Noch ein Wort zu den Sanktionen in der Grundsicherung für Arbeitssuchende. Die Landesregierung hat stets eine Reform der Sanktionen im SGB II gegenüber dem Bund angemahnt. Deshalb wurden hierzu im laufenden Gesetzgebungsverfahren entsprechende Änderungsanträge im Bundesrat gestellt.
Ziel dieser Anträge war, dem grundrechtlichen Gebot der Gewährleistung des Existenzminimums auch im Sanktionsfall gerecht zu werden. Eine sanktionsfreie Mindestsicherung war jedoch zu keinem Zeitpunkt angestrebt. Eine völlige Abschaffung der Sanktionsregelungen würde das grundsätzliche Gefüge von Fordern und Fördern in der Grundsicherung für Arbeitssuchende verändern. Aus diesen Gründen lehnt die Landesregierung die Forderung des Abgeordneten Schwerd ab.
Das bedeutet jedoch keineswegs, dass sich die Landesregierung nicht auch weiterhin für notwendige Verbesserungen in der Grundsicherung für Arbeitssuchende einsetzen wird. Das werden wir auf jeden Fall weiter vorantreiben.
Nun zum Antrag von Rot-Grün: Mütter und Väter, die sich alleine der Herausforderung der Erziehung ihrer Kinder stellen, bedürfen in besonderem Maße der Unterstützung durch unsere Gesellschaft. Das gilt
Lebt ein Kind nicht nur in einer Bedarfsgemeinschaft, sondern aufgrund der Trennung der Eltern zeitweilig auch in einer weiteren, kommt es bisher zu einer entsprechenden Aufteilung der Ansprüche des Kindes. Dabei steht doch außer Frage, dass zur Existenzsicherung von Kindern, die in zwei Haushalten leben, insgesamt mehr Mittel benötigt werden.
Der Aufenthalt des Kindes in zwei Haushalten führt zu besonderen Bedarfslagen, die bei einer Aufteilung des Sozialgeldes nicht hinreichend berücksichtigt werden können.
Die Einführung eines sogenannten – wie es hier angesprochen wird – Umgangsmehrbedarfs wäre deshalb eine bedarfsgerechte und unbürokratische Alternative zur aktuellen Konstruktion der sogenannten temporären Bedarfsgemeinschaft.
Vor diesem Hintergrund hat der Bundesrat die Bundesregierung bereits im aktuell laufenden Gesetzgebungsverfahren für das Neunte SGB-II
Änderungsgesetz aufgefordert, im Rahmen der anstehenden Neubemessung der Regelsätze einen solchen Umgangsmehrbedarf zu prüfen.
Herr Kollege Kerkhoff, gestatten Sie mir einen Hinweis. Sie sind ja Mitglied des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Ich kann mich sehr gut erinnern – ich bin ja schon zwei Tage mit Bahnfahrt Abgeordneter dieses Hauses –, wie wir vor allem seit 2005 in diesem größten Länderparlament der Bundesrepublik Deutschland über SGB II und SGB-IIÄnderungen diskutiert haben. Gerade dem größten Länderparlament steht es gut an, sich deutlich zu positionieren und klarzumachen, wo die Bedarfe sind.
Ich kann mich aber auch noch daran erinnern, wie wir hier über SGB II gestritten haben und während der Diskussion der Verkehrsminister aus Ihrer Fraktion Panini-Bilder getauscht hat! Das ist eine Wahrnehmung, die mir im Zusammenhang mit SGB II in Erinnerung geblieben ist.
Das BMAS hat mittlerweile angekündigt, nunmehr einen Regelungsvorschlag im Konsens mit den Sozialverbänden zu erarbeiten. Wir werden abwarten, Herr Kollege Kerkhoff, wie der Teil der Bundesregierung, der die Finanzmittel verwaltet, sich hier einbringt. Das ist das, was die Kollegin Griese zu Recht angemerkt hat: dass man im Rahmen der Koalition in der Diskussion über die Finanzierung steht. Wir werden abwarten,
Die Landesregierung wird sich im Laufe dieses Prozesses im Interesse der Betroffenen und der Jobcenter aktiv für die Regelung eines Umgangsmehrbedarfs einbringen; dessen können Sie gewiss sein. Von daher begrüßen wir die Antragstellung seitens der Regierungskoalition. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Deshalb schließe ich die Aussprache.
Schwerd Drucksache 16/12335. Kollege Schwerd hat direkte Abstimmung über seinen Antrag beantragt. Deshalb darf ich fragen, wer für diesen Antrag ist. – Das sind die Piratenfraktion und der Kollege Schwerd. Wer stimmt dagegen? – Das sind SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP. Enthält sich jemand der Stimme? – Das ist nicht der Fall. Damit stelle ich fest, dass der Antrag Drucksache 16/12335 mit großer Mehrheit abgelehnt wurde.
Ich lasse zweitens über den Antrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/12360 abstimmen. Die antragstellenden Fraktionen haben ebenfalls direkte Abstimmung beantragt. Zu der kommen wir dann auch. Wer für den Antrag ist, den darf ich um das Handzeichen bitten. – Das sind SPD, Bündnis 90/Die Grünen, die Piratenfraktion und der fraktionslose Abgeordnete Schwerd. Wer stimmt dagegen? – Das ist die CDU-Fraktion. Wer enthält sich der Stimme? – Das sind die Abgeordneten der Freien Demokraten. Damit stelle ich fest, dass der Antrag Drucksache 16/12360 angenommen wurde.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die antragstellende FDP-Fraktion Herrn Abgeordneten Alda das Wort. – Bitte, Herr Kollege Alda.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! 1,5 Milliarden € sollen im kommenden Jahr aus den Rücklagen des Gesund
heitsfonds an die Krankenkassen ausgezahlt werden, so der Plan von Gesundheitsminister Gröhe. Das ist in unseren Augen ein hinterlistiger Plan. Die Krankenkassen erhalten mehr Geld für steigende Ausgaben. Das tut vermeintlich auch niemandem weh, da die Menschen in Deutschland das weder in der Geldbörse noch auf dem Lohnzettel spüren, nach dem Motto: Merkt ja keiner.
In Wirklichkeit aber werden die angesparten Gelder der Beitragszahler für einen einmaligen Effekt im Wahljahr 2017 verfrühstückt. Geradezu hanebüchen ist die Begründung, dass mit diesen Mitteln die Mehrbelastungen aufgrund der Gesundheitsausgaben für Flüchtlinge ausgeglichen werden sollen. Da sollten wir uns doch lieber mal die tatsächliche Rechtslage anschauen.
Nach einer Aufenthaltszeit von 15 Monaten übernehmen zwar die Krankenkassen die Behandlungen im vollen Leistungsumfang, die Kosten sind aber weiterhin von den kommunalen Trägern zu erstatten. Da gibt es also gar keine Mehrbelastungen in der Krankenversicherung. Flüchtlinge können überhaupt erst mit der Anerkennung als Asylberechtigter oder mit der Erteilung anderer Aufenthaltstitel bei subsidiärem Schutz als reguläres Mitglied einer Krankenkasse zusätzliche Kosten verursachen. Und diese Kosten führen nur deshalb zu Mehrbelastungen, weil die pauschalen Beiträge des Bundes für alle – das gilt auch für deutsche Leistungsempfänger von Arbeitslosengeld II – nicht kostendeckend sind.
Der Bund zahlt für jeden Leistungsempfänger etwas über 90 € im Monat. Die durchschnittlichen Leistungsausgaben in der gesetzlichen Krankenversicherung liegen jedoch bei monatlich 245 € je Versichertem. Für den betroffenen Personenkreis der Leistungsempfänger wird zwar ein niedriger Beitrag von round about 200 € im Monat geschätzt; dennoch zeigt dies offensichtlich, dass hier der Bund zulasten der Krankenkassen einfach zu geringe Beiträge zahlt.
Uns ist durchaus bekannt, dass vonseiten der Länder bereits im Hinblick auf die im Sozialgesetzbuch V für 2018 vorgesehene Überprüfung der Beitragsfestsetzung eine Evaluation der tatsächlichen Aufwendungen gefordert wurde. Aber hier muss die Landesregierung noch viel deutlicher für eine auskömmliche Höhe der Beiträge für Bezieher von Arbeitslosengeld II eintreten.
Bei der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe – hier komme ich zum eigentlichen Kern dessen, was da nicht richtig angegangen wird – der Bewältigung der Zuwanderung sollten alle Bürger – und nicht nur die Beitragszahler der gesetzlichen Krankenversicherungen – für Mehrausgaben eintreten. Wer mit der Begründung der Gesundheitsausgaben für Flücht
linge die angesparten Beiträge der Versicherten aufbraucht, der schürt Ressentiments und stärkt letztendlich leider die Rechtspopulisten.
Der Bundesregierung geht es aber um etwas ganz anderes. Die Summe aller Sozialversicherungsbeiträge droht zum 1. Januar 2017 die Hürde von 40 % zu überspringen. Das ist eine selbstgesteckte Zielmarke, die sie eigentlich nicht erreichen wollte. Mit der bereits feststehenden Beitragserhöhung in der Pflegeversicherung haben wir diese Grenze schon fast erreicht. Darum sollen steigende Zusatzbeiträge in der Krankenversicherung um jeden Preis vermieden werden.
Die Gesetzgebung des Bundesgesundheitsministeriums in der laufenden Legislaturperiode hat erhebliche Ausgabensteigerungen zur Folge. Ich nenne nur: Krankenhausstrukturgesetz, Präventionsgesetz, EHealth-Gesetz. All das ist nicht verkehrt, wird aber sehr viel Geld kosten.
Angesichts der laufenden, ansteigenden – das muss man unterstreichen – Ausgaben stellt ein einmaliger Eingriff in die Rücklagen des Gesundheitsfonds keine Problemlösung dar. Der Effekt wird nach dem Wahljahr 2017 verpuffen, und die Zusatzbeiträge werden umso stärker steigen.
Daher, liebe Kolleginnen und Kollegen, könnten Sie unserem Antrag in aller Ruhe zustimmen. Denn es gilt, Wahlgeschenke wie den Eingriff in den Gesundheitsfonds und immer weiter ausgedehnte Leistungsversprechen zu stoppen und wieder zu einer zukunftsorientierten und verantwortungsvollen Finanzierung der Sozialversicherung zurückzukehren. Dafür sollten wir auch hier in Nordrhein-Westfalen ein Zeichen setzen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Alda, die von Ihnen angesprochene Problematik der gesetzlichen Krankenversicherung ist allgemein bekannt und nicht neu.
Dennoch kann dem Antrag heute nicht zugestimmt werden. Zu diesem Antrag liegen bisher noch keine konkreten Informationen seitens des Gesundheitsministeriums vor, sondern lediglich Pressemitteilungen und Interviews von Gesundheitsminister Gröhe. Ohne detaillierte Aussagen zu Gesetzesänderungen werden wir potenzielle Pläne oder angebliche Vorschläge nicht bewerten können.
Ohne Information oder schriftliche Anträge des Bundesgesundheitsministeriums ist die von der FDP geforderte Bundesratsinitiative weder zielführend noch problemlösungsorientiert. Damit gilt abzuwarten, bis konkrete Pläne vorliegen; denn wir handeln aufgrund von Tatsachen und nicht auf der Basis von Pressemitteilungen oder Hörensagen, was der Gesundheitsminister verlautbart hat.
Auch die Forderung der FDP, keinen Gesetzen zuzustimmen, die mit weiteren Ausgabensteigerungen der gesetzlichen Krankenversicherung zulasten der Beitragszahler verbunden sind, weisen wir entschieden zurück. Damit wären in Zukunft im Bundesrat auch jegliche Regelungen zur Verbesserung der Versorgung der Menschen abzulehnen, wenn diese zu Mehrausgaben führen würden. Das kann nicht im Sinne der Bürgerinnen und Bürger sein.
Im Übrigen möchte ich Sie noch mal darauf hinweisen, dass es sich bei der gesetzlichen Regelung im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung
Die Aufforderung, die Beiträge für die Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II anzupassen und so eine bessere Ausgabendeckung für diesen Personenkreis zu erreichen, teilen wir. Innovativ ist dieser Vorschlag jedoch nicht – ganz im Gegenteil.
Die Gesundheitsministerkonferenz hat die Bundesregierung in einem einstimmigen Beschluss – übrigens auf Antrag von Nordrhein-Westfalen und anderen Bundesländern – längst zur Prüfung aufgefordert, inwieweit die Beiträge des Bundes an die gesetzliche Krankenversicherung für Empfängerinnen und Empfänger von Arbeitslosengeld II noch adäquat sind. Ziel dieser Überprüfung ist es, dass nicht alleine die Versicherten und Beitragszahler über den Zusatzbeitrag für mögliche Defizite aufkommen, sondern dass der Bund über höhere Beiträge für Arbeitslosengeld-II-Empfänger dem Entstehen einer Finanzierungslücke in der gesetzlichen Krankenversicherung vorbeugt.