„Derzeit ist noch völlig unklar, ob Nordrhein-Westfalen … 2020 überhaupt die Mindestanforderungen an die Schuldenbremse … erfüllt.“
„SPD und Grüne haben sich aus dieser Interessenlage auch entschieden, bloß keine verbindlicheren Regeln für einen besseren Schuldenstopp auf Landesebene zu vereinbaren, wie dies andere Bundesländer längst beschlossen haben.“
Wir wissen, warum das so ist, und wir wissen im Übrigen, dass das Grundgesetz auch so gilt, wie es da steht. Und wir wissen, dass es im Zweifel an einigen Stellen dadurch engere Bindungen anlegt, als wenn es eine Lösung zusätzlich – wie wir sie alle in der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen wollten – gibt.
Vor diesem Hintergrund kann ich die gestellte Frage, ob Finanzminister Walter-Borjans mit seinen Vorstellungen scheitert oder nicht, beantworten: Dafür gibt es keine Anzeichen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin, für die Gelegenheit zu einer ersten Nachfrage. – Herr Finanzminister Dr. Walter-Borjans, Sie haben in Ihrer Antwort gerade zu dem materiell neuen Erkenntnisstand der Wissenschaft leider nichts gesagt, obwohl wir auch danach ausdrücklich als Begründung für
Es gibt nämlich die Berechnungen des renommierten Ökonomen Prof. Lenk der Uni Leipzig, dass basierend auf den aktuellen Daten bei der Mai-Steuerschätzung 2016 Nordrhein-Westfalen wieder zukünftig ein Nehmerland des Länderfinanzausgleichs ist. Das heißt, die aktuellen Erkenntnisse der Wissenschaft – basierend auf aktuellen Daten – führen dazu, dass genau das Gegenteil von dem eintritt, was Sie als Zielsetzung und Erfolg des Landes kommuniziert haben.
Meine Frage lautet deshalb: Wenn Ihnen sicherlich die aktuellen Berechnungen und Untersuchungen bekannt sind, muss man dann nicht von einem Scheitern der Zielsetzungen reden, wenn das für Sie wichtigste kommunikative Ziel ganz offenbar nicht wahrscheinlich als Ereignis eintritt?
Das kommunikative Ziel, das Sie unterstellen, ist falsch. Es gab zwei Ziele – dazu zählte nicht das kommunikative Ziel –, die wir immer deutlich gemacht haben. Wir wollen zum einen Transparenz – wir wollen nicht eine Seite im Dunkeln und eine Seite im Hellen – und wir wollen zum anderen mehr von der Finanzkraft dieses Landes hier halten. Diesen beiden Anforderungen kommt das Modell, das die Länder gemeinsam verabredet haben, nach.
Die Frage, ob am Ende nach der Berechnung, wie sie dann vorgenommen wird – bei der Verteilung der Umsatzsteuer an die einzelnen Länder –, mehr oder weniger pro Kopf dabei herauskommt als der Durchschnitt, wird dadurch entschieden, wie sich die Steuern entwickeln werden.
Zunächst mal der Hinweis: Nordrhein-Westfalen – das haben wir immer gesagt – liegt mit fast all seinen Werten immer nah beim Durchschnitt. Ehrlich gesagt, es wäre nicht mehr als gerecht, wenn am Ende Nordrhein-Westfalen in einer neutralen Zone läge, d. h. weder Geber- noch Nehmerland ist. Die Berechnungen, die wir auf der Grundlage der alten Steuerschätzung vorgenommen haben, haben uns ja auch nicht mehr weit entfernt auf der Geberseite gesehen, sondern sie entsprachen in der Tat der Nähe der neutralen Zone.
Jetzt gibt es eine neue Steuerschätzung, auf die Lenk aufsetzt und sagt: Nach dieser Rechnung kommen wir mit 112 Millionen € in die Nehmerzone. Ich rede von 112 Millionen € bei einem Umverteilungsvolumen von 16 Milliarden €. Das ist nichts, was nicht sein darf. Sie wissen aber auch ganz genau, dass sich die Schätzungen jedes Jahr wieder ändern und
dass es sich vor allen Dingen bei der Schätzung, auf der die Aussage von Prof. Lenk basiert, um eine Schätzung zu einem Zeitpunkt handelt, wo es vor allem in einem Bereich, nämlich im Bereich der Energie, einen Einbruch bei den Steuereinnahmen gab. Das erklärt das ein Stück weit.
Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Minister, laut Berichten in einigen Zeitungen ist das Ländermodell für eine Neuordnung des Länderfinanzausgleichs in der vorliegenden Form mit dem Bund nicht eins zu eins verhandelbar oder umsetzbar. Welche Prioritäten setzen Sie bei den Verhandlungen mit dem Bund für die Wahrung des Landesinteresses von Nordrhein-Westfalen?
In dem gegenwärtigen Modell, Herr Nückel, haben wir – das haben wir hier schon diskutiert – uns mit unseren Interessen wiedergefunden. Das ist ein Kompromiss. Dass wir nicht zu einer anderen Lösung kämen, wenn wir ein eigenes Modell machen würden, dem sich alle anderen zu unterwerfen hätten, würde, glaube ich, nicht verwundern. Es ging hier darum, eine einigungsfähige Lösung unter den Ländern zu finden, im Übrigen mit einem Beitrag des Bundes in einer Größenordnung, wie er von Herrn Schäuble in den Vorstufen zu dieser Einigung selbst immer schon angedeutet und akzeptiert worden ist. So.
Das heißt, wenn ich überhaupt an diesem Modell – das habe ich hier im Landtag auch schon gemacht – Kritik zu üben hätte, dann ist es die, dass die Entlastung unter anderem Nordrhein-Westfalens, also der Länder, die über die Umsatzsteuer praktisch eine Ergänzungszuweisung für die ostdeutschen Länder gegeben haben, wenn diese jetzt in dem Modell vom Bund übernommen wird, nicht nur eins zu eins übernommen wird, sondern dass der Bund sogar noch ein Stück mehr in die Bresche springt, als die Länder Nordrhein-Westfalen, Bayern und andere in diesem Bereich entlastet würden.
Das ist aber ein Punkt, den haben wir nicht zu verhandeln. Insofern ist das ein Stück ärgerlich, weil natürlich jede Überkompensation von Schwächen im Osten auch ein Stück dazu führt, dass diese Länder mehr Möglichkeiten auch für Infrastruktur, Bau und andere Dinge haben, als wir sie haben.
Aber rein gerechnet an der Veränderung unserer Position in Nordrhein-Westfalen und der Länder, im Wesentlichen der westlichen Länder, ist das Ergebnis völlig in Ordnung.
Jetzt hat sich der Bund nach langer Zeit – die haben Sie angesprochen, aber nicht verursacht von den Ländern –, in der er sich nicht geäußert hat, geäußert und hat gesagt, dass er das so nicht mittragen will. Das ist Gegenstand unter anderem eines Kamingesprächs, an dem die Ministerpräsidentin morgen mit den Regierungschefs der Länder und der Kanzlerin und dem Bundesfinanzminister teilnimmt. Ich kann das Ergebnis jetzt nicht vorwegnehmen. Ich kenne es nicht.
Sie kennen die einzelnen Positionen, unter anderem die von Bayern, und die, die wir, die anderen eingenommen haben. Darüber wird morgen Abend geredet. Dann muss man gucken, ob man da zu einer Einigung kommen kann oder ob es auch weiterhin zunächst einmal nicht möglich ist, die überraschenden Divergenzen – weil der Bund hier in einer Größenordnung eingeplant und eingepreist ist, die nicht anders ist als das, was in Vormodellen zusammen mit dem Bundesfinanzminister auch besprochen worden ist – auszuräumen.
Ob man die Lücke schließen kann, die Brücke bauen kann, das kann ich nicht beurteilen. Da müssen wir morgen Abend abwarten.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Finanzminister, Sie haben in der Vergangenheit unter anderem die Einwohnerveredelung der Stadtstaaten kritisiert. Jetzt gibt es diese Veredelung bekanntermaßen auch weiterhin in dem Ländermodell für die dünn besiedelten Länder. Wie beurteilen Sie denn die Sinnhaftigkeit des Festhaltens an diesen Mechanismen in Ihrem MPK-Modell?
Die Veredelung auch in den dünn besiedelten Ländern ist ja nicht neu in diesem MPK-Modell. Wir haben diese Veredelung auch in dem bisherigen Modell. Es gibt einen 35%igen Zuschlag bei den Einwohnern für die Stadtstaaten, und es gibt einen um wenige Prozent und etwas variierenden Zuschlag auf die kommende Finanzkraft für einige dünn besiedelte Länder. Das ist nicht neu. Es ist etwas, was ich kritisiert habe und was ich auch nach wie vor kritisiere, was aber bei einem Kompromiss, der zu schließen ist, auch ein Teil ist, den man gegebenenfalls dann auch akzeptieren muss.
Ich bleibe dabei, dass auch wir Ballungsräume mit entsprechenden Belastungen haben, wie sie in den Ballungsräumen, die Stadtstaaten sind, auch da sind. In der Verhandlung, die wir geführt haben, was die einzelnen Komponenten anging, war es am Ende ein Modell, zu dem wir gesagt haben: Jeder muss da seinen Schritt tun. Das haben 16 Länder gemacht. Deswegen stehe ich auch zu diesem Kompromiss.
Ich sage noch einmal: Wenn ich mir meine eigene Lösung basteln dürfte, würde ich sicher ein paar Dinge anders machen.
Danke, Frau Präsidentin. – Herr Finanzminister, Herr Bundesfinanzminister Schäuble hat ein alternatives BMF-Konzept für die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen zu dem erwähnten Ländermodell erstellt. An Sie die Frage, Herr Minister: Wie bewerten Sie die einzelnen Vorteile und Nachteile des BMF-Modells im Vergleich zu den anderslautenden Vereinbarungen der Länder? – Danke.
Der Bund hat ein Modell vorgelegt, das zunächst einmal die Auswirkung hat, dass er sich mit einer geringeren Summe beteiligt. Das heißt, am Ende ist das erst einmal etwas, was bei allen Ländern dazu führen würde, dass ihre Position sich verschlechtert. Wenn die dann so austariert ist, dass sich unsere etwas weniger verschlechtern würde als andere, ist das noch kein Grund zu sagen: Das ist ein schönes Modell.
Wir können immer gerne darüber reden, dass der Bund Anteile verschiebt, aber insgesamt bei dem Beitrag bleibt, den er zahlt, um dann zu besseren Ergebnissen zu kommen. Nur – man kann es sich leicht vorstellen – dann ist die Einigung, die die Länder untereinander erzielt haben, hinfällig. Deswegen kann ich mir nicht vorstellen, dass es dazu kommt. Noch einmal: Ich kann die Ergebnisse dessen, was morgen Abend besprochen wird, nicht vorwegnehmen.
Vielen Dank. – Herr Minister, der Bundesfinanzminister sieht die von Nordrhein-Westfalen geforderte Abschaffung des sekundären horizontalen Finanzausgleichs bekanntermaßen kritisch. Insbesondere sieht er „unnötige verfassungsrechtliche Umsetzungsschwierigkeiten“ an diesem Punkt.
Deshalb meine Frage an Sie: Welche verfassungsrechtlichen Schwierigkeiten sehen Sie bei einer möglichen Umstellung auf einen Umsatzsteuerausgleich als ein zentrales Instrument zur Angleichung der Finanzkraft?
Erst einmal, der Bund war nach langem Hinwirken unsererseits und auch meinerseits derjenige, der sich am klarsten positioniert hat und die einzügige Ausgestaltung des Länderfinanzausgleichs haben wollte. Die Frage war am Ende lediglich, über welche der beiden früheren Teilkomponenten das Gesamte ausgeglichen wird, ob man das macht, indem man sagt: Das verteilen wir über die Umsatzsteuer, oder wir machen es ganz ohne Umsatzsteuer. Das Ergebnis ist aber dasselbe.
Es ging darum, die beiden zusammenzupacken und den Umsatzsteuervorwegausgleich, also sozusagen Ergänzungszuweisungen einiger Länder für finanzschwache andere Länder aufzuheben. Dagegen hatte der Bund nie etwas, sondern das war sogar eine Vorbedingung, mit der der Bund die Länder sozusagen auf die Reise geschickt hat, die Länder, sich erst einmal selbst untereinander zu einigen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, unabhängig von den Gesprächen des morgigen Tages, die Sie erwähnt haben, bleibt ja festzustellen, dass sich die Landesregierung für ein Ländermodell ausgesprochen hat, das die Forderung an den Bund beinhaltet, rund 10 Milliarden € mehr Finanzmasse für die Länderseite zur Verfügung zu stellen.
Nach der Verabredung der Länder erhält NordrheinWestfalen daraus einen Anteil, der – das ist meine Bewertung – unterproportional ist, weil er jedenfalls weder nach dem Königsteiner Schlüssel noch nach irgendeinem anderen gängigen Verteilkriterium der Stärke Nordrhein-Westfalens entspricht. Das ist aus meiner Sicht eine unbefriedigende Lösung für das Land, das nicht nur überdurchschnittliche Haushaltsprobleme hat, sondern auch behauptet, nach wie vor einige Herausforderungen mit Blick auf Strukturwandel zu haben.
Da bleibt für mich die Frage: Warum wirbt die Landesregierung für ein Modell, bei dem NordrheinWestfalen stark unterdurchschnittlich an einer allgemein verbesserten Finanzausstattung aller Länder partizipiert?
(Martin Börschel [SPD]: Herr Witzel hätte die Frage auch nicht schöner stellen können! – Gegenruf: Aber ihre Stimme ist besser! – Hei- terkeit und Beifall von der SPD)
Frau Freimuth, ich habe das eben ja schon einmal gesagt. Nordrhein-Westfalen liegt in den meisten Kenngrößen ziemlich im Durchschnitt der Länder, unter anderem auch deshalb, weil wir bei unserer Größe von mehr als einem Fünftel den Durchschnitt natürlich auch enorm prägen. Das zeigt ja auch, dass wir beispielsweise deshalb immer ziemlich gelassen sein können, wenn es darum geht, auf welche Weise etwa Mittel verteilt werden.
Bei anderen Ländern ist es so, dass es sehr unterschiedliche Auswirkungen hat, ob man etwa die Kosten der Unterkunft oder die Eingliederungshilfe als Kriterium nimmt, ob man den Soli über die Einkommensteuer einbezogen hätte oder zur Bedienung der Altschulden. Sie wären immer zu dem Punkt gekommen, dass Nordrhein-Westfalen praktisch in einer ähnlichen Weise dabei abgeschnitten hätte, während das für andere Länder enorme Unterschiede bedeutet hätte.
Von daher muss ich Ihnen erst schon einmal widersprechen. Wir haben auch kein überdurchschnittliches Finanzproblem. Das haben wir auch im Durchschnitt. Unsere Pro-Kopf-Verschuldung liegt im Durchschnitt der Länder.
Das heißt, von da an gemessen wäre eigentlich bei einem Länderfinanzausgleich, der gerecht ist, auch zu erwarten, dass Nordrhein-Westfalen um den Nullpunkt herum liegt. Das ist das eigentliche Ergebnis. Wir haben aber über Jahre immer anderthalb Milliarden draufgelegt mit den beiden Teilen dieses Finanzausgleichs. Deswegen ist das Ergebnis aus der Sicht von Nordrhein-Westfalen in Ordnung.
Ich stimme Ihnen zu. Die Tatsache, dass wir gemessen an anderen Ländern dadurch jetzt unter dem Durchschnitt sind, hat damit zu tun, dass diese gemeinsame Ländereinigung ein Stück weit auch nur dadurch zustande gekommen ist, dass praktisch die vom Bund angedeuteten Mittel im Vorfeld in einem erheblichen Maße auch wieder zur Kompensation in die ostdeutschen Länder gehen. Das ist ein Punkt, den ich hier im Landtag selbst schon kritisch angemerkt habe.