Protocol of the Session on November 10, 2016

Vielen Dank, Herr Kollege Ott. – Wenn ich jetzt als nächsten Redner den Kollege Bayer für die Piratenfraktion aufrufe, dann wird Sie das wundern. Aber Herr Kollege Rasche, der jetzt eigentlich nach der Redenreihenfolge für die FDP-Fraktion an der Reihe wäre, steht aufgrund der Verkehrssituation noch nicht als Redner zur Verfügung.

(Heiterkeit und Beifall)

Ich kann Ihnen allerdings nicht sagen, ob er mit dem Auto oder mit der Bahn unterwegs ist. Das sollten wir ihn gleich fragen.

Um in Wort und Widerwort zu bleiben, hat für die Piratenfraktion jetzt Herr Kollege Bayer das Wort.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrter

Herr Rasche am Stream! Ich nehme an, das ist bereits Bestandteil Ihrer Rede. Liebe SPD, liebe Grüne, liebe Landesregierung, die CDU hat natürlich recht. Sie können doch nicht einfach überall Stau machen.

(Beifall von der CDU)

Also echt! Und dann so plötzlich in dieser Schicksalswoche! Warum bauen Sie denn keine neuen Straßen, wie in den letzten Jahrzehnten, sondern erfinden diese neuartige deutsche Autobahn mit Schranke? Genauso gut könnten Sie freies WLAN mit Abmahnfallen, Radwege mit Kopfsteinpflaster oder einen ÖPNV mit Tarifhürden erfinden. Das ist alles sinnfrei, allerdings alles auch Ergebnis Ihrer Politik.

Während allerdings Ihre holprigen Radwege eigentlich nicht dazu da sind, Leute vom Radfahren abzuhalten, und die komplizierten Tarifhürden offiziell auch nicht dazu da sind, Menschen vom Busfahren abzuhalten, so sieht es mit der Sperranlage natürlich schon anders aus. Sie versuchen nicht, auf diese Weise Geld zu sparen und dadurch entstehen die Hürden, sondern Sie geben sogar 4,5 Millionen € dafür aus, dass die Hürde da ist. Würde kein einziger Lkw dadurch gestoppt und würde man die Schranke gar nicht bemerken, wäre das Geld ja schlecht angelegt. Ob 1.285 € pro gestopptem Lkw nun wirklich gut angelegt sind, ist eine andere Frage.

Am allgemeinen Stauchaos allerdings ist die Sperranlage nicht schuld. Schuld sind die Jahrzehnte, in denen CDU, SPD, FDP und Grüne ein System der Infrastruktur aufgebaut haben, das nur zu diesem einen Ergebnis führen konnte. Instandhaltung war nie ein Thema und ist es bis heute eigentlich auch nicht. Eine Verkehrspolitik der Verkehrsvermeidung und eine ausreichende Verfügbarkeit von Wahlalternativen für Güter und Pendelnde gibt es nicht. Die Politik der 50er- bis 70er-Jahre, die überhaupt erst zu dieser Sperranlage geführt hat, wird im Verkehrsbereich bis heute weitergeführt.

Deshalb ist es auch ein Irrglaube, dass der als gegeben vorausgesetzte achtstreifige Ausbau der A1 oder ein zweiter Kölner Ring oder sonst irgendein Ausbau die Stauprobleme lösen könnten. Dem ist nicht so. Sie räumen damit den Staus der nächsten Jahrzehnte lediglich mehr Fläche ein.

Die Infrastruktur für die kommenden Jahrzehnte aber muss zum Verkehr der kommenden Jahrzehnte passen und nicht zur Verkehrspolitik des letzten Jahrtausends. Die nächsten Brücken sollen mindestens hundert Jahre halten und nicht nur 50 Jahre. Wissen Sie denn, wie die Mobilität in hundert Jahren aussieht?

Wohin die Reise gehen muss, ist allerdings klar. Die Ziele sind, die Kapazitäten der heutigen Verkehrswege, Wasser, Schiene und Straße, durch neue Technologien besser zu nutzen, und zwar auch auf der A1-Brücke. Darin steckt noch jede Menge Potenzial.

Man kann die Kapazitäten übrigens nicht nur durch Technologien erhöhen, sondern auch durch ein anderes Fahrverhalten. Die linken Spuren könnten besser genutzt werden, wenn die Geschwindigkeitsunterschiede geringer wären, und in Baustellen mit zwei verengten Spuren müsste ein Überholverbot gelten, damit auf beiden Spuren versetzt gefahren werden kann. Das würde den Verkehrsfluss deutlich erhöhen. Bei der Auslastung der Sitzplatzkapazitäten der Pkw – diese beträgt derzeit 20 % – ist auch noch eine Menge Luft nach oben.

Des Weiteren müssen wir die reinen Pendlerverkehre von der Straße und natürlich auch von der Brücke holten. Der Antrag spricht selbst von 10.000 Arbeitern, die allein morgens zum anliegenden Gewerbegebiet fahren, und zwar über die Brücke. Das allein wären – die anderen Pendlerinnen und Pendler nicht mitgerechnet – 20.000 Fahrzeuge pro Tag und damit die Hälfte der ursprünglichen Brückenkapazität. Mit den 4,5 Millionen €, die die Sperranlage gekostet hat, könnte man jetzt locker im ÖPNV die Linie 12 nach Merkenich verstärken und attraktive Busverkehre anbieten, damit die 10.000 Arbeitenden mit Freude auf den Stau verzichten.

(Beifall von den PIRATEN)

450 € ständen für jeden von ihnen zur Verfügung. Das würde die Brücke viel mehr entlasten als die Sperranlage. – Wir Piraten haben bereits im Januar 2013 einen Antrag gestellt, wie die Brücke aussehen könnte, um den Pendelnden die Wahl zu lassen und die Autobahn zu entlasten.

Darüber hinaus geht es nicht nur um den Verkehrsfluss auf den Kölner Ringen, sondern es geht auch darum, wie sich NRW bewegt, wie es durch den Verkehr lebt, wie es gedeiht und auch, wie es sich abseits der Verkehrsflächen lebt, zum Beispiel in Leverkusen, das mehr ist als nur ein Ort, an dem drei Autobahnen aufeinandertreffen. Dazu später noch mehr.

Wie erreichen wir denn nun diese Ziele? Ich könnte jetzt wieder in epischer Breite von einem Paradigmenwechsel in der Verkehrspolitik sprechen und am Ende auf „Bus und Bahn fahrscheinfrei“ zu sprechen kommen. Das wäre logisch und sinnvoll. Aber ich möchte mich heute auf drei einfache Punkte beschränken, denen alle sofort zustimmen können.

Erstens: keine Placebos mehr. Entweder Sie machen etwas, oder Sie machen es nicht. Bitte mehr Butter bei die Fische! Einen Ankündigungsminister, der schöne Reden schwingt, aber nur Placebos verteilt und hin und wieder mal an den Bund appelliert, statt durchsetzungsstark zu handeln, brauchen wir nicht. Dann können wir auch die schönen Worte sein lassen.

Zweitens: keine Kirchtürme mehr. Nirgendwo sonst gibt es mehr Kirchtürme als in der Verkehrspolitik. Da

spricht nicht nur die Bürgermeisterin anders als der Landtagsabgeordnete. Die Kirchturmproblematik

schwebt auch hier im Raum. Werfen Sie einmal einen Blick auf die Kleinen Anfragen. Jede vor 40 Jahren angedachte Ortsumgehung scheint heilig, weil sie irgendeine Partei irgendwann einmal versprochen hat. So kommen wir nie auf einen grünen Zweig.

Damit komme ich zu drittens: keine Wunschlisten mehr. Doch auch der aktuelle Bundesverkehrswegeplan ist eine einzige Wunschliste und kein Plan. Solange wir uns aus wilden Wunschlisten per Zufallsverfahren, nämlich wenn plötzlich wieder Geld da ist, Bauprojekte herauspicken, anstatt Verkehrspolitik zu machen, wird sich das Stauproblem nicht lösen lassen.

Das Stauproblem – es ist ein Symptom und ein Indikator für schlechte Verkehrspolitik und Fehlplanung, allerdings nicht erst seit jetzt, sondern schon über Jahre und Jahrzehnte hinweg.

Natürlich lassen sich Symptome behandeln. Baustellen, die mit höherem Aufwand schneller und intelligenter funktionieren, sind da nur ein Baustein. Weitere Bausteine habe ich genannt, und es gibt natürlich noch weitere. Die A1-Brücke ist zwar gut ausgeschildert, aber das Kartenmaterial in Navigationsgeräten kann aktualisiert werden, per TMC kann die Unpassierbarkeit noch viel besser verbreitet werden usw., …

Die Redezeit.

… damit alle, auch die ausländischen Lkw-Fahrer, frühzeitig Bescheid wissen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Bayer. – Jetzt spricht für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Klocke.

Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen von der CDU, eine solche Aktuelle Stunde kann man grundsätzlich beantragen, weil es wirklich ein aktuelles, drängendes Thema ist, das einen tagtäglich in den Medien begleitet, insbesondere in Köln, mit Blick auf Familie, Freunde etc., die dort wohnen. Jochen Ott hat eben erzählt, dass er heute auch so eine Rheinquerung vorzunehmen hatte. Aber man muss, wenn man einen solchen Antrag stellt, schon ein bisschen mehr Tiefenbohrung machen, als Sie das eben getan haben, Herr Voussem.

Man kann natürlich sagen – das ist entsprechend populistisch und wird vielleicht von dem einen oder anderen aufgegriffen –, das sei ein rot-grünes Versagen gewesen.

(Zuruf von Christian Möbius [CDU])

Ich erinnere mich zumindest an zwei Besuche in diesem Brückenkörper mit den Statikern, mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Straßen.NRW. Bei den Gesprächen wurde auch mir – ich bin kein ausgebildeter Architekt oder Straßenplaner – klar, dass es, wenn eine solche Brücke abgängig wird, einen Vorlauf von mindestens zehn bis 15 Jahren hat.

(Zuruf von Karlheinz Busen [FDP])

Dass diese Brücke zur Sanierung ansteht, hätte man auch Ende der 1990er-/Mitte der 2000er-Jahre wissen können. Jetzt müsste man einmal fragen: Warum ist das denn nicht eher erkannt worden? Bei unseren Besuchen dort wurde das mit einem Zahnarztbesuch verglichen. Bis ein Zahn entfernt werden muss, ist die Vorgeschichte relativ lang. Man geht vielleicht nicht zur Kontrolle zum Zahnarzt; man nimmt sozusagen die Signale nicht wahr.

Insofern müsste man parteiübergreifend so zurückhaltend sein, zu sagen: Es trifft Landesregierungen jeglicher Couleur, auch aus den 2000er-Jahren, dass man nicht schneller an diese Brücke herangegangen ist, dass man das nicht auf dem Schirm hatte.

(Zuruf von Karlheinz Busen [FDP])

Zweitens hat mir in Ihrer Rede völlig gefehlt, Herr Voussem, dass es schon eine Kritik an den Lkw-Fahrern und den Spediteuren gegeben hat, die in der Zeit zwischen der ersten Sperrung und heute diese Brücke weiterhin schamlos befahren haben.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wir als Grüne wissen das aus erster Hand, weil unsere grüne Kollegin, Irene Mihalic, bevor sie im Herbst 2013 in den Deutschen Bundestag einzog, anderthalb Jahre auf dieser Brücke tagtäglich als Kontrolleurin eingesetzt war. Sie hat mir im Gespräch berichtet, was dort vor sich gegangen ist, wie schamlos jeden Tag Hunderte von Lkw trotz klarer Beschilderung, trotz klarer Hinweise, trotz Aufnahme in die Navigationssysteme dort herübergebrettert sind.

Zwischen dem dort ursprünglich vorhandenen Brückenschaden und dem, was sich danach ereignet hat, ist noch viel passiert. Wenn man hier eine Aktuelle Stunde zur aktuellen Situation auf dieser Brücke beantragt, muss man als einen Teil der Wahrheit auch berücksichtigen, was in den zwei oder drei Jahren zwischen 2012 und 2015 von Spediteuren sowie Lkw-Fahrerinnen und -Fahrern tagtäglich angerichtet worden ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Aber man kann das natürlich nicht parteipolitisch zuordnen und sagen, das sei Rot-Grün oder der Minister gewesen.

Folgendes finde ich an diesem Antrag wirklich unverantwortlich – liebe Kolleginnen und Kollegen, das kann ich, ehrlich gesagt, auch nicht nachvollziehen –: Wir hatten in der letzten Woche im Verkehrsausschuss eine sehr umfangreiche Präsentation. Über die Maßnahmen bei der A1-Brücke haben wir von Straßen.NRW und vom Ministerium schon zahlreiche Informationen im Ausschuss bekommen. Aber zur Dhünnaue-Sanierung hatten wir in der letzten Woche eine so gute und informative Präsentation von Straßen.NRW und den dort betrauten Technikern, dass ich es wirklich unverantwortlich finde, heute noch diesen Antrag zu dieser Aktuellen Stunde zu stellen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich frage mich wirklich, wie man heute noch den Eindruck erwecken kann, dass hier nicht nachsichtig und mit ganz viel Sorgfalt geplant wird.

Es ist wahrscheinlich die belastetste und gefährlichste Sondermülldeponie Deutschlands. Aus grüner Perspektive war das für uns ein Gründungsthema. In Leverkusen haben die dortigen Grünen als Erste in Deutschland mit Klaus Wolf auch einen Bürgermeister gestellt, der dort diese Bürgerinitiative vorangetrieben hat. Wir wissen ganz genau, was in den 60er-, 70er- und 80er-Jahren hier an Schindluder getrieben worden ist.

Natürlich ist die Öffnung dieser Sondermülldeponie eine „Operation am offenen Herzen“ im Straßenbau. Das ist überhaupt keine Frage.

In der letzten Woche im Ausschuss hatten wir doch alle miteinander den Eindruck – wir sind alle keine Umwelttoxikologen, die jegliche Schichten dort bewerten können –, dass dort von Straßen.NRW und den betrauten Firmen äußerst sorgfältig und höchst gewissenhaft gearbeitet wird. Ich finde, das hätte auch in Ihrer Rede erwähnt werden können, lieber Herr Voussem.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)