Mir stellt sich die Frage: Wie viele Beamte sind davon betroffen und können zurzeit nicht befördert werden, obwohl sie eigentlich hätten befördert werden sollen?
Betroffen sind jeweils die konkreten Stellen, bei denen Verfahren angestrengt worden sind. Es wird natürlich nicht zu einem kompletten Beförderungsabbruch im gesamten Land kommen, sondern es ist immer auf die Einzelfälle vor Ort abzustellen. Eine genaue Zahl kann ich Ihnen aus dem Stegreif nicht sagen.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister Kutschaty, ich fand eine Ausführung von Ihnen ausgesprochen interessant, die Sie zweimal im Rahmen dieser Fragestunde getätigt haben und auf die sich meine nächste Nachfrage bezieht, nämlich Ihre These, es habe ein bisschen mit Scheinrationalität zu tun, wenn man sich so eng an die Beurteilungsverfahren und deren Ausschärfung bis in die letzte Nachkommastelle, wie Sie es dargestellt haben, bei Leistungsbeurteilungen hielte.
Ihnen ist gerade auch als Justizminister bekannt, dass genau das in den letzten Urteilen des Oberverwaltungsgerichts und auch der Verfassungsrechtsprechung ein ganz wichtiges Kriterium bzw. eine ganz wichtige Anforderung an die Leistungsbewertung im öffentlichen Dienst ist, alles Mögliche dafür zu tun, um so präzise, wie es geht, das Leistungsurteil und die daraus resultierenden Beförderungsansprüche abzubilden.
Jetzt macht die Landesregierung genau das Gegenteil und beseitigt diese Ausschärfung. Das, was ein realistisches Bild gibt, nämlich nicht eine Einmalbetrachtung, sondern einen gewissen Zeitraum der beruflichen Entwicklung zugrunde zu legen und in die Leistungsbeurteilung für Beförderungs- oder Positionsvergabeentscheidungen einzubeziehen, wird zukünftig ausdrücklich untersagt.
Deshalb frage ich Sie als Justizminister: Wie kommt es, dass mehrfach einschlägige verfassungsrechtliche und vom OVG getroffene Feststellungen bei diesem Gesetzentwurf der Landesregierung gezielt missachtet worden sind? Wie wollen Sie vor dem Hintergrund davon ausgehen, dass genau das akzeptiert wird, wenn doch bisherige Rechtsprechungen anders aussehen?
Die Gerichte arbeiten nach Recht und Gesetz. Die bisherige gesetzliche Grundlage sah genau diese Ausschärfung bis in die letzte Nachkommastelle vor. Deswegen ist den
Richterinnen und Richtern unter Anwendung des Gesetzes gar nichts anderes möglich gewesen. Mit der neuen gesetzlichen Regelungen wollen wir gerade das verändern, sodass eine Gesamtwürdigung möglich ist.
Vielen Dank, Herr Präsident, für die Gelegenheit zu einer letzten Nachfrage. – Herr Minister Kutschaty, ich fand bei Ihrer Beantwortung gerade sehr interessant, dass Sie gesagt haben, Sie könnten sich perspektivisch vorstellen, dass sich die von der Landesregierung zuletzt entwickelten Modelle für die Frauenförderung absehbar als geeignete Instrumente für Männerförderung erwiesen.
Da würde mich interessieren, wie die diesbezüglichen Überlegungen der Landesregierung aussehen – völlig unabhängig davon, dass ich aus den eben genannten Gründen die Sachabwägung und die Kriterien, nach denen vorgegangen wird, nicht teile. Ich habe die gesetzlichen Regelungen ausdrücklich so verstanden, dass in unterrepräsentierten Bereichen Frauen diesen Bonus bzw. diesen Rabatt als Frauenförderung bekommen, umgekehrt aber Männer in bei ihnen unterrepräsentierten Bereichen von diesem Mechanismus nicht profitieren.
Habe ich das Gesetz falsch gelesen, oder haben Sie eine entsprechende Weiterentwicklung des Gesetzes vor, die dieselbe Logik der Bevorzugung zukünftig auch für die Bereiche vorsehen soll, in denen Männer unterrepräsentiert sind?
Im Augenblick sind wir noch nicht vollständig dran. Aber wenn sich die Verhältnisse ändern, ändern sich auch die Voraussetzungen der Quote, dann entsprechend andersherum.
Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. – Doch, da kommt noch kurz vor der Ziellinie Herr Kollege Ellerbrock. Das übliche Verfahren: nicht in das Mikro pusten.
Herr Minister Kutschaty, Entschuldigung, dass ich eben nicht dabei war. Über Lautsprecher habe ich Ihre Antwort auf die Frage des Kollegen Wedel gehört und bin deswegen ganz schnell heruntergekommen, weil ich mir nicht sicher
Ich habe Ihrer Antwort entnommen, dass die derzeitigen Beurteilungskriterien für die Beförderungen zumindest in Ihrem Ressort hinreichend sind, eine entsprechende Frauenförderung vorzunehmen, und deshalb das Gesetz eigentlich überflüssig ist. Habe ich das – so in kurzen Worten – richtig verstanden?
Nein. Dann waren Sie wahrscheinlich schon auf dem Weg in den Plenarsaal, als ich das gesagt habe. Das haben Sie nicht richtig verstanden. Ich habe erklärt: Aufgrund der praktischen Gegebenheiten gibt es in der Justiz in Nordrhein-Westfalen in vielen Bereichen schon ein sehr ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern in den einzelnen Positionen, sodass dies in der praktischen Umsetzung im Geschäftsbereich der Justiz höchstwahrscheinlich weniger eine Rolle spielen wird.
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, dass gerade in der Justiz schon Äußerungen gemacht wurden, die Eingangskriterien zu vereinfachen, damit mehr Männer die Möglichkeit haben, im Gerichtsbereich tätig zu werden?
Wir sind in der glücklichen Lage, Frau Kollegin Kieninger, dass wir unsere Eingangsvoraussetzungen nicht absenken müssen. In den letzten Jahren haben wir allerdings gerade im gehobenen Dienst und im höheren Dienst doch weit mehr Frauen als Männer eingestellt. Mittlerweile gibt es die erfreuliche Entwicklung, dass sich auch wieder mehr Männer für den Beruf des Staatsanwalts oder des Richters interessieren.
Insofern arbeiten wir an einem ausgewogenen Verhältnis. Es ist schön, wenn wir das nicht nur bei den Einstellungen hinbekommen, sondern auch in späteren Beförderungs- und Führungspositionen.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, ich habe eine Nachfrage zu Ihren Ausführungen von vorhin. Da haben Sie erwähnt, dass im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes über 50-mal Rechtsmittel eingelegt worden sind.
Ist es richtig – das wurde mir jedenfalls zugetragen –, dass überall dort, wo Rechtsmittel eingelegt wurden,
In den Fällen, in denen es eine gerichtliche Entscheidung im Rahmen einer einstweiligen Anordnung gegeben hat – es ist, glaube ich, eine Handvoll –, ist die Entscheidung getroffen worden, die Beförderungsstelle nicht mit der Mitbewerberin zu besetzen.
Herr Minister, ich bin ja kein Jurist, sondern komme von den Naturwissenschaften; deswegen muss ich das immer klar haben. Sie haben in Ihrer Antwort eben, so wie ich es verstanden habe, sehr deutlich gesagt, nicht theoretisch, sondern in der praktischen Anwendung sei das Gesetz für Ihren Geschäftsbereich überflüssig, weil Sie sowieso schon eine Frauenförderung betrieben haben und auch zu einer entsprechenden Verteilung gekommen sind. Sie haben mehrfach erklärt – wir können es ja im Protokoll nachlesen –: Praktisch ist das eigentlich überflüssig. – Nur zur Klärung. So habe ich Sie dann doch richtig verstanden?
Ich habe gesagt: Die Justiz wird höchstwahrscheinlich nicht der größte Anwendungsfall sein. Mir ist ein einziger Antrag aus dem Bereich der Justiz bekannt. Tatsächlich wird es aus praktischen Erwägungen in der Regel nicht zum Tragen kommen, weil wir schon ein ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern haben, was längst nicht überall in der Landesverwaltung so ist.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, ich habe noch eine Nachfrage. Sie haben gerade gesagt, dass in den Fällen, in denen die Sperre der Beförderungsliste oder des Beförderungsverfahrens vom Gericht im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes angeordnet ist, natürlich nicht weiter verfahren wird. Es wäre verwunderlich, wenn es anders wäre.
Meine Frage zielte aber darauf, ob dort, wo Rechtsmittel anhängig sind, aber noch keine Entscheidung getroffen ist, die Landesregierung ihrerseits bereits die Beförderungslisten gesperrt hat, um auch gerichtlichen Entscheidungen vorzubeugen?
Die Landesregierung und die nachgeordneten Behörden führen alle weiteren Beförderungen durch, bis es zu einer gerichtlichen Entscheidung kommt.
Vielen Dank, Herr Minister. – Jetzt liegen mir endgültig keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Das heißt, ich schließe die Fragestunde und rufe auf:
steuerreform nicht zustimmen – Existenz von Familienunternehmen in Nordrhein-Westfalen nicht gefährden
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die antragstellende FDP-Fraktion Herrn Abgeordneten Witzel das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem hochaktuellen Thema „Erbschaftsteuerreform“ beraten wir heute erneut über einen sehr relevanten Komplex auch für die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen. Das Bundesverfassungsgericht hat bekanntlich Neuregelungen im Erbschaftsteuerrecht eingefordert, die zukünftig eine möglichst gerechte Belastung für alle darstellen sollen.
Nach aktueller Bund-Länder-Einigung drohen aber Mehrbelastungen für inhabergeführte Familienunternehmen, die allein in Nordrhein-Westfalen die Existenz Tausender Betriebe bei der Unternehmensnachfolge gefährden.
Etwa eine Million Beschäftigte sind allein in Nordrhein-Westfalen von der wirtschaftlichen Lage der großen inhabergeführten Mittelstandsbetriebe betroffen. Häufig werden die Hidden Champions in Sonntagsreden auch unseres Wirtschaftsministers in Nordrhein-Westfalen für ihre Innovationskraft, für ihren ökonomischen Beitrag gelobt. Aber im konkreten Handeln bildet sich das jetzt wenig ab.
Ifo-Präsident Clemens Fuest bringt die Kritik an der Bund-Länder-Einigung auf den Punkt und hat seinerseits eine Erbschaftsteuer von 8 % auf alles gefordert. Er führt dazu aus: „Das wäre die einfachste und gerechteste Lösung.“ – Ich darf ihn weiter zitieren:
„Die persönlichen Freibeträge sollten dabei erhalten bleiben. Dass die Erbschaftsteuer nicht innerhalb der vom Verfassungsgericht gesetzten Frist reformiert werden konnte, liegt daran, dass die Politik einen grundlegend falschen Ansatz verfolgt: Die Kombination aus hohen Steuersätzen
und Ausnahmen für Unternehmen kann nicht zu einer gerechten und wirtschaftlich tragbaren Erbschaftsteuer führen. Durch die Ausnahmen bleibt die Gerechtigkeit auf der Strecke, ohne Ausnahmen ist die Steuer für die Unternehmen wirtschaftlich nicht tragbar. Gerechtigkeit und wirtschaftliche Tragbarkeit sind nur zu erreichen, wenn die Steuersätze massiv gesenkt werden und die Ausnahmen für Unternehmensvermögen entfallen. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, sondern der Politik, das umzusetzen.“
Und genau an diesem Anspruch ist der Vermittlungsausschuss gescheitert, in dessen Arbeit sich ja auch der Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen intensiv eingebracht hat.
Heute steht bereits für viele Experten fest, dass das neue Erbschaftsteuerrecht erneut vor dem Bundesverfassungsgericht landen wird. Es ist alles nur eine Frage der Zeit, und zwar mit zweifelhaften Chancen, den Anforderungen diesmal auch gerecht zu werden.