Protocol of the Session on September 16, 2016

Ein eigenes Programm für den Anschluss von Gewerbegebieten wird gefordert. – Das haben wir.

Eine Gigabit-Strategie mit dem Zeithorizont 2025 wird gefordert. – Diese hat der Minister vor drei Wochen vorgestellt.

Rahmenbedingungen für Industrie 4.0 werden da gefordert. – Die weitere Förderung unseres Flaggschiffs in diesem Bereich haben wir vorgestern beschlossen.

Netzwerkbildung wird da gefordert. – Das ist der Kerngedanke unserer Strategie für die Digitale Wirtschaft.

Ausbau des E-Governments wird gefordert. – Dafür haben wir vor der Sommerpause ein E-GovernmentGesetz beschlossen, ein Landesprogramm, das von IT-Verbänden bis zu unternehmer.nrw begrüßt wurde.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, da bleibt nur das Fazit: NRW ist ein starkes Digitalland. Wir bleiben bei unseren Zusagen. Daran dürfen Sie uns gerne messen. Wenn es gut läuft für unser Land, werden Sie uns daran auch weiterhin – auch im Jahr 2018 – von der Oppositionsbank aus messen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Bolte. – Für die Piraten spricht jetzt Herr Dr. Paul.

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuschauer! G8 – das ist ungefähr so wie 50 MBit/s, und G9 entspräche einer Gigabit-Strategie. Aber Blaukraut bleibt Blaukraut, und Breitband bleibt Breitband!

(Beifall von den PIRATEN)

Am 6. September, Dienstag letzter Woche, war es dann so weit: Über 900 Millionen € Fördergelder wurden in Berlin für den Breitbandausbau ausgeschüttet – Fördergelder, die wir hier in NRW wirklich gut brauchen könnten.

Doch ähnlich wie Mönchengladbach, das vorgestern Abend gegen Man City mit 0:4 unterging, war auch die zweite Förderrunde in Berlin eine herbe Niederlage für Nordrhein-Westfalen. Nicht einmal 3 % der Bundesfördersumme konnten nach NRW geholt werden.

(Dietmar Brockes [FDP]: Mönchengladbach holt das aber wieder auf!)

Das hoffe ich.

(Michael Hübner [SPD]: Schalke hat gestern gewonnen!)

Nach diesem Hinspiel, der ersten Förderrunde im April dieses Jahres, gab es nun auch im Rückspiel eine Klatsche.

Nach jeder Niederlage wird natürlich gefragt: Was ging schief? Wer trägt die Schuld? – An dieser Stelle möchte ich die Antragsteller, nämlich die Kommunen, mal ausdrücklich in Schutz nehmen. Denn was der Bund nicht schafft, was das Land NRW nicht schafft, wozu Telekommunikationsfirmen keine Lust haben, nämlich schnelles Internet in unterversorgte Regionen zu bringen, das sollen nun die Kommunen organisieren. Ich sage Ihnen: Dafür benötigen unsere Kommunen in NRW noch viel mehr Unterstützung von dieser Landesregierung, als sie bis jetzt bekommen haben.

(Beifall von den PIRATEN und der FDP)

Aber auch mit mehr Unterstützung kann selbst die fleißigste Kommune nur so gut sein, wie es die Förderprogramme erlauben. Herr Vogt hat es angesprochen. Beim Bundesförderprogramm gab es von Anfang an beträchtliche Zweifel, ob NRW überhaupt eine Chance hat, davon zu profitieren.

(Ralph Bombis [FDP]: So ist es!)

Diese Zweifel wurden Ihnen, Minister Duin, ins Stammbuch geschrieben: von Verbänden, von den Kommunen und auch von uns. Grund dafür ist die Art

und Weise, wie das Bundesförderprogramm aufgelegt wurde.

Deswegen war es auch fahrlässig von Ihnen, die Finanzierungsgrundlage Ihrer Breitbandpläne auf die Spekulation – und das Wort benutze ich hier ausdrücklich – zu gründen, Nordrhein-Westfalen würde nach dem Königsteiner Schlüssel etwa 22 % der Bundesmittel nach Hause holen können. Denn im Gegensatz zu anderen Regionen Deutschlands gibt es in NRW meist einen Flickenteppich der Unterversorgung, aber eben nicht große, zusammenhängende weiße Flecken. Und dafür gibt es in dem sogenannten Scoring des Bundesprogramms nun mal weniger Punkte für ein Ausbauprojekt. Resultat: Es wird nicht gefördert.

Die von der Landesregierung stolz nach außen kommunizierten angeblichen 500 Millionen € Fördermittel für den Breitbandausbau wird es deshalb nicht geben. Die Finanzierungsgrundlage ist auf Treibsand gebaut.

Im Grunde ist das Instrumentarium der rot-grünen Breitbandpolitik damit auch schon erschöpft. Der Breitbandpolitik wurde die finanzielle Grundlage entzogen. Sie ist damit gescheitert.

Es gibt noch weitere massive Probleme mit der Förderlandschaft. Dass viele Projekte kurzfristig ausgerichtet sind, haben wir schon oft kritisiert.

Laut Patrick Helmes, Vorstandsmitglied des Glasfaserverbandes BUGLAS, habe die Telekom 80 % der Förderung in Bayern abgegriffen. Herr Minister Duin, stimmt die Größenordnung auch für NRW? Es kann doch nicht sein, dass der Magenta-Riese nach dem Geschenk, Vectoring-Monopole zu betreiben, nun auch noch das Monopol auf Fördergelder bekommt.

(Beifall von den PIRATEN)

Und wenn keine wirksamen Instrumente mehr zur Verfügung stehen, dann muss Rhetorik die Leere ausfüllen. Das haben wir ja gerade besonders beim Kollegen Bolte erlebt.

Meine Damen und Herren, wie sich früher Wohlstand und Arbeitsteilung entlang der Flüsse und Handelsstraßen ausgebreitet haben, sind es heute die Datenströme, die zählen. Aber bislang durchziehen nur kleine, extrem zähfließende Datenadern das Land. Das muss sich ändern, und das können wir auch ändern.

Wir Piraten sind eine progressive Bewegung. Wir wollen die Zukunft mitgestalten. Doch manchmal lohnt sich eben auch ein Blick in die Vergangenheit. Und da erscheint es wie ein Wunder, dass früher die Infrastruktur, die wir heute für selbstverständlich halten, tatsächlich aufgebaut wurde. Ich rede von Wasserleitungen, Kanälen, Stromleitungen, Eisenbahn

schienen usw. Ich frage Sie: Wie war das früher möglich? Konnten die Leute zaubern? – Das glaube ich nicht.

Heute verzweifelt die Politik daran, ein nur wenige Zentimeter dickes Glasfaserkabel – offiziell heißt es Lichtwellenleiter – in die Häuser zu legen? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!

Was ist der Grund für diese Misere? Ich kann es Ihnen sagen: Die Politik denkt nur noch in Legislaturperioden, also bestenfalls in Zeiträumen von fünf Jahren. Auch Unternehmen wollen allerspätestens nach fünf Jahren ihren Return on Invest. Doch in diesen Zeiträumen lassen sich eben keine Infrastrukturaufgaben lösen. Denn beim Glasfaserausbau reden wir von einer Infrastruktur mit Amortisationszeiträumen von bis zu 20 Jahren. Da passen die Logiken einfach nicht zueinander.

Eine Studie der NRW.BANK hat die Kosten für ein flächendeckendes Lichtwellenleiternetz in Nordrhein-Westfalen auf 8,6 Milliarden € beziffert. Das hört sich nach riesig viel an, wenn man in kurzen Zeiträumen denkt. In einem Abschreibungszeitraum von 20 Jahren sind das 2 € je Bürger pro Monat. Das ist also machbar.

Und was ist zu tun? Minister Duin, wir brauchen einen Neustart in der Breitbandpolitik. Glasfaseranbindung ist öffentliche Daseinsvorsorge. Im digitalen Zeitalter darf es einfach keine unterversorgten Gebiete mehr geben.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir denken – da haben Sie auch unsere Unterstützung, wenn Sie das machen –, eine bessere Politik ist machbar. Wir Piraten wollen, dass NordrheinWestfalen in der digitalen Champions League spielt und dort gewinnt!

(Beifall von den PIRATEN)

Der Bürger muss sich aber fragen, warum die Landesregierung noch immer als digitale Amateurtanzgruppe mit Hoolaring und Medizinball auftritt. It’s time for a change! Packen wir‘s an!

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Paul. – Jetzt spricht der fraktionslose Abgeordnete Schwerd.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Tribüne und an den ruckelnden Streams! Ich bin kein Fan von Kannibalismus zwischen den Bundesländern. Wenn andere Bundesländer Breitbandförderung des Bundes dringender brauchen als wir, dann gönne ich ihnen das. Aber: Weniger als 3 % des zur Verfügung stehenden

Volumens abzurufen – da muss ich der CDU Recht geben –, das kann nicht sein. Ich kann nicht glauben, dass wir so gar keine Verwendung dafür hätten.

Vielmehr zeigt es das totale Desinteresse der Landesregierung am Thema. Es zeigt, dass die ganzen schönen und laut verkündeten Initiativen, 50 Mbit/s flächendeckend bis 2018 zu schaffen oder – wie wir zuletzt auf dem Breitbandforum hörten – Gigabit Glasfaser bis 2026, nur hohle Sprüche sind, schöne Worte, nichts dahinter. Ankündigungsminister Duin!

So toll, dass wir gar keine Breitbandförderung des Bundes brauchen könnten in NRW, so toll ist das Netz hier wirklich nicht. Die Menschen auf dem Land können davon ein Lied singen. Und selbst in halbstädtischen Lagen haben wir es doch eher mit einem Netz der frühen 90er-Jahre zu tun als mit einem des 21. Jahrhunderts.

Schon jetzt gibt es eine digitale Spaltung in unserem Land. In aller Regel geht sie einher mit einer sozialen Spaltung. Und das eine verschärft das andere. Wer heute vom Breitband abgehängt ist, ist diskriminiert. So wird Breitbandausbau zu einer sozialen Frage.

Und der Markt regelt es eben nicht. Der interessiert sich nicht für eine flächendeckende Versorgung, der ist an lukrativen Netzteilen interessiert. Ein Unternehmen ist doch kein Wohlfahrtverein, sondern möchte Gewinn machen.

Und die nicht lukrativen Teile bleiben den Kommunen. Öffentliches Eigentum und damit verbundene Gewinne werden privatisiert, Verluste werden sozialisiert. Politik als offensichtliche Fortsetzung der Privatgeschäfte mit anderen Mitteln! Die eigentlich notwendige solidarische Querfinanzierung zwischen den unterschiedlichen Lagen wird unmöglich.

Netze gehören in Bürgerhand. Das gilt für Netze aller Art der öffentlichen Daseinsvorsorge: Strom, Gas, Wasser und eben auch Breitbandinternet. Netze gehören in Bürgerhand, das meint zum Beispiel Kommunen oder bürgerschaftliche Gemeinschaften und Genossenschaften. Da sind öffentliche Fördermittel gut aufgehoben und schaffen langfristige Werte für die Allgemeinheit. Und wenn der Betrieb eines Breitbandnetzes das Know-how einer Kommune übersteigt, dann beauftragt sie dafür Netzbetreiberunternehmen. Der Besitz aber bliebe in öffentlicher Hand. Das wäre weitsichtig.

Also, machen Sie bitte nicht nur Ankündigungen! Haben Sie mal eine Vision, und realisieren Sie die dann! – Vielen herzlichen Dank.