Wir sehen mit großem Interesse, dass es in der Tat innerhalb von einem vergleichsweise kurzem Zeitraum geglückt ist, zu weitreichenden Verabredungen beim Thema „BEPS“ – Base Erosion and Profit Shifting – zu kommen, dass es hier in der Tat einen Gesetzentwurf der Bundesregierung gibt, der eine Reihe von Maßnahmen auch in Umsetzung der OECD-Empfehlungen vorsieht, die schon im Falle ihrer Beschlussfassung einen großen Schritt darstellen und Veränderungen im Vergleich zur Situation bedeuten, mit der wir es in den letzten Jahren und Jahrzehnten zu tun gehabt haben.
Eine lange Liste von Maßnahmen ist das, die es in den nächsten Wochen und Monaten weiter zu prüfen, diskutieren und zu bewerten gilt. Vieles ist neu an Aufzeichnungspflichten für Verrechnungspreise, länderbezogene Berichte und Tax-Rulings, was künftig hier beschlossen und auf den Weg gebracht wird. Insbesondere gibt es einen besseren Informationsaustausch, der sich ausdrücklich auch auf die Finanzkonten nicht nur der EU-Staaten, sondern auch all der Drittstaaten bezieht, mit denen die EU in Vertragsbeziehungen steht.
Und die streitige Frage ist die: Muss einer Finanzverwaltung das Datenmaterial vorliegen, oder soll es auch allgemein transparent, öffentlich verfügbar sein? Und diese sollten wir, glaube ich, ganz pragmatisch und unideologisch beantworten.
Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche, Herr Kollege, obwohl Ihre Redezeit gerade auch abläuft. Aber Herr Kollege Schulz würde Ihnen gern noch eine Zwischenfrage stellen.
Vielen Dank, lieber Kollege Ralf Witzel, dass Sie die Zwischenfrage noch zulassen. – Es wurde gerade von Ihnen ein umfangreiches Gesetzespaket, ein Gesetzentwurf erwähnt vor dem Hintergrund der Empfehlungen der OECD. Teilen Sie mit mir gegebenenfalls die Befürchtung, dass vor dem Hintergrund der Unwägbarkeiten, was den Brexit angeht, Derartiges erst einmal noch weit in die Zukunft geschoben werden könnte?
Zur Frage des Brexit: Der wird viele Probleme in den nächsten Wochen und Monaten aufwerfen, an die wir heute noch nicht denken, und sicherlich vieles im Finanzbereich erschweren, auch, glaube ich, für die Briten, weil außerhalb der EU der Finanzplatz London nicht mehr so interessant sein wird, wie er es die letzten Jahre war. Er wird aber natürlich, wenn es europäisches Recht gibt und Großbritannien sich dem nicht mehr unterwerfen will, für den Finanzplatz London genauso Schwächungen bedeuten, wenn sich die Behörden und Unternehmen dort zurückziehen werden, wie er natürlich für die, die vielleicht andere Dinge vorhaben, neue Gestaltungsoptionen offenbart.
Deswegen ist die Entscheidung in Großbritannien zu bedauern aus einer europäischen Perspektive heraus. Es wird jetzt gründlich im Blick zu behalten sein, welche neuen Gestaltungsgelegenheiten sich ergeben und in welchem Umfange die genutzt werden.
Für mich ist bei Ihrer Frage, wenn ich es auf den Antrag beziehe, aber das Entscheidende, dass wir den
Informationsaustausch auf Behördenseite haben. Ich glaube, das ist ein riesiger Fortschritt. Ob all das auch immer gleich ins Netz gestellt werden muss für jedermann, ist die Frage.
Letzte Bemerkung – was auch zur Gesamtbewertung mit dazugehört –: Selbstverständlich ist Steuerpolitik auch Standortpolitik. Wenn sich alle Mitgliedstaaten und assoziierten Staaten darauf verständigen, hier zu Transparenz, zu Verschärfungen zu kommen, dann ist das gut. Wenn wir für uns in Deutschland nationale Verpflichtungen empfinden, an die sich andere umgekehrt nicht gebunden fühlen, dann ist das auch mit Nachteilen verbunden. Und das gilt es gründlich abzuwägen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das war ja jetzt ein buntes Spektrum an Themen, das unter die Überschrift gepackt worden ist: Wie machen wir wirklich ernst damit, Steuerumgehung und Steuerbetrug zu bekämpfen?
Es scheint ein bisschen der Stimmung geschuldet zu sein – das sage ich auch an die Adresse derer, die uns hier zuhören und zusehen –, dass einige, glaube ich, ein bisschen urlaubsreif sind und deswegen das eine oder andere Foto aus Griechenland schon einmal zeigen.
Also, ich finde, wir sollten noch einmal deutlich machen, worum es in dieser Frage wirklich geht; dazu ist sie nämlich viel zu ernst.
Das Land Nordrhein-Westfalen ist ein Land, das immerhin zu den größten Mitgliedstaaten der Europäischen Union als Einheit gehören würde. Es ist nicht so, dass das nichts damit zu tun hat, was auf der internationalen Ebene passiert.
Hier werden im Regelfall doch immer sehr konträre Anträge von der Opposition gestellt. Die gehen zum einen dahin, dass für alles, wo es mangelt, mehr Geld ausgegeben werden soll, und dass auf der anderen Seite aber die Verschuldung heruntergeführt werden soll und dass man am besten auch noch die Steuerlast senkt.
Ja, ja, das können Sie ja so schön rufen, und dann haben Sie sicher auch eine Idee. Ich habe bislang
immer nur gehört, dass wir zum Beispiel bei Polizisten zu wenige einstellen und alle diese Punkte. Aber darüber können wir an anderer Stelle reden.
Ich kann Ihnen nur sagen, dass diese Quadratur des Kreises möglich wäre, wenn diejenigen, die ihre Steuern zahlen müssen, auch zahlen würden,
und wenn diejenigen, die hier in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen mit der Kaufkraft der Menschen in diesem Land ihr Geld verdienen, ihre Steuern auch hier bezahlen würden. Das würde dazu beitragen, dass wir eine Menge mehr machen könnten – mit all den Rahmenbedingungen, die wir einhalten wollen und einhalten werden und sogar auch ein Stück mit der Entlastung der ehrlichen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.
Die Frage ist jetzt: Passiert da genug? Wir haben von Nordrhein-Westfalen aus eine Menge angestoßen. Es wäre nicht nur in Deutschland, sondern es wäre auch auf der Ebene der Europäischen Union einiges nicht passiert, wenn beispielsweise Deutschland das Abkommen mit der Schweiz unterzeichnet hätte.
Jetzt zur Frage, was der Bundesfinanzminister macht. – Herr Optendrenk, Sie kennen mich ein bisschen, und Sie haben einiges richtig vorhergesagt. Ja, ich sage Ihnen auch hier noch einmal: Wolfgang Schäuble ist jemand, dem ich abnehme, dass er das Ausmanövrieren der Allgemeinheit durch Unternehmen, die sich mit Tricks bedienen, oder erst recht durch die, die gegen die Gesetze verstoßen, für falsch hält und verändern will.
Aber man muss genauso deutlich sehen, dass alles das, was man mit ihm zusammen bespricht, anschließend im Bundesfinanzministerium und auch in den ihn tragenden Fraktionen im Bundestag verwässert und verzögert wird.
Wir brauchen uns nur anzuschauen: Wie ist es denn mit manipulationssicheren Registrierkassen? Wir brauchen uns nur mal anzuschauen: Was steht denn im Koalitionsvertrag auf der Bundesebene auf Seite 65, linke Spalte, in der Mitte. Ich weiß es, weil ich es formuliert habe. Dort steht, dass wir uns angucken müssen, was auf der europäischen Ebene durchgesetzt wird, und dass wir uns dann vorbehalten, auch nationale Schritte zu unternehmen.
Nationale Schritte, Herr Schulz! – Nicht als NRW; das kann man nicht machen. Ich kann hier nicht eine alleinige Besteuerung von Lizenzen vornehmen. Aber wir können auf der Bundesebene tätig werden und sagen: Wir müssen das da durchsetzen. – Und die
Bundesrepublik hat Möglichkeiten – nicht nur Möglichkeiten: Sie hat eigentlich gar keine andere Chance, als auch auf der nationalen Ebene parallel zu ihren internationalen Bemühungen Regeln einzuführen.
Wir haben gerade gestern auf der europäischen Ebene zwei Berichte in Empfang genommen. Da geht es darum, dass die Lux-Leaks aufgearbeitet worden sind. Und wozu haben die geführt? – Die haben gezeigt, dass Unternehmen wie etwa Ikea und andere sich überhaupt nicht verändert haben, sondern dass sie in riesiger Milliardenhöhe Gewinne machen, die sie unter Ausnutzung der unterschiedlichen nationalen Rahmenbedingungen so gut wie null versteuern.
Und dazu gibt es Gegenrezepte, denn Ikea möchte nicht alle seine Möbelhäuser auf den Jungferninseln haben. Und Ikea möchte auch nicht alle Möbelhäuser nur in Luxemburg haben. Sie brauchen sie hier, weil hier die Kaufkraft und die Kunden sind. Deswegen muss es möglich sein – und das ist auch europarechtskonform möglich –, dass wir in Deutschland nicht zulassen, dass die gesamten Gewinne in Form von Darlehen oder aber in Form von Lizenzzahlungen abgesaugt werden.
Wir können eine Mindestbesteuerung einführen. Dazu wird Nordrhein-Westfalen – Herr Schulze, das sage ich Ihnen zu – auch einen Vorstoß auf der Bundesebene machen.
Deshalb ist das in dem Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen richtig wiedergegeben worden. Es ist ein bisschen auch die Zuspitzung auf das – wie es Herr Abel schon angesprochen hat –, was wir hier schon tun. Ich fühle mich dadurch sehr unterstützt. Wir werden auch an diesem Punkt weiterarbeiten und haben zusammen auch schon eine Menge erreicht – allerdings eben manchmal auch gegen die politische Familie von Herrn Schäuble, die ihn da selber ein ganzes Stück ausbremst. – Danke.
Herr Optendrenk, Sie kritisieren den Einsatz des Finanzministers für Steuergerechtigkeit. Und da Ihnen die Argumente fehlen, haben Sie dann versucht, das mit einem Bild von ihm zusammen mit Herrn Tsipras zu diskreditieren, und dargestellt, man sollte doch so seriös sein wie Herr Schäuble – das wäre ein besseres Beispiel.
Das hier ist ein Bild von Herrn Schäuble Hand in Hand mit Herrn Varoufakis, dem berühmten Finanzminister in Griechenland.
Das zeigt, wenn man ehrlich ist: Es kann nicht der falsche Weg sein, sich mit den griechischen Kolleginnen und Kollegen zu unterhalten, sonst hätten Sie ja jetzt auch Herrn Schäuble für unseriös erklärt. Ich möchte ernsthaft sagen: Dem Landesfinanzminister hier vorzuwerfen, dass er sich dafür einsetzt, dass in Griechenland vernünftig Steuern erhoben und bezahlt werden, sodass damit den Menschen in Griechenland in ihrer schwierigen Situation geholfen werden kann, halte ich für einen Skandal. Ich bitte Sie, das zurückzunehmen.
Danke schön, Herr Kollege Zimkeit. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, damit kann ich dann auch die Aussprache zum Tagesordnungspunkt 5 schließen.