Ferner weist er darauf hin, dass es sich bei der Interpretation des BFH-Urteils – um die Gemeinnützigkeit nicht zu gefährden – um eine exemplarische Aufzählung handelt, die keinen abschließenden Charakter hat. In dem Anwendungserlass stehen ja explizit die Wörter „zum Beispiel“ davor.
„Ich verstehe die BFH-Rechtsprechung dabei so, dass eine den Regelungen des § 66 Abgabenordnung widersprechende Gewinnerzielung jedenfalls dann vorliegt, wenn ein Zweckbetrieb ausschließlich mit dem Ziel der Gewinnmaximierung betrieben wird.“
Genau das machen die Wohlfahrtsverbände nicht. Infolgedessen ist hier schon mal ein erster Schritt, eine Klarstellung, erfolgt, was auch die Bundesarbeitsgemeinschaft entsprechend positiv begrüßt. Gleichwohl sieht sie noch weiteren Verhandlungsbedarf, den sie auf Bundesebene unterstützt. Ein Fall für den nordrhein-westfälischen Landtag ist das aber
Herzlichen Dank, Frau Gebhard. – Und nun spricht für die grüne Fraktion Frau Kollegin Grochowiak-Schmieding.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ja, die Freie Wohlfahrtspflege ist eine Säule des Sozialstaates der Bundesrepublik Deutschland. Es handelt sich um Dienste und Einrichtungen in freier, gemeinnütziger Trägerschaft, die sich im sozialen Bereich und auch im Gesundheitswesen betätigen – und dies bereits seit dem 19. Jahrhundert. Mit heute 700.000 Beschäftigten in Nordrhein-Westfalen ist sie eine wichtige Partnerin der öffentlichen Sozialleistungsträger.
Form und Inhalte der Arbeit werden stets vom Wandel der Gesellschaft, aber auch durch staatliche Verhältnisse, wie zum Beispiel gesetzliche Grundlagen, beeinflusst. Dazu gehört im weitesten Sinne sicherlich auch die Abgabenordnung.
Natürlich fühlt sich auch die Freie Wohlfahrtspflege zu gesetzeskonformem bzw. rechtskonformem Handeln verpflichtet. Nichts anderes fordert der Bundesfinanzhof. Demnach ist die Wirtschaftlichkeit gesichert und nicht gefährdet, ebenso wenig eine Kapazitätsausweitung von Einrichtungen.
Liebe Kollegen von der CDU, Sie weisen darauf hin, dass viele wichtige Bereiche der Wohlfahrtspflege aufgrund eines Anwendungserlasses der Abgabenordnung gefährdet seien. Da gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder ist hierbei eine Querfinanzierung statthaft, dann gibt es das von Ihnen geschilderte Problem tatsächlich nicht; oder sie ist eben nicht statthaft. Das wird in Ihrem Antrag leider nicht deutlich. In dieser Frage ist allerdings größtmögliche Transparenz vonnöten.
Wenn wichtige Aufgaben zu finanzieren sind, die über diese Querfinanzierung nicht finanziert werden können, müssen wir uns darüber konkret unterhalten. Das ist richtig. Aber das wollen Sie offenbar nicht; Sie haben es jedenfalls nicht richtig ausgeführt. Ich halte auch nichts davon, Handlungsspielräume endlos auszudehnen.
Insofern muss ich der Kollegin Gebhard recht geben: Grundsätzlich ist für die von Ihnen beschriebene Problemlage der Bund zuständig. Der Antrag hat sich damit für uns erledigt. Wir müssen ihn leider ablehnen. – Schönen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem BMF-Schreiben vom 26. Januar 2016 wurden wesentliche Aspekte des sogenannten Rettungsdiensturteils des Bundesfinanzhofs in den Anwendungserlass zur Abgabenordnung übernommen.
Während einige dieser Änderungen durchaus den Bedürfnissen der Freien Wohlfahrtspflege ausdrücklich entsprechen und ihre Arbeit erleichtern, führen insbesondere die Vorgaben der Finanzverwaltung zur Gewinnerzielung und Gewinnverrechnung bei Zweckbetrieben nach § 66 Abgabenordnung zu einer Verschärfung und Verkomplizierung der Rechtslage. Sie sorgen deshalb verständlicherweise für Nachfragen und Unsicherheiten bei den Betroffenen. Präzedenzfälle, wie konkret im Einzelfall entschieden wird, dürfte es sachlogisch bislang noch nicht geben, da das erste Veranlagungsjahr seit Änderung des Anwendungserlasses noch nicht abgeschlossen sein kann.
Vor diesem Hintergrund fordern die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege auch rein prophylaktisch, dass die neuen Vorgaben zur Zulässigkeit von Gewinnaufschlägen im Ausführungserlass zu § 66 der Abgabenordnung gestrichen werden.
Das Gemeinnützigkeitsrecht beinhaltet durch die Mittelbindung an den Satzungszweck sowie die Vorgaben zur zeitnahen Mittelverwendung und zur Rücklagenbildung bereits ausreichende Regelungen, um ein Handeln allein des Erwerbs wegen zu unterbinden und den Mitteleinsatz für das Allgemeinwohl sicherzustellen.
Das ist wichtig, und das ist auch richtig so; denn wir wollen einen größtmöglichen Pluralismus in der Anbieterlandschaft. Es ist gut, dass es sowohl Private gibt, die ihre Dienstleistungen anbieten, und öffentliche Hilfestrukturen, dass aber auch die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege einen wesentlichen Anteil der Dienstleistungen erbringen.
Private Anbieter und Freie Wohlfahrtspflege sollen ausdrücklich unter fairen und vergleichbaren Bedingungen Leistungen erbringen können. Genau das sichert die Vielfalt. Das ist die Gratwanderung, die in der Rechtslage abzubilden ist. Selbstverständlich kann es nicht das Ziel sein, dass man mit anderen Absichten Sonderregelungen im Steuerrecht nutzt, um auf Dauer angelegte Gewinnbetriebe zu organisieren. Das sollte aber auch nicht die generelle Unterstellung für Projekte sein, die aus der Freien Wohlfahrtspflege auf den Weg gebracht werden.
Warum ist die Frage der Gewinne so entscheidend? Es ist seit jeher die schlichte Logik – schon vor Jahrtausenden gab es die Erkenntnis von sieben fetten und sieben dürren Jahren –, dass es natürlich möglich sein muss, mit Sicherheitspolster zu kalkulieren. Oftmals werden vertragliche Leistungen über mehrere Jahre ausgeschrieben.
Manchmal ist die Voraussetzung dafür, überhaupt einen Zuschlag bei der Ausschreibung im Rettungsdienst zu bekommen, die Zusicherung, fünf Jahre lang bereitzustehen; oder man bekommt den Zuschlag bei einer Ausschreibung für mehrere Jahre, weil man Einrichtungskapazitäten in einer bestimmten Qualität und Quantität vorhält.
Keiner weiß, wie sich Energiekosten, Personalkosten oder Tariflöhne entwickeln. Damit ein Träger nicht pleitegeht oder über Nacht insolvent ist und Gehaltsforderungen nicht befriedigen kann, muss es logischerweise immer eine kalkulatorische Sicherheitsmarge geben. Das ist völlig klar. Alles andere ermöglichte keinen betriebswirtschaftlich vernünftigen Betrieb von sozialen Einrichtungen.
Bis man sicher nachweisen kann, dass punktuell Gewinnjahre vorliegen und dass punktuell anlassspezifisch Rücklagen gebildet werden müssen, und solange nicht über mehrere Jahre kontinuierlich höhere Gewinne aufwachsen, müssen wir zu den bevorrechtigten Regelungen kommen und dürfen die Gemeinnützigkeit dieser Einrichtungen nicht infrage stellen.
Liquidität – dazu gehört auch ein Kapitalpolster – ist auch für die Anbieter im Bereich der Wohlfahrtspflege elementar wichtig. Das sollten wir als Landtag noch einmal deutlich machen. Von den Vorrednern ist bereits darauf hingewiesen worden: Es gibt keine eigene Regelungsbefugnis, durch die das Land Nordrhein-Westfalen direkt, unmittelbar, aus eigenem Recht in Form eigener Erlassgebung tätig werden könnte.
Es bedeutet jedoch eine gewisse Klarheit für die Betroffenen, wenn sich das Land entsprechend seiner Meinung verhält. Die Landesregierung könnte beauftragt werden, bei den regelmäßigen dienstlichen Kontakten zur Bundesebene ganz klar deutlich zu machen, wie man in Nordrhein-Westfalen mit den Vorschriften umzugehen gedenkt. Man könnte entsprechende Hinweise insbesondere bei der Frage nach der Prüfung bzw. Anerkennung der Gemeinnützigkeit an die Finanzverwaltung weitergeben, damit Unsicherheiten möglichst schnell beseitigt werden können, und somit weiterhin Klarheit für die Betätigungsmöglichkeiten von sozialen Trägern besteht.
Diese Vorgehensweise halten wir für sinnvoll. Insofern stimmen wir dem Anliegen zu und hoffen, dass wir, wenn es in der Sache materiell keinen Dissens gibt, zu einer guten Lösung für alle Betroffenen kommen. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Menschen im Stream und auf der Tribüne! Je mehr man sich mit dem vorliegenden Antrag und den Hintergründen beschäftigt, umso eher kommt man zu dem Schluss, dass die Abgabenverordnung gar nicht der Kern des Problems ist, sondern die stetig zunehmende Ökonomisierung – sprich: Kommerzialisierung – der Freien Wohlfahrtspflege in den letzten 25 Jahren. Sicherlich, diese Kommerzialisierung ist und war nie im Interesse der Freien Wohlfahrtspflege, sondern wurde ihr durch die vom Gesetzgeber vorgegebenen Rahmenbedingungen aufgezwungen.
Was ganz wichtig ist: Diese Kommerzialisierung war auch nie im Interesse der Menschen, die auf die Hilfe der Freien Wohlfahrtspflege angewiesen sind. Die Kommerzialisierung des Sozialen war stattdessen immer im Interesse derer, die sich im sozialen Bereich wirtschaftliche Gewinnmöglichkeiten für Unternehmer wünschen. Am weitesten fortgeschritten ist diese Kommerzialisierung in den Bereichen Rettungsdienste, Krankenhäuser und in der gesamten Altenpflege, sowohl ambulant als auch stationär.
Das hat zur Folge, dass Unternehmer der Freien Wohlfahrtspflege in den Bereichen Rettungsdienste, Krankenhäuser und Pflege den gleichen Zwängen und Risiken unterliegen wie gewinnorientierte Unternehmen, allerdings nicht die gleichen finanziellen Planungsmöglichkeiten besitzen wie diese. Das wird von der Freien Wohlfahrtspflege natürlich als ungerecht empfunden, und das ist es auch.
Traurig ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass sich die Freie Wohlfahrtspflege scheinbar damit abgefunden hat, immer mehr unter wirtschaftlichen Zwängen und Risiken arbeiten zu müssen. Eine Ausnahme ist hier Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband, der den Einzug des Neoliberalismus im Sozialen, der durch Rot-Grün in den 1990erJahren eingeleitet wurde, immer wieder anprangert.
Doch die Mehrheit in der Freien Wohlfahrtspflege scheint sich damit abgefunden zu haben oder hat einfach kapituliert. Denn statt die Abkehr von der Kommerzialisierung ihrer Aufgabenbereiche zu verlangen, fordert die Freie Wohlfahrtspflege mehr Möglichkeiten, gewinnorientiert arbeiten zu können, um mit diesen Gewinnen dann – so die Argumentation – andere notwendige Projekte, Einrichtungen usw. querzusubventionieren.
Doch wollen wir das? Wollen wir wirklich, dass Unternehmen der Freien Wohlfahrtspflege gezwungen sind, als gewinnorientierte Unternehmen zu agieren?
Ist es nicht eher Aufgabe der Politik, ausreichend Mittel zur Verfügung zu stellen und die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die Freie Wohlfahrtspflege ihre Aufgaben wahrnehmen kann, ohne gewinnorientiert agieren zu müssen?
Je mehr ein gemeinnütziges Unternehmen wirtschaftlichen Zwängen und Risiken ausgesetzt ist, umso eher wird es sein Handeln am Wirtschaftlichen und nicht am Sozialen ausrichten – eine Entwicklung, die, wie schon gesagt, besonders stark im Bereich der Rettungsdienste, Krankenhäuser und Pflege vorangeschritten ist.
Das hat in diesen Bereichen dazu geführt, dass sich die Bedingungen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege sowohl für das Personal als auch für die Patienten bzw. Bewohner verschlechtert haben, weil sie sich in ihrem Planen und Handeln immer mehr den gewinnorientierten Unternehmen anpassen mussten und müssen.
Jetzt mag Ihr Vorschlag, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, ein Pflaster sein, welches einige finanzielle Probleme und Unsicherheiten bei der Freien Wohlfahrtspflege lindert, und die Chancen, in Konkurrenz zu gewinnorientierten Unternehmen zu bestehen, verbessert. Doch auch hier wieder die Frage: Wollen wir das? Wollen wir, dass Unternehmen der Freien Wohlfahrtspflege mit gewinnorientierten Unternehmen in Konkurrenz stehen und das Soziale dadurch an Priorität verliert? – Für die Piraten kann ich sagen, dass wir das nicht wollen.
Jetzt ist uns allerdings auch klar, dass die derzeitigen Umstände gemeinnützige Unternehmen dazu zwingen, für die Gesellschaft notwendige Geschäftsbereiche aufzugeben bzw. gar nicht erst zu eröffnen. Daher haben wir bei aller Kritik doch eine gewisse Sympathie und vor allem Verständnis für die Forderungen der Freien Wohlfahrtspflege, die Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, ja als Grundlage für Ihren Antrag genommen haben.
Doch die ganze Problematik und Fragestellung von wegen Gewinnorientierung versus Gemeinnützigkeit ist viel zu komplex, um hier im Plenum innerhalb einer halben Stunde abschließend behandelt zu werden. Schade – das wären sicherlich interessante Gespräche, Anhörungen und Debatten in den Ausschüssen gewesen. Aber so kann ich meiner Fraktion nur empfehlen, sich bei der direkten Abstimmung des Antrags zu enthalten. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Wegner. – Und nun hat die Landesregierung das Wort. Sie wird vom Finanzminister Herrn Dr. WalterBorjans vertreten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wegner, Sie haben vielleicht ungewollt deutlich gemacht, worauf es ebenfalls ankommt, nämlich dass auch beim Verfolgen sozialer Zwecke und sozialer Ziele in einer Organisation der Wohlfahrtspflege Ökonomie eine Rolle spielt; denn es geht darum, mit knappen Mitteln sinnvoll umzugehen.
Genau darum geht es auch, wenn es die Frage zu beantworten gilt: Wie ist es denn, wenn sich Organisationen der Wohlfahrtspflege sozusagen am Rand ihrer Aufgabenstellungen bewegen, wenn es also Bereiche gibt, die möglicherweise mit Gewinn verbunden, aber nicht der Wohlfahrtspflege zuzuordnen sind? Das war die Frage, zu der sich der Bundesfinanzhof verhalten und eine Entscheidung getroffen hat. Es geht darum, in den Bereichen, in die diese Organisationen normalerweise nicht hineinwirken, für Wettbewerbsgleichheit und Neutralität zu sorgen.
Dann hat der Bundesfinanzhof eine Grenze gezogen, die wir alle gemeinsam als zu eng empfunden haben. Wir haben gesagt: Es kann nicht sein kann, dass eine Organisation der Wohlfahrtspflege dann, wenn sie in einem Bereich Gewinne oder Überschüsse erwirtschaftet, die sie für pflegerische Belange in anderen Bereichen benötigt, diese nicht miteinander verrechnen darf.
Deswegen ist der Anwendungserlass zur Abgabenordnung dahin gehend deutlich weiter ausgelegt worden. Er gibt keinen Anlass zu der Annahme, dass man, wenn man sozusagen grenzüberschreitend tätig wird, aber im Bereich der Wohlfahrtspflege bleibt, keine Quersubventionierung vornehmen darf.
Er gibt erst recht keinen Anlass zu der Annahme, dass man innerhalb einer Organisation nicht für schlechte Zeiten vorsorgen und deswegen etwas zurücklegen dürfe. Das ist von allen, die mit dieser Thematik befasst waren, ausdrücklich deutlich gemacht worden.