Vielen Dank, Herr Kollege Laschet. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Kollege Laschet hat – das hat er auch bemerkt – seine Redezeit um 4 Minuten und 14 Sekunden überzogen. Das bekommen natürlich auch alle anderen Fraktionen entsprechend an Redezeit dazu; sonst wäre es eine Ungleichbehandlung. – Für die SPDFraktion hat Herr Kollege Römer das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Laschet, bevor ich Ihnen antworte, möchte ich Ihnen am Ende dieser Legislaturperiode durchaus meinen Respekt aussprechen, und zwar für Ihre Haltung in der Flüchtlings- und Integrationspolitik. Sie haben das zwar gerade in Ihrer Rede schamhaft verschwiegen, aber ich will das noch einmal herausstellen. Sie waren ja von Anfang an der festen Überzeugung, dass die Öffnung der Grenzen für Menschen, die vor Krieg, Terror und Verfolgung fliehen mussten, eine richtige Entscheidung war. Das eint uns, Herr Kollege Laschet.
Nicht alle Menschen werden bleiben können – das ist richtig –, aber diejenigen, die eine Bleibeperspektive haben, verdienen jetzt eine Chance auf Integration. Sie, Herr Kollege Laschet, werden nicht müde, dies zu betonen, und auch zu betonen, dass der Islam zu Nordrhein-Westfalen gehört. Religion allein ist kein Integrationshindernis – das ist auch meine Überzeugung, ebenso wie die Ihre.
Gleichwohl: Angesichts schmerzhafter Wahlniederlagen für unsere Parteien war die Versuchung groß, sich von der Politik der Bundesregierung zu distanzieren. Sie, Herr Kollege Laschet – ich will das ausdrücklich herausstellen –, haben dieser Versuchung widerstanden, andere allerdings nicht. Andere rückten die Bundeskanzlerin in die Nähe des DDRRegimes, als sie ihre Flüchtlingspolitik eine „Herrschaft des Unrechts“ nannten. Wieder andere warfen ihr im schlimmsten Nazi-Jargon eine Umvolkung Deutschlands vor oder stellten flüchtende Menschen unter generellen Terrorverdacht, weil für sie die Unschuldsvermutung nicht gelten dürfe.
Das alles haben Sie nicht getan, Herr Laschet. Sie haben die Politik der Bundesregierung verteidigt. Ich weiß, das war nicht immer einfach, und es ist aller Ehren wert. Deshalb stelle ich das ausdrücklich heraus.
Jetzt allerdings versuchen Sie, diesen unangenehmen Konflikten dadurch zu entkommen, dass Sie bei jeder unpassenden Gelegenheit behaupten, es sei diese Landesregierung, auch die Ministerpräsidentin, die den Populismus fördere. Wissen Sie, wie sich das anhört, wenn Sie mit gespielter Empörung diesen abwegigen Vorwurf vortragen? – Verunsichert und hilflos – verunsichert und hilflos, Herr Kollege Laschet.
Sie, Herr Kollege Laschet, sind ein Anhänger der doppelten Staatsbürgerschaft, genauso wie ich. Nur, Ihre Partei ist vor einer Woche zu den Gegnern übergelaufen. Jetzt müssen Sie aber Farbe bekennen, Herr Kollege Laschet. Wer Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen werden will, darf doch in dieser wichtigen Frage nicht lavieren. Ducken Sie sich nicht weg!
Stehen Sie zu Ihrer Überzeugung! Zeigen Sie, ob Sie Führungsstärke haben! Ja oder nein, Herr Kollege Laschet!
Es ist doch ganz offensichtlich: Die Zwischenrufe beweisen das. Die Kluft zwischen Ihnen und der Mehrheit der NRW-CDU wird immer größer. Deshalb stehen Sie doch so unter Druck; deshalb ist Ihre Polemik so zügellos.
Bei keinem anderen Thema – ich will das noch einmal aufnehmen – haben Sie sich so sehr verrannt wie bei der inneren Sicherheit. Besonders abstoßend war ein Satz; den haben Sie zwar vorhin in Ihrer Rede nicht gesagt, Sie haben ihn aber öffentlich immer wieder wiederholt. Besonders abstoßend war der Satz: Die bayerische Polizei hätte die sexuellen Übergriffe der Silvesternacht nicht geduldet.
Das können Sie, Herr Kollege Laschet, selbstverständlich gar nicht wissen. Die bayerische Polizei ist froh, dass sie das gar nicht hat herausfinden müssen. Sie wollen uns – das ist uns doch klar – mit einem solchen Satz treffen. Aber merken Sie denn gar nicht, dass die Flugbahn Ihrer Vorwürfe mitten durch die Berufsehre der Polizei verläuft? Die Polizei in Nordrhein-Westfalen ist nicht schlechter als die Polizei in Bayern – sie ist mindestens genauso gut.
Sie hat aus den Vorfällen der Silvesternacht gelernt. Die Polizei in Nordrhein-Westfalen verdient unser Vertrauen, auch das Vertrauen dieses Hauses, meine Damen und Herren!
Im Übrigen: Die Polizei dieses Landes ist keine SPDPolizei, sie ist auch keine rot-grüne Polizei, sondern sie ist die Polizei Nordrhein-Westfalens. Herr Kollege Laschet, damit ist sie auch Ihre Polizei! Und unsere Polizei kann auf große Erfolge verweisen bei der Verhinderung von Terroranschlägen, bei der Bekämpfung von Jugend- und Gewaltkriminalität und nicht
zuletzt bei der Eindämmung von Gewalt und Diebstahl in Kriminalitätsbrennpunkten, wie zum Beispiel in Duisburg-Marxloh, und auch bei der Verhinderung von Wohnungseinbrüchen. So groß das Problem nach wie vor ist – das verschweigen wir doch gar nicht –, gibt es dennoch Erfolge.
Wir haben, Herr Kollege Laschet, in den vergangenen Jahren die Haushaltsmittel für die innere Sicherheit drastisch erhöht. Wir investieren massiv in die Ausstattung der Polizei und Justiz. Gut 30 Milliarden € sind zwischen 2010 und heute in Personal und Material für Sicherheit und Ordnung geflossen. Das ist fast doppelt so viel wie zur Regierungszeit von CDU und FDP, fast doppelt so viel!
Herr Kollege Laschet, daran will ich Sie erinnern: Sie saßen damals mit am Regierungstisch in der Regierung Rüttgers. Auch Sie haben zu verantworten, dass da jahrelang zu wenig Nachwuchs bei der Polizei eingestellt worden ist – zu wenig Nachwuchs, Herr Kollege Laschet!
Wir hingegen stellen so viele Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter ein wie nie zuvor – 2.000 jedes Jahr. Das, Herr Kollege Laschet, gehört zu den Kernaufgaben unseres Landes.
Der springende Punkt ist, dass die Opposition – vor allen Dingen die CDU – überhaupt nicht erklären kann, was sie denn anders oder besser machen würde. Fast alles, was Sie fordern, ist in NordrheinWestfalen doch schon längst Praxis; von der Videoüberwachung über den Einsatz intelligenter Software bis hin zu beschleunigten Gerichtsprozessen.
Herr Kollege Laschet – weil Sie es gerade noch mal herausgestellt haben: Gewiss kann man über den Nutzen der Schleierfahndung streiten, aber rechtfertigt das Ihren Auftritt hier? – Nein! Herr Kollege Laschet, Ihre Stimme ist laut, Ihre Wortwahl ist dramatisch, Ihre Vorwürfe sind maßlos, nur – und auch das ist gerade wieder deutlich geworden – Ihre Alternativen sind blass und begrenzt.
Das alles gilt auch für Ihre Wirtschafts- und Finanzpolitik. Mit jeder Rede, die Sie halten, wird Ihre düstere NRW-Erzählung noch eine Spur schauriger. Das Land stehe vor dem Untergang, und Hoffnung gebe es nur, weil die NRW-CDU fest entschlossen sei, das Tariftreue- und Vergabegesetz abzuschaffen und selbstverständlich auch den Blitzmarathon – Hoffnung für die Menschen.
Herr Kollege Laschet, wenn das die Geschichte ist, die Sie den Menschen im Wahlkampf erzählen wollen, dann sollten Sie stets auch betonen, dass Sie Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen werden wollen und nicht etwa von Molwanien.
Dann könnten Sie Missverständnisse vermeiden, Herr Kollege Laschet. Weil ich da gerade verständnislose Gesichter sehe: Sie können gerne googeln, was „Molwanien“ ist, damit der Herr Kollege Laschet diese Missverständnisse nicht mehr produziert.
Aber bleiben wir ernst. Es ist wahr, Herr Kollege Laschet – und da sind wir uns doch einig –, dass man Menschen nicht ernst nimmt, wenn man ihre Probleme leugnet. Wenn man jedoch das Land, in dem diese Menschen leben, wider besseres Wissen klein- und schlechtredet,
Ich rede gerne über die Fakten und nenne sie jetzt mal. Während unserer Regierungszeit sind in Nordrhein-Westfalen 650.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze neu entstanden. Wir haben die Arbeitslosenquote auf den niedrigsten Stand seit 1993 gedrückt. Die Jugendarbeitslosigkeit in NordrheinWestfalen ist heute auf einem historischen Tiefststand und die Beschäftigung insgesamt auf einem historischen Höchststand. Heute haben mehr als 6,5 Millionen Menschen in Nordrhein-Westfalen einen regulären Job – so viele wie nie zuvor.
Herr Kollege Laschet, Nordrhein Westfalen erhält mehr ausländische Direktinvestitionen als Bayern und Baden-Württemberg zusammen.
In keinem anderen Flächenland ist der Breitbandausbau so weit fortgeschritten wie in Nordrhein Westfalen.
Schon zum zweiten Mal in Folge hat die britische „Financial Times“ Nordrhein-Westfalen zu Europas Zukunftsregion Nummer eins gekürt. NRW punktet mit seinem innovativen Mittelstand und seiner starken Industrie. Hier gibt es die dichteste Hochschullandschaft Europas, ein duales Ausbildungssystem von Weltruf und mehr hochqualifizierte Fachkräfte als irgendwo sonst in Europa.
Das sind die Fakten, und die sind auch unwidersprochen. Nordrhein-Westfalen ist heute in einer besseren wirtschaftlichen Verfassung als am Ende der schwarz-gelben Regierungszeit, meine Damen und Herren!
Herr Kollege Laschet, nur weil Sie schwarzmalen, fange ich nicht an, alles rosarot zu malen. NordrheinWestfalen ist ein Land großer ökonomischer und sozialer Unterschiede. Wir haben das immer wieder gesagt, und wir wissen es, da wir mitten in diesem Land leben. Boom-Regionen mit Vollbeschäftigung grenzen an strukturschwache Regionen, die gegen Langzeitarbeitslosigkeit und soziale Ungleichheit zu kämpfen haben. Aussprechen, was ist, aber sich nicht mit den Dingen abfinden, so wie sie sind – das ist seit 153 Jahren die Politik meiner Partei.