Protocol of the Session on December 14, 2016

Ich freue mich mit ganz vielen Menschen in Nordrhein-Westfalen auf diesen Tag, weil er, meine Damen und Herren, wieder ein sehr guter Tag für unser Land, für die Menschen in unserem Land werden wird. – Vielen Dank fürs Zuhören. Glück auf für unser Land!

(Langanhaltender lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Römer. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Lindner.

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Norbert Römer hat gegen Ende seiner Rede einen Appell an uns alle gerichtet, für den er den Beifall des gesamten Hauses bekommen hat. Gewalt und Einschüchterung dürfen keine Mittel der demokratischen Auseinandersetzung in Deutschland sein.

(Beifall von allen Fraktionen und von der Re- gierungsbank)

Wir können, wir sollen, ja wir müssen uns auch mit Härte auseinandersetzen. Es gehört zum Wesen der Demokratie, der freien Wahlentscheidung, dass es überhaupt Wahlalternativen gibt, die klar herausgearbeitet werden. Aber wir wollen in Deutschland keine politische Kultur der Verrohung, bei der es nicht um Profile für politische Positionen geht, sondern am Ende um die Vernichtung des politischen Gegners. Das können wir nicht wollen.

(Beifall von allen Fraktionen)

Obwohl ich gleich keine Samthandschuhe anziehen will, will ich zu Beginn meiner Rede nach Ihrem Schlussappell, Herr Kollege Römer, mein Angebot vom gestrigen Tag, das die SPD auf Bundesebene für den Bundestagswahlkampf ebenfalls öffentlich geäußert hat, wiederholen: ein Fairnessabkommen zu treffen, bei dem es zwar darum geht, unterschiedliche Positionen und unterschiedliche Werte gegeneinanderzustellen, damit die Menschen entscheiden können, wem sie eher vertrauen, aber auf persönliche Verunglimpfung, Lüge und Demagogie zu verzichten.

All diejenigen, die sich daran nicht beteiligen werden, geben den Wählerinnen und Wählern bereits einen Hinweis, dass sie nichts Gutes im Schilde führen.

(Beifall von der FDP und der CDU – Vereinzelt Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Herr Römer, ich schätze Sie als einen Mann, der weiß, was im Lande vorgeht. Sie haben auch unseren kollegialen Respekt. Aus diesem Grund habe ich sehr aufmerksam zugehört, was Sie heute vorgetragen haben. Sie haben Nordrhein-Westfalen in wirklich beeindruckenden, schillernden Farben dargestellt. An einer Stelle sprachen Sie von einer weltweiten Spitzengruppe, der wir angehören würden. Von Helmut Schmidt stammt der Satz: Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.

(Vereinzelt Heiterkeit von der CDU)

Ich muss Ihnen sagen: Wenn manche geglaubt haben, es gebe in der Sozialdemokratie einen Mangel an Visionen, so haben Sie diese Kritiker eines Besseren belehrt. Denn Sie haben tatsächlich eine visionäre Rede gehalten.

Bedauerlicherweise haben sich die Visionen nicht auf die Zukunft, sondern auf die Wahrnehmung der Gegenwart konzentriert, verehrter Kollege Römer.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Denn so, wie Sie es dargestellt haben, sehen wir es nicht. Wie haben Sie gerade – mit Blick auf die auch von uns geteilten Vorschläge, Studienbeiträge wieder einzuführen – versucht, Armin Laschet hier vorzuführen. Sie haben das dargestellt, als sei es eine große zivilisatorische Errungenschaft von Grünen und Sozialdemokraten gewesen, auf die Studienbeiträge zu verzichten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Zugleich haben Sie die Bedeutung von Bildung und Innovation – als Voraussetzung für Wachstum und auch individuellen Wohlstand – für die Zukunft des Landes Nordrhein-Westfalen hervorgehoben. Wie passt das zusammen?

(Zuruf von der FDP: Natürlich gut!)

Seit 2010 müssen die Professorinnen und Professoren an den Hochschulen wesentlich mehr Studierende betreuen. Waren es 2010 an der Universität zu Köln noch gut 85 Studierende pro Professor, so sind es jetzt bald 100. Die AOK kommt in einer bundesweiten Vergleichsstudie deshalb zum Ergebnis: Nirgendwo sonst in Deutschland ist Studieren so stressig wie in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Sie haben die Studienbeiträge abgeschafft, aber gezahlt dafür haben die jungen Menschen selbst, nämlich durch ein schlechteres und stressigeres Studium. Und dafür erwarten Sie noch Dank!

(Beifall von der FDP und der CDU – Wider- spruch von der SPD)

Genau diese konzeptionellen Alternativen werden wir im nächsten Jahr ja diskutieren.

(Michael Hübner [SPD]: Genau!)

Das werden wir beispielsweise auch bei der Frage der Gebührenfreiheit von Kindertageseinrichtungen machen. Da sind ja übrigens Grüne und Sozialdemokraten, wenn ich die Wahlprogramme richtig wahrgenommen habe, gar nicht einer Meinung.

Ich sage Ihnen: Ja, das Ziel des gebührenfreien Kitabesuches wird auch von uns geteilt. Dabei geht es nicht um eine Entlastung von Gering- und Normalverdienern, sondern um eine Entlastung von Familien mit gutem Einkommen.

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Doch, Herr Zimkeit. Denn die Elternbeiträge müssen nämlich nach der bundesgesetzlichen Rechtsgrundlage nach Leistungsfähigkeit gestaffelt sein. – Im Unterschied zu Ihnen haben wir aber kein Problem damit, zu sagen: Ja, auch die Familie des Ingenieurs wollen wir gerne entlasten.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Es ist doch nicht ungewöhnlich, dass Sie die Großverdie- ner entlasten!)

Deshalb ist das Ziel der Gebührenfreiheit der Kitas für uns auch eine Vision. Wir leben aber eben nicht im Paradies, sondern wir müssen uns zwischen unterschiedlichen Prioritäten entscheiden.

In der „Rheinischen Post“ stand heute etwas bezüglich des Aufholbedarfs bei der U3-Betreuung. Weil wir sehen, was qualitativ hinsichtlich der Bildung vor der Einschulung – auch zum Beispiel im Bereich der Sprachförderung – bei uns noch getan werden muss, sagen wir den Bürgerinnen und Bürgern: Ja, auch wir teilen das Ziel der Gebührenfreiheit des Kitabesuchs. Als Allererstes aber wollen wir die Qualität für eure Kinder besser machen!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Erst das eine, dann das andere.

Über die Wahrnehmung der Gegenwart werden wir im nächsten Frühjahr sprechen. Da gibt es Unterschiede. Das zeigt sich auch an ganz grundlegenden Zahlen und Zielen.

So hat die Frau Ministerpräsidentin in einem Interview mit dem in Berlin erscheinenden „Tagesspiegel“ vor einigen Wochen gesagt, in Nordrhein-Westfalen werde der Schuldenabbau nicht vernachlässigt. – Wenn man die nüchternen Zahlen sieht, Frau Ministerpräsidentin, muss man eine politische Wahlverwandtschaft mit Alexis Tsipras annehmen.

Auf der Homepage der Grünen – ich zitiere – heißt es:

„Wir stehen in der Verantwortung, unseren Kindern und Enkelkindern keinen Schuldenberg zu hinterlassen.“

Tatsache ist, dass seit 2010 19 Milliarden € zusätzlich auf genau diesen Schuldenberg draufgeschüttet worden sind. Schuldenstand: 143 Milliarden €! Das ist die Schlussbilanz des Kabinetts Kraftikakis!

(Beifall von der FDP)

Griechische Verhältnisse am Rhein! Keine Rede von Schuldenabbau!

Wir haben Rekordeinnahmen von bald 55 Milliarden €. Vor allen Dingen haben wir ein historisch tiefes Zinsniveau. Zu meinen Lebzeiten werden die folgenden makroökonomischen Bedingungen nicht

mehr zusammenkommen: niedriger Zins, künstlich niedriger Außenwert des Euro, Babyboomer alle noch voll im Erwerbsleben und günstige Rohstoffpreise. Diese makroökonomischen Faktoren werden – allein aufgrund des demografischen Wandels – nicht mehr in dieser Weise zusammenkommen.

Trotzdem machen Sie noch 1,6 Milliarden € neue Schulden.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Ja, viel zu wenig bei genau den Rahmenbedingungen!)

Dann kommt noch die versteckte Kreditaufnahme dazu: Das bringt 300 Millionen € in die Landeskasse, die Sie weniger für den BLB ausgeben müssen. Die versteckte Kreditaufnahme durch die NRW.BANK bringt 500 Millionen € an Entlastung für den Landeshaushalt. Und die geschröpften Zuführungen für die Pensionsvorsorge machen 600 Millionen € aus. Da hinten sitzt Frau Dr. Mandt vom Landesrechnungshof, die das kritisiert hat. Insgesamt ist das Defizit Ihrer Politik also eigentlich um 1,4 Milliarden € höher, als Sie angeben. Das zeigt das Risiko auf.

Jetzt deutet sich eine Zinswende in den Vereinigten Staaten an. Sie wird zu uns kommen. Das DIW sagt: Die prosperierend steigenden Staatseinnahmen sind kein Naturgesetz, das ist keine Garantie auf Dauer.

Und trotz dieses einmaligen Umfeldes gelingt es Ihnen nicht, auf Neuverschuldung zu verzichten. Vielmehr müssen Sie auch noch Bilanzkosmetik machen. Das zeigt eines: Nicht in schlechten Zeiten ruiniert man den Haushalt, sondern in den guten, in den Boomzeiten ruiniert man ihn, weil nicht hinreichend Vorsorge getroffen wird. Für diese politische Weisheit sind Sie das Schulbeispiel!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir brauchen jetzt einen Politikwechsel. Die notorische Wachstumsschwäche des Landes muss angegangen werden. Es müssen bürokratische Bremsen gelöst werden. Der Staat muss sich auf seine Kernaufgaben konzentrieren und, was diese betrifft, handlungsfähig gemacht werden. Vor allen Dingen muss diesem Land wieder Lust auf Leistung und Innovation gemacht werden. Dann hat es eine Zukunft.

Seit der ersten Lesung des Haushalts ist Ihre Bilanz nicht besser geworden – im Gegenteil! Zahlreiche Analysen und Studien haben unsere Sorgen und Bedenken, dass Nordrhein-Westfalen unter rot-grüner Verantwortung abgehängt ist, bestätigt. In einer Vergleichsstudie des „FOCUS“ liegen die nordrheinwestfälischen Städte ganz hinten; denn das Insolvenzrisiko ist insbesondere hier an Rhein und Ruhr am höchsten.