Leider – das wissen wir aus Gesprächen mit Mitarbeitern oder auch mit Vertretern der Mitarbeiter – haben sie selber den Eindruck, dass sie nicht die notwendige Aufmerksamkeit genießen, dass ihre Arbeit nicht ausreichend wertgeschätzt wird. Einen Teil der Verantwortung dafür tragen auch Sie von der Regierungskoalition. Ich will das gar nicht weiter vertiefen.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Justizvollzugsanstalten tauchen leider in der Öffentlichkeit in den Schlagzeilen, in den Aufmachern häufig dann auf, wenn es um negative Nachrichten geht, mit positiven Nachrichten leider sehr selten.
Herr Minister Kutschaty, das gestatte ich mir jetzt mal als kleinen Ausflug: Sie können sich eigentlich glücklich schätzen, dass der Kollege Jäger mit Ihnen am Kabinettstisch sitzt. Säße der nämlich in der Opposition – keine Angst: Wir wollen den gar nicht haben –,
dann hätte er – wie er das bei Ihrer Vorgängerin gemacht hat – schon längst Ihren Rücktritt gefordert.
Ich mache das ausdrücklich nicht. Aber der eine oder andere hier im Raum stellt sich natürlich bei Ihrem Kollegen schon die Frage, wie der es denn mit seinen eigenen Ansprüchen hält. Ich gestatte mir da einen kleinen Hinweis auf die Bergpredigt, Matthäus 7, Vers 3. Das müssen Sie jetzt nicht googeln. Das ist die Stelle mit dem Balken und dem Splitter und dem Auge.
Meine Damen und Herren, ich betone noch einmal: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unseren Justizvollzugsanstalten leisten hervorragende Arbeit.
Damit sie hervorragende Arbeit leisten können, müssen wir sie auch entsprechend unterstützen. Sie entsprechend zu unterstützen, heißt auch, sie mit den erforderlichen Mitteln auszustatten.
Zu diesen Mitteln, meine Damen und Herren, gehört aus Sicht der CDU-Fraktion auch die Möglichkeit der Zwangsmedikation bei Untersuchungshäftlingen.
Hier hat im Übrigen schon im Jahre 2011 das Bundesverfassungsgericht sehr enge Grenzen gezogen, noch einmal bestätigt – erstmals sozusagen auf NRW angewandt – vom Oberlandesgericht Köln im Jahre 2012 und jetzt zuletzt noch einmal bestätigt vom Oberlandesgericht in Hamm. Das heißt, die der
zeitige gesetzliche Regelung in § 28 ist nach Auffassung jedenfalls der Oberlandesgerichte in Köln und Hamm nicht verfassungskonform.
Es bedarf daher – jedenfalls aus Sicht der CDUFraktion – einer entsprechenden gesetzlichen Änderung,
einer Veränderung von § 28 dahin gehend, dass der Paragraf verfassungskonform ist und dass das Instrument der Zwangsmedikation auch tatsächlich eingesetzt werden kann.
Wir wollen das mit diesem Antrag auf den Weg bringen. Wir freuen uns schon auf die Beratungen im Ausschuss. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Lieber Christian Haardt, ich weiß nicht, wie das bei euch in der CDU-Fraktion ist. Bei uns ist das so: Wenn es um Reden im Parlament geht, dann guckt man sich die Tagesordnung an, meldet sich beim Fraktionsvorstand und sagt dann, man möchte zu einem bestimmten Tagesordnungspunkt reden. Bei uns ist es nicht so, dass man sich einfach meldet und sagt, man will irgendwas im Parlament erzählen. Aber ich denke mal, bei der CDU läuft das so.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, lieber Christian Haardt: Nach dem hier eingebrachten Antrag habe ich als Rechtsanwalt und auch als Strafverteidiger mit Interesse die Ihrem Antrag zugrunde liegenden Entscheidungen des Landgerichts Arnsberg und des Oberlandesgerichts Hamm gelesen und zur Kenntnis genommen, dass diese Gerichte eine Norm, nämlich § 28 des nordrhein-westfälischen Untersuchungshaftvollzugsgesetzes, als keine ausreichende gesetzliche Grundlage für die Anordnung einer Zwangsmedikation ansehen.
Dieses Gesetz, liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Christian Haardt, trat im Jahre 2009 in Kraft. Die angerufenen Gerichte stellen nunmehr fest, dass insbesondere vor dem Hintergrund des grundrechtlichen Schutzes der freien Selbstbestimmung eine
Zwangsmedikation unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr nicht auf die Norm des § 28 gestützt werden kann.
Wir wissen, glaube ich, als Rechtspolitikerinnen und Rechtspolitiker, dass das Untersuchungshaftvollzugsgesetz zur Überarbeitung ansteht. Dieses soll daher auch in diesem Sinne geändert werden.
Daneben arbeitet die Landesregierung auch an einem Gesetzentwurf zur Regelung des Jugendstrafvollzugsgesetzes. Auch bei dieser Änderung wird natürlich auf die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten besonderen Anforderungen bei medizinischen Zwangsbehandlungen eingegangen, ebenso, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Opposition, wie dies bei dem Anfang 2015 hier im Landtag verabschiedeten Strafvollzugsgesetz geschehen ist.
Soweit Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der antragstellenden Fraktion, die Landesregierung auffordern, sich auch die anderen Vollzugsgesetze anzuschauen, so kann ich für die SPD-Fraktion nach Rücksprache mit meinen Kolleginnen und Kollegen aus dem Gesundheits- und Sozialbereich sagen, dass alle Obleute dort im April dieses Jahres die seitens der zuständigen Ministerin vorgestellte Vorgehensweise für den Bereich des Maßregelvollzuges einvernehmlich mittragen. Das Maßregelvollzugsgesetz wurde also seitens der Landesregierung in den Blick genommen.
Was sagt uns das zum Schluss? – Die Regierung arbeitet und handelt auch ohne den vorgelegten Antrag in dessen Sinne.
Wir werden der Überweisung an den Rechtsausschuss nichtsdestotrotz natürlich gerne zustimmen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Ganzke. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich Frau Kollegin Hanses das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann es kurz machen: Zu diesem CDU-Antrag bleibt eigentlich nur eine Frage offen: Wann zieht die CDU ihn zurück?
Ich freue mich ja, dass die CDU Referenten hat, die ein bisschen Fleißarbeit leisten und die aktuelle Rechtsprechung beobachten. Das steht bei uns auch immer auf der Tagesordnung. Ich bin mir sicher – wir
werden gleich erfahren –, dass auch das Justizministerium das Urteil des OLG Hamm sehr genau zur Kenntnis genommen hat und es auf unsere Vollzugsgesetze anwenden wird.
Ich möchte an das anknüpfen, auf das der Kollege Ganzke bereits hingewiesen hat, dass nämlich die Vollzugsgesetze – das Herzstück ist ja unser Erwachsenenstrafvollzugsgesetz – bereits dem Urteil entsprechen. Auch das Maßregelvollzugsgesetz, das im Gesundheitsbereich angesiedelt ist, entspricht dem.
Herr Kollege Haardt, die Gesetze, die angepasst werden müssen, sind in der Tat das Jugendstrafvollzugsgesetz und das U-Haft-Vollzugsgesetz. Beide sind in der schwarz-gelben Regierungszeit entstanden. Sicherlich konnten Sie in der Zeit das OLGUrteil noch nicht vorhersehen. Rot-Grün hat die Zwangsmedikation schon immer als kritisch eingestuft und hohe Anforderungen daran gestellt. Deshalb tragen unsere Gesetze bereits jetzt dem Urteil Rechnung.
Die Frage ist: Wann ziehen Sie Ihren Antrag zurück? Die Landesregierung wird die Gesetzentwürfe entsprechend angepasst vorlegen. Dann werden wir als Parlament so beschließen können. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Hanses. – Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Wedel das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Zwangsbehandlung in staatlicher Obhut befindlicher Personen, namentlich derjenigen im Straf- oder Maßregelvollzug, ist eine Frage, die das Bundesverfassungsgericht in den vergangenen Jahren vielfach beschäftigt hat.
Mit der grundlegenden Entscheidung vom 23. März 2011 hat das Gericht festgestellt, dass eine Zwangsbehandlung zur Erreichung des Vollzugsziels, dort im Maßregelvollzug, nur dann in Betracht kommt, soweit die Einsichtsfähigkeit des Betroffenen krankheitsbedingt beschränkt und zunächst erfolglos versucht worden ist, die Zustimmung des Gefangenen oder Untergebrachten zu der Maßnahme zu erwirken, ferner die Maßnahme angekündigt und über ihre Art, ihren Umfang und ihre Dauer informiert wurde, keine milderen Mittel zur Verfügung stehen, der Nutzen der Maßnahmen ihre Risiken überwiegt und keine Folgeschäden zu befürchten sind.
Die Maßnahme muss ärztlich überwacht und zudem durchgehend dokumentiert werden. Schließlich muss aufgrund verfahrensrechtlicher Vorgaben gesichert sein, dass der Zwangsbehandlung eine von der Unterbringungseinrichtung unabhängige Prüfung vorausgeht.
Entsprechend diesen Anforderungen hat das Oberlandesgericht Hamm mit seinem Beschluss vom 13. März 2016 wie bereits das Oberlandesgericht Köln mit Beschluss vom 7. September 2012 § 28 Untersuchungshaftvollzugsgesetz NRW nicht als taugliche Rechtsgrundlage für Zwangsbehandlungen angesehen.
Bereits im März 2015 hat sich der Rechtsausschuss mit der Thematik der Zwangsbehandlung befasst. In Vorlage 16/2568 ist festgehalten, dass aufgrund der verfassungsrechtlichen Anforderungen Zwangsbehandlungen zu jener Zeit im nordrhein-westfälischen Maßregelvollzug nicht stattfanden.