Protocol of the Session on May 12, 2016

Die Ministerpräsidentin hat mit der Wirkung der großen Zahl gespielt. Das musste in dieser Regierungserklärung sein, um den Eindruck zu erwecken, dass man bei der Industrialisierung jetzt vorankommt. 3,7 Milliarden € waren eine große Zahl. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass das ein Bluff war, eine Täuschung, vielleicht sogar eine bewusste Täuschung der Öffentlichkeit. Ich konnte mir das nicht vorstellen – bis zum Beweis des Gegenteils, der durch den Wirtschaftsminister angetreten wurde.

Als es um den NRW-Anteil an der Breitbandfinanzierung des Bundes ging, hat er nämlich schon einmal einen Bluff vorgeführt, als er den Königsteiner Schlüssel heranzog, um zu taxieren, welcher Anteil denn wohl auf uns entfallen würde. Auch da stand man unter Druck und brauchte eine große Zahl, um

Aktivitäten zu simulieren. Heraus kamen, Königsteiner-Schlüssel-basiert, 350 Millionen € Kofinanzierung. Pressegespräch; die Presse war baff; zwei Tage gute Presse.

Jetzt ist die erste Runde der Breitbandförderung des Bundes gelaufen. Real sind 30 Millionen € herausgekommen. Nach Königsteiner Schlüssel wären in dieser Runde fast 90 Millionen € möglich gewesen. Das ist kein Wunder; denn der Königsteiner Schlüssel ist hier überhaupt nicht einschlägig, sondern es geht im Grunde, vereinfacht dargestellt, nach dem Windhundprinzip.

Ich glaube, dass die Zeit vorbei ist, beim Thema „Breitband“, beim Thema „Digitalisierung“ mit großen Zahlen zu hantieren. Das Juncker-Programm gibt uns die Möglichkeit, auch große Taten folgen zu lassen. Ich bin sehr dafür, dass wir es hier in NordrheinWestfalen nutzen. Wir haben es bitter nötig. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Wüst. – Nun spricht für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Müller-Witt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Antrag soll ein Zusammenhang zwischen den Wirtschaftszahlen des Landes Nordrhein-Westfalen im Jahre 2015 und der aktuellen Nachfrage Nordrhein-Westfalens nach dem Europäischen Fonds für strategische Investitionen, kurz EFSI, hergestellt werden.

Der angesprochene Fonds mit einem Volumen von insgesamt 21 Milliarden €, die sich aus 5 Milliarden €, die von der Europäischen Investitionsbank eingebracht werden, sowie 16 Milliarden €, die als Garantie bereitgestellt werden, zusammensetzen, soll über einen Hebeleffekt die bekannten 315 Milliarden € freisetzen und eine Investitionsoffensive auslösen.

Der Einsatz der EU-Garantie ermöglicht es der EIB, über ihre übliche Finanzierungspraxis hinaus riskantere Investitionen zu finanzieren, ohne ihre Bonitätsstufe AAA zu gefährden. Es geht hier also mitnichten um die Verteilung von Fördergeldern in Höhe von 315 Milliarden €, sondern in erster Linie um das Auslösen von Investitionen aufgrund der Übernahme von Garantien –

(Beifall von der SPD)

eine Maßnahme, die gerade bei Investitionen in einigen europäischen Staaten nicht unwichtig ist und zuvörderst auch für diese Länder gedacht ist.

Gleichzeitig haben sich Europäische Kommission, Europäisches Parlament und Vertreter der EU

Staaten darauf geeinigt, dass das Forschungsprogramm Horizont 2020 um 2,2 Milliarden € zugunsten des neuen Europäischen Fonds für strategische Investitionen zu kürzen ist. Also bleiben tatsächlich zusätzliche Mittel in Höhe von 2,8 Milliarden € – und hierbei ist noch nicht der Effekt berücksichtigt, den die Kürzung des genannten Forschungsrahmenprogramms bewirken könnte.

EFSI selbst stellt also keine nennenswerten zusätzlichen Finanzierungsmittel bereit, sondern bietet in erster Linie eine Rückabsicherung für Investitionen in Projekte mit einem höheren Risikoprofil. Etwaige Zahlungsausfälle sollen durch EU-Garantiefonds abgedeckt werden, die ebenfalls unter diese Verordnung fallen.

Dabei ist für den Einsatz aller EFSI-Instrumente entscheidend, dass die Gruppe der Europäischen Investitionsbank, bestehend aus der Europäischen Investitionsbank und dem Europäischen Investitionsfonds, unter deren Dach EFSI angesiedelt ist, nicht für höher eingegangene Risiken haftet als die übrigen Finanzierungsbeteiligten. Private und öffentliche Finanzierungspartner müssen die gleichen höheren Risiken eingehen, ohne von einer Absicherung durch die EU-Garantien zu profitieren.

Die angesprochene Investitionsinitiative soll also – das hat Ihr Fraktionsvorsitzender, Herr Laschet, offensichtlich überhaupt nicht verstanden –

(Beifall von Michael Hübner [SPD] – Wider- spruch von der CDU)

mithilfe von Garantien in Höhe von 16 Milliarden € und 5 Milliarden € Investitionsmitteln angestoßen werden. Der Scheinriese, die vermeintlichen 315 Milliarden €, die Herr Laschet laut „DIE WELT“ vom 4. Mai 2016 durch die NRW-Landesregierung abgerufen sehen möchte, sind lediglich ein mit dem Faktor 15 gerechneter Wert der Folgeinvestitionen, die aus diesen 21 Milliarden € initiiert werden sollen. Auch das muss man sich einmal vor Augen halten. Hier immer von 315 Milliarden € zu sprechen, die in einem wundersamen Topf in der EU zur Verfügung ständen, und zu sagen, da müsse man nur zugreifen, ist wirklich irreführend.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Allerdings kann EFSI auf ein breites Spektrum von Finanzierungsinstrumenten zurückgreifen, um je nach Art des Investitionsprojektes die passende Finanzierung anzubieten. Hierzu zählen aber auch Fremdfinanzierungsinstrumente, Garantien, Eigenkapitalinstrumente, Instrumente zur Bonitätsverbesserung oder Risikokapital.

Es werden insbesondere Projekte in den strategischen Bereichen Infrastruktur und Innovation, die wirtschaftlich tragfähig sind und einen europäischen Mehrwert haben, entsprechend gefördert, daher

auch die berechtigte Überlegung der Landesregierung, den Breitbandausbau für diese Initiative in Betracht zu ziehen.

Ziel von EFSI ist es, dass der Fonds privates Kapital für Investitionen mobilisiert. Eine Finanzierung öffentlicher Investitionsvorhaben ohne private Beteiligung ist durch den EFSI nicht vorgesehen.

Im vergangenen Jahr hat NRW Projekte für EFSI identifiziert und angemeldet, aber erst Ende 2015 standen sämtliche Vorgaben der EU für das Programm fest. Im Januar 2016 nahm das Expertengremium zur Bewertung der Anträge seine Arbeit auf. Das ist noch nicht allzu lange her. Und außerdem wurde mit der Verabschiedung der letzten Förderrichtlinien auch der regionale Schwerpunkt deutlich. Und dieser liegt nicht in Nordwesteuropa. Der Vorwurf, zu zögerlich gewesen zu sein, trifft in keinerlei Weise zu. Die Landesregierung bzw. die

NRW.BANK haben im Gegenteil alles unternommen, um möglichst früh am Start zu sein.

EFSI ist ein weiterer Versuch der EU, der ohne Zweifel bestehenden anhaltenden europäischen Investitionsschwäche zu begegnen, aber unter Berücksichtigung weiterer Parameter, und die treffen uns hier nicht.

Wenn wir uns zudem in der gegenwärtigen Niedrigzinsphase die in Deutschland, in NRW herrschenden Voraussetzungen anschauen, so sind unsere Förder- und Bürgschaftsbanken gut gerated. Deshalb bestehen im Gegensatz zu Staaten mit einer anderen Risikostruktur hier leider geringere Chancen, am EFSI zu partizipieren. Das wurde auch im Ausschuss der Regionen in Brüssel betont, der erst kürzlich über den aktuellen Stand von EFSI informierte.

Der Europäische Fonds Strategische Investitionen soll als Motor einer Investitionsoffensive in Europa in Fällen von Marktversagen wirksam werden, um Marktmechanismen anzustoßen und private Investitionen zu mobilisieren. Und Marktversagen wollen Sie einem Land wie Nordrhein-Westfalen doch wohl nicht unterstellen?

Die Fondsmittel sollen in einem solchen Fall in strategische Investitionen in Schlüsselbereiche wie Infrastruktur, Bildung, Forschung und Innovation fließen und als Risikokapital für kleine Unternehmen auch dienen. Dabei sollen sowohl institutionelle Anleger innerhalb als auch außerhalb Europas angesprochen werden wie auch Projektträger von Infrastrukturprojekten sowie von Innovation in Schlüsselregionen, aber auch KMUs mit bis zu 3.000 Beschäftigten.

Allerdings ist jetzt schon festzustellen, dass in einigen Ländern die mangelnden Verwaltungskapazitäten und die fehlende Erfahrung, insbesondere im Hinblick auf die Finanzkonstruktion von PPPProjekten, zu einem geringeren Leverage-Effekt der erforderlichen privaten Investitionen führen werden.

In den letzten Veröffentlichungen des Europäischen Investmentfonds, Ende März nachzulesen, wird deutlich, in welchem Umfang sich die Bundesrepublik und Nordrhein-Westfalen an dieser Initiative beteiligen möchten. Des Weiteren wird sich mein Kollege Sundermann noch mit Ihrem Antrag auseinandersetzen. Ich kann allerdings jetzt schon empfehlen, Ihrem Antrag nicht zuzustimmen.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Müller-Witt. – Für die grüne Fraktion spricht nun Frau Dr. Beisheim.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte gehofft, dass die Kollegen der CDU die Debatte im letzten Plenum über die Wirtschaftspolitik in NordrheinWestfalen genutzt hätten, denn der Kollege Laschet hatte nach seinem rhetorischen Ausflug auf den Mond angekündigt – ich denke, der eine oder die andere wird sich erinnern –, eine schonungslose Analyse zu liefern.

Aber zu einer solchen seriösen Auseinandersetzung, die ich hier wieder an dieser Stelle vermisse – das muss ich so sehen –, gehört auch, dass wir differenzierte Betrachtungen heranziehen, um sich ernsthaft miteinander unterhalten zu können, welche Maßnahmen tatsächlich notwendig sind, um im Rahmen der Energiewende, des Strukturwandels und der Digitalisierung tatsächlich nach vorne zu kommen. Dazu liefert dieser Antrag wiederum keinen Beitrag.

Auch in anderen Regionen, die nicht erst seit ein paar Jahren in der Wirtschaftskraft vor Nordrhein-Westfalen liegen, die aber auch nicht einen so immensen Umbruch wie unseren Strukturwandel zu bewältigen hatten, hat man zu Recht erkannt, dass eine zu starke Ausrichtung auf klassische Wirtschaftsbranchen wie den Werkzeug- und Maschinenbau, die Energiewirtschaft sowie die Automobilindustrie für jeden Wirtschaftsstandort gefährlich sein kann.

Denn – da sind wir uns, denke ich, einig – Zukunftsfelder und Hightechfelder liegen auch nach Studien des Fraunhofer-Instituts in Bereichen wie neue Materialien, Optik, Sensorik, Mess-, Steuer- und Regelungstechnik oder auch in anderen wichtigen Bausteinen – alles wichtige Bausteine der Leitmarkt- und Innovationsstrategie dieser Landesregierung. Insofern sind wir hier auf einem guten Weg.

Auch die Industrie- und Handelskammer hat 2014 zur Innovationsstrategie des Landes richtig bemerkt – ich zitiere –:

„Die Innovationsstrategie setzt mit ihrem Bekenntnis zur Industrie den richtigen Hebel an.“

Bezogen – Herr Wüst, hören Sie jetzt vielleicht einmal kurz zu – auf den Strukturwandel, den Sie manchmal etwas belächeln:

„Da sich der Strukturwandel in Nordrhein-Westfalen in den nächsten Jahren fortsetzen und weitere Branchen erfassen wird, bleibt die Notwendigkeit bestehen, mit Forschung und Entwicklung auf den Wandel zu reagieren und neue Wachstumsfelder zu erschließen.“

Genau dieses ist Aufgabe der Landesregierung. Und wir als rot-grüne Fraktion sind dem auch nachgekommen.

Denn bei allen notwendigen politischen Unterstützungen muss man auch eines immer klar sehen: Politik löst die Innovation nicht wirklich aus, sondern die Unternehmen müssen es unternehmerisch umsetzen. Und dabei können wir sie unterstützen. Wir können die Prozesse moderieren, wir können sensibilisieren, und wir können im Zusammenspiel mit den Vertretern der Unternehmen und den Gewerkschaften gemeinsam zu den richtigen Weichenstellungen beitragen.

Deshalb schaut man – das ist vielleicht für einige auch verwunderlich – mittlerweile aus Baden-Württemberg Richtung Nordrhein-Westfalen, und das sehr intensiv, und zwar genau auf eine Region, auf die Metropolregion Rhein-Ruhr, um zu erkennen, wie man sich im Wettbewerb um die zukünftige Führerschaft in den Zukunftsbranchen richtig aufstellen kann.

Wir sind unterwegs in diesen Hightechfeldern; wir sind breiter aufgestellt als früher. Das ist meiner Meinung nach genau der Punkt, an dem wir weitermachen müssen, und das wird letzten Endes zum Erfolg führen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie dagegen wollen die Unternehmen quasi in eine Kapsel einpacken und sie vor jedem äußeren Einfluss beschützen.

Wir hingegen wollen, dass die Wirtschaft in die Lage versetzt wird, sich auf neue Herausforderungen vorzubereiten und sie aktiv zu unterstützen.

Genau das geschieht in Baden-Württemberg, obwohl Baden-Württemberg viel weiter vorne ist – das wird auch noch länger der Fall sein –, was die Wirtschaftskraft betrifft. Aber auch dort muss man sich auf den anstehenden Wandel vorbereiten, der sicherlich vor allem durch die Digitalisierung vorangetrieben wird.

Ich möchte noch einmal auf Ihren Antrag zurückkommen. Vielleicht wäre es gut gewesen, Sie hätten sich im Vorfeld zunächst bei Ihren Kolleginnen und Kollegen in den anderen Bundesländern kundig gemacht. Dann wüssten Sie nämlich, dass bundesweit bislang kaum Projekte unterzeichnet wurden und dass sich