Doch anstatt den rechtlichen Mangel möglichst zeitnah zu beheben, drohen durch das Verhalten der Landesregierung nun jahrelang fortgesetzte weitere Rechtsstreitigkeiten durch die Instanzen.
Zugleich berichten immer mehr klagewillige Beamte, dass sie von ihren Vorgesetzten gedrängt werden, bei verfassungswidrigen Beförderungen auf Rechtsmittel zu verzichten, um sich selbst keine zukünftigen dienstlichen Nachteile einzuhandeln. Derlei in einem Rechtsstaat völlig inakzeptable Vorgehensweisen sind bislang insbesondere aus den Polizeipräsidien Aachen, Bochum, Bonn und Duisburg bekannt geworden. Diese Vorgänge sind von Rechtsschutzsuchenden gegenüber Anwälten, Journalisten oder der Politik so dargestellt worden.
Der Innenminister sollte gegenüber Parlament und Öffentlichkeit ganz transparent darlegen, welche konkreten Maßnahmen er zu welchem Zeitpunkt gegen diese inakzeptablen Zustände ergriffen hat.
Die aktuelle Lage führt zu einer völlig unhaltbaren Beförderungswillkür in etlichen Landesbehörden. Die individuellen Chancen für einen beruflichen Aufstieg hängen vom bloßen Zufall ab, welche Beförderungslisten gerade gesperrt sind, in welchem Ressort Sonderbeförderungswellen zur Abfederung der Klagebereitschaft stattgefunden haben und wie die örtliche Dienststelle teils völlig abweichend von anderen Behörden mit der Problematik umgeht. Eine einheitliche Rechtsanwendung liegt derzeit nicht einmal innerhalb aller Ressorts vor.
Die Landesregierung sollte dem Parlament daher detailliert darlegen, wie sie schnellstmöglich wieder zu einer rechtskonformen Stellenbesetzung sowie Beförderungspraxis zurückkehren möchte und wie sie mit den real vorhandenen Problemen ihres für viele Landesbeamte demotivierenden Gesetzes im Einzelnen umzugehen gedenkt.
Wie geht die Landesregierung nun weiter mit der deutlich verschärften verfassungswidrigen Frauenquote um?
Die Landesregierung hat angekündigt, dass Herr Minister Kutschaty in Vertretung von Herrn Minister Jäger antworten wird. – Herr Minister, Sie haben jetzt das Wort. Bitte schön.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr Kollege Witzel! Gerne beantworte ich Ihnen stellvertretend diese Frage. Mit der Neuregelung der Frauenförderung im Landesbeamtengesetz will die Landesregierung die Benachteiligung von Frauen im öffentlichen Dienst beenden. Die bisherige Regelung hat ganz offensichtlich nicht gewirkt, insbesondere nicht bei höheren Besoldungsgruppen und bei Führungspositionen.
Die neue Regelung sieht vor, dass Frauen bei im Wesentlichen gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt zu befördern sind, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen. Es ist gemäß der Regelung von einer solchen im Wesentlichen gleichen Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung dann auszugehen, wenn die jeweils aktuelle dienstliche Beurteilung der Bewerberin und des Mitbewerbers ein gleichwertiges Gesamturteil aufweisen.
Dies war das Ergebnis eines von der Landesregierung bei dem renommierten Staatsrechtler und ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Herrn Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier, in Auftrag gegebenen Gutachtens zu den Möglichkeiten der
Der Gutachter, Herr Prof. Papier, hält es für rechtlich geboten, einen schonenden Ausgleich zwischen zwei gleichrangigen Staatszielen herzustellen: der Gleichstellung von Frauen durch die Beseitigung bestehender Nachteile einerseits – ich verweise hier auf Art. 3 Abs. 2 unserer Verfassung – und dem Prinzip der Bestenauslese im öffentlichen Dienst andererseits, das wir in Art. 33 Abs. 2 unseres Grundgesetzes verankert finden.
Bisher liegen uns fünf stattgebende Beschlüsse von Verwaltungsgerichten aus entsprechenden Verfahren im Rahmen der einstweiligen Anordnung vor. Gegen alle Beschlüsse wurde seitens der Landesregierung beziehungsweise der zuständigen das Land vertretenden Behörden Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht in Münster eingelegt. Die in den Verfahren aufgeworfenen Rechtsfragen werden wir gerichtlich überprüfen lassen, wenn nötig, auch vor dem Verfassungsgericht oder, wie das schon einmal bei einer Quotenregelung der Fall war, beim Europäischen Gerichtshof. Damals hat das Gesetz der Prüfung standgehalten – im Übrigen trotz aller vorinstanzlichen Entscheidungen und der Kritik aus der damaligen Opposition.
Die Landesregierung will auch weiterhin dafür eintreten, dass uns als Land eine konsequente Förderung von qualifizierten Frauen per Gesetz möglich ist.
Wir sind von der Verfassungsmäßigkeit der neuen Regelung zur Frauenförderung überzeugt. Die fachliche Qualifikation und die erbrachte Leistung sind entscheidend für die Beförderungschancen. Deshalb lässt die neue Regelung zur Frauenförderung den Qualifikationsgleichstand unangetastet. Frauenförderung greift erst, wenn ein Qualifikationsgleichstand von Frauen und Männern besteht – und das auch nur in Beförderungsämtern, in denen sie unterrepräsentiert sind.
Die Regelung macht nur Schluss mit einer mathematischen Reihung von Frauen und Männern bei minimalen Unterschieden im Nachkommastellenbereich. Diese Reihung um jeden Preis hat zu einer Scheinrationalität geführt und damit die jetzt schon geltende Frauenförderung vollkommen ins Leere laufen lassen.
Nach der neuen Regelung gibt es selbstverständlich auch die Möglichkeit, auf Ausnahmefälle adäquat zu reagieren. Sollte es bei der Berechnung der Gesamtnote auf der Grundlage der Einzelmerkmale doch zu deutlichen Unterschieden gekommen sein, sieht das Gesetz zugunsten des Mannes eine Öffnungsklausel vor. Auch die Härteklausel ist nach wie vor Bestandteil dieser Regelung.
Da wir von der Verfassungsmäßigkeit unseres Gesetzes überzeugt sind, wird § 19 Abs. 6 des Landesbeamtengesetzes weiterhin Anwendung finden.
Herr Präsident, vielen Dank für die Gelegenheit zu einer ersten Nachfrage. – Herr Minister Kutschaty, vielen Dank für Ihre Ausführungen. Sie haben allerdings in Ihrem ersten Aufschlag leider zu folgendem für uns sehr wesentlichen Punkt, der Gegenstand dieser Beantragung war und zu dem Sie ausdrücklich im Rahmen der Fragestellung um Stellungnahme gebeten worden sind, nicht Stellung bezogen:
Durch unterschiedlichste Rückmeldungen von Verbänden und Anwälten sowie durch Mitteilungen Betroffener an die Landespolitik gibt es mittlerweile mehrere identifizierte Dienststellen, wo klagebereite Männer, die ihr Recht wahrnehmen wollten, von ihren Führungskräften vor Ort, von Behördenleitungen – höflich formuliert – dringendst dienstlich beraten worden sind, das nicht zu tun und sich vor Augen zu halten, wie sich so etwas auf die weitere Laufbahn in der Behörde auswirkt.
Ich stelle Ihnen deshalb die Frage, auf die Sie gerade leider nicht eingegangen sind und die Sie sicherlich auch als Justizminister des Landes interessieren wird, ausdrücklich noch mal:
Was genau hat die Landesregierung dagegen unternommen, dass Bedienstete den Vorwurf erheben – das hat die Landesregierung durch zahlreiche Presseberichte mitbekommen –, in der Verfolgung ihrer rechtlichen Interessen behindert zu werden und mit Nachteilen rechnen zu müssen, wenn das auch aus Ihrer Sicht eines Rechtsstaates unwürdig ist?
Dem Ministerium für Inneres und Kommunales liegen keine Berichte oder Informationen darüber vor, dass Beamtinnen und Beamte unter Druck gesetzt worden sein sollen. Es gehört vielmehr zu den Führungsaufgaben der jeweiligen Dienststellenleitungen und der leitenden Beamtinnen und Beamten gerade im Rahmen sich abzeichnender Veränderungen in der Beförderung auch entsprechende Beratungsgespräche mit den Kolleginnen und Kollegen vor Ort zu führen.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister Kutschaty, in vielen Bereichen des öffentlichen Dienstes besteht in den nächsten Jahren ein Bewerbermangel, der teilweise dazu führt, dass Anforderungen an Neueinstellungen bereits gesenkt werden. Wie wirkt sich die deutlich verschärfte Frauenquote auf die Attraktivität des öffentlichen Dienstes für aufstiegsorientierte männliche Bewerber aus?
Der öffentliche Dienst in Nordrhein-Westfalen ist nach wie vor ein hochattraktiver Arbeitgeber. Das sehen wir bei den Besetzungs- und Bewerbungsverfahren. Er ist so hochattraktiv, dass sich insbesondere auch viele Frauen gerade auf Stellen im öffentlichen Dienst bewerben. Damit kann diese Regelung unter Umständen in einigen Jahren auch zur Männerförderungsregelung werden.
Danke, Herr Präsident. – Herr Minister Kutschaty, die Landesregierung vermittelt seit Wochen gerne den Eindruck, sie sei aus dem Gleichstellungsziel des Grundgesetzes heraus geradezu gezwungen, diese verschärfte Frauenbevorzugung zu praktizieren, die allerdings kein anderes Bundesland in dieser Form hat.
Meine Frage lautet daher: Verstoßen somit nach Auffassung der Landesregierung alle anderen 15 Bundesländer mit ihren Frauenförderkonzepten gegen das Grundgesetz?
Herr Alda, ich lese Ihnen gerne die entsprechende Passage – Art. 3 Abs. 2 – des Grundgesetzes einmal vor:
„Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister Kutschaty, es gibt unverkennbar auch im öffentlichen Dienst viele leistungsstarke Männer. Es gibt ebenfalls viele leistungsstarke Frauen im öffentlichen Dienst, die aber mitunter Leidtragende dieser verschärften Frauenquote sind. Sie geraten in ihrer Behörde unter kollegialen Rechtfertigungsdruck, gelten manchmal zu Unrecht als Quotenfrau oder werden gar nicht befördert, weil sie für die gesamte Beförderungsliste gesperrt sind.
Meine Frage ist: Welche kritischen Rückmeldungen – in diesem Zusammenhang speziell von Frauen – gegen die neue Frauenquote sind Ihnen bekannt?
Ich habe im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren sehr viele zustimmende Äußerungen und Anmerkungen gerade von Frauenverbänden für diese gesetzliche Regelung erhalten.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister Kutschaty, in der gestrigen Expertenanhörung aller relevanten Berufsverbände im Unterausschuss Personal des Landtags haben außer dem DGB alle anderen Fachgewerkschaften die neue Frauenquote einhellig kritisiert.
Deshalb lautet meine Frage an Sie: Welche Schlussfolgerung zieht die Landesregierung aus der überwältigenden Kritik der Praktiker und ihrer Berufsverbände?
Die Landesregierung wird die weiteren gerichtlichen Entscheidungen in diesem Zusammenhang abwarten und dann gegebenenfalls Entscheidungen treffen.
Die nächste Frage kommt von Herrn Kollegen Busen, nein, von Herrn Kollegen Lürbke, der auf dem falschen Platz sitzt. Gleichwohl hat Herr Kollege Lürbke das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, mir geht es um die Frage, wie einheitlich das Recht auf alle Landesbeamten angewandt wird.
Derzeit haben wir doch einen ziemlichen Flickenteppich hinsichtlich der Umsetzung der verschärften Frauenquote, da die Behörden vor Ort – sogar innerhalb eines einzelnen Ressorts – die neuen gesetzlichen Bestimmungen höchst unterschiedlich umsetzen. Ob jemand jeweils bevorzugt oder benachteiligt wird – und wie stark –, hängt doch im Grunde vom Zufall bzw. davon ab, wie eine Dienststelle verfährt.
Deswegen die konkrete Frage: Bis zu welchem Datum werden Sie denn eine einheitliche Rechtsanwendung für alle Landesbeamten – zumindest innerhalb desselben Ressorts – herstellen bzw. sicherstellen?
Die Einheitlichkeit ist durch Inkrafttreten des Gesetzes gegeben. Ich glaube, das war der 01.07.2016.