeit konsequent und aufklärerisch zu Ende zu führen. Das finde ich nicht in Ordnung, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der erste Hinweis fand ja schon am Tag nach der Begehung der Tat statt. Und wenn man dann den Blick nach Berlin richtete, musste man ja hören, dass der Obmann des Innenausschusses der CDU, Herr Armin Schuster, in die laufenden Kameras gesagt hat, Schuld an dem Attentat sei die Ausländerpolitik des Koalitionspartners, der SPD, und des Bundesrats. – Was das mit Aufklärungsarbeit und sachgerechter Politik zu tun hat, müssen Sie uns einmal erklären!
Wenn wir dann jeden Sonntag in der „BILD“-Zeitung“ lesen müssen, dass neue Leaks durchgestochen werden, hat das auch nichts mit sachgerechter Arbeit zu tun. Und wenn wir dann nach den Ausschusssitzungen die Öffentlichkeitsarbeit der Opposition sehen müssen, wo wieder – und darauf hat Kollege Römer zu Recht hingewiesen – nicht zulässige Vorabbewertungen von Beweisen stattfinden, dann sind das fortlaufende Verstöße gegen unser PUA-Gesetz. Deswegen machen Sie deutlich: Sie sind nicht an Aufklärung interessiert, sondern Sie verstoßen ständig gegen die Spielregeln, die wir uns hier gegeben haben.
Herr Kollege Stamp, Sie haben es eben ja in aller Offenheit gesagt, worum es Ihnen geht: Ihnen geht es
darum, den Skalp von Innenminister Jäger abzuholen. Und ich füge hinzu: Ihnen geht es auch darum – das hat die CDU sehr deutlich gemacht –, von der Verantwortung anderer Verantwortungsträger, nämlich in Berlin – und ich meine das Land Berlin, den ehemaligen Innensenator und Justizsenator, den Bundesinnenminister und möglicherweise auch den Generalbundesanwalt –, abzulenken. Das ist Ihr Auftrag, und so agieren Sie hier auch.
Was ich mich auch frage, Herr Kollege Stamp: Warum klagen Sie jetzt gegen den Untersuchungsausschussbericht? Es geht darum, dass der Untersuchungsausschuss einen Zwischenbericht vorlegt. Allen war doch bei der Beantragung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses klar, dass wir sehr schnell arbeiten, sehr schnell Ergebnisse vorlegen müssen. Heute ist die letzte Plenarrunde. Dass man dann der Öffentlichkeit einen Zwischenbericht vorlegt, ist doch das Mindeste, was das Parlament an Transparenz über die Arbeit herstellen muss, Herr Kollege.