Protocol of the Session on July 8, 2016

Dr. Elisabeth Selbert zugeschrieben – unterstützt durch drei weitere Frauen, die als Mütter des Grundgesetzes Geschichte geschrieben haben. Diese drei weiteren Frauen kamen übrigens alle aus NordrheinWestfalen.

Ich habe diese beiden Zitate vorangestellt, um deutlich zu machen, dass es bis hierher ein weiter und teilweise harter Weg war und es maßgeblich Frauen waren, die in der Vergangenheit vehement Grundrechte erkämpft haben, um sie nach der Verankerung in der Verfassung in der Gleichstellung voranzubringen.

Das bedeutet in der politischen Arbeit, das Erreichte zu erhalten sowie für den Fortschritt der Gleichstellung zu arbeiten und, wo nötig, zu kämpfen. Das gilt bis heute; denn eine vollständige Gleichstellung ist – in Klammern: noch – nicht erreicht.

Ein Blick zurück in die 12. Wahlperiode des Landtags von Nordrhein-Westfalen zeigt, dass die damaligen Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün sich für ein Landesgleichstellungsgesetz starkgemacht, selbiges erarbeitet und es verabschiedet haben. Das ist das bis heute gültige LGG, das im November 1999 in Kraft trat und für den gesamten öffentlichen Dienst des Landes und der Kommunen gilt.

Es hat sich im Großen und Ganzen – das ist bei Frau Ministerin Steffens gerade angeklungen – zwar bewährt. In der regelmäßigen Berichterstattung lässt sich aber erkennen, dass die Fortschritte nicht so sind wie erhofft und dass es weiterhin Bereiche struktureller Benachteiligung zulasten der Frauen gibt.

Das belegen auch viele Gespräche mit Gleichstellungsbeauftragten, denen ich für ihre äußerst engagierte, an Gleichstellung orientierte, parteiergreifende Arbeit danken möchte, aber auch dafür, dass sie mit ihrer Arbeit die Vorbildfunktion des öffentlichen Dienstes deutlich herausgestellt haben. Genauso haben sie uns vor Augen geführt, wo die Grenzen des heute geltenden LGG liegen.

Diese Gespräche, die regelmäßigen Gleichstellungsberichte der Landesregierung und eine an Gleichstellung orientierte Haltung der Landesregierung unter unserer Ministerpräsidentin Hannelore Kraft haben dazu beigetragen, die im Koalitionsvertrag beschriebene Novellierung des LGG umzusetzen. Frau Ministerin Steffens hat den Entwurf gerade eingebracht, den wir nun in erster Lesung debattieren.

Drei wesentliche Punkte, die auch bei der Frau Ministerin angeklungen sind, möchte ich herausstellen.

Das ist zum einen die Weiterentwicklung der bereits bestehenden Quotenregelung und Höhergruppierung im Sinne des Art. 3 unseres Grundgesetzes. Das Gutachten von Prof. Papier wurde bereits erwähnt.

Ich greife hier auch noch einmal die Verabschiedung des Dienstrechtsmodernisierungsgesetzes im Juni dieses Jahres mit der Zielquote für die Frauen auf. Diese Lösung soll, soweit sie auf den Tarifbereich übertragbar ist, in das LGG aufgenommen werden.

Die Stärkung der Position der Gleichstellungsbeauftragten – Stichwort „Zähne am Tiger“ – ist ebenfalls eine Forderung, die in vielen Gesprächen deutlich wurde. – Ich schenke mir jetzt den Rest, den ich mir noch zu dem Rechtsgutachten usw. aufgeschrieben habe, weil das bereits in der Rede der Frau Ministerin deutlich geworden ist.

Wichtig ist aber auch noch die Fortentwicklung der Quotenregelung für Gremien, damit es zur Realisierung eines ausgewogenen Geschlechterverhältnisses kommt. – Diese rechtlichen Grundlagen finden sich in einem Gutachten von Frau Prof. SchulerHarms.

Darüber hinaus präzisiert der Gesetzentwurf den Geltungsbereich des LGG. Er enthält – das finde ich ganz spannend – eine Experimentierklausel; das ist ein Instrument zur Erreichung der gleichstellungspolitischen Ziele weit über einen Gleichstellungsplan hinaus. Des Weiteren beschreibt der Gesetzentwurf das Recht auf Fortbildung der Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin – um nur einige wenige Beispiele der Novellierung zu nennen.

Die Zielsetzung der Modernisierung des LGG ist, die strukturelle Benachteiligung von Frauen im öffentlichen Dienst zu überwinden.

Ich habe bei unserer Ausschussreise im vergangenen Jahr nach Oslo bezüglich der Berichte über die Erfahrungen in Norwegen einiges gelernt, was die positiven Auswirkungen geschlechtergerechter Personalentwicklung in unterschiedlichsten Tätigkeitsfeldern, auch im öffentlichen Dienst, angeht.

Es ist so, wie es meine Genossin, die ehemalige Bielefelder Landtagsabgeordnete Helga Gießelmann, am 9. Juni 1999 in ihrer Rede richtig feststellte:

„Wir können auf die beruflichen Ressourcen der Frauen nicht verzichten. Ihre Kenntnisse und Fähigkeiten dürfen wir nicht ungenutzt lassen, sondern wir brauchen sie für eine moderne und zukunftsfähige Verwaltung.“

In diesem Sinne gehen wir mit dem heute eingebrachten LGG in die richtige Richtung.

Ich freue mich auf die Anhörung und die anstehenden Beratungen und hoffe auf einen breiten Konsens im Interesse der Frauen und Männer hin zu einem vorbildlichen, geschlechtergerechten öffentlichen Dienst. – Allen eine schöne Sommerpause und herzlichen Dank!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kopp-Herr. – Für die CDU-Fraktion spricht Frau Kollegin Regina van Dinther.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Als das Landesgleichstellungsgesetz am 9. November 1999 in NordrheinWestfalen in Kraft trat, hatten wir vorher lange Diskussionen darüber geführt, wie es wohl gelingen könnte, die Präsenz von Frauen in allen Bereichen des öffentlichen Dienstes zu verankern und ihre Teilhabe an Einstellung, Beförderung und Aufstieg hin zu einer gleichberechtigten Hälfte möglichst zu erreichen. Wir stritten damals auch lange über die Quote.

Schließlich haben Gerichte – das war auch damals schon so – am Ende die bevorzugte Einstellung von Frauen, allerdings bei eng gefasster gleicher Eignung und Qualifikation, mitgestaltet.

Auch weitere Instrumente im Bereich der Fort- und Weiterbildung, der flexiblen Arbeitsplatzgestaltung und der Beurlaubungsmöglichkeiten wurden eingeführt, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewährleisten zu können.

Frauenförderpläne sollten helfen, dass alle Städte, Ministerien und Institutionen im öffentlichen Bereich diese Ziele durch Taten auch erreichen können.

Auch damals gab es sehr unterschiedliche Sichtweisen. So haben wir zum Beispiel eingebracht, dass wir die Mittelvergabe gerne an die Erreichung dieser formulierten Ziele angebunden hätten. Denn ein wenig Anreiz ist vermutlich nie verkehrt.

Leider wurde ziemlich schnell klar, dass dieses Gesetz, das damals gemacht wurde, nur zu einem leichten Druck führte. Das Ziel war oft nicht im erforderlichen Maße in die Köpfe der Entscheider gedrungen. Manchmal hat es sogar ihre Fantasie angeregt, wie dieser Zwang umgangen werden könne.

Die heutigen Zahlen sprechen dazu eigentlich eine sehr deutliche Sprache. Sie selbst haben ja dazu Unterlagen angefordert bzw. erarbeiten lassen. Im mittleren und unteren Segment haben die Frauen durch das Landesgleichstellungsgesetz sehr viele Stellen neu besetzen können. Das ist durchaus auch ein guter Erfolg. Allerdings sind die Frauen nicht in dem Maße, wie es damals erwartet wurde, in Führungspositionen gekommen.

Man hat sehr gute Umgehungstatbestände – durch Beurteilungen, Berufungsverfahren; je nachdem, wie die Betreffenden organisiert waren – gefunden. Es gab sehr viel Umgehung des politischen Willens, was man auch häufig in entsprechenden Veröffentlichungen als Eingeständnis finden kann.

Nun werden wir in den nächsten Wochen und Monaten über die Modernisierung dieses Gleichstellungsgesetzes diskutieren. Heute wird der Gesetzentwurf der Landesregierung dazu eingebracht.

Erst vor wenigen Monaten – Sie haben es gerade schon erwähnt – haben wir hier das Dienstrechtsmodernisierungsgesetz behandelt. Es enthält eine Formulierung, die vermutlich auch bei dem neuen Gesetz als zentraler Punkt umstritten sein wird, nämlich die Formulierung, bei im Wesentlichen gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung sei Frauen bei der Einstellung, bei der Beförderung und bei allen Verfahren der Vorrang zu geben.

Ich glaube, dass dieser Punkt – so, wie es in der Vergangenheit auch der Fall war – am Ende von Gerichten entschieden wird.

Jedenfalls konnten wir in dieser Woche schon einen Hilferuf der Gewerkschaft der Polizei dazu hören: Der Polizei droht ein Beförderungschaos. Der Innenminister hilft nicht dabei, die Handhabung des neuen Gesetzes zu begleiten. In den Personalabteilungen des Landes wird mit diesem Gesetz unterschiedlich verfahren. Die GdP erwartet, dass einzelne Beamte bzw. Frauen im Ranking der Beförderung um 200 Plätze nach unten rutschen könnten – usw. usf. Sie erwartet weiter, dass der Betriebsfrieden erheblich gestört wird und eine Klagewelle droht.

Meine Damen und Herren, vermutlich wird am Ende nicht der Gesetzgeber, sondern ein Gericht klären, was zu diesem Punkt zu sagen ist. Eigentlich sind wir aber trotzdem gefragt; denn wir sollten das vorher noch einmal kritisch hinterfragen. Das werden wir in den Anhörungen auch tun.

Natürlich werden wir aber auch andere Fragestellungen diskutieren. Ich finde zum Beispiel den Ansatz sehr richtig, von einem Frauenfördergesetz zu einem echten Gleichstellungsgesetz zu kommen; denn genau das ist die Aufforderung des Grundgesetzes und der Landesverfassung.

Wir möchten aber, dass dieses Gesetz nicht nur eine Namensänderung vorsieht, sondern dass die Geschlechtergerechtigkeit auch in den Formulierungen tatsächlich umgesetzt wird. Das finden wir in Ihrem Gesetzesentwurf nicht wieder.

Dass der Gleichstellungsplan zu einem wesentlichen Instrument der Personalentwicklung und Personalplanung werden soll, halten wir für gut. Kritisch anzumerken ist aber, dass in Bezug auf die geschlechtergerechten Entwicklungs- und Karrierechancen auch die Belange von jungen Männern dort in den Blick genommen werden müssen, wo sie unterrepräsentiert sind.

(Beifall von der CDU)

Das muss dann auch in das Gesetz aufgenommen werden. Warum kann man nicht formulieren, dass

zum Beispiel bei Gremienbesetzungen sowohl mindestens 40 % Frauen als auch mindestens 40 % Männer vertreten sein müssen? Wir wissen ja gar nicht, was alles noch passieren wird. Dann kann man doch gleich das Gerechte ins Gesetz schreiben.

(Beifall von der CDU)

Wir finden, dass Geschlechterparität ehrlich gemeint sein muss. Daher müssen wir das auch deutlich formulieren.

Bei den bevorstehenden Anhörungen werden wir natürlich auch noch verschiedene andere Fragen stellen. Insbesondere werden wir uns darum kümmern, dass wir nicht, wie es in Ihrer Regierungszeit ja an vielen anderen Stellen schon passiert ist, ein Bürokratiemonster zaubern, das am Ende nicht den nötigen Effekt hat.

Die Kommunen werden sehr betroffen sein. Die Gleichstellungsbeauftragten erhalten sehr viel mehr Rechte. Vom Prinzip her finde ich das gut; denn sie dürfen keine zahnlosen Tiger bleiben. Ob der Weg immer richtig ist, müssen wir in den Anhörungen herausfinden.

Eigentlich arbeiten die Gleichstellungsbeauftragten schon immer an den Zielen, die wir teilen und die wir gemeinsam erreichen wollen.

Frau Kollegin, bitte kommen Sie zum Schluss, weil die Redezeit um ist.

Ja. – Die Frage ist aber: Ist dieses Gesetz der richtige Weg, um in die Köpfe der Personalentscheider hineinzukommen?

Wir haben in Norwegen zum Beispiel gelernt, dass man das auch anders machen kann. Man kann viel deutlicher „Wir wollen das; wir können das“ formulieren und dann miteinander die entsprechenden Schritte gehen, um das auch umzusetzen. Da kommt der Begriff „Diversity“ verstärkt ins Spiel.

Ich finde, dass wir uns stärker an diesen Modellen orientieren sollten. Aber das werden wir in den Anhörungen dann besprechen. Wir freuen uns schon auf die Anhörungen und die Beratungen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Frau van Dinther. – Für die grüne Fraktion spricht nun Kollegin Hanses.