Protocol of the Session on July 6, 2016

Wenn das Ihre Herangehensweise an eine wertegeleitete Diskussionen ist, die in der Debatte auch deutlich geworden ist, dann tut mir das leid.

(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Sollte es, ja!)

Meine Damen und Herren, über die Onlinebefragung hinaus haben wir öffentliche Fachgespräche in der Staatskanzlei geführt, und der Kongress ist mit Expertinnen und Experten vor- und nachbereitet worden. Die Abstimmung des Leitbildes zum digitalen Lernen findet nun ressortübergreifend statt. Unser Orientierungsrahmen soll dann auch für die Familienbildung, für die Kitas und für die Fachkräfteausbildung Wirkung entfalten.

Wir sehen, was die Schule betrifft, Nordrhein-Westfalen dabei im Verbund der anderen Länder und beteiligen uns auch an dem Dialog mit der Bundesregierung. Wir haben den Anspruch, unsere Strategie „Lernen im Digitalen Wandel“ mit der KMK-Strategie „Bildung in der digitalen Welt“ und auch mit der Bundesregierung eng abzustimmen. Die grundlegenden schulischen Fragen machen nicht an Ländergrenzen halt und betreffen auch das Bundesrecht.

Die Kultusministerkonferenz hat einen entsprechenden länderübergreifenden Strategiebildungsprozess eingeleitet und am 8. und 9. Juni 2016 in Berlin die Fachöffentlichkeit zu ersten Fachgesprächen über den inzwischen veröffentlichten Rohentwurf der KMK-Strategie eingeladen. Zudem hat die KMK am 10. Juni 2016 einen bundesweiten Kongress mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung durchgeführt, und auch bei diesem Kongress wie auch bei anderen, überregionalen Veranstaltungen ist NRW als Gesprächspartner und als Experte bzw. Expertin sehr gefragt und sind auch die Schulen von NRW sehr gefragt, ihre guten Konzepte vorzustellen.

Die Positionsbestimmung der KMK soll noch in diesem Jahr abgeschlossen werden. Das wäre fachlich – Stichwort „Mobilität der Eltern, Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte“ – und politisch ein großer Fortschritt.

Ihr Antrag, meine Damen und Herren von den Piraten, versucht den Eindruck zu erwecken, als verfügten Sie als Einzige hier im Land über eine Strategie zum Lernen im digitalen Wandel.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Es ist weni- ger der Antrag als mehr die Debatte!)

Das von Ihnen identifizierte Handlungsdefizit besteht jedoch keineswegs. Daher werte ich Ihren Antrag und die Debatte darüber wohlwollend als Ihren Beitrag – so hat Frau Pieper das schließlich auch formuliert – zum Dialogprozess der Landesregierung und bedanke mich auch ausdrücklich dafür.

Sie formulieren zehn Ziele, und bei allem Streit und aller Bewertung, die hier vorgenommen wird, von Dummheit bis hin zu anderen Fragen, möchte ich

diese einmal ein wenig abgleichen. In dieser Frage herrscht nämlich im Großen und Ganzen mehr Übereinstimmung in diesem Haus, als die Debatte vielleicht deutlich gemacht hat, weil wir uns in der Zielsetzung im Großen und Ganzen einig sind.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Frage ist: Will man eher das Gemeinsame betonen, oder sucht man sozusagen krampfhaft den Streit und das politische Profil?

Natürlich will auch die Landesregierung den Bildungserfolg aller Kinder und Jugendlichen weiter verbessern. Wir haben längst damit begonnen, Medienkompetenzen in den Lehrplänen zu verankern und werden das auch weiter schrittweise in Abstimmung mit der KMK tun. Unsere Schulen sollen schon heute in allen Fächern Sprachbildung, Fremdsprachenerwerb, kommunikative Fähigkeiten, kritisches Denken sowie Kreativität und problemlösendes Denken fördern.

Sehr verehrter Herr Schwerd, wenn Sie die Bildung, die in unseren Schulen geleistet wird, hier als darauf abgerichtet beschreiben, als ginge es nur darum, verwertbares Wissen auszuspucken, dann möchte ich einmal auf Folgendes verweisen:

Schauen Sie sich die Schulen gegen Rassismus an, schauen Sie sich die Europaschulen an, und schauen Sie sich die Schulen an, die bei Wettbewerben mitmachen. Da wird beredtes Zeugnis davon geliefert, wie umfassend und ganzheitlich unsere Schulen heute den Bildungsauftrag annehmen, ernst nehmen und umsetzen. Was Sie hier dazu gesagt haben, wird dem Auftrag und der Arbeit unserer Schulen nicht gerecht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Eine Novellierung des Lehrerausbildungsgesetzes ist erfolgt. Meines Wissens ist NRW das erste Bundesland, das die Anforderungen digitalen Lernens und Lehrens im Lehrerausbildungsgesetz verankert hat.

Frau Ministerin, entschuldigen Sie.

Ich sage den Satz zu Ende. Dann habe ich einen Gedanken im Zusammenhang bearbeitet. Das mache ich im Grunde genommen ganz gerne.

In den Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung wird bis 2019 die notwendige IT-Infrastruktur geschaffen. Die finanziellen Voraussetzungen dafür sind im Landeshaushalt angelegt.

Jetzt gerne eine Zwischenfrage.

Okay. – Herr Schwerd ist der Glückliche. Bitte, Herr Kollege.

Herzlichen Dank, Frau Ministerin, dass Sie die Zwischenfrage noch zulassen. – Ist Ihnen aufgefallen, dass ich in meiner Rede keineswegs die Schulen angegriffen habe, sondern dass sie sich allein auf das bezog, was Herr Höttges im „FAZ“-Interview gesagt hat?

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das inte- ressiert keinen Menschen!)

Sie haben eben von Bulimie-Lernen gesprochen.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Von Bulimie- Pädagogik! Das war ganz nett, das Wort!)

Darauf habe ich mich bezogen. Ich nehme Folgendes in Anspruch: Ich habe nicht den Eindruck, dass irgendjemand in diesem Hause das so anlegt, dass das so stattfinden soll. Ich nehme für unsere Schulen in Anspruch, dass sie daran arbeiten, dass Kinder umfassend ganzheitlich gebildet werden und dass nicht nur Wissen in sie hineingestopft wird.

Wir haben erfreulicherweise inzwischen in allen Schulformen ein anderes Verständnis von guter Bildung in Nordrhein-Westfalen. Das ist gut und das ist richtig. Das wollte ich herausstellen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zu- ruf von Daniel Schwerd [fraktionslos])

Da wir uns in der letzten Schulwoche befinden, möchte ich gern die Gelegenheit Ihrer Äußerung dafür nutzen, den Lehrerinnen und Lehrer sowie weiteren Fachkräften für ihre engagierte Arbeit in allen Schulen unseres Landes zu danken. Diese Gelegenheit haben Sie mir damit erfreulicherweise eingeräumt.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und Mi- chele Marsching [PIRATEN])

Ich komme zum nächsten Punkt.

(Zuruf von den PIRATEN: Ich komme zum Schluss!)

Mit den kommunalen Spitzenverbänden führen wir seit Jahren einen konstruktiven Dialog zum Lernen in der digitalen Welt. Es gibt keine Veröffentlichung der Medienberatung NRW, eines guten Zusammenschlusses, den wir in Nordrhein-Westfalen haben, die nicht mit den kommunalen Spitzenverbänden abgestimmt ist. Hierbei haben wir also gemeinsame Forderungen und gemeinsame Zielsetzungen.

Ihre Forderungen nach einem Pflichtfach Informatik teile ich wie viele andere nicht. Denn ich finde, dass das ein alter Ansatz ist. Man hat eine Aufgabe. Man

hat möglicherweise ein Problem. Man möchte etwas ganz besonders wichtig nehmen. Also wünscht man sich und erfindet ein Fach.

Das gilt für das Fach Wirtschaft genauso wie für das Pflichtfach Informatik in diesem Fall. Selbstverständlich gibt es das Fach Informatik, aber nicht als Pflichtfach. Wir sind der Meinung, dass es besser ist, die Vermittlung der digitalen Kompetenzen in die verschiedenen Unterrichtsfächer zu integrieren und aus Sicht verschiedener Fächer anzulegen.

Denn das ist ein moderner Ansatz. Das ist auch ein moderner Ansatz in der Pädagogik. Das ist kein Abstrich gegenüber einem Pflichtfach, sondern das ist aus unserer Sicht ein besserer Ansatz, digitale Kompetenzen und Kompetenzen der Medienbildung zu etablieren.

Frau Ministerin, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche. – Es gibt einen zweiten Wunsch nach einer Zwischenfrage, diesmal von Herrn Kollegen Schulz.

Das ist schon die dritte, aber auch die lasse ich gern zu.

Entschuldigung.

Vielen Dank, Frau Ministerin, dass Sie auch diese dritte Zwischenfrage zulassen. – Sie sprachen gerade das Fach respektive Pflichtfach Informatik an und sagten, es bedürfe keines Pflichtfaches Informatik, sondern die Integration in den allgemeinen Unterricht sei aus Ihrer Sicht ausreichend.

Hängt diese Einschätzung möglicherweise damit zusammen, dass der Anteil der Lehrerschaft ohne Lehrbefähigung im Fach Informatik bei den Hauptschulen bei 84 %, bei den Realschulen bei 54 %, bei den Gesamtschulen bei 74 % und bei den Gymnasien eben nur bei 36 % liegt? Ist es also Ausdruck der fehlenden Lehrbefähigung, dass Sie diese Auffassung vertreten?

(Zuruf von den GRÜNEN: Nein!)

Nein, das ist es gerade nicht. Das habe ich auch versucht, mit meiner Begründung deutlich zu machen.

Ich nenne ein anderes Beispiel: Es gibt den Wunsch auch von mir sehr geschätzten Professoren, dass man, weil das so wichtig ist, ein Fach „Ernährung für alle“ haben müsse. Ich finde gesunde und gute Er

nährung ganz wichtig. Es gibt den Wunsch nach einem Fach „Gesundheit“, weil das so wichtig ist. Auch da bin ich der Meinung, dass es wichtig ist, dass solche Kompetenzen mit Blick auf diese Fragestellungen in verschiedenen Fächern aufgegriffen werden.

Das ist der Grund für diese integrierte Vorstellung – nicht die Frage, ob wir Lehrerinnen und Lehrer an dieser Stelle jetzt zur Verfügung haben und welche dies sind. Das ist im Übrigen auch die Grundhaltung in der Kultusministerkonferenz.

Meine Damen und Herren, abschließend erlauben Sie mir eine mir wichtige Anmerkung zum Charakter der Debatte und zum Vorgehen. Bei dieser für unsere Schule, aber auch für die Weiterbildung zentralen Fragestellung geht es aus unserer Sicht nicht um die Fragen nach „höher, schneller, weiter“ und „Hauptsache ganz schnell alles“. Denn dieser Aktionismus tut einer zielgerichteten, grundlegenden und gut vorbereitet soweit gut begleiteten Schulentwicklung nicht gut. Damit würden wir den tiefgreifenden Wandel der Prozesse nicht ernst nehmen und auch die 180.000 Lehrerinnen und Lehrer, die Eltern und weitere Beteiligte in der Schulwelt nicht hinreichend mitnehmen.

Wichtig sind mir stattdessen fachliche Solidität, Systematik und Umsicht. Die Landesregierung möchte sehr gern diesen Weg weitergehen – gern im konstruktiven Dialog mit dem Parlament.