Protocol of the Session on March 15, 2017

(Zuruf von der CDU)

Wenn Sie das einfach nur auf die Einbürgerung schieben, verkennt das aus meiner Sicht zwei ganz wichtige Umstände: Zum einen gibt es nämlich Menschen, denen die deutsche Staatsbürgerschaft schlichtweg verwehrt bleibt, solange sie beispielsweise bestimmte rechtliche Voraussetzungen nicht erfüllen.

Zum anderen gibt es auch Menschen, die sich zu einem Staat bekennen können, ohne dessen Staatsangehörigkeit anzunehmen. Denn für viele Menschen bedeutet die Einbürgerung, dass sie ihre bisherige Staatsangehörigkeit aufgeben müssen. Für die meisten bedeutet das mehr, als lediglich ein Stück Papier abzugeben. Doch das will die CDU anscheinend nicht erkennen.

Im Übrigen hätten wir es dem Problem mit den Einbürgerungen deutlich leichter, lieber Herr Laschet, wenn sich Ihre Partei nicht so deutlich gegen die doppelte Staatsangehörigkeit ausgesprochen hätte.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Sie haben ein eindeutiges Nein zum Doppelpass beschlossen, und das für alle. Das ist eine Politik, die nicht modern, sondern rückwärtsgewandt ist. Ich bin froh, lieber Herr Laschet, dass es in Ihrer Fraktion auch Kolleginnen und Kollegen gibt, die das hier in Nordrhein-Westfalen deutlich anders sehen.

Zu Ihnen, lieber Herr Lindner: Ihre Position im Bundeswahlprogramm 2013 fand ich deutlich besser. Heute haben Sie sich bei dieser Frage liberal-flexibel gezeigt; das ist sehr bedauerlich.

Wir reden immer davon, dass wir Integration einfordern. Das ist auch richtig. Wer aber Integration einfordert, der muss an anderer Stelle auch dafür sorgen, dass sie nicht behindert wird. Im Kommunalwahlrecht können wir heute eine solche Ungerechtigkeit beseitigen. Nutzen Sie daher die Chance! – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Minister. Es wurde eine Kurzintervention von Herrn Schulz, fraktionslos, angemeldet. Herr Schulz, bitte schön.

Vielen Dank, Herr Präsident“ – Herr Minister Kutschaty – heute hier in Stellvertretung für Minister Jäger sprechend –, es wundert mich sehr, dass die Landesregierung mit keinem wesentlichen Wort auf den tatsächlichen Inhalt der hier vorgelegten beabsichtigten Verfassungsänderung eingegangen ist.

Das betrifft zum einen die Frage der Verfassungsmäßigkeit dieser Änderung in Anbetracht von Art. 28 Grundgesetz, der in seinem Abs. 1 Satz 3 im Jahre 1992 infolge der Maastricht-Verträge in Bezug auf die EU-Ausländerwahlrechtsregelung in den Kommunen eine Änderung erfahren hat.

(Stefan Engstfeld [GRÜNE]: Nein, keine Än- derung! Ohne Ausnahme!)

Zum anderen geht die Landesregierung hier und heute mit keinem Wort auf die in dieser Verfassungsänderung wesentliche Drittstaaten- und Wohnsitzklausel ein, die ganz klar sagt, dass wahlberechtigt auch Personen sein sollen, die die Staatsangehörigkeit eines Drittstaates besitzen, und die ihren ständigen Wohnsitz eben nicht ausschließlich in NordrheinWestfalen, sondern in Deutschland haben. Das wiederum kann wohl nur zu einem Wahltourismus führen, weil dadurch alle in Deutschland lebenden NichtEU-Ausländer in Nordrhein-Westfalen Wahlrecht genießen würden.

(Zurufe von der SPD: Die Frage!)

Würden sie dies ebenso sehen angesichts der klaren Äußerungen in diesem Gesetzentwurf und auch angesichts der Tatsache, dass in der Begründung des Gesetzentwurfs selbst nicht weiter davon die Rede ist?

Danke schön, Herr Schulz. – Herr Minister, Sie haben für anderthalb Minuten das Wort.

Thomas Kutschaty (SPD) (in Vertretung für Minister Ralf Jäger): Sehr geehrter Herr Schulz, es geht um ein kommunales Wahlrecht für Menschen, die sich dauerhaft in einer bestimmten Kommune aufhalten. Das können Sie in den anschließenden Wahlrechtsänderungen in Gesetzen einfachgesetzlich regeln und konkretisieren. In der Verfassung können Sie nicht jedes Detail bis aufs letzte Komma formulieren. Es ist dann die weitere Aufgabe des Gesetzgebers, das in den Wahlgesetzen zu regeln.

(Dietmar Schulz [fraktionslos]: Das können wir auch direkt machen!)

Zweiter Punkt: Die Frage der verfassungsrechtliche Zulässigkeit ist sicherlich unter Juristen eine sehr spannende, auch sehr kontrovers zu führende Diskussion, und sie ist in der Verfassungskommission dieses Hauses geführt worden. Wir haben vorhin schon die Stellungnahmen der Sachverständigen aus der Verfassungskommission gehört. Diesen Stellungnahmen möchte die Landesregierung nicht widersprechen.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Minister. Es gibt eine zweite Kurzintervention, Herr Minister; wenn Sie bitte am Pult bleiben würden. – Es ist ja gut, wenn man sich ein wenig bewegt; ich kann das einschätzen.

Herr Laschet hat sich zu Wort gemeldet und möchte kurz intervenieren. Das soll ihm möglich sein. Bitte

schön, Herr Laschet, Sie haben das Wort für anderthalb Minuten.

Vielen Dank. – Ich frage Sie, lieber Herr Kutschaty, ausdrücklich auch als Justizminister. Es gibt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu dem schleswig-holsteinischen Fall, wo man exakt das getan hat, was wir heute hier machen. Die Argumente lauten nun: Das war vor dem Maastricht-Urteil, und der Maastricht-Vertrag hat für die EU-Bürger kommunales Wahlrecht möglich gemacht, also würde das Bundesverfassungsgericht heute anders entscheiden. So ähnlich ist ja die Argumentation.

Für die EU-Unionsbürgerschaft, die man da gefasst hat, hat man das Grundgesetz geändert. Deshalb steht das heute auch so im Grundgesetz. Meine Frage ist: Wenn Sie es als Justizminister rechtlich für möglich halten, dass inzwischen auch ein Land über kommunales Wahlrecht beschließen kann, können Sie sich dann erklären, warum die Fraktionen von SPD, Grünen und Piraten hier nicht ein normales Gesetz vorgelegt haben? Das hätten Sie sogar mit Mehrheit beschließen können, und dann hätte man diesen Vorgang vor dem Bundesverfassungsgericht klären können.

Was also ist der Grund, dass man absichtlich eine Verfassungsänderung nimmt, die gegenüber dem Bundesrecht genauso wirksam ist wie ein ganz normales Gesetz?

(Beifall von der CDU)

Die Regelungen zum Wahlrecht sind sehr grundsätzliche Fragen. Die Gestaltung der kommunalen Daseinsvorsorge ist eine kommunale Angelegenheit, und die Gesetzgebungskompetenz, das Grundsätzliche im Bereich der Kommunen zu regeln, liegt bei einem Land.

Deswegen: Unter Kombination beider Aspekte, dass es einen wichtigen Verfassungsrang hat, wählen zu dürfen oder auch nicht wählen zu dürfen, dies aber eine kommunale Angelegenheit ist, für die das Land zuständig ist, halte ich die Landesverfassung für genau den richtigen Ort, wo man das regeln sollte.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Minister Kutschaty. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit kommen wir zur Abstimmung.

Der Hauptausschuss empfiehlt in Drucksache 16/14275 – Neudruck –, den Gesetzentwurf auf Drucksache 16/13314 – Neudruck –, unverändert anzunehmen. Kommen wir also zur Abstimmung in der zweiten Lesung über den Gesetzentwurf auf

Drucksache 16/13314 – Neudruck – selbst, nicht über die Beschlussempfehlung. Ich weise noch darauf hin, dass für die Annahme des Gesetzentwurfs in zweiter Lesung gemäß § 43 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich, aber auch ausreichend ist. Das Quorum von zwei Dritteln der gesetzlichen Mitglieder des Landtags gemäß Artikel 69 Abs. 2 unserer Landesverfassung ist erst für die Annahme des Gesetzentwurfs in dritter Lesung erforderlich.

Stimmen wir also in zweiter Lesung ab. Wer stimmt zu? – Piraten, SPD und Grünenfraktion sowie Herr Schwerd – fraktionslos – stimmen zu. Dagegen stimmen CDU und FDP sowie Herr Stüttgen – fraktionslos –. Herr Schulz – fraktionslos – ist auch dagegen; das hätte man von der Kurzintervention schon ableiten können. Das nehmen wir so zur Kenntnis. – Gibt es Enthaltungen? – Enthaltungen sind nicht zu sehen. Damit ist der Gesetzentwurf Drucksache 16/13314 – Neudruck – in zweiter Lesung gemäß § 43 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen angenommen.

Die Fraktionen haben vereinbart, nunmehr die dritte Lesung durchzuführen. Gibt es dazu Widerspruch? – Den sehe ich nicht; dann verfahren wir so.

Ich rufe die dritte Lesung des Gesetzes zur Änderung der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen, Gesetzentwurf der Fraktion der SPD, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der Piraten, Drucksache 16/13314 – Neudruck –, auf. Ich darf hinweisen auf die Beschlussempfehlung und den Bericht des Hauptausschusses Drucksache 16/14275 – Neudruck – zur zweiten Lesung. Eine Aussprache in der dritten Lesung ist nicht vorgesehen.

Wir kommen unmittelbar zur Abstimmung. Wir stimmen ab über den Gesetzentwurf Drucksache 16/13314 – Neudruck – in der Fassung nach der zweiten Lesung. Da das Beratungsverfahren hiermit abgeschlossen wird, handelt es sich um eine Schlussabstimmung nach § 76 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung.

An dieser Stelle weise ich darauf hin, dass nach Art. 69 Abs. 2 unserer Landesverfassung für eine Verfassungsänderung die Zustimmung von mindestens zwei Dritteln der gesetzlichen Mitglieder des Landtags, das heißt von mindestens 158 Abgeordneten, erforderlich ist.

Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben gemäß § 44 unserer Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung beantragt. Nach Abs. 2 dieses Paragrafen erfolgt die namentliche Abstimmung durch Aufruf der Namen der Abgeordneten. Die Abstimmenden haben bei Namensaufruf mit Ja oder Nein zu antworten oder zu erklären, dass Sie sich der Stimme enthalten.

Ich bitte nun Herrn Kollegen Marquardt, mit dem Namensaufruf zu beginnen. Ich bitte um Ruhe, damit wir genau hören, wie abgestimmt wird.

(Der Namensaufruf erfolgt [Abstimmungsliste siehe Anlage 1].)

Haben nun alle Abgeordneten ihre Stimme abgegeben? Oder gibt es noch Nachmeldungen? – Weitere Nachmeldungen sehen wir von hier aus nicht.

Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die Auszählung vorzunehmen. Das Ergebnis warten wir jetzt ab.

(Die Auszählung erfolgt.)

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt. Ihre Stimme abgegeben haben 217 Abgeordnete. Mit Ja stimmten 134 Abgeordnete, mit Nein stimmten 83 Abgeordnete. Keine Abgeordnete, kein Abgeordneter hat sich der Stimme enthalten.

Im Einvernehmen mit den Schriftführern stelle ich gemäß § 46 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung ausdrücklich fest, dass die erforderlichen mindestens zwei Drittel der gesetzlichen Mitglieder des Landtags dem Gesetzentwurf Drucksache 16/13314 – Neudruck – in der Fassung nach der zweiten Lesung nicht zugestimmt haben. Damit ist der Gesetzentwurf Drucksache 16/13314 – Neudruck – in dritter Lesung abgelehnt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich rufe auf:

3 Nordrhein-Westfalen braucht eine Neuaus

richtung der Denkmalförderpolitik