Protocol of the Session on December 1, 2016

Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat ihre Redezeit um 57 Sekunden überzogen. Allerdings haben das die meisten Redner auch schon vorher getan. Noch nicht getan hat das die FDP. Deshalb hat Herr Kollege Dr. Stamp noch die Möglichkeit, sich zu Wort zu melden. Diese Möglichkeit hat er genutzt. Deshalb bekommt er jetzt auch das Wort.

Herr Präsident! Ja, Herr Minister, 2014 war „Wegweiser“ eine Schimäre. Wir waren diejenigen, die 2014 dieses Thema hier im Hause schon angesprochen haben und Verbote gefordert haben.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Da sind wir von Ihnen, unter anderem von Herrn Körfges, in die Nähe des Rechtspopulismus gerückt worden. Das ist doch die Wahrheit.

(Beifall von der FDP)

Was war das denn damals mit „Wegweiser“? Da war von Riesenprävention die Rede. Da gab es gerade einmal ein, zwei Programme, die angeblich bereits liefen. Nachher stellten wir fest, dass überhaupt niemand zu erreichen war, wenn man dort anrief. So war das damals.

Wir haben immer gesagt: Vom Prinzip her ist „Wegweiser“ richtig. – Wir haben nur gesagt: Der Aufbau ist zu langsam, und die Personalausstattung ist einfach zu gering.

(Beifall von der FDP)

Es mussten erst die Dinge im Zusammenhang mit dem Sikh-Tempel in Essen passieren, bis hier der tatsächliche Aufwuchs passiert ist.

Frau Schäffer, Sie haben völlig recht; es ist gut, dass jetzt richtig Personal eingestellt wird. Aber das hätten wir auch schon vor zwei Jahren haben können. Dann wäre vielleicht manches hier unterbunden gewesen.

(Beifall von der FDP – Zuruf von Verena Schäffer [GRÜNE])

Insofern machen Sie, Herr Minister, sich das hier zu einfach.

Ich sage Ihnen auch Folgendes: Es war Ihr Kollege Pistorius in Niedersachsen,

(Zurufe von Hans-Willi Körfges [SPD] und Nadja Lüders [SPD])

der öffentlich das Verbot von „Lies!“ und die Unterbindung der Stände gefordert hat. Erst zu diesem Zeitpunkt haben wir, weil wir ja auch wussten, was los ist, unseren Antrag scharfgestellt. Wir haben uns die ganze Zeit hier kooperativ verhalten. Insofern finde ich diesen arroganten Kommentar hier wirklich absolut daneben, Herr Minister.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Stamp. – Herr Herrmann hat sich noch einmal gemeldet. Er hat noch ein paar Sekunden Redezeit. Bitte, Herr Kollege.

Danke, Herr Präsident. – Ich möchte gar nicht, dass es hier laut wird. Wir brauchen uns auch nicht aufzuregen. Aber wenn wir schon bei den alten Zeiten sind, dann sollten wir vielleicht erwähnen, dass auch „Lies!“ und andere schon im Verfassungsschutzbericht 2014 standen.

(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD] und Nadja Lüders [SPD])

Das ist das eine.

Das andere ist: Als wir Piraten von „Wegweiser“ erfahren haben, haben wir gesagt: Hey, da gibt es auch noch andere, HAYAT zum Beispiel, die schon seit mehr als zehn Jahren, also dreimal so lange wie „Wegweiser“, Präventionsprogramme machen, Deradikalisierungs- und Ausstiegsprogramme. Die – das muss an der Stelle auch noch einmal gesagt werden – bräuchten unsere Unterstützung auf jeden Fall. Und „Wegweiser“ gehört weg vom Verfassungsschutz. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Danke, Herr Kollege Herrmann. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Erstens stimmen wir über den vorliegenden Antrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 16/13540 – Neudruck – ab. Die antragstellenden Fraktionen haben direkte Abstimmung beantragt, zu der wir auch kommen. Wer für den Antrag von CDU und FDP ist, den darf ich um das Handzeichen bitten. – Das sind CDU, FDP und der fraktionslose Kollege Schulz. Wer stimmt gegen den Antrag? – Das sind SPD, Bündnis 90/Die Grünen, die Piratenfraktion und der fraktionslose Kollege Stüttgen. Gibt es Enthaltungen? – Das ist erkennbar nicht der Fall. Damit stelle ich fest, dass der Antrag Drucksache 16/13540 – Neudruck – abgelehnt ist.

Zweitens stimmen wir über den Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/13633 ab. Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das sind die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen sowie der fraktionslose Abgeordnete Stüttgen. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Fraktionen von CDU und FDP sowie die Piratenfraktion. Wer enthält sich der Stimme? – Das ist der fraktionslose Kollege Schulz. Damit ist der Entschließungsantrag Drucksache 16/13633 angenommen.

Drittens stimmen wir über den Entschließungsantrag der Piratenfraktion Drucksache 16/13642 ab. Wer ist für den Antrag der Piratenfraktion? – Die Piratenfraktion. Wer stimmt dagegen? – Es gibt eine gewisse Unbestimmtheit bei der SPD-Fraktion.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Wir sind dagegen!)

Dann darf ich noch einmal fragen: Wer stimmt dagegen? – SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP sowie der fraktionslose Kollege Stüttgen. Wer enthält sich der Stimme? – Der fraktionslose Kollege Schulz. Damit ist der Entschließungsantrag Drucksache 16/13642 abgelehnt.

Ich rufe auf:

8 Ehrliche und offene Evaluation kriminalpoliti

scher Maßnahmen ermöglichen – Kriminalitätsstatistiken reformieren

Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/13524

Ich eröffne die Aussprache und schließe sie sofort wieder; denn alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen haben sich zwischenzeitlich darauf verständigt, den Antrag Drucksache 16/13524 an den Rechtsausschuss – federführend – sowie an den Innenausschuss zu überweisen. Die abschließende Aussprache und Abstimmung soll nach Vorlage der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses erfolgen. Wer ist für diese Überweisungsempfehlung? – Ist jemand dagegen? – Enthaltungen? – Das ist jeweils nicht der Fall. Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

9 Erinnerungskultur würdigen – NS-Gedenk

stätten und -Erinnerungsorte in NRW sind herausragende Partner der historisch-politischen Bildungsarbeit

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/13537

Entschließungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache16/13641

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die erste der beiden antragstellenden Fraktionen, die Fraktion der SPD, Frau Kollegin Müller-Witt das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten.“ Treffender als mit diesem Zitat von August Bebel kann man die Aufgabe der NSGedenk- und -Dokumentationsstätten im Sinne von politischer Bildung nicht beschreiben. Sie ist aktueller denn je.

Dank vieler ehrenamtlich engagierter Menschen dokumentieren heute zahlreiche Orte die Verbrechen der NS-Zeit. Dieses bürgerschaftliche Engagement hat dazu beigetragen, dass die Orte identifiziert und erhalten geblieben sind und nicht dem Vergessen überlassen wurden.

NRW zeichnet sich im Vergleich zu anderen Bundesländern durch eine dezentrale erinnerungskulturelle

Landschaft aus und ermöglicht daher in der Fläche, die Erinnerungskultur zum unverzichtbaren Teil der politischen Bildung zu machen.

Durch den Zusammenschluss von derzeit 26 Gedenkorten zu einem landesweiten Arbeitskreis werden die Aktivitäten koordiniert und die Öffentlichkeitsarbeit verstärkt.

Mit der Zeit versterben auch die letzten Zeitzeugen der NS-Verbrechen, die den nachfolgenden Generationen aus eigenem Erleben berichten konnten. Damit stellt sich verstärkt die Frage, wie die Geschichte der nationalsozialistischen Verbrechen künftig vermittelt werden soll. Diese Frage berührt auch das Selbstverständnis von Gedenkstätten.

Die kürzlich umgestaltete Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf ist hier ein herausragendes Beispiel. Sie zeigt nun in beeindruckender Weise, wie mithilfe moderner Medien Berichte von Zeitzeugen aus verschiedenen Lebenswelten jederzeit abrufbar sind. Dabei wirft sie die Frage auf, wie sich die heute Lebenden verhalten hätten. Denn mit jeder neuen Generation wächst der Abstand zum Geschehenen. Andererseits besteht die Notwendigkeit, im Sinne Bebels aus der Kenntnis der Vergangenheit die Gegenwart zu verstehen. Das ist eine Herausforderung, die angesichts des wieder wachsenden Antisemitismus, Rassismus und Rechtspopulismus nicht zu leugnen ist.

Beim Besuch der Dokumentationsstätte Burg Vogelsang konnten sich Vertreter des Hauptausschusses im Gespräch mit Schülerinnen und Schülern ein Bild davon machen, wie sich die Schüler angesichts des gegenwärtigen Zuspruchs für rechtspopulistisches Gedankengut vor dem Hintergrund des dokumentierten Geschehens mit Fragen wie Ausgrenzung und Rassismus befassten.

Ein weiterer Aspekt muss noch berücksichtigt werden: Wie kann Erinnerungskultur der Tatsache gerecht werden, dass wir eine multikulturelle Einwanderungsgesellschaft sind? Auch hier sind die Gedenkorte gefordert, einen Beitrag zu leisten.

In NRW werden diese Anforderungen an die Gedenkstätten teilweise schon seit einigen Jahren aufgegriffen. Die Dokumentationen werden auf ihre Zukunftsfestigkeit hin beleuchtet, überarbeitet oder erneuert. Dabei ist eine Abkehr von der reinen Dokumentation hin zu der Anregung zu einer Auseinandersetzung mit dem Geschehenen festzustellen. Die Besucher sind gefordert, sich grundsätzlich mit Rassismus, Antisemitismus und Ausgrenzung auseinanderzusetzen. Damit gehören die Dokumentationsstätten ohne Zweifel zu den Orten der historischen politischen Bildung.

Aber es gibt noch vernachlässigte Aufgabenbereiche. So führten die Gedenkorte für die ermordeten Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter lange Zeit

ein Schattendasein in Deutschland. Dies soll sich jetzt ändern. Deshalb bitten wir die Landesregierung, gemeinsam mit dem Bund eine finanzielle Unterstützung für Stalag 326 in Stukenbrock zu prüfen.