Meine Idee, meine Anregung an Sie, an die Kolleginnen und Kollegen, vielleicht auch an die Landesregierung: Überlegen Sie mal, es besteht vielleicht die Möglichkeit, jetzt noch vor dem Referendum Briefe aus einer Schulpartnerschaft, aus einer Städtepartnerschaft heraus zu schreiben, sich auch für den Verbleib Großbritanniens auszusprechen und vielleicht die Anregung mit auf den Weg zu geben, dass sich möglichst viele Bürgerinnen und Bürger in Großbritannien an diesem Referendum beteiligen. Solch ein kleines direktes partnerschaftliches Signal ist vielleicht eine Überlegung wert. Das ist, glaube ich, der
Sache nicht schädlich. Ansonsten müssen das die Britinnen und Briten für sich entscheiden. Ich hoffe, Sie entscheiden richtig. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, auch die FDP wird den Antrag mittragen. Ja, wir sagen ganz deutlich: Wir wollen Großbritannien in Europa weiterhin sehen. Europa ohne Großbritannien ist für mich persönlich schwer vorstellbar.
Wenn ich mit Menschen über Europa rede, wird viel gemäkelt, wird vieles Negative gesehen: die komische Banane oder die Krümmung der Gewürzgurke, persifliert dargestellt. Wenn man mit diesen Menschen über Soldatenfriedhöfe geht, dann wird ihnen bewusst, was uns in Europa 70 Jahre erspart geblieben ist.
Die Briten haben doch auch recht, wenn sie infrage stellen, dass nicht alles rund, nicht alles richtig läuft in Europa. Und darauf muss man eingehen.
Was wäre denn ein Europa ohne Großbritannien? Was wäre die Folge? – Weitere Abschottung? Nationalstaaten, Schlagbäume, Zölle, ökonomische Bedeutungslosigkeit weltweit?
Resignation kann kein Ziel sein. Das kann kein Ziel sein, auch vor dem Hintergrund, dass es ja nicht nur um England geht, sondern auch um Schottland, Katalonien, das Baskenland; die Kollegen haben es vorhin schon dargestellt. Das sind alles Fragestellungen mit einer ähnlichen Zielrichtung.
Wir sollten da einen Spruch von Hans-Dietrich Genscher ernst nehmen: Unsere Zukunft ist Europa. – Wir haben keine andere Zukunft. Deswegen: Ja zu Europa.
Wir sind auf viele Gedanken der Briten angewiesen. Sie denken in mancher Hinsicht anders; das kann durchaus befruchtend sein. Das gilt insbesondere in den Bereichen Deregulierung und Bürokratieabbau. Sie gehen in Regulierungsfragen hinein, gerade was kleine und mittlere Unternehmen angeht, und zwar sehr viel stärker, als wir das im zentralen Europa bislang tun.
Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Europa sagt derzeit betreffend den Telekommunikationsmarkt: Weg mit den Roaminggebühren! – Das ist völlig richtig. Wenn man aber beispielsweise einen Provider in Lettland wählen und dort mit ihm zusammenarbeiten möchte, ist das für uns unheimlich schwer, im Grunde sogar unmöglich. Wir werden uns jedoch daran messen lassen müssen, dass eine solche Wahlfreiheit bald tatsächlich existiert.
Heute Morgen ist in einem anderen Zusammenhang schon die Juncker-Kommission angesprochen worden: Ja zu Europa, wir haben keine andere Chance, wir brauchen einen gemeinsamen Energiemarkt, einen gemeinsamen Markt, der die Energiepolitik nach vorne bringt. Die letzten Diskussionen zum Thema „Stahl“ im Rahmen des Emissionshandelssystems haben gezeigt, wie verletzlich wir sind, wenn wir keinen eigenen Markt haben.
Wir brauchen gleiche Wettbewerbsbedingen, müssen aber auch akzeptieren, dass es unterschiedliche Startbedingungen beim Eintritt in die EU und innerhalb der EU selber gibt. Deswegen halte ich den Gedanken der unterschiedlichen Geschwindigkeiten, wie er seitens der Briten geäußert wird, für gar nicht so falsch.
Wir müssen auch zusehen, dass wir ihre Vorstellungen zu unterschiedlichen Eintrittsniveaus in unsere Sozialpakte aufgreifen, dass wir verdeutlichen, was damit eigentlich gemeint ist. In Deutschland können wir uns eine Sozialquote von 30 % erlauben; in den baltischen Staaten hingegen sind es nur 12 %.
Wir können nicht immer sagen, dass in Europa eins zu eins alles gleich ist. Die Lebenshaltungskosten sind in manchen Ländern niedriger als bei uns, in anderen vielleicht sogar höher. So etwas muss man mit berücksichtigen. Das ist die Form von Differenzierung, auf die die Briten in besonderem Maße Wert legen.
Ich glaube, wir sind gut beraten, auf solche Fragen einzugehen; denn die Briten stellen die richtigen Fragen. Wir müssen nur eine besondere Art der Antwort finden: die europäische. Diese europäische Antwort kann nur lauten: Ja, lasst uns weiter zusammenwachsen.
Wir hoffen, dass das Referendum in Großbritannien so ausgeht, wie wir es uns hier im ganzen Hause wünschen, nämlich dass wir Europa in der heutigen Konfiguration beibehalten – einschließlich Großbritannien. – Schönen Dank.
Vielen Dank. – Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer. Lieber Matthias Kerkhoff, liebe Unionsfraktion, wir Piraten waren bis zum Ende in die Verhandlungen zu einem gemeinsamen Antrag involviert.
Am Ende gab es jedoch in unserer Fraktion zwei verschiedene Auffassungen. Die eine, die ich mit vier anderen Kollegen teile, befürwortet den Resolutionscharakter des vorliegenden Antrags. Sie spricht sich für den Verbleib des Vereinigten Königreichs in der Europäischen Union aus, ohne dabei Einfluss auf den Souverän auszuüben.
Die andere Auffassung unter den Fraktionären jedoch sieht den Antrag als eine inakzeptable Einmischung des Landtags in innere Angelegenheiten des Vereinigten Königreichs.
Ich persönlich – und vier weitere Abgeordnete – teilen diese Ansicht nicht. Hier und da wäre im Antrag sicher ein weiterer Verweis auf die engen zivilgesellschaftlichen Verbindungen noch erstrebenswert; aber das ist eine Randnotiz.
Inhaltlich begrüßen wir als Fraktion die Ausrichtung des Antrags: Ein Verbleib des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland in der Europäischen Union ist unbedingt zu begrüßen. Gerade wir Piraten sind überzeugte Europäer. Europapolitik ist für uns im Grunde Innenpolitik.
Die EU ist jedoch – ich sage es einmal pointiert – verbesserungswürdig; man könnte auch sagen: fehlerhaft konstituiert. Sie bedarf natürlich der stetigen Verbesserung durch stringent-demokratische Prozesse. Wir wollen, dass das Vereinigte Königreich am nötigen Upgrade und an Lösungen für die Union mitarbeitet und nicht etwa möglicherweise von außen dagegenwirkt.
Aber – und das ist für uns Piraten auch ein hohes parlamentarisches Gut – das freie Mandat entscheidet.
Lassen Sie mich hier noch eine Sache ergänzen, die bislang von noch keinem Kollegen angesprochen wurde. Das war nämlich wirklich eine Einmischung, und da ist es ganz interessant, mal etwas über die Hintergründe zu erfahren.
Norwegische Politiker haben Großbritannien vor einem Austritt, vor dem Brexit, gewarnt. Zwar hat Norwegen – das wissen wir alle – damals aus guten Gründen über ein Referendum entschieden, dass man der EU nicht beitritt. Die Gründe lagen in der Fischereipolitik und in den landwirtschaftlichen Subventionen. Das mag damals sinnvoll gewesen sein und ist als souveräne Entscheidung natürlich zu akzeptieren.
Entscheidungen, die in Brüssel gefällt werden, betreffen auch Norwegen. Nur kann Norwegen an diesen Entscheidungen selber nicht teilhaben. So gesehen ist es nicht an den demokratischen Prozessen in der Europäischen Union beteiligt, und genau das ist unter anderem ein Grund, warum die Norweger den Briten geraten haben, auf den Brexit zu verzichten. – Das aber nur am Rande.
Wie gesagt, bei uns entscheidet das freie Mandat. Ich bedaure, dass wir nicht auf dem Antrag verblieben sind, aber das muss ich akzeptieren, auch mit Respekt vor den Kollegen, die sich anders entschieden haben. Auf jeden Fall wünschen wir uns einen Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union.
Vielen Dank, Herr Dr. Paul. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Kutschaty in Vertretung für Herrn Minister Lersch-Mense.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In gut sechs Wochen wird Großbritannien in einem Referendum über den Verbleib des Landes in der Europäischen Union entscheiden. Die Abstimmung findet fast auf den Tag genau 70 Jahre nach der Grundsatzentscheidung vom 21. Juni 1946 statt, die nördliche Rheinprovinz und Westfalen zum Land Nordrhein-Westfalen zusammenzuschließen.
Wenn wir in diesem August unser 70-jähriges Landesjubiläum mit einem großen Bürgerfest in Düsseldorf begehen, werden wir diese besondere Verbundenheit unseres Landes mit Großbritannien würdigen. Für den 23. August ist die Verleihung des Fahnenbandes des Landes Nordrhein-Westfalen an die 20. britische Panzerbrigade in einer öffentlichen Zeremonie auf dem Düsseldorfer Ehrenhof geplant. Auf britischer Seite wird an der Zeremonie eines der hochrangigsten britischen Militärorchester teilnehmen.
Großbritannien, meine Damen und Herren, ist für unser Land aber nicht nur ein wichtiger Partner, weil Nordrhein-Westfalen eine britische Erfindung ist oder wegen der jahrzehntelangen britischen Truppenpräsenz am Niederrhein und in Ostwestfalen-Lippe. Nordrhein-Westfalen ist heute das Zentrum einer sehr lebendigen deutsch-britischen Begegnung, eines Austausches in wirtschaftlicher, zivilgesellschaftlicher und zwischenmenschlicher Hinsicht. Jeder vierte Brite und jede vierte Britin in Deutschland lebt hier bei uns in Nordrhein-Westfalen, insgesamt über 26.000 Menschen. Es gibt Hunderte Schul- und fast
Das Vereinigte Königreich nimmt aktuell Platz 4 auf der Rangliste unserer wichtigsten Handelspartner ein. Im Jahr 2015 wurden Güter und Dienstleistungen im Werte von fast 14 Milliarden € aus NordrheinWestfalen nach Großbritannien exportiert und im Werte von 9,5 Milliarden € aus Großbritannien hier in unser Land importiert. Circa 1.600 britische Unternehmen residieren in Nordrhein-Westfalen. Umgekehrt haben über 420 nordrhein-westfälische Unternehmen einen Sitz in Großbritannien.
Die Europäische Union und der europäische Binnenmarkt bilden nunmehr seit über 40 Jahren den Rahmen für diese stabile und ausgesprochen vitale Zusammenarbeit. Ich verrate Ihnen daher sicherlich kein Geheimnis, wenn ich sage, dass die Landesregierung hofft, dass die EU auch in der Zukunft der gemeinsame Rahmen für unsere Zusammenarbeit mit Großbritannien bleibt.
Letztendlich wird aber das britische Volk am 23. Juni über den Weg des Landes und die weitere Mitgliedschaft in der Europäischen Union entscheiden müssen.
Gerade die Einsicht in das große Interesse unseres Landes am Verbleib der Briten in der Europäischen Union gebietet mit Blick auf diesen innenpolitischen Charakter der Abstimmung daher größte Zurückhaltung trotz oder gerade wegen der mit der Entscheidung verbundenen Unwägbarkeiten für die EU, aber auch für Großbritannien selbst.
Das Gesagte impliziert natürlich nicht, dass wir alle im zwischenmenschlichen Raum, in zwischenmenschlichen Begegnungen im Rahmen des zivilgesellschaftlichen Austausches nicht die Gelegenheit ergreifen sollten, unseren britischen Freundinnen und Freunden zu sagen, wie sehr wir uns wünschen, dass sie an Bord bleiben.
Vor diesem Hintergrund ist es zu begrüßen, dass es gelungen ist, diesen Antrag heute fast allparteienumgreifend zu formulieren. Der nun vorliegende Text benennt die besondere Bedeutung unserer Beziehungen zu Großbritannien, vermeidet aber den Anschein eines Versuchs der Einflussnahme in innere Angelegenheiten des Königreichs. Im Vordergrund steht vielmehr unser aller Hoffnung, dass – ich zitiere – „die unzähligen Kontakte, Berührungs- und Begegnungspunkte der deutsch-britischen Freundschaft weiter unkompliziert fortgeschrieben und weiterentwickelt werden können“.
Dem, meine Damen und Herren, ist nichts hinzuzufügen. Die Landesregierung unterstützt daher diesen Antrag. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir sind am Schluss der Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Die Fraktionen von SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP haben direkte Abstimmung beantragt. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Inhalt des Antrages Drucksache 16/11898 – Neudruck. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag Drucksache 16/11898 – Neudruck – angenommen mit den Stimmen von SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Piraten mit Ausnahme einer Enthaltung bei den Piraten.