Protocol of the Session on February 16, 2017

(Beifall von den GRÜNEN und Hans-Willi Körf- ges [SPD])

Genau dieses Gesetz befindet sich derzeit in der parlamentarischen Beratung. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir hier zu einer breiten Zustimmung im Parlament kommen würden. Denn wir haben als Land eine Fürsorgeplicht. Diese nehmen wir auch wahr. Wir wollen sie weiter ausbauen und ihr gerecht werden. Ich hoffe, dass Sie da mitmachen. Ich hoffe auch, dass heute von dieser Debatte dieses Signal der Anerkennung und des Respekts ausgehen kann. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schäffer. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Herr Lürbke.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Uns eint sicherlich – das ist ja in den Redebeiträgen deutlich geworden –: Hier muss ein Signal nach draußen gehen, dass für uns Gewalt gegen Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes in keiner Art und Weise akzeptabel ist. Hier müssen wir hier eindeutig Flagge zeigen.

Damit bin ich schon beim Aber. Was ist denn heute tatsächlich Realität bei diesem Thema „Gewalt gegen Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes“? Ich will das einmal ganz exemplarisch für unsere Polizeibeamtinnen und -beamten aufzeigen: Nase zertrümmert, Jochbein zerschmettert, bewusstlos gewürgt, auf dem Boden liegend zusammengetreten. – Früher schützte die Uniform unsere Staatsvertreter. Heute gefährdet ihr Tragen sie ganz offenbar.

Wir erleben das immer wieder. Tatort Dortmunder Nordstadt – das ist noch gar nicht lange her, sondern passierte erst vor vier Tagen –: Auf die Bitte hin, das Fahrzeug für einen Einsatz zur Seite zu fahren, haben drei Männer einen Polizeibeamten brutal zu Boden geprügelt und getreten. Nur der Griff des Kollegen zur Dienstwaffe konnte das Ganze stoppen. Nach Abschluss der polizeilichen Maßnahmen sind die Täter nun wieder auf freiem Fuß. Ein Täter flüchtete unerkannt. Nun kommt der Fall in den dicken Stapel der Akten bei der zuständigen Staatsanwaltschaft. Irgendwann – in einem Jahr oder noch später – passiert dann einmal etwas.

Das ist doch gerade nicht der generalpräventive Effekt, den es in Zeiten massiver Verrohung, verschwindender Hemmschwellen und deutlichen Respektverlusts braucht. Nein, meine Damen und Herren! Stattdessen müsste diese Landesregierung es doch als Pflicht begreifen, für ihre Staatsbediensteten zu sorgen und sicherzustellen, dass sie auch wirklich bestmöglichen Schutz erhalten.

Was wäre die richtige Vorgehensweise? Wir haben es oft vorgeschlagen. Zum Beispiel könnte – das wäre eine Möglichkeit – Polizei- und Kommunalminister Jäger gemeinsam mit dem Justizminister dafür sorgen, dass solche Fälle von dem Polizeichef, dem leitenden Staatsanwalt und dem Amtsgerichtsdirektor in enger Abstimmung zur Chefsache gemacht werden und dann auch die Strafe auf dem Fuße folgt.

Eine solche Tätlichkeit im Straßenverkehr muss auch dazu führen, dass sofort der Führerschein eingezogen wird und die Täter nach dem besonders beschleunigten Verfahren sofort eine Woche in die Zelle wandern und am Ende eine Verurteilung steht. Es steht doch außer Frage: Wer selbst Polizisten auf offener Straße wegen Banalitäten zusammenschlägt, der stellt eine enorme Gefahr für die Allgemeinheit dar.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Was reden Sie denn da? Das gibt es doch gar nicht! Das ist doch Fantasie!)

Das gibt es gar nicht, Herr Herrmann? Was war denn in Dortmund los?

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Ja, einmal, zweimal! Das ist doch eine völlige Dramatisie- rung und Skandalisierung!)

Herr Herrmann, es wundert mich, dass Sie das immer in Abrede stellen. Im Untersuchungsausschuss zur Silvesternacht haben wir Polizeibeamte gehabt, die uns geschildert haben, wie die Situation ist. Sie haben gesagt, dass sie zum Beispiel Beleidigungen gar nicht mehr nachgehen und keine konsequenten Maßnahmen anwenden – schon alleine deshalb, weil ihnen die ausgeschlagenen Zähne niemand ersetzt

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Wie viele aus- geschlagene Zähne hat es im letzten Jahr ge- geben? Nennen Sie doch einmal Zahlen! Das stimmt so nicht! Waren es drei, zwei oder ei- ner?)

und eine Anzeige sowieso mit einer banalen Strafe eingestellt würde. Das ist im PUA IV gesagt worden. Dazu gibt es sogar eine eigene Studie des Ministers, die das auch belegt. Fakt ist doch: Die Beamten spüren in dieser Frage nicht den Rückhalt, den sie brauchen und den sie auch verdienen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Sie sagen, das gebe es gar nicht. Wir erleben doch immer wieder Tumultdelikte. Plötzlich stehen wegen einer Nichtigkeit 30 oder 40 Personen aggressiv jemandem gegenüber. Wenn ich dann unseren Innenminister frage, wie sich das denn in den einzelnen Kreispolizeibehörden entwickelt hat, bekomme ich darauf keine Antwort. Die Zahlen liegen nicht vor. Genauso ist es, wenn ich frage, wie viele Anzeigen wegen Beleidigungsdelikten von einem Behördenleiter tatsächlich unterstützt werden. Lagebilder, Konzepte gegen Clans – alles das liegt doch gar nicht vor.

Deswegen: „Blinde Führung“ mögen das die einen nennen, „ganz weit weg von den Sorgen und den Nöten der Basis“ die anderen.

Herr Herrmann, glauben Sie denn, dass wir leichtfertig die Einführung von Tasern für den Streifendienst fordern? Meinen Sie, dass wir als FDP-Fraktion leichtfertig fordern, endlich die Schutzausstattung der Alarmzüge im Streifendienst für bestimmte Einsätze zu verwenden?

Alles das ist – damit bin ich wieder bei Rot-Grün; so ähnlich hat Herr Lohn das auch ausgedrückt – ist in den letzten Jahren hier blockiert worden. Da sind die Vorschläge abgelehnt worden. So lässt man dann seine eigenen Mitarbeiter am Ende im Regen stehen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Botschaft in ganz Nordrhein-Westfalen muss doch endlich lauten:

Wer Staatsdiener schlägt oder angreift, muss spätestens binnen vier Wochen eine so konsequente Antwort dieses Staates erfahren, dass er das nie wieder macht. Die Strafe muss auf dem Fuße folgen.

Dazu müssen Sie, Herr Minister, muss diese Landesregierung, muss die Polizei …

(Minister Ralf Jäger: Der Justizminister!)

Den Justizminister nehme ich mit in die Verantwortung.

(Minister Ralf Jäger: Ich dachte, das müsse ich jetzt auch machen!)

Nein, das machen Sie nicht. Da haben wir ja eine Trennung. Das ist auch gut so. Bei der Justiz läuft es ja ab und an auch.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Aber nur ab und an!)

Nichtdestotrotz brauchen wir hier Handlungsfähigkeit vor Ort. Wir brauchen auch weiterhin mehr Personal. Wir brauchen vor allem eine Vision für ganz Nordrhein-Westfalen.

Sie mögen sich damit abfinden, wie der aktuelle Status quo ist. Wir wollen das aber umkehren. – Danke schön.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Lürbke. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Herrmann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer im Saal und zu Hause! Noch einmal müssen wir uns heute mit einem Antrag der CDU beschäftigen, in dem ein vorgeblich bestehender Zustand mit mehr Repression verbessert werden soll. Wieder geht es nur um Eskalation, um die Stimmung gefährlich anzuheizen. Ich habe wiederholt gesagt: Es werden andere sein, die von dieser Eskalationspolitik profitieren, Sie nicht.

Es gibt zweifelsohne eine unschöne Entwicklung. Kommunalpolitiker, Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes und ganz besonders auch Ehrenamtliche in der Flüchtlingshilfe werden bedroht. Die letzte Gruppe wird in dem Antrag der CDU bezeichnenderweise überhaupt nicht erwähnt. Dabei finden hier die meisten Angriffe statt.

Laut einem Bericht des Innenministers vom November letzten Jahres – im Übrigen aufgrund eines Antrags der FDP-Fraktion, deswegen müssten Sie eigentlich wissen, wie gering die Zahlen sind, Herr Lürbke – gab es 115 Straftaten in NRW, davon 79, also fast zwei Drittel, gegen Amts- und Mandatsträger mit Bezug zur Zuwanderungsthematik. Da bleibt

nur noch eine zweistellige Anzahl übrig. Das ist nicht ausreichend, um hier so zu skandalisieren. Aber wir wollen das Thema nicht bagatellisieren. Das tut niemand, auch wenn die CDU das schon von vornherein im Antrag unterstellt. Die tatsächlichen Fallzahlen sind, wie gesagt, sehr gering.

Jedoch sollten auch Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, wissen, dass der Kampf gegen die unerwünschten Entwicklungen bei der Bekämpfung der Ursachen beginnen muss. Stattdessen benennen Sie hier aber mit den Angriffen gegen Beamte nur die Symptome. Ihre einzige Antwort ist, diese Symptome bekämpfen zu wollen. Das Wort „Ursachenforschung“ fehlt in Ihrem Wortschatz vollständig. Sie bleiben stattdessen bei der Methode, immer noch eine Eskalationsstufe höherzugehen. Bei der Symptombekämpfung bleibt auch die SPD stehen, wie der Kollege Dahm eben bedauerlicherweise klargemacht hat.

Mehr Überwachung, mehr Repression! Man muss befürchten, dass die nächste Forderung ist – Herr Kollege Lürbke hat es schon in Aussicht gestellt –, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Ämtern mit Tasern auszustatten.

Meine Damen und Herren, die Ursachen sind äußerst vielschichtig und liegen zu einem großen Teil in der Art begründet, wie sich unsere Gesellschaft entwickelt. So stieg die Armutsquote in Nordrhein-Westfalen laut aktuellem Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes von 17,1 auf 17,5 %. Aus Studien wissen wir, dass Armut und Hartz-IV-Bezug – auch psychisch – krank machen.

Wem keine Perspektive mehr geboten wird, der verzweifelt und wird unter Umständen auch Verzweiflungstaten begehen. Das Fatale an der Gewalt ist, dass sie Gegengewalt erzeugt. So schaukeln sich die Gewaltbereitschaft und die Aggressivität hoch, leider oft auch von den Medien befeuert. Die Spaltung der Gesellschaft wird so weiter vorangetrieben.

Bei immer neuen und verschärften Sicherheitsmaßnahmen bekommt man allmählich den Eindruck, dass sich der Staat vor seinen Bürgern schützen will. Alles und jeder soll präventiv überwacht und kontrolliert werden. Es wird eine Bedrohungslage skizziert, die mit der Realität kaum etwas zu tun hat. Damit wird zusätzlich noch Angst geschürt.

In ihrem Antrag spricht die CDU daher auch von einer subjektiven Bedrohungslage. Damit ist auch die Union im postfaktischen Zeitalter angekommen. Tatsachen zählen nicht mehr, sondern nur noch die gefühlte Bedrohung. Aber das ist ein äußerst gefährliches Spiel; denn das führt direkt zu den Rechtspopulisten.

Damit das klar ist: Auch wir meinen natürlich, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst müssen unterstützt werden; denn sie können nichts

für die Situation. Sie sind letztlich diejenigen, die den Menschen das Ergebnis schlechter Politik präsentieren müssen. Wenn den Menschen Leistungen gekürzt werden und Anträge negativ beschieden werden, müssen diese Kolleginnen und Kollegen es ausbaden. Die Vorlagen dafür erhalten Sie aber aus der Politik. Daher sind auch unterstützende Maßnahmen wie Deeskalationstrainings leider nötig.

Um aber die Ursachen zu bekämpfen, müssen wir gesellschafts- und sozialpolitisch ansetzen. Die sich weiter öffnende soziale Schere ist da nur ein Beispiel. In der zunehmend automatisierten und globalisierten Welt wird es immer schwieriger werden, sich durch Lohnarbeit das Auskommen zu sichern. Deswegen müssen wir dringend über ein bedingungsloses Grundeinkommen sprechen.

(Beifall von den PIRATEN)

Meine Damen und Herren, wir müssen Respekt gegenüber den Menschen nicht einfordern, sondern ihnen Respekt entgegenbringen. Zu all dem liefert der CDU-Antrag rein gar nichts. Er ist deshalb natürlich abzulehnen.

Zum Entschließungsantrag der rot-grünen Koalition bleibt zu sagen, dass darin einiges Richtige in Bezug auf die Aus- und Fortbildung der Mitarbeiter steht. Aber um Ursachen kümmert auch er sich nicht. Da Sie das Zweiklassenstrafrecht auch noch auf weitere Berufsgruppen ausdehnen wollen, bleibt auch hier nur die Ablehnung.

Meine Damen und Herren, ich möchte mit einem Zitat von Oliver Malchow, dem GdP-Bundesvorsitzenden, schließen. Er sagt zur Gewalt gegen Polizisten, sie sei Ausdruck der Frustration der Menschen gegenüber dem Staat.