Protocol of the Session on June 8, 2016

Aber das werden wir hier in NRW so nicht machen. Wir halten dem ein Gesetz entgegen, das die Menschen in den Mittelpunkt stellt und ihre emanzipatorische Teilhabe stärkt. Sie sind in der Tat aufgerufen, meine Damen und Herren von der Opposition, …

Frau Kollegin!

… diesen Schritt mitzugehen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die FDP hat Herr Kollege Alda jetzt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir Freien Demokraten stehen dafür, dass Menschen mit Behinderung selbstbestimmt, ohne Bevormundung ihr Leben gestalten können und die Chance auf gesellschaftliche Teilhabe in allen Lebensbereichen haben

sollen. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. In diesem Sinne ist Inklusion für uns Menschen- und Bürgerrecht.

Das Gesetz zur Stärkung der Sozialen Inklusion soll diesen Grundgedanken umsetzen. Wir haben den Entwurf intensiv im Ausschuss beraten. Ich möchte mich an dieser Stelle auch noch einmal für die zahlreichen Beiträge der Verbände bedanken. Am Ende bleiben aber aus unserer Sicht Licht und Schatten bei diesem Gesetz.

So ist es gelungen, einige Anregungen aus der Anhörung der Verbände aufzunehmen, zum Beispiel beim Wahlrecht für Menschen mit Behinderung unter rechtlicher Betreuung. In dieser Frage hat der Ausschuss unabhängig von der politischen Ausrichtung erkannt, dass eine Änderung der Wahlgesetze nötig ist.

Herr Minister, am Freitag haben Sie in Hagen ja noch gefordert, wir sollten ein bisschen über die Grenzen der Fraktionen hinwegsehen. Das haben wir gemacht. Sie sehen, das ist alles möglich.

Auf der anderen Seite waren die Fraktionen der Regierungskoalition leider nicht bereit, weiteren Punkten zuzustimmen. Sie haben alle vorliegenden Änderungsanträge der CDU-Fraktion pauschal abgelehnt.

(Zuruf von Manuela Grochowiak-Schmieding [GRÜNE])

Wir hätten uns hier stattdessen eine differenzierte, an der Sache orientierte Auseinandersetzung gewünscht, wie wir sie für unsere Fraktion auch praktiziert haben. Denn ein Teil der vorgeschlagenen Änderungen wie zum Beispiel bei der Zusammensetzung des Beirates hätte durchaus eine Zustimmung verdient gehabt. Diese Chance haben Sie nicht genutzt.

Ich möchte auf einige inhaltliche Aspekte noch näher eingehen.

Unsere Fraktion hatte sich bereits in den letzten Jahren auf der Grundlage von Petitionen dafür eingesetzt, dass bei Gesprächen mit hörbehinderten und gehörlosen Eltern in Schulen und Kitas die Kommunikation unterstützt wird. Vorrangig geht es um den Rechtsanspruch auf Kostenübernahme durch unterstützende Dienste wie Gebärdendolmetscher auch für Elterngespräche und nicht nur in den Verwaltungsverfahren.

Ich freue mich, dass wir diesen Rechtsanspruch jetzt endlich einführen, nachdem die Landesregierung lange Zeit nur auf Möglichkeiten einer Kostenübernahme auf freiwilliger Basis verwiesen hat. Das ist ein wichtiger Schritt für die betroffenen Menschen.

Aus der Anhörung haben wir die Frage der Verwendung der Leichten Sprache mitgenommen. Sie haben dies zwar jetzt in den Wahlgesetzen aufgegrif

fen; wir hätten uns aber auch eine stärkere Verankerung im Verwaltungshandeln gewünscht. Da sind die Änderungen vonseiten der Koalitionsfraktionen letztlich halbherzig.

(Zuruf von Manuela Grochowiak-Schmieding [GRÜNE])

Sie hatten doch vorhin Gelegenheit zu sprechen. Warum haben Sie es dann nicht gesagt?

Beim Inklusionsbeirat – ich habe es schon kurz angesprochen – war unser Ziel eine stärkere Beteiligung der Betroffenen und der Selbsthilfe. Bei Ihnen besteht der Beirat vorwiegend aus Leistungsanbietern und Experten, sprich: Vertretungen der Wohlfahrtsverbände, die ja nun unbestritten auch ihre eigenen Ziele verfolgen.

Wir wollen aber nicht, dass so mehr über statt mit den Betroffenen diskutiert wird. Die FDP-Fraktion will die Politik für Menschen mit Behinderung nicht im Hinblick auf den Wahlkampf instrumentalisieren und nicht vorrangig auf eine kontroverse Auseinandersetzung setzen. Insofern kommt für uns eine pauschale Ablehnung dieses Gesetzes nicht infrage.

In der Gesamtbetrachtung aller Sachfragen können wir aber der Beschlussempfehlung auch nicht zustimmen. Da fehlte die Bereitschaft der Koalitionsfraktionen, sinnvolle Anregungen vonseiten der Opposition aufzunehmen. Ich habe zwei Beispiele dazu aufgeführt. Die FDP-Fraktion wird deshalb entsprechende Änderungsanträge unterstützen und sich bei der Beschlussempfehlung zum Gesetzentwurf enthalten.

Zum Schluss komme ich noch zu den beiden Entschließungsanträgen der CDU.

Bei der Frage der Schülerfahrkosten ist aus unserer Sicht nicht ganz klar, ob die aufgeworfenen Probleme in der Praxis tatsächlich so relevant sind. Wir unterstützen aber den Kernpunkt des Antrags, der zu dieser Frage einen Bericht an den Landtag fordert.

Bei der Frage der Konnexität hat es sich die Landesregierung von Anfang an doch sehr leicht gemacht. Nach Ihrer Auffassung wird die Wesentlichkeitsgrenze der Konnexität nicht erreicht werden. Doch das beruht nur auf überschlägigen Berechnungen. Ein Beteiligungsverfahren mit den kommunalen Spitzenverbänden zur Untersuchung der finanziellen Auswirkungen haben Sie abgelehnt. Am Ende übertragen Sie wiederum Aufgaben an die Kommunen ohne finanziellen Ausgleich. Deshalb werden wir auch hier dem Entschließungsantrag zustimmen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Alda. – Für die Piraten spricht Herr Kollege Düngel.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben jetzt schon eine ganze Menge zu dem vorliegenden Gesetzentwurf, zu den Änderungsanträgen, zu den Entschließungsanträgen gehört. Ich kann mich daher einigermaßen komprimiert zu unseren Positionen äußern.

Die Richtung des vorliegenden Gesetzentwurfs und auch einer Änderungen, die mittlerweile eingefügt sind, ist gut. Allerdings – und das haben wir sowohl in der Anhörung deutlich gemacht als auch in den entsprechenden Ausschusssitzungen, wo wir darüber diskutiert haben – bleibt der Gesetzentwurf irgendwo auf halber Strecke stehen.

Im Gesetzentwurf wimmelt es nur so von unbestimmten Rechtsbegriffen. Dort findet sich eine Ansammlung von „würden“, „sollen“, „dürfte“, „müsste“ – das musste selbst der Berichterstatter in der letzten Ausschusssitzung zähneknirschend zugeben.

Die Änderungsanträge der regierungstragenden Fraktionen bringen uns im Vergleich zum Ausgangsentwurf wieder eine kleine Etappe nach vorne. Aber auch da ist man nur ein Stückchen weitergekommen und noch weit davon entfernt, die UN-Behindertenrechtskonvention ernsthaft und richtig umzusetzen.

Gerade diese Umsetzung wäre nicht nur wünschenswert im Sinne einer Rechtskonformität mit internationalem Recht; es wäre mehr als ein Signal an die Betroffenen. Das würde diesen ein Stück Sicherheit geben in einer Umgebung, die für viele noch immer unsicher ist. Denn nicht jeder der Betroffenen ist so stark wie es mancher Sachverständige war, den wir im Rahmen der Anhörung gesehen und gehört haben. Umso mehr hätte man den Äußerungen dieser Vertreter im wahrsten Sinne des Wortes ein stärkeres Gehör verschaffen müssen, indem man zumindest gewisse Standards umgesetzt hätte.

Letztendlich sieht man aber auch bei dieser Gesetzgebung: Es kommt auf das Geld an, das das Land auszugeben bereit ist. Der Kollege Alda hat es vorhin ebenfalls erwähnt: Der Gesetzentwurf macht den Eindruck, dass er immer irgendwo am Rande der Konnexität entlangschippert. Wenn wir hier gemeinsam ein richtiges Gesetz, ein ernsthaftes Gesetz geschrieben hätten, dann würde dieses Gesetz auch tatsächlich Konnexität auslösen; es würde konkrete Lösungsvorschläge und konkrete Lösungsansätze bieten.

All das liegt im vorliegenden Gesetzentwurf, wie er vermutlich gleich verabschiedet werden wird, nicht vor. Dazu scheint das Land bislang wohl noch nicht bereit zu sein. Man kann nur hoffen, dass sich dies in Zukunft noch ändert.

Einen Hinweis kann ich mir an dieser Stelle nicht verkneifen: Wir freuen uns darüber, dass diese Debatte von einem Gebärdensprachdolmetscher übersetzt wird, der auch im Stream zu sehen ist. Das ist gut,

und das loben wir als Piratenfraktion natürlich ausdrücklich.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, gelungene Inklusion wäre es, wenn wir alle unsere Tagesordnungspunkte durch Gebärdensprachdolmetscher im Livestream übertragen würden. Denn nicht nur der aktuelle Tagesordnungspunkt betrifft alle Menschen draußen, sondern das gilt für sämtliche Tagesordnungspunkte, die wir hier beraten. Insofern schlage ich vor: Nehmen wir das doch einmal mit, seien wir als Landtag ein Vorbild und überlegen, ob wir nicht alle unsere Debatten hier im Landtag komplett von Gebärdensprachdolmetschern begleiten lassen. – In diesem Sinne herzlichen Dank.

Vielen Dank, Herr Kollege Düngel. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Schmeltzer.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich schließe mich den Ausführungen von Herrn Kollegen Neumann an: Heute ist ein guter Tag für Nordrhein-Westfalen; denn Nordrhein-Westfalen ist das erste Bundesland, das die allgemeinen Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention in Landesrecht umsetzt.

Menschen mit Behinderung müssen von Vornherein ganz selbstverständlich dazugehören. Zur Verwirklichung von Inklusion braucht es eben Orientierung; wenn man so will: einen Leitfaden zur Stärkung des inklusiven Bewusstseins bei den Verantwortlichen in Politik, in Verwaltung, aber auch in Gesellschaft.

Hierzu war und ist unser Aktionsplan „Eine Gesellschaft für alle – NRW inklusiv“ ein wichtiger Schritt. Mit dem Inklusionsstärkungsgesetz gehen wir nun konsequent weiter auf dem Weg in die inklusive Gesellschaft. Das hat Vorbildcharakter, auch für andere Bundesländer.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Von zentraler Bedeutung sind dabei für uns die Stärkung der Selbstbestimmung und der Teilhabe von Menschen mit Behinderung sowie die Schaffung umfassender Barrierefreiheit.

Durch das Inklusionsstärkungsgesetz erreichen wir ganz konkrete Verbesserungen für die Menschen mit Behinderung, zum Beispiel die Stärkung und Vereinfachung des selbstbestimmten Wohnens von Menschen mit Behinderung durch Hilfen aus einer Hand. Hierzu gehört auch die Stärkung der Beteiligungsrechte der Menschen mit Behinderung durch die Verankerung des Inklusionsbeirates als Mitwirkungsgremium auf Landesebene.

Gestatten Sie mir den Hinweis, Herr Kollege Alda: Natürlich gehören diesem Inklusionsbeirat unter anderem an: die Wohlfahrtsverbände, die kommunalen Spitzenverbände, die Gewerkschaften, der Arbeitgeberverband, aber selbstverständlich auch die Behindertenverbände.

Des Weiteren gehört dazu mehr Verbindlichkeit für die Verhandlungen über die Zielvereinbarung zur Barrierefreiheit zwischen den Verbänden der Menschen mit Behinderung und den Trägern öffentlicher Belange durch die Einführung einer Begründungspflicht bei Abbruch der Verhandlungen.

Dies, meine Damen und Herren, sind nur einige Beispiele für diverse konkrete Verbesserungen. Generell sind wir der Auffassung, dass so wenig wie möglich in Sondergesetzen zu regeln ist. Die Situation behinderter Menschen ist in allen Fachgesetzen mitzudenken und natürlich auch zu berücksichtigen. Auch das, meine Damen und Herren, ist Inklusion.

Im Übrigen geht es um mehr als um die Maßnahmen. Wichtig sind auch der Bewusstseinswandel in der Gesellschaft und der Abbau von Barrieren in den Köpfen. Wir wollen bei dem Thema „Inklusion“ nicht nur, wie man so schön sagt, im eigenen Saft schmoren.

Darum bin ich froh, dass künftig eine unabhängige und überörtliche Monitoringstelle beim Deutschen Institut für Menschenrechte in Berlin eingerichtet wird, die die Durchführung der Behindertenrechtskonvention in NRW überwacht und weiter fördert. Somit, Herr Kollege Preuß, wird Ihr Hinweis, dass dieses Inklusionsstärkungsgesetz den Ansprüchen der Behindertenrechtskonvention nicht genügt, deutlich entkräftet, denn wir lassen uns an dieser Stelle bewusst überwachen. Sowohl das Deutsche Institut für Menschenrechte als auch der Inklusionsbeirat werden uns auf dem Weg zur inklusiven Gesellschaft begleiten und weiterhin ständig beraten.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Sozialen Inklusion in Nordrhein-Westfalen steht heute ein Schlüsselprojekt auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft zur Abstimmung. Es ist jetzt die Aufgabe von allen, den roten Faden, den das Gesetz durch seinen übergreifenden rechtlichen Rahmen vorgibt, auf dem weiteren Weg bei uns in Nordrhein-Westfalen zu nutzen, umzusetzen und damit Inklusion mit den Betroffenen und in ihrem Sinne zu gestalten.