Protocol of the Session on December 1, 2016

„gewaltbereiter Salafismus“ herangehen. Ich glaube, dass das der richtige Ansatz ist.

Auf diesem Ansatz beruht ja auch unsere Überlegung hinsichtlich eines ganzheitlichen Handlungskonzeptes gegen Salafismus. Ich gebe den Piraten recht: Ja, es ist noch nicht da. Auch ich bin häufig ungeduldig, wenn es um solche Dinge geht, aber ich finde es auch richtig, dass ein Handlungskonzept, das ressortübergreifend gelten soll, gut vorbereitet und nicht übers Knie gebrochen wird. Insofern finde ich es richtig, sich dafür Zeit zu nehmen. Ich hoffe, dass wir in den nächsten Wochen und Monaten darüber diskutieren können, denn es ist notwendig, aber meiner Meinung nach ist Nordrhein-Westfalen auf dem richtigen Weg, sowohl was Repression als auch was Prävention angeht. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schäffer. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Kollege Herrmann.

Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer zu Hause! Wir wollen eine lebendige und weltoffene Gesellschaft mit demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen bleiben. Ablehnenden, gemeinschaftsfeindlichen

und vor allem gewaltbereiten Einstellungen von Extremisten und einer Zunahme von Radikalisierung müssen wir entschieden und nachhaltig entgegentreten – als Gesellschaft und, wenn gesetzliche Grenzen überschritten werden, auch durch unsere Sicherheitsbehörden. Nach meiner Wahrnehmung geschieht das auch.

Herr Kollege Hegemann, Sie haben eben uns wieder kritisiert und gesagt, wir wollten „Wegweiser“ weghaben. – Das stimmt nicht! Wenn Sie den Antrag lesen, dann werden Sie feststellen, dass wir es organisatorisch und inhaltlich vom Verfassungsschutz lösen wollen. Das halten wir für wichtig. Sprechen Sie mit den Leuten. Es gibt hohe Hürden, im Falle einer möglichen Radikalisierung über den Verfassungsschutz Hilfe anzufordern. Das ist einfach so. Sprechen Sie mit den Leuten. Dann wissen Sie, dass es da ein Riesenproblem gibt.

Herr Kollege Stamp, ich finde es gut, dass Sie die Urheberschaft für das Verbot etwas relativiert haben. Das liest sich im Antrag etwas anders. Vielen Dank dafür!

Ich gehe davon aus, dass das Verbot einer Überprüfung standhalten wird, und finde es richtig und wichtig, die genauen Gründe für das Verbot neutral und faktenorientiert zu kommunizieren. Denn es ist wichtig, dass gerade, aber nicht nur der muslimische Teil unserer Gesellschaft genau versteht und sieht, was

unseren Rechtsstaat ausmacht und wie wir unser Grundgesetz sowie die darin verbriefte Religionsfreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung schützen.

Das geht aber in Ihrem Antrag, liebe FDP, leider völlig unter. Das ist ein weiterer Kritikpunkt.

Hier ist immer wieder von Salafismusbekämpfung und salafistischen Umtrieben die Rede. Wir haben hier im Landtag in der Anhörung zu unserem Antrag zum ganzheitlichen Handlungskonzept zur Prävention von Radikalisierung von den Sachverständigen deutliche Hinweise bekommen, in der Wortwahl besonders präzise zu sein.

Genau das fehlt bei Ihnen, wenn Sie halt nicht von extremistischem oder gewaltbereitem oder auch verfassungsfeindlichem Salafismus sprechen, sondern quasi den Salafismus insgesamt anprangern. Wenn Sie, Herr Kollege Stamp, dann auch noch im Fernsehen vom „Kampf gegen den Salafismus“ sprechen, dann machen Sie es den Radikalisierern leider besonders leicht, denn ein Videoschnipsel aus dem Zusammenhang gerissen verbreitet sich leider sehr schnell.

Salafismus mag eine sehr konservative und rückwärts gewandte Ausprägung des Islam sein. Aber das gehört zur Religionsfreiheit dazu. Wer hier von Bekämpfen spricht, der liefert den Menschenfängern die Argumente frei Haus, und das darf nicht passieren.

(Dr. Stefan Berger [CDU]: Völliger Blödsinn!)

Meine Damen und Herren, mit den 99,9 % der Muslime, die hier in Deutschland friedlich leben und arbeiten, müssen wir sprechen. Sie müssen wir stärken, damit sie den Menschenfängern eben nicht ausgeliefert sind. Das bedeutet sehr viel mehr als Präventionsprogramme. Hier geht es um gesellschaftliches Miteinander. Hier brauchen wir Normalisierung und keine Dramatisierung, liebe Kollegen.

Für die wenigen Hundert Problemfälle brauchen wir gezielte Programme. Dazu erwarten wir endlich das Handlungskonzept der Landesregierung, welches – daran möchte ich noch einmal erinnern – im März 2015 in Auftrag gegeben wurde.

Liebe Kollegin Schäffer, es ist ja toll, wenn etwas wirklich lange Zeit braucht. Wir sind aber mit so vielen Dingen immer viel schneller. Ich möchte jetzt gar nicht mit den ganzen Maschinengewehren und solchen Sachen anfangen, die halt ganz schnell in den Polizeiwagen landen. Ich finde, fast zwei Jahre für ein Konzept, das ist ein bisschen zu lange. Hier muss bald etwas passieren.

Insofern sehe ich in beiden Anträgen, sowohl in dem von CDU und FDP als auch in dem von SPD und Grünen, nichts, was uns weiterbringt, und empfehle meiner Fraktion, beide abzulehnen. Ich empfehle

Ihnen natürlich, unseren Antrag anzunehmen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Danke, Herr Kollege Herrmann. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Jäger das Wort.

Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Verbot der Organisation „Die wahre Religion“ und der damit verbundenen Kampagne „Lies!“ ist ein großer Erfolg. „Lies!“ hat allein im letzten Jahr über 300 Verteilaktionen in Nordrhein-Westfalen durchgeführt, also nahezu jeden Tag eine. Damit ist die logistische Basis für eine zumindest so großflächige Verteilung entzogen.

Aber ich darf auf eines aufmerksam machen: Diese Organisation konnte nicht deshalb verboten werden, weil sie Korane verteilt hat, sondern weil wir nachweisen konnten, dass sie junge Menschen zur Ausreise in den Dschihad aufgefordert, motiviert hat, dass sie gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung und gegen den Gedanken der Völkerverständigung gearbeitet hat.

Ich finde, dieses Verbot ist ein Lehrstück dafür, dass unser Rechtsstaat gegenüber salafistischen Extremisten wehrhaft ist und gut aufgestellt ist. Das Verbot und die bundesweite Umsetzung des Verbots sind zugleich ein Lehrstück dafür, wie gut die Länder und der Bund in dieser Frage zusammenarbeiten, wie zielführend die Sicherheitsbehörden zusammenarbeiten, um eine solche verfassungsfeindliche Organisation verbieten zu können. Diese Organisation hat – das ist unstreitig – unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit, unter dem Deckmantel der Koranverteilung junge Menschen in unserem Land radikalisiert, zu Hass und zu Gewalt angestachelt.

Meine Damen und Herren, das Vereinsverbot ist in unserem Rechtsstaat ein scharfes Schwert. Organisationen und Vereine lassen sich aus gutem Grund nicht kurzerhand deshalb verbieten, weil sie uns nicht in den Kram passen. Ein Verbot muss vor Gericht bestehen. Das bedarf einer monatelangen Vorbereitung, in denen Beweise dafür gesammelt werden müssen, dass eben die verfassungsmäßige Ordnung oder der Gedanke der Völkerverständigung hier attackiert werden.

An diesem Verbot haben seit dem Sommer 2015 viele gearbeitet. Dabei sind unzählige Arbeitsstunden und Überstunden bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verfassungsschutzbehörden und bei der Polizei entstanden. Mit viel Ausdauer und viel Akribie ist im Stillen das ausgewertet und zusammengestellt worden, was dieses Verbot überhaupt erst möglich

macht. Dazu hat Nordrhein-Westfalen einen maßgeblichen Beitrag geleistet.

An dieser Stelle möchte ich wirklich, dass wir uns einmal bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Verfassungsschutzes und der Polizei bedanken. Mit solcher Intensität ein solches Thema zu bearbeiten und dann erfolgreich zu sein, ist nicht immer selbstverständlich.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Auch die Umsetzung des Verbots verlief länderübergreifend sehr geplant, sehr koordiniert. An dem damaligen frühen Novembermorgen erfolgten zeitgleich in zehn Bundesländern über 190 Durchsuchungen und Beschlagnahmen. Auch hier bildete Nordrhein-Westfalen den Schwerpunkt. Das Verbotsverfahren wurde von unserem Landeskriminalamt koordiniert, der Polizeieinsatz vom Polizeipräsidium Köln geleitet.

Ich will noch einmal deutlich sagen: Es handelt sich nicht um einen politischen Erfolg irgendeiner Partei, sondern es ist der beste Beweis dafür, dass unsere Behörden einen guten Job machen und dass unser Rechtsstaat funktioniert.

Meine Damen und Herren, bei diesen Verboten wie auch bei früheren Verboten, die wir in NordrheinWestfalen durchgeführt haben, gilt: Man sollte über Verbote nicht reden, man sollte sie machen.

(Beifall von der SPD)

Nun zu Ihrem Antrag, meine Damen und Herren. Mit der Verbotsverfügung geht immer auch die Prüfung möglicher Nachfolge- und Ersatzorganisationen einher. Dies gehört zu den gesetzlichen Aufgaben unserer Sicherheitsbehörden. Das ist Vollzugsalltag.

Zur Auslegung der Verbotsverfügung des Bundesinnenministers und deren Auswirkungen auf die Anträge für Informationsstände und Verteilaktionen haben wir den Kommunen per Erlass Hilfestellung gegeben. Sie können dadurch beurteilen und erkennen, welche Betätigungen von dem Verbot erfasst sind und welche nicht.

Was die angesprochenen Moscheevereine angeht, meine Damen und Herren, so gehört zu den gesetzlichen Aufgaben der Sicherheitsbehörden übrigens auch, Moscheevereine mit Bezug zum salafistischen Extremismus daraufhin zu überprüfen, ob sich eine dschihadistische, also aggressiv-kämpferische Ausrichtung abzeichnet.

Letztendlich verlangt der Antrag, dass die Behörden dazu aufgefordert werden, das zu tun, was ihre gesetzliche Verpflichtung ist. Ich hoffe, dass wir hier demnächst nicht darüber diskutieren, dass die Feuerwehr Brände zu löschen hat oder dass Lehrerinnen und Lehrer Schüler zu unterrichten haben. Das ist für

die Sicherheitsbehörden eine Selbstverständlichkeit, meine Damen und Herren.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Was den „Wegweiser“ angeht, Herr Stamp, so haben mir meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein wörtliches Zitat von Ihnen aus dem September 2014 herausgesucht, Plenarprotokoll 16/67 vom

12.09.2014. Wörtlich, Herr Stamp, zu „Wegweiser“:

„… eine Chimäre, im Grunde ein schlechter Witz, über den nur die Salafisten lachen können.“

Das, was ich jetzt sage, ist wirklich ernst gemeint: Ich bin froh, dass wir Sie inzwischen vom Gegenteil überzeugen konnten, dass „Wegweiser“ wirklich wichtig ist als ein Baustein zur Bekämpfung des salafistischen Extremismus.

Der umfangreiche Ausbau von „Wegweiser“, die Verstärkung von „Wegweiser“, die hier gefordert werden, ist längst beschlossene Sache. Wir haben vor zwei Jahren mit drei Standorten angefangen. Zum Jahreswechsel werden wir 13 Standorte haben.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Mit wie vielen Stellen?)

Um in ganz Nordrhein-Westfalen die Salafismusprävention flächendeckend zu verankern, sind insgesamt 25 Standorte plus sechs mobile „Wegweiser“Beratungsteams beschlossen – auch eine Erhöhung der Personalmittel und der Sachkostenpauschale.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Irgendwie Voll- zeit oder immer noch Teilzeit?)

Meine Kollegin Schäffer hat darauf hingewiesen. Man kann diesen Antrag zusammenfassen. Vielen Dank, Herr Stamp. Aber wir machen es bereits. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat ihre Redezeit um 57 Sekunden überzogen. Allerdings haben das die meisten Redner auch schon vorher getan. Noch nicht getan hat das die FDP. Deshalb hat Herr Kollege Dr. Stamp noch die Möglichkeit, sich zu Wort zu melden. Diese Möglichkeit hat er genutzt. Deshalb bekommt er jetzt auch das Wort.