Danke, Herr Präsident. – Eine Vielzahl von Sachverhalten und Fragen ist vorgetragen worden, auf die ich im Rahmen meines Zeitkontingents auch im Einzelnen eingehen möchte.
Meine Damen und Herren, der Gutachter der FDP wirft dem LKA NRW vor, es habe die Ausländerbehörde nicht über die TKÜ-Maßnahmen gegen Anis Amri unterrichtet, die von der Berliner Polizei geführt wurden. Dieser Vorwurf ist ebenfalls unberechtigt. Er zeugt davon, dass sich der Gutachter in seinem Gutachten über Sachverhalte eine Meinung gebildet hat, über die er nicht im Bilde ist bzw. nicht im Bilde sein konnte.
Der Generalstaatsanwalt in Berlin ermittelte gegen Anis Amri wegen des Versuchs der Beteiligung an einem Tötungsdelikt und übertrug die Ermittlungsführung dem Landeskriminalamt in Berlin. Für dieses Strafverfahren liegt hier und übrigens auch beim Generalbundesanwalt immer noch keine Einstellungsverfügung vor.
In diesem Zusammenhang wurden im Zeitraum vom 5. April 2016 bis zum 21. September 2016 verdeckte Maßnahmen in Berlin durch das LKA Berlin durchgeführt. Dabei handelte es sich um verdeckte Maßnahmen der Berliner Polizei in einem Verfahren unter Sachleitungsbefugnis der Berliner Generalstaatsanwaltschaft.
Meine Damen und Herren, die Schwächen des FDPGutachtens beruhen offensichtlich darauf, dass es unter hohem Zeitdruck angefertigt wurde und dabei teilweise von unzutreffenden Tatsachengrundlagen ausgeht.
So räumt der Gutachter selbst ein, Herr Stamp, dass er wenig Zeit hatte und nicht alle Aspekte des Ausländerrechts berücksichtigen konnte.
Ich zitiere aus diesem Gutachten: Eine Vollständigkeit der Prüfung aller in Betracht kommender ausländerrechtlicher Maßnahmen erschient nicht sinnvoll und
Meine Damen und Herren, klar ist jedenfalls, dass dieses FDP-Gutachten unter großem Zeitdruck zustande kam und unvollständig ist.
Nach einem so erschütternden Ereignis gilt es, alles dafür zu tun, dass sich derlei Taten nicht wiederholen – ohne Denkverbote und ohne Schranken im Kopf. Klar ist, dass eine Tatbegehung wie im Fall Amri – weiche Ziele, wenig bis keine Vorbereitung, schnelle Entscheidung – und derartige Bedingungen es den Behörden immer schwer machen, solche Taten zu verhindern.
Deshalb müssen wir mit der gebotenen Sachlichkeit darüber nachdenken, die Arbeit unserer Behörden zu erleichtern und auch rechtsstaatliche Befugnisse dort zu erweitern, wo es erforderlich ist – mit dem nötigen Augenmaß und eben nicht mit der Brechstange.
Meine Damen und Herren, ich bin ganz sicher kein Vertreter eines Nachtwächterstaates, der sich als zahnloser Tiger gegenüber Gefährdern zeigt. Ganz im Gegenteil: Die Polizei muss die rechtlichen Mittel
haben, um uns vor Terroristen zu beschützen. Aber genauso wichtig ist es mir auch, dass wir die grundlegenden Prinzipien unserer freiheitlichen Gesellschaft nicht leichtfertig über Bord werfen.
Der Entschließungsantrag der regierungstragenden Fraktionen ist der einzige sachliche Beitrag, den ich in dieser Debatte vernehmen konnte, der diesem Anspruch gerecht wird. Es war in der Tat richtig, die Einstellungszahlen bei der Polizei, beim Verfassungsschutz und auch bei der Justiz zu erhöhen. Nur mit genügend Personal und einer guten Ausstattung können wir auf terroristische Bedrohungen angemessen reagieren.
Jetzt brauchen wir bessere Möglichkeiten, damit die Behörden Gefährder stärker in den Blick nehmen können. Dazu gehört auch die Prüfung, unter welchen Voraussetzungen weitere polizeiliche Befugnisse geschaffen werden sollen.
Außerdem brauchen wir erleichterte Voraussetzungen, um Gefährder schneller in Abschiebungshaft nehmen zu können – auch und gerade dann, wenn die Ersatzpapiere nicht innerhalb von drei Monaten beschafft werden können, weil die Heimatstaaten nicht kooperieren.
Meine Damen und Herren, wichtig ist, dass der Bundesjustizminister und der Bundesinnenminister sich hierzu geeinigt haben. Dass hier eine Änderung vorgenommen werden soll, zeigt im Übrigen auch, Herr Laschet und Herr Stamp, dass es derzeit rechtliche Hürden und Lücken gibt, die im Falle von Herrn Amri die Abschiebehaft verhindert haben.
Die Diskussion um die Vorschläge von Herrn Maas und Herrn de Maizière ist zu begrüßen. Was mir in dieser Debatte jedoch viel zu kurz kommt, ist die Frage der Prävention. Wichtig ist, dass Menschen gar nicht erst zu Extremisten oder zu Terroristen werden. Besser als bisher muss es gelingen, an den Ursachen für Radikalisierung anzusetzen und gerade junge Menschen davor zu bewahren, dass sie in die Fänge von Radikalen und Terroristen geraten.
Das Land ist hier in vielen Initiativen und Projekten unterwegs. Das Projekt Wegweiser bauen wir aus. Dieses Projekt wird beispielgebend für andere Bundesländer und für den Bund sein.
Doch Prävention darf auf diesem Feld nicht allein Sache der Länder sein. Auch der Bund muss seinen Teil dazu beitragen – ähnlich wie beim Rechtsextremismus –, bundesweite Angebote zu schaffen.
Extremismus und Terrorismus sind Probleme, die nicht nur uns als Land Nordrhein-Westfalen, sondern Deutschland insgesamt bedrohen. Meine Damen und Herren, wir müssen uns gemeinsam auf allen
Ebenen anstrengen, um diese Bedrohung in den Griff in den Griff zu bekommen und uns ihr entgegenzustellen. Ich glaube, mit Besonnenheit ist unsere freiheitliche Gesellschaft zwar nicht unverwundbar, aber immer noch wehrhaft. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Minister Jäger. – Es gibt die Anmeldung einer Kurzintervention. Herr Minister, bitte steuern Sie das Pult noch einmal an. Dann kann Herr Biesenbach seine Intervention starten. Sie haben anschließend 1:30 Minuten Zeit, darauf zu reagieren. – Bitte schön, Herr Kollege Biesenbach.
Sie haben heute nichts Neues gesagt; denn das haben wir alles schon in den Sitzungen des Innenausschusses erfahren.
Leider haben Sie die Entwicklungen in der Zwischenzeit dabei außer Acht gelassen. Auch Sie erwecken heute wieder den Eindruck, als ob dieser Anschlag eine Art Naturkatastrophe gewesen wäre, die nicht zu verhindern gewesen sei. Wir werden jetzt schon einen Schritt weiter sein, dass dem nicht so war, und werden auch weitermachen.
Vielleicht beginnen wir mit dem Gedanken, den Herr Laschet Ihnen schon vorgehalten hat, dass Sie mit Wahrheiten spielen, wie Sie gerade Lust haben – auch gerade wieder. Sie haben gerade mitgeteilt, der Gutachter habe ja nicht alles prüfen können.
Nein, er hat Ihnen acht Gründe genannt, warum eine Inhaftierung bereits möglich gewesen wäre, und hat gesagt: Weiteres prüfe ich mal nicht, weil ich dazu nicht alles will.
ist auch eine Änderung eingetreten. In der ersten Sitzung ging sie überhaupt nicht, weil die Voraussetzungen schon nicht da waren. In der letzten Sitzung hat Ihr zuständiger Fachmann für das Aufenthaltsrecht zugestanden, dass die Voraussetzungen vorgelegen hätten. Auch der Haftgrund habe vorgelegen. Nur der Vollzug sei wegen dieser Dreimonatsfrist nicht möglich gewesen.
Herr Minister, ist es denn richtig, dass Ihnen die Bundesregierung angeboten hat, bei der Passbeschaffung wegen der guten Kontakte zu helfen? Die Bundespolizei bildet Kollegen aus Tunesien aus, der
Bundesnachrichtendienst war an Seminaren beteiligt, alle mit tunesischen Kräften. Sie haben also das Angebot der Bundesregierung erhalten, dass diese Ihnen bei der Passbeschaffung helfen will, und das Land soll das nach meinen Informationen abgelehnt haben. Ist das alles, was Sie wirklich dazu tun?
Und hätten Sie nicht weiterhin die Voraussetzungen gehabt, spätestens am 21. Oktober? – Sie lassen wieder einen Monat vergehen, bevor Sie handeln. Und siehe da, dann sind die Papiere in vier Wochen da. Nennen Sie das zügig? Nennen Sie das verantwortungsvoll? – Darauf hätte ich gerne eine Antwort.
Herr Biesenbach, die Formulierung „Naturkatastrophe“ im Zusammenhang mit den zwölf Toten finde ich persönlich unangemessen, aber das ist eine Stilfrage.
Herr Biesenbach, um es deutlich zu sagen: Ihre Behauptung, dass die Passersatzpapiere am 21. Dezember eingetroffen seien, trifft nicht zu. Eingetroffen ist am 21. Dezember eine Mail des tunesischen Generalkonsulates, dass man dann endlich die tunesische Staatsbürgerschaft von Herrn Amri anerkennt. Entsprechende Papiere, mit denen am 21. Dezember, also zwei Tage nach der Tat, tatsächlich eine Rückführung hätte durchgeführt werden können, waren dieser Mail nicht beigefügt.
Aber um es noch einmal, auch in dem Zusammenhang, deutlich zu sagen: Es gab Konsultationen zwischen dem Bundesinnenministerium, dem Bundeskriminalamt, dem Landeskriminalamt Berlin und dem Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen auch zu dem Zwecke, wie die Beschaffung von Passersatzpapieren im Falle Amri noch besser, noch mehr hätte beschleunigt werden können. Und es gibt die Vereinbarung zwischen den Behörden in Nordrhein-Westfalen und dem Bundesinnenministerium, dass, wenn weiterhin Tunesien die Passersatzpapiere verweigert, die Bundesbehörden mit ihren Möglichkeiten dann in Anspruch genommen werden sollten.
Letztendlich, Herr Biesenbach, will ich noch einmal darauf hinweisen, dass Politik und Staat nicht den Eindruck vermitteln sollten, dass eine solche Tat in jedem Fall zu verhindern ist. Wenn ein Mensch dazu entschlossen ist, einen anderen zu erschießen, elf Menschen mit einem Lkw zu überrollen, seinen eigenen Tod in Kauf nimmt und die Vorbereitung einer solchen Tat keinerlei Mitwisser, keinerlei Kommunikation oder Finanzierung, sondern ausschließlich der
eigenen, persönlichen Motivation bedarf, dann sollten meines Erachtens Politik und Staat nicht den Eindruck vermitteln, dass alle Behörden jederzeit in der Lage wären, eine solche Tat zu verhindern. Das ist nicht möglich. Das ist der Teil von Sicherheit, den möglicherweise ein Staat, der freiheitlich organisiert ist, nicht immer gewährleisten kann. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister Jäger. – Als nächster Redner hat für die FDP-Fraktion Herr Dr. Stamp das Wort.
Mein sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Es ist wieder die Chance vertan worden, dass der Minister einmal erklärt, dass in seinem Geschäftsbereich eklatante Fehler gemacht worden sind.