Herr Mostofizadeh, ich würde mir wünschen, dass auch Sie Ihre Reflexe vielleicht etwas besser unter Kontrolle bekommen würden. Denn was durfte ich da lesen nach Bekanntwerden des Falles Wendt? Zitat: „Ebenfalls strafrechtlich zu prüfen wäre die Rolle des früheren NRWInnenministers Dr. Ingo Wolf.“ Das wurde einfach von Ihnen medial herausposaunt. Offenbar ohne jegliche Information zum Sachverhalt zu haben, werden erst einmal strafrechtliche Ermittlungen gegen Herrn Dr. Wolf gefordert. Das allein ist schon schräg.
Nun wissen wir aber, dass der Sachverhalt noch viel weiter zurückreicht, nämlich vor 2005. Und nun? – Schweigen im Walde. Ich vermisse Ihre Einlassung hierzu, Herr Mostofizadeh. Die Forderung nach strafrechtlichen Ermittlungen gegen Herrn Fritz Behrens, Innenminister a. D., muss ich irgendwo überlesen,
Sobald klar war, dass unter rot-grüner Regierungszeit Innenminister Fritz Behrens die Regelung veranlasst hatte, haben Sie sich wieder in Ihr Schneckenhaus verkrochen. Was ist denn das bitte für eine Doppelmoral? Das muss man doch einmal sagen: Gegen Innenminister mit FDP-Parteibuch möge bitte ermittelt werden, gegen Innenminister, die bei eigener Regierungsbeteiligung tatsächlich involviert waren, aber bitte nicht!
Das lässt wirklich tief blicken, ebenso übrigens Ihre Einlassung zum Thema Sozialschmarotzer, die ich lesen musste. Auch das lässt tief blicken bezüglich Ihres gespaltenen Verhältnisses zur Polizei und zu den Gewerkschaften insgesamt.
Aber, meine Damen und Herren, zurück zum Sachverhalt. Es ist doch wirklich schwer vorstellbar, dass so ein prominenter Fall wie der von Herrn Rainer Wendt wirklich niemandem aufgefallen ist. Herr Stotko, das ist eben nicht nur ein Polizeibeamter von den über 40.000, sondern es ist schon ein besonderer, es ist ein prominenter Fall.
Wir erleben in dieser Frage wieder das übliche Bild, Herr Minister: Sie haben nichts gewusst geschweige denn irgendetwas gemacht. Ich weiß nicht, wie oft wir das jetzt hatten: nichts gewusst, nichts gemacht. Im Prinzip könnte man Ihnen das auf ein T-Shirt drucken.
Ich habe im Innenausschuss schon einige Beispiele angeführt, warum das wirklich wenig glaubhaft sein kann oder zumindest ein erschreckender Offenbarungseid ist. Deswegen noch einmal kurz der Blick zurück.
LPVG – Landespersonalvertretungsgesetz – 2011: Bei dieser umfassenden Novelle damals 2011 war doch gerade die Erweiterung von Dienst- und Freistellungsregelungen eine zentrale Frage ebenso wie die rechtliche Absicherung dienststellenübergreifender Personalratstätigkeit. Herr Minister, Sie haben damals in Ihrer Rede betont – Zitat –: „Wir haben monatelang miteinander gesprochen und gerungen: mit den Gewerkschaften, …“
Und in der Tat, die Verhandlungen sind auch mit den Spitzen der Gewerkschaften geführt worden. Wollen Sie mir erzählen, dass bei so einem Thema wie Freistellungen, wenn Sie mit den Top-Gewerkschaftlern reden, deren eigene Freistellung – auch die von Herrn Wendt – niemals Thema war?
Ja, in den Verhandlungen, bei diesem Ringen, das Sie geschildert haben. Wir haben damals explizit abgefragt und Ihnen die Frage gestellt, wie viele Mitglieder der Personalräte derzeit anteilig oder ganz von
ihrer dienstlichen Tätigkeit freigestellt sind. Ihre Antwort damals im Mai 2011: 117 freigestellte Personalräte kosten rund 5,8 Millionen € jährlich aus dem Landeshaushalt.
Das muss man sich also so vorstellen: Wir fragen, und dann macht man sich auf und sucht all diese Informationen im Ministerium zusammen. Dann hat man das aufgeschlüsselt, man hat das errechnet und im Ministerium all diese Informationen zusammengetragen. Jetzt einmal ernsthaft: Wenn man das doch alles so intensiv prüft und zusammenträgt, dann hätte man doch an dieser Stelle auf die Causa Wendt kommen müssen. Das hätte auffallen müssen.
Gleiches übrigens im Jahr 2015. Da hatte mein Kollege Dirk Wedel auch eine Kleine Anfrage gestellt, in der er genau diesen Sachverhalt – explizit den Umfang der Freistellungen nach dem Landespersonalvertretungsgesetz für den Bereich der Polizei – hinterfragte. Ihre Antwort, Herr Jäger: 122 freigestellte Personalräte bei der Polizei, fünf weitere für den Hauptpersonalrat. – Aber auch wieder kein einziges Wort zur Causa Wendt oder zu womöglich weiter reichenden Freistellungen bei den Herren Rettinghaus oder Fiedler.
Sie lassen das so umfangreich prüfen in Ihrem Haus, aber das fällt niemandem auf? Entweder ist das alles Kokolores, was Sie uns erzählen, oder es ist ein echter Offenbarungseid und absoluter Blindflug der Landesregierung in Sachen Personalmanagement – absoluter Blindflug der Landesregierung!
Nehmen wir einmal den Erlass für Herrn Fiedler. Im Jahr 2014 hat es den Erlass für den hochgeschätzten BDK-Landesvorsitzenden gegeben. Sie haben uns das Schreiben ja zukommen lassen.
Was aber doch nun wirklich unerklärlich ist: Wenn man so etwas macht, muss man doch im MIK auch vergleichbare Fälle geprüft haben. Das gibt es sonst gar nicht. Das geht doch in Wahrheit nicht nur über den Schreibtisch von Herrn Düren. So etwas muss doch auch über Ihren Schreibtisch gehen. Das hätte auffallen müssen. Und das soll wirklich niemand erkannt haben? Das ist wirklich schwer zu glauben.
Was aber dem Fass den Boden ausschlägt, ist, dass man selbst die Analysen Ihrer eigenen Expertenkommission um Herrn Prof. Weibler im Jahr 2015 offenbar nicht ernsthaft wahrgenommen hat oder – schlimmer noch – gar nicht ernst genommen hat.
Ich habe das im Innenausschuss schon erwähnt. Der Bericht der Expertenkommission ist sehr umfangreich. Auf Seite 236 wird auf acht Polizeivollzugsbe
amte hingewiesen, die – ich zitiere – „für ein politisches Amt freigestellt sind oder andernorts eine Verwendung finden“.
„Politisches Amt“ ist soweit klar. Einige ehemalige Polizeibeamte sitzen hier auch unter uns im Plenum. Aber was ist denn mit den Polizeibeamten, die – Zitat – „andernorts eine Verwendung finden“?
Sie haben der Expertenkommission Daten zugeliefert. Da muss sich doch irgendjemand im Innenministerium gefragt haben, wer denn eigentlich diese acht Beamten sind.
Doch nicht nur das. Die Expertenkommission hat darüber hinaus dringend empfohlen, ein Verfügbarkeitssystem zu schaffen, um den Überblick darüber zurückzugewinnen, welcher Polizist an welcher Dienststelle eingesetzt ist. Geschehen ist das – man ahnt es bereits – unter Ihrer Führung, Herr Minister, natürlich bis heute auch noch nicht.
Wären alle diese genannten Punkte in den letzten Jahren nicht Anlass gewesen, den Umstand wirklich einmal zu hinterfragen und sich die Regelungen anzuschauen? Wie heißt es so schön? – Die Botschaft, ich hör sie wohl, allein mir fehlt der Glaube. – Das konnte auch diese Unterrichtung bislang nicht ändern.
Zum Abschluss bleibt festzuhalten: Die Causa Wendt und dieser Blindflug der Landesregierung haben das Ansehen besonders der kleinen Beamtengewerkschaften, wie ich finde, stark gefährdet. Wichtig ist aber nun, dass nicht noch stärker, als bisher schon geschehen, die Pluralität der Interessenvertretungen der Polizeigewerkschaften noch weiter insgesamt gefährdet wird.
Die Vielfalt ist für die Beamten, aber auch für uns als Parlament in der Vergangenheit immer elementar wichtig gewesen. Es gibt, glaube ich, keinen Innenpolitiker hier im Raum, der nicht in dieser Legislaturperiode von der Expertise der Herren Fiedler und Rettinghaus profitiert hat. Die Freistellungen sind aber nun aufgrund der Causa Wendt in ihrer jetzigen Form gestrichen worden. Das heißt, die Stimme der Polizeibeamten wird auch hierdurch in Zukunft womöglich nicht deutlicher zu hören sein. Das ist, wie ich finde, ein schlechtes Signal. Da wird die Schwäche des Landespersonalvertretungsgesetzes noch einmal allzu deutlich.
Obwohl 90 % der Kriminalbeamten bei den Personalratswahlen ihr Kreuzchen beim Bund der Deutschen Kriminalbeamten machen, entfallen auf den BDK bekanntermaßen nur zwei von 100 Freistellungen. Also, Minderheitenschutz kann man das nicht wirklich nennen.
Deswegen: Der Fall Wendt ist skandalös und restlos aufzuklären, aber lassen Sie uns bitte nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Wir müssen auch dafür
sorgen, dass die Vielfalt der polizeilichen Interessenvertretungen unbedingt erhalten bleibt, aber das dann bitte sauber geregelt und mit einer klaren Rechtsgrundlage. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Lürbke. Herr Kollege Lürbke, es gibt den Wunsch nach einer Kurzintervention. Deshalb muss ich Sie zum Redepult zurückbitten. – Herr Kollege Engstfeld, bitte schön.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Nachdem Sie, Herr Kollege Lürbke, meine Zwischenfrage nicht zugelassen haben, wundert es Sie vielleicht nicht, dass es jetzt eine Kurzintervention gibt.
Herr Lürbke, Sie haben in Ihrer Rede sehr viel von Aufklärung und Verantwortung gesprochen. Ich möchte Sie vor diesem Hintergrund gerne fragen, wie Sie sich erklären, dass der ehemalige Innenminister Ingo Wolf, der heute Abgeordneter des Landtags Nordrhein-Westfalen ist, heute hier die Gelegenheit nicht genutzt hat, seinen Beitrag zu leisten, um die Öffentlichkeit und das Parlament aufzuklären und seiner Verantwortung gerecht zu werden.
(Beifall von den GRÜNEN – Christian Lindner [FDP]: Er hat keine Akteneinsicht! Das ist eine Unverschämtheit!)
Falls es Ihnen nicht aufgefallen ist: Herr Dr. Wendt war zu Beginn der Debatte hier. – Entschuldigung, Herr Dr. Wolf.
Fakt ist: Die Teilzeitbeschäftigung wurde unter RotGrün begründet. Sie ist erkennbar bis Innenminister Jäger beibehalten worden.
Wir wollen restlos aufklären, aber Ihre Fraktion hat doch gerade sofort losgeschossen, und zwar nur in eine Richtung: Schwarz-Gelb ist hier schuld. – Alles andere fällt unter den Tisch.
Greifen Sie mal eine Reihe nach vorne. Ihr Fraktionsvorsitzender sitzt dort. Fragen Sie mal nach, wie er damit umgegangen ist. Ich wäre an der Stelle ein bisschen kleinlaut. – Danke schön.
Vielen Dank, Herr Kollege Lürbke. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Herr Kollege Mostofizadeh.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Biesenbach, ich fand das schon sehr erstaunlich. Sie haben sehr, sehr lange auf den Innenminister Jäger eingedroschen. Sie haben es nicht geschafft, auch nur ein einziges klarstellendes Wort zur Causa Wendt hier in den Raum zu stellen. Die ungeheuerlichen Vorgänge, die hier beschrieben worden sind, haben Sie mit keinem Wort einsortiert. Ich finde es schon einigermaßen schrecklich, wie Sie hier agiert haben.