Protocol of the Session on May 12, 2016

(Christof Rasche [FDP]: So ist es!)

Man stumpfe ab, berichten sie immer wieder.

Aber weder Polizeibeamte noch Beschäftigte im öffentlichen Dienst sind Freiwild für Beleidigungen. Hier sind im Übrigen auch die Behördenleiter in der Pflicht, ein Vorgehen gegen Beleidigung Bediensteter dann auch konsequent zu unterstützen.

Ich habe in einer Kleinen Anfrage im September letzten Jahres abgefragt, wie konsequent Beleidigungen gegen Polizeibeamte in Nordrhein-Westfalen eigentlich tatsächlich verfolgt werden. Es ist ernüchternd: Danach hat die Landesregierung gar keinen Überblick darüber und hält eine Erhebung auch gar nicht für notwendig. Das klingt doch nicht danach, dass das in Nordrhein-Westfalen mit Priorität angegangen wird, sondern vielmehr danach, dass der Minister in dieser Frage den Kopf in den Sand gesteckt hat.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren, wir sehen ungenutzte Möglichkeiten, Vollzugsdefizite und Versäumnisse in verschiedenen Bereichen. Hier ist die Landesregierung in der Pflicht, im Sinne unserer Polizeibeamten, Feuerwehrleute und Rettungskräfte endlich diesem Trend entschieden entgegenzutreten. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und CDU – Zurufe)

Vielen Dank, Herr Kollege Lürbke. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Schäffer.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Jede Person, die Opfer von Beleidigungen, von Bedrohungen, von gewalttätigen Angriffen wird, ist eine Person zu viel. Das gilt für Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte natürlich genauso wie für jede andere Person auch. Ja, wir tragen als Politik eine besondere Verantwortung gegenüber denjenigen, die im Auftrag des Staates handeln und tagtäglich für unsere Sicherheit und für den Schutz unserer Grundrechte im Einsatz sind, so, wie die Polizistinnen und Polizisten.

Die Entwicklung der gewalttätigen Übergriffe auf Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte ist seit Jahren bundesweit besorgniserregend. Ich gebe Ihnen recht, dass es eine besorgniserregende Entwicklung ist. Aber, Herr Kruse, dass wir keine Initiative veranlasst hätten, das stimmt so nicht.

Das Innenministerium hier in Nordrhein-Westfalen hat bereits im Jahr 2013 eine sehr breit angelegte Studie mit Befragungen von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten nach ihren Gewalterfahrungen vorgelegt. Daraufhin sind zahlreiche Handlungsempfehlungen, die diese Studie ergeben hat, auch umgesetzt worden, zum Beispiel Maßnahmen zur Eigensicherung durch verbesserte Ausstattung. Der Ausbau von Betreuungs- und Beratungsangeboten gehört

dazu, ebenso die Vorbereitung auf Konfliktsituationen in der Aus- und Fortbildung.

Diese Maßnahmen tragen natürlich dazu bei, dass der Schutz von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten erhöht wird. Und das ist auch gut und richtig so.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir Grüne sind aber nicht für eine Symbolpolitik zu haben – das haben wir hier in den verschiedenen Debatten immer wieder klargemacht –, die eine Scheinsicherheit für Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte suggeriert

(Holger Müller [CDU]: Ach nein!)

und keinen wirklichen Schutz verspricht.

(Zuruf von der CDU)

Dazu zählen auch, Herr Kruse, weil Sie das hier angeführt haben, die Forderungen nach neuen Straftatbeständen, nach Erhöhung des Strafmaßes, weil klar ist, dass es einen Abschreckungseffekt nachweislich nicht gibt. Wenn Taten im Effekt passieren oder unter Alkoholeinfluss,

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

dann kann man das immer wieder herbeireden, wie Sie das hier tun, aber es bringt nicht wirklich etwas, und es ist Alibipolitik, die wir ablehnen.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Marc Lürbke [FDP])

Für uns ist eines klar: dass wir sehr genau abwägen, ob erstens eine Maßnahme wirklich mehr Schutz und Sicherheit gewährleistet und ob zweitens, wenn es Grundrechtseingriffe gibt, der Sicherheitsgewinn, der damit versprochen wird, den Eingriff wirklich rechtfertigt.

Die Debatte um die Bodycams nehmen wir sehr ernst. Ja, es gibt Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, die auch uns gegenüber immer wieder berichten, dass sie sich im Einsatz sicherer fühlen, wenn sie mit Schulterkameras ausgestattet sind.

(Zuruf von Daniel Sieveke [CDU])

Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte berichten uns auch, dass diese Bodycams zur Deeskalation beitragen können. Insbesondere in Situationen, wenn sich unbeteiligte Dritte störend, gewalttätig in polizeiliche Maßnahmen einmischen, kann diese Schulterkamera als Abschreckung von Gewalttätern dienen.

(Zuruf von der CDU)

Genau solche Situationen, dass es in der Tat ein alltägliches Problem und ein alltägliches Phänomen für die Polizeiarbeit ist, werden auch in der Studie des Innenministeriums von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten berichtet.

Deshalb kann ich für uns auch sagen: Wenn diese Erfahrungen, die uns geschildert werden, so zutreffen und man sie verallgemeinern kann, dann wäre es ein erheblicher Sicherheitsgewinn für die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. Das erkennen auch wir Grüne ganz ausdrücklich an.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: So kann man sich Überwachung auch schönreden!)

Deshalb – das will ich hier klar sagen – haben wir uns dazu entschieden, einen eigenen Modellversuch mit Bodycams in Nordrhein-Westfalen zu machen. Dafür werden wir die gesetzlichen Voraussetzungen schaffen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zu- rufe von der CDU)

Wir brauchen diesen Modellversuch, um wirklich faktenbasiert eine Abwägung zwischen Grundrechtseingriffen einerseits und dem Sicherheitsgewinn für die Polizei andererseits treffen zu können. Zweck und Ziel eines solchen Modellversuchs muss es sein, die Eigensicherung der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten zu erhöhen und mehr Transparenz des Einsatzes zu gewährleisten.

(Unruhe von der CDU)

Vielleicht hören Sie mir einfach einmal zu und halten die Füße still. Vielleicht kommen wir dann in der Debatte weiter.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zu- rufe von der CDU)

Es hat bereits in mehreren Bundesländern entsprechende Modellversuche gegeben,

(Unruhe von der CDU – Glocke)

die aus unserer Sicht methodisch aber nicht einwandfrei sind. Herr Kruse hat hier auch wieder den Modellversuch in Hessen angeführt. Man muss zu dem Modellversuch in Hessen aber sagen, dass dieser wissenschaftlich so nicht valide ist, weil parallel zum Einsatz der Bodycams auch der Personalansatz der Polizei erhöht wurde.

Deshalb sagen wir, dass wir einen eigenen Modellversuch für Nordrhein-Westfalen brauchen: weil Nordrhein-Westfalen mit den Ballungszentren, mit dem ländlichen Raum eine andere Struktur hat als andere Bundesländer

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

und weil wir – denn das ist die Kritik an Hessen – eine unabhängige Evaluation von Anfang an haben wollen. Wir wollen von vornherein die Einbeziehung von unabhängigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in den Modellversuch, weil es verschiedene zu untersuchende Fragestellungen gibt, die uns wichtig sind.

(Unruhe)

Ich möchte Sie bitten, hier einfach mal zuzuhören. Sie haben bisher keinen Gesetzentwurf vorgelegt, Sie haben entscheidende Fragen bisher nicht beantworten können. Deshalb hören Sie vielleicht einfach mal zu, dann können wir auch in die Auseinandersetzung treten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Für uns ist klar, dass zum Beispiel die Frage untersucht werden muss, ob Bodycams verhindern, dass Bürgerinnen und Bürger weiterhin unbefangen auf die Polizei zugehen können. Das ist für uns ein wichtiger Punkt, dass das Vertrauensverhältnis nicht leidet. Deshalb brauchen wir diese unabhängige Evaluation des Modellversuches, auch um eine gute Entscheidungsgrundlage für den nächsten Landtag zu haben, wie man weiter mit den Bodycams umgeht.

Für uns Grüne ist aber auch – und das haben wir in den verschiedenen Debatten auch immer betont – die Frage des Datenschutzes außerordentlich wichtig, weil es sich hier um einen Grundrechtseingriff handelt. Deshalb werden wir hier selbstverständlich einen Gesetzentwurf vorlegen, der hohen datenschutzrechtlichen Anforderungen genügt.

Wir wollen, dass die Aufzeichnungen verschlüsselt werden. Wir wollen, dass nur Befugte auf die Aufzeichnungen zugreifen können. Das finde ich auch deshalb wichtig, weil sich die Polizei nicht den Vorwurf gefallen lassen kann, dass man möglicherweise Manipulationen an den Aufzeichnungen vornehmen kann. Das müssen wir von vornherein entkräften. Ich denke, es ist im Interesse der Polizei selbst, dass es solche Vorwürfe von vornherein nicht geben darf. Deshalb brauchen wir die Klärung der datenschutzrechtlichen Fragen bzw. werden einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen.

Das sind übrigens Fragen und Punkte, die Sie von der CDU bisher nie präsentiert haben. Sie haben immer nur gesagt: „Bodycams ja“, aber wie die tatsächliche Umsetzung erfolgen kann, haben Sie diesem Parlament bisher nicht vorgelegt.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Zum Abschluss will ich noch einmal sagen, dass es unser Ziel ist, eine wirklich wirksame Erhöhung des Schutzes der eingesetzten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten zu erreichen. Wir brauchen keine Symbolpolitik, keine Forderungen nach Erhöhung des Strafmaßes oder nach neuen Straftatbeständen, sondern wir brauchen echten Schutz.