Protocol of the Session on July 7, 2016

Zudem liegt derzeit vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eine Beschwerde gegen diese Registrierungspflicht bei Prepaid-Karten-Käufen vor. Die Bundesregierung – ich habe das gerade noch einmal nachgeschaut – ist aufgefordert, bis Mitte Oktober eine Stellungnahme vorzulegen. Ich bin, ehrlich gesagt, sehr gespannt auf den Ausgang des Verfahrens.

Aber – das ist auch meine Kritik an dem Piratenantrag – diese Identifizierungspflicht ist nicht die einzige

und noch nicht einmal die problematischste neue Regelung in diesem Antiterrorpaket. Es gibt noch weitere.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Klar!)

Deshalb finde ich Ihren Antrag etwas kurz gegriffen.

(Lachen von Frank Herrmann [PIRATEN])

Bei den anderen beiden wesentlichen Änderungen, auf die ich eingehen will – es gibt aber noch mehr –, handelt es sich erstens um die Rechtsgrundlage für gemeinsame Daten des Bundesamtes für Verfassungsschutz mit ausländischen Geheimdiensten. Wir Grünen teilen natürlich das Ziel, dass man zu einem besseren Informationsaustausch zwischen den Geheimdiensten im Hinblick auf die Gefahren des internationalen Terrorismus kommt. Aber auch hier bestehen bereits heute Rechtsgrundlagen für die Übermittlung an ausländische Geheimdienste, die auf Einzelfälle beschränkt sind und eben nicht eine automatisierte Übermittlung erlauben.

Dieser Gesetzentwurf, der dem Bundestag vorgelegt wurde, bedeutet einen Paradigmenwechsel, weil er eine dauerhafte und automatisierte Struktur des massenhaften Datenaustausches ermöglicht. Das finden wir Grüne schwierig. Wir haben das im Bundestag auch ganz klar abgelehnt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der zweite Aspekt, auf den ich noch eingehen will, ist die Regelung zum Einsatz von verdeckten Ermittlern bei der Bundespolizei. Momentan tagt noch der Bundestagsuntersuchungsausschuss zum NSU. Ich gehe davon aus, dass es dazu noch Bewertungen geben wird. Ich sehe die Eilbedürftigkeit für diese Regelung nicht. Aus meiner Sicht hätte man sich dafür noch mehr Zeit nehmen müssen.

Diese Punkte greifen Sie in Ihrem Antrag leider nicht auf. Meines Erachtens müssen sie aber in dieser Debatte genannt werden, um auch ein vollständiges Bild über diesen Gesetzentwurf zu zeichnen. Uns fehlt das in diesem Antrag. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und Inge Howe [SPD])

Vielen Dank, Frau Kollegin Schäffer. – Der nächste Redner ist der Kollege Lürbke für die FDP-Fraktion.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Früher – zugegebenermaßen ist das schon ein wenig her – konnte man nur von einem Festnetzanschluss telefonieren. Der Anschlussinhaber war dann auch relativ fix zu ermitteln.

Wollte man unbedingt unerkannt bleiben, blieb einem fast nur die Telefonzelle.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Die gab es auch! Genau!)

Genau. – Mit den Telefonzellen ist es heute aber auch etwas schwierig geworden.

(Heiterkeit von den PIRATEN)

Allerdings bringen Prepaid-Handys ebenfalls eine gewisse Form der Anonymität für die Nutzer mit sich.

Aber diese Form der Anonymität – das gehört auch zur Wahrheit hinzu – wird durchaus von gewissen Kreisen gezielt zur Begehung von Straftaten genutzt.

(Monika Pieper [PIRATEN]: Das war bei der Telefonzelle auch so! – Frank Herrmann [PIRATEN]: Das war schon immer so!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb muss man sauber überlegen: Was ist zu tun? Was ist nicht zu tun?

Bereits heute sieht § 111 TKG die Erhebung und Speicherung von persönlichen Daten des Anschlussinhabers vor. Herr van den Berg hat das eben schon hervorgehoben. Bisher wird aber darauf verzichtet, für den Identitätsabgleich eine Überprüfung von Ausweisdokumenten vorzuschreiben.

Den kritischen Stellungnahmen der betroffenen Verbände zur Anhörung im Innenausschuss des Bundestages kann man entnehmen, dass diese Datenerhebung etwa beim Kauf der Prepaid-Karte an der Supermarktkasse erst später über Hotlines oder im Internet erfolgt, wobei die gemachten Angaben des Nutzers garantiert nicht immer korrekt sind.

Ich könnte meine Prepaid-Handys

(Minister Ralf Jäger: Sie haben noch welche?)

insofern auch problemlos unter dem Namen „Ralf Jäger, Duisburg“ anmelden. Herr Minister, das ginge. Ich glaube, das würde durchgehen. Ich mache das nicht.

(Minister Ralf Jäger: Gott sei Dank!)

Aber ich könnte es.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb sehen wir natürlich in dieser Frage Handlungsbedarf. Denn was müssen unsere Ermittler in der Praxis aktuell für Kopfstände machen, um bei einem Prepaid-Handy den Anschlussinhaber zu ermitteln?

In seiner Stellungnahme für den Bundestag hat der BKA-Chef das recht anschaulich ausgeführt: So müssen nicht nur zeitaufwendige, sondern regelmäßig auch wirklich sehr eingriffsintensive verdeckte Ermittlungsmaßnahmen wie TKÜ-Maßnahmen und Observationsmaßnahmen durchgeführt werden, mit

denen erst recht, und dann erheblich, in die Grundrechte auch unbeteiligter Dritte eingegriffen werden muss – und das, obwohl die eigentliche Maßnahme, also das Feststellen des Karteninhabers in Form der gesetzlich geregelten Anschlussinhaberfeststellung, als solche nur einen geringfügigen Eingriff darstellt.

Auch die Bundesdatenschutzbeauftragte erkennt grundsätzlich die Notwendigkeit, bei im Voraus bezahlten Mobilfunkdiensten eine Überprüfung erhobener Bestandsdaten durchzuführen, und sieht hier unter Verweis auf das Bundesverfassungsgericht keine Bedenken.

Die Bundesdatenschutzbeauftragte kritisiert jedoch etwas ganz anderes. Sie hat gegen die vorgesehene Speicherungspflicht von Angaben zu Identitätsdokumenten erhebliche datenschutzrechtliche Bedenken erhoben. Dies würde ihrer Einschätzung nach zu einer massenhaften Speicherung von sensiblen Daten zu Ausweisdokumenten bei Telekommunikationsunternehmen führen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen also, dass man sehr differenziert an dieses Thema herangehen muss. Wir weisen als Freie Demokraten ja immer darauf hin, dass bei solchen Gesetzesänderungen stets Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit zwingend zu beachten sind. Wir brauchen hier Maß und Mitte.

Deshalb muss man auch kritisch im Blick haben, inwieweit die mit dieser Rechtsänderung beanspruchten Ziele so auch tatsächlich erreichbar sind – sprich, ob am Ende nicht ein gewaltiger Mehraufwand, neue Vorgaben für Bürger und Bedenken eines womöglich auch unberechtigten Datenzugriffs auf gespeicherte Informationen bestehen.

Andererseits können potenzielle Straftäter auch einfach auf Karten aus dem Ausland oder auf andere anonyme oder abhörsichere Kommunikationswege ausweichen. Dann hätte man mit einer solchen Gesetzesänderung auch nicht viel erreicht.

Fazit: In unseren Augen ist die Ausweispflicht beim Verkauf von Prepaid-Karten grundsätzlich aus der Sicht der Sicherheitsbehörden nachvollziehbar. Ich sehe auch Handlungsbedarf. Man hat das Ganze aber nicht so einwandfrei gemacht, wie ich es mir aus datenschutzrechtlicher Sicht gewünscht hätte. Es ist an der Stelle auch unverhältnismäßig.

Das wird aber in dem Antrag auch nicht ganz sauber herausgearbeitet. Frau Schäffer hat auch darauf hingewiesen, dass nicht alle Aspekte des Antiterrorpakets darin aufgeführt sind.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Das wäre auch zu lang!)

Insofern haben wir schon ein Problem mit Ihrem Antrag, liebe Piratenfraktion, und werden ihn auch ablehnen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Lürbke. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Jäger.

Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Lürbke, dass Sie ein Prepaid-Handy auf meinen Namen anmelden, löst leichte Gänsehaut bei mir aus; das muss ich ganz ehrlich sagen.

(Marc Lürbke [FDP]: Bei mir auch! – Heiterkeit von allen Fraktionen)

Es ist bereits klargestellt worden: Schon jetzt sind die Verkäufer in der Pflicht, die Daten der Käufer von Prepaid-Karten zu erheben. Es gibt nur einen Haken: Die Angaben werden nur selten überprüft. Das bedeutet, dass quasi jeder unter einem Pseudonym oder unter dem Namen unbeteiligter Dritter einen solchen Anschluss anmelden kann. In der Folge weiß keiner, wer tatsächlich hinter diesem Anschluss steckt.

Prepaid-Handys werden eben nicht nur von unbescholtenen Bürgerinnen und Bürgern verwendet. Es liegt auf der Hand, dass diese Lücke gerade von Straftätern und Terroristen genutzt wird.

Deshalb ist der Eingriff, die Angaben in Zukunft mit den Daten des Personalausweises abzugleichen, gering. Hier geht es nicht um das Abgreifen von Inhalten, sondern einzig und allein um die Zuordnung von Anschluss und Person.

Der Nutzen für eine bessere Strafverfolgung ist hingegen groß. – Herzlichen Dank für die Nicht-Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und Lothar Hegemann [CDU])

Vielen Dank, Herr Minister Jäger. Aber ich denke schon, dass das Parlament aufmerksam war. – Wenn es keine weiteren Wortmeldungen gibt, dann schließe ich an dieser Stelle die Aussprache.