Protocol of the Session on January 25, 2017

Wie sich das Bundesverfassungsgericht entscheidet, lieber Kollege Herrmann, bleibt abzuwarten. Ich bin immer im Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht als dem höchsten deutschen Gericht so unterwegs, dass ich mich mit Prognosen zurückhalte. Aber ich tendiere in eine ähnliche Richtung wie Sie. So vorsichtig will ich es sagen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, für uns Grüne ist klar: Wir lehnen die anlasslose Vorratsdatenspeicherung ab. Wir stehen zu unserem Wort, sie an keiner Stelle politisch zu unterstützen. Es ist ja der Bundesregierung nur mit einigen Verrenkungen gelungen, einen Gesetzentwurf zu schreiben, der im Bundesrat nicht zustimmungsbedürftig war. Das hatte natürlich damit zu tun, dass im Bundesrat grün mitregierte Länder sitzen.

Wir werden uns auch keinen Forderungen anschließen, wie sie aus der CDU immer wieder formuliert werden, beispielsweise auf eine Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung auf Messenger-Dienste, eine

Verlängerung der Speicherfristen und Ähnliches, weil wir das für unverhältnismäßig halten; denn das wäre ein noch krasserer Grundrechtseingriff als das, was heute schon normiert ist.

Darüber hinaus schaffen wir auch keine landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlagen für den Zugriff auf die anlasslos und massenhaft erhobenen Daten; denn das wäre jedenfalls nach meiner Lesart des EuGH-Urteils damit definitiv nicht vereinbar, weil man so die Auflage verletzten würde, dass die Daten, wenn überhaupt, nur bei schweren Straftaten zugänglich gemacht werden dürfen und eben nicht bei weniger gravierenden Straftaten.

Statt anlassloser Massenüberwachung haben wir sinnvoll in die Sicherheitsbehörden investiert mit guter Ausstattung und mit so viel Personal bei der Polizei wie noch keine Regierung zuvor.

Abschließend, liebe Kolleginnen und Kollegen: Der Ball für eine Neugestaltung oder hoffentlich das Ende der Vorratsdatenspeicherung liegt in Brüssel und in Berlin. Was das Land angeht, betone ich gerne noch einmal, …

Ihre Redezeit ist beendet.

Matthi Bolte (GRÜNE) … dass wir eine Regelung, die die Vorratsdatenspeicherung rechtlich oder politisch legitimiert, nicht mittragen werden. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Bolte. – Für die FDP spricht Herr Dr. Wolf.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Piraten haben ein wichtiges Thema angesprochen, das allerdings nicht unmittelbar in die Zuständigkeit des Landtags fällt. Deswegen will ich mich mit Blick auf die Zeitverzögerung auch relativ kurz halten.

Fakt ist: Der EuGH hat die anlasslose VDS, also die Vorratsdatenspeicherung, für unionsrechtswidrig erklärt. Auch wenn das zunächst einmal die Regelungen in Großbritannien und Schweden betrifft, hat diese Entscheidung sicherlich auch Auswirkungen auf Verfahren in Deutschland.

Wir Freien Demokraten haben schon früher Anlassbezug gefordert. Insofern ist die Prognose nicht allzu schwierig, dass die aktuelle VDS in Deutschland keinen Bestand haben wird. Denn der Europäische Gerichtshof hat jede Form der nach Zielobjekt oder -subjekt undifferenzierten VDS untersagt.

Allerdings hat der EuGH auch Alternativen aufgezeigt: VDS gegenüber einem begrenzten Personenkreis, nur in bestimmten Regionen, nur bei Verdachtsmomenten – Stichwort: Gefährder –, nur bei Hinweisen auf sonstige Nutzung der Daten für die Aufklärung von Straftaten.

Damit kann es nach Auffassung des EuGH Vorratsdatenspeicherung geben, aber nur in ausgesprochen engem Rahmen. Das muss uns klar sein. Insofern ist es wichtig, dass Deutschland schnell reagiert. Das heißt: Die Bundesregierung ist hier gefordert.

Dazu, wie das im Einzelnen aussehen soll, haben die Piraten noch keinen Vorschlag. Das Entscheidende ist wohl, dass bis zur anlassbezogenen Neuregelung einer möglichen VDS auf Bundesebene eine unionsrechtskonforme Auslegung vorgenommen wird. Das kann und muss man fordern. Insofern sehen wir den entsprechenden Verhandlungen in Berlin mit Spannung entgegen. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Wolf. – Der fraktionslose Abgeordnete Schwerd hat sich gemeldet und um das Wort gebeten. Bitte schön.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren am Stream! Mit den Innenpolitikern und der Vorratsdatenspeicherung ist das ein bisschen so wie bei dem Kind mit der Kerze: Immer wieder verbrennt es sich am heißen Wachs die Finger; aber es kann es einfach nicht lassen, damit zu spielen. – Immer wieder aufs Neue versucht man, eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung in Deutschland einzuführen, und immer wieder stößt man an die Grenzen des Erlaubten. Anstatt aber einzusehen, wo die Grenzen des Rechtsstaats sind, nennt man das Projekt eben anders und versucht es erneut.

Jetzt hat die Vorratsdatenspeicherung also auf europäischer Ebene eine Klatsche bekommen. Das Urteil ist unmissverständlich. Die massenhafte Speicherung von Daten ohne konkreten Anlass und ohne Einschränkung der zu überwachenden Personen ist illegal. Flächendeckend verpflichtende Speicherung aller Verkehrsdaten geht nicht.

Das geht an die Adresse von Herrn Stotko, der irgendwie die Flucht ergriffen hat. – Nein, da hinten ist er; super. Herr Stotko, die Speicherung der Daten findet lange vor dem Richtervorbehalt statt. Das ist das Problem.

Auch wenn das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zunächst die Vorratsdatenspeicherung in Großbritannien und Schweden betrifft, darf man nicht so tun, als ginge das Deutschland nichts an. Unsere

Vorratsdatenspeicherung ist genauso konstruiert. So sicher wie das Amen in der Kirche wird auch die deutsche Vorratsdatenspeicherung Gegenstand vor dem EuGH werden, und genauso sicher wird sie da dieselbe Begründung kassieren.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, derzeit sind die Telekommunikationsunternehmen unseres Landes damit beschäftigt, die technischen Voraussetzungen für eine Vorratsdatenspeicherung zu schaffen. Während das für große Unternehmen leicht zu stemmen ist, ist es für kleine Unternehmen ein Kraftakt. Nicht weniger als 2.500 Unternehmen sind davon betroffen. Der eco Verband spricht von Kosten in Höhe von 600 Millionen €.

Eine echt frustrierende Aussicht, wenn man sich vor Augen hält, dass diese Ausgaben mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für die Tonne sind! Letztlich wird das alles der Verbraucher in Form von steigenden Telekommunikationskosten zahlen müssen. Der Bürger bezahlt für seine eigene Überwachung. Und wir haben dabei noch nicht einmal über die ganzen Fragen von Privatsphäre und Datenschutz gesprochen!

Die Sorgfaltspflicht, die wir gegenüber den Bewohnern, den Steuerzahlern, den Unternehmern dieses Landes haben, gebietet es eigentlich, diesen vollkommen unsinnigen Aufwand von ihnen abzuwenden. Es wäre dringend notwendig, bis zur höchstrichterlichen Prüfung die Umsetzung erst einmal auf Eis zu legen, also so lange, bis die Prüfung auch der deutschen anlasslosen Vorratsspeicherung vor dem EuGH abgeschlossen ist. Kommt das Gericht dann, wie zu erwarten, zu demselben Schluss, haben wir uns Hunderte von Millionen unnötiger Kosten erspart. – Vielen herzlichen Dank.

Vielen Dank, Herr Kollege Schwerd. – Für die Landesregierung spricht nun Herr Minister Jäger.

Herzlichen Dank. – Herr Präsident! In der Debatte ist von den meisten schon viel Richtiges gesagt worden. Herr Herrmann, ich glaube, Sie haben nicht unbedingt dazu gezählt.

Ich will das noch einmal kurz zusammenfassen: Der EuGH hat nicht über ein deutsches Gesetz geurteilt. Der EuGH hat über Regelungen in Schweden und Großbritannien entschieden. Die Maßstäbe, die er bei seiner Entscheidung anlegt, sind für uns in Deutschland nicht neu. Darüber haben wir hier lange und manchmal sehr emotional diskutiert.

Die Begründung des EuGH bietet übrigens auch erst einmal wenig Anlass für Schnappatmung, weil wir eine deutsche Regelung haben, die geschaffen

wurde, um schwere Straftaten zu verfolgen und Gefahren abzuwehren –

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Wir speichern aber alle!)

eine Regelung, die sehr enge Grenzen setzt sowohl für die Speicherung als auch für den Abruf, der nur unter strengen Voraussetzungen möglich ist. Dazu zählt auch der Richtervorbehalt nach der Strafprozessordnung; das ist gerade schon angesprochen worden. Für meine Begriffe ist das ein sachgerechter Ausgleich zwischen zwei Grundbedürfnissen und Grundrechten, die die Menschen haben: Freiheit auf der einen Seite und Sicherheit auf der anderen Seite.

Meine Damen und Herren, der Presse war zu entnehmen, dass die Bundesregierung das Urteil auswerten will. Das ist gut. Das sollte übrigens auch der Gesetzgeber tun. Jetzt gibt es keinen Anlass, über ein Moratorium oder gar von Verstößen gegen die Grundrechtecharta zu sprechen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Vielen Dank, Herr Minister. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Damit sind wir am Schluss der Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Die antragstellende Fraktion der Piraten hat direkte Abstimmung beantragt. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags Drucksache 16/14004. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag Drucksache 16/14004 mit den Stimmen von SPD, CDU, Grünen und FDP sowie des fraktionslosen Abgeordneten Stüttgen gegen die Stimmen der Piraten und des fraktionslosen Abgeordneten Schwerd abgelehnt.

Ich rufe auf:

11 Fragestunde

Drucksache 16/14022 – Neudruck

In Verbindung mit:

Würgt ausgerechnet die Landesregierung einen wichtigen Motor für den Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen ab?

Kleine Anfrage 5303 des Abgeordneten Matthias Kerkhoff (CDU) Drucksache 16/13342

Mit der Drucksache 16/14022 – Neudruck – liegt Ihnen die Mündliche Anfrage 88 vor.

Ich rufe nun auf:

Mündliche Anfrage 88

Fehlende Transparenz beim Krankenstand der nordrhein-westfälischen Lehrkräfte – Welche der ihr bald vorliegenden Ergebnisse wird die Landesregierung zu Fehlzeiten bei Lehrern rechtzeitig vor der Landtagswahl publizieren?

Bereits seit dem Jahr 2010 gibt es einen jährlichen Krankenstandsbericht von der Landesregierung, der die Fehlzeiten der Beschäftigten im öffentlichen Dienst aufgeschlüsselt nach den einzelnen Ressorts darstellt. Die Angabe der Krankheitstage bei Lehrern fehlt seitdem völlig und ist im aktuellen Bericht, der Ende 2016 erschienen ist, erneut nicht enthalten.

Dieser Umstand ist ausgesprochen unerfreulich, denn die Lehrerschaft macht quantitativ den mit Abstand größten Anteil der Landesbediensteten aus, und deren Krankenstand entfaltet unmittelbar seine Auswirkungen beim Unterrichtsausfall und ist daher für Schüler und Eltern folgenreich. Die FDP-Landtagsfraktion hat deshalb schon seit längerem eine frühzeitige Erfassung und Offenlegung der Daten gefordert.

Als ein wichtiger Grund für die bis zum heutigen Tag nicht vorliegenden Daten gibt Innenminister Ralf Jäger fünf Jahre nach der Veröffentlichung der Daten aller anderen Ressorts tatsächlich den Krankenstand eines Programmierers an, der die Datenverfügbarkeit bislang verhindert habe.

Laut Krankenstandsbericht S. 6 funktioniert aber die Datenerfassung mittlerweile: