Allein die blumigen Namen der beiden Gesetze sprechen eine deutliche Sprache und zeigen im Grunde, was für eine Denke dahintersteht. Tautologie und Pleonasmus – das schenke ich Ihnen. Auf jeden Fall handelt es sich in beiden Fällen um Wortreichtum ohne Informationsgewinn; denn – erstens – Hochschule hat immer mit Freiheit zu tun, und – zweitens – Hochschule hat immer mit Zukunft zu tun; es sei denn – und da verrät sich die neoliberale Holzfällerlogik von Schwarz-Gelb –, es geht gar nicht und
ging nie um die Wissenschaftsfreiheit als Individualrecht, wie es ausdrücklich in Art. 5 Abs. 3 des Grundgesetzes ausgeführt ist, sondern um eine Befreiung der Institution Hochschule; die unternehmerische Hochschule, die entfesselte Hochschule oder wie derlei komplett hirnrissige Slogans sonst noch heißen.
Die Wissenschaftspolitik im beginnenden Informationszeitalter unterwarf damit unsere Hochschulen einer aus der Religion des sogenannten freien Marktes abgeleiteten Wettbewerbslogik und pflegt dabei auch noch die Bewahrung eines angestrengten Optimismus. Dabei werden große Verkrampfungen erzeugt, die jenseits aller kreativen Haltungen liegen. Jenseits aller kreativen Haltungen – das ist eine Bemerkung aus dem Buch des Bonner Neurologen Detlef B. Linke „Die Freiheit und das Gehirn“, Seite 46, fünfter Absatz.
Und was machte Rot-Grün? – Man folgte beim Entwurf des Hochschulzukunftsgesetzes noch nicht einmal irgendeiner Logik, sondern pflegte eine Zögerstrategie des „Ja – Nein – Doch – Vielleicht – Schauen wir einmal“.
Das ist ein wissenschaftspolitisches Armutszeugnis. Hochschulmutlosigkeitsgesetz wäre daher der richtige Name gewesen. Zukunft sieht jedenfalls anders aus. Für uns Piraten gelten das Grundgesetz und die Wissenschaftsfreiheit als Individualrechte, und das ist nicht verhandelbar.
Da sich die anderen Fraktionen im hiesigen Landtag argumentativ gern bei den Privat-vor-Staat-Aposteln bedienen, muss schon die Frage erlaubt sein, ob wirklich verstanden worden ist, was Freiheit der Wissenschaft eigentlich bedeutet.
„Das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG steht zwar Vorgaben zur Qualitätssicherung von Studienangeboten grundsätzlich nicht entgegen. Wesentliche Entscheidungen zur Akkreditierung darf der Gesetzgeber jedoch nicht weitgehend anderen Akteuren überlassen, sondern muss sie unter Beachtung der Eigenrationalität der Wissenschaft selbst treffen.“
Ähnlich wie bei den Akkreditierungsagenturen stellen auch die Mitwirkungs- und Aufsichtsrechte der Hochschulräte einen prinzipiellen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit dar. Wer garantiert denn, dass ein Hochschulrat nicht Entscheidungen fällt, die einer Fremdrationalität folgen, zum Beispiel der Scheinrationalität der Markttheologie?
Auch hier ist die hinreichende Teilhabe der Wissenschaft selbst nicht durch den Gesetzgeber garantiert
und der Schutz vor wissenschaftsinadäquaten Entscheidungen nicht gewährleistet, und auch hier ist der Staat gefordert, nämlich als Garant des Grundrechts auf Wissenschaftsfreiheit.
Wir haben im Gesetzesverfahren zum sogenannten Hochschulzukunftsgesetz deutliche Kritik am Geist der Hochschulgesetzgebung formuliert. Echte Wissenschaftsfreiheit sieht anders aus. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil im Februar genau diese Frage, nämlich zur Akkreditierung von Studiengängen, geklärt. Sie sind in ihrer jetzigen Form verfassungswidrig.
Sie sind nun aufgefordert, bis Ende 2017 eine neue gesetzliche Regelung zu treffen. Diese fordern wir schnellstmöglich ein; denn es kann doch nicht sein, dass wir hier im rechtsfreien Raum lustig weiter akkreditieren. Eine Entscheidung, nach dem Motto: „Wir schieben das, weil bald ist ja Wahlkampf“ kann ich nachvollziehen. Aber seien Sie sich bitte sicher, dass das die um sich greifende Politikverdrossenheit weiter fördern wird und Kräften in die Hände spielt, die wir nicht wollen.
Wenn Nordrhein-Westfalen jetzt endlich mutig ist und dieser Doktrin „Privat vor Staat“ an den Hochschulen entgegentritt, wäre das ein starkes Signal in die NRW-Hochschulen und auch in die gesamte Wissenschaftslandschaft in Deutschland.
Wir freuen uns, dass wir diese Ausrichtung nun im Ausschuss vertiefen dürfen, aber eigentlich ist es traurig, dass erst Gerichte die Wissenschaftsfreiheit einfordern müssen. – Vielen herzlichen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich werde jetzt nicht den fünften Absatz auf Seite 46 eines Buches irgendeines Wissenschaftlers zitieren, sondern
schlichtweg wie folgt beginnen: Herr Dr. Paul, die Tonalität in Ihrer Rede, aber auch die Tonalität in Ihrem Antrag geht aus meiner Sicht eigentlich völlig an der Sachauseinandersetzung vorbei.
Wir haben die Situation, dass das Bundesverfassungsgericht die Akkreditierung als nicht verfassungskonform bezeichnet hat. Allerdings trifft diese Entscheidung nicht nur Nordrhein-Westfalen, sondern das bundesweite Akkreditierungssystem; denn Grundlage der Akkreditierungssysteme in den Bundesländern sind Vereinbarungen in den Kulturministerkonferenzen auf Bundesebene, die dazu geführt haben, dass ein entsprechendes System bundesweit
auch einheitlich zur Anwendung kommt. Eine ausschließliche Begrenzung auf Nordrhein-Westfalen, ist insoweit schon der erste Punkt, den ich für problematisch halte.
Zweitens vermischen Sie in diesem Antrag Ihre bekannte Auseinandersetzung mit den Hochschulgesetzen, dem Hochschulfreiheitsgesetz und dem Hochschulzukunftsgesetz, und kommen dann zu dem Schluss, dass auch die Hochschulräte durch diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes betroffen seien.
Das ist aus meiner Sicht inhaltlich völlig irrig, weil die Hochschulräte nämlich die Aufgabenaufsicht über das Verwaltungshandeln der Hochschulleitungen wahrnehmen und keinen unmittelbar den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz berührenden Auftrag haben.
Die Tatsache, dass Sie diese Auseinandersetzung über die Hochschulräte hier erneut aufgreifen, zeigt mir aber, dass Sie schlichtweg zum Teil auch Krieger der Vergangenheit sind.
Weil die Situation so ist, fragen Sie, welche Rolle und Bedeutung die Hochschulräte haben. Doch nach den Erfahrungen des Gesetzes aus dem Jahr 2005 und den entsprechenden Gesetzesnovellierungen, wo wir auch an den Hochschulen durchaus noch einmal sehr kritisch hinterfragt haben, wie die Sichtweise auf die Hochschulräte ist, sind wir doch mit der Erkenntnis eigentlich aller handelnden Akteure konfrontiert worden, dass genau dieses Aufsichtsgremium wesentlich auch positive Einflüsse auf die Hochschule genommen hat, und zwar nicht im Sinne eines Eingriffs in die Wissenschaftsfreiheit, sondern im Sinne von Transfer aus der Zivilgesellschaft in die Hochschule hinein.
Die Wissenschaftsräte sind ja nicht per se – wenn Sie sich die Berufung anschauen – rein mit Unternehmensvertreterinnen und -vertretern besetzt. Ich kann Ihnen sagen, dass unter anderem auch Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter in den Hochschulräten entsprechend verankert sind. Wenn man stärkeren zivilgesellschaftlichen Einfluss auf Hochschulen ausüben will, kann das auch über diese Hochschulräte passieren, ohne in die Wissenschaftsfreiheit einzugreifen. So ist auf jeden Fall die Situation, wie wir die Debattenlage sehen.
Vor diesem Hintergrund will ich sehr deutlich machen, dass wir natürlich nicht vorhaben, einen rechtsfreien Raum zu belassen, wie Sie gerade gesagt haben. Denn es existiert überhaupt kein rechtsfreier Raum. Das Bundesverfassungsgericht hat bis Ende 2017 entsprechend Zeit gegeben, hier zu einer entsprechenden Novellierung zu kommen.
rauf achten müssen, dass jetzt bundesweit eine entsprechende Debatte über die Neuordnung der Akkreditierung auf den Weg gebracht wird. Das wird viel Koordinationsaufwand mit sich bringen, da bin ich mir ziemlich sicher. Und das wird auch nicht mal eben mit einem schnellen Gesetz aus NordrheinWestfalen, so wie Sie das beschreiben, geschehen, weil wir dann die Situation hätten, einen Sonderweg für Nordrhein-Westfalen zu beschreiten. Davon würde ich doch deutlich abraten.
Wir brauchen jetzt eine vernünftige, fundierte Debatte, wie das entsprechend neu aufgestellt werden kann, um verfassungskonform auf den Weg gebracht zu werden.
Der Debatte im Ausschuss werden wir uns mit Freude stellen. Ich hoffe, dass wir uns den Rest dann ersparen. – Danke für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Piraten! Man muss Ihnen vielleicht zugestehen, dass Sie manchmal tatsächlich inhaltlich gut begründete und sachlich richtige Anträge stellen. Heute allerdings, und nicht nur bei diesem Antrag, ist Ihnen das allerdings wieder einmal gründlich misslungen.
Wie so oft, gerade im Wissenschaftsbereich, ist Ihr Antrag eine Mischung aus Tatsachen, Halbwahrheiten und Wunschvorstellungen. Nach Ihrer Rede, Herr Dr. Paul, würde ich sogar fast von Wahnvorstellungen reden.
Richtig erkannt haben Sie, dass das Bundesverfassungsgericht die konkreten landesrechtlichen Regelungen zur Akkreditierung von Studiengängen sowohl in der Fassung des Hochschulfreiheitsgesetzes als auch in der Fassung des Gesetzes über die Hochschulen des Landes NRW vom 16. September 2014 für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt hat.
Wie Sie allerdings aus diesem Beschluss zu der Feststellung im zweiten Punkt Ihres Antrages hinsichtlich der Hochschulräte kommen, erschließt sich mir auch nach wiederholtem Lesen der Entscheidung nicht. Zu einer solchen Feststellung kann eigentlich nur kommen, wer entweder die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder die gesetzliche Regelung zu den Hochschulräten nicht gelesen oder nicht verstanden hat.
Bei empirischer Betrachtung Ihrer bisherigen Anträge im Wissenschaftsbereich liegt für mich die Vermutung nahe, dass beides zutrifft.
Kommen wir jetzt aber zum eigentlichen Problem der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Unvereinbarkeit der Regelungen zur Akkreditierung mit dem Grundgesetz. Hier scheinen Sie das Problem zumindest im Kern verstanden zu haben – die wirkliche Tragweite haben Sie aber nicht begriffen.
Es gibt unbestreitbar viele Punkte im Wissenschaftsbereich, wo man Rot-Grün Versäumnisse, Unzulänglichkeiten, Fehler, Handlungsunfähigkeit etc. vorwerfen könnte. Aber die Tatsache, dass es zwei Monate nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts noch keinen Gesetzentwurf zur Umsetzung der Feststellung des Beschlusses gibt, diese Geschichte gehört eindeutig nicht dazu.
Schon der Volksmund weiß bekanntlich, dass Lesen bildet. Hätten Sie, Herr Dr. Paul und Ihre Mitarbeiter, den Beschluss richtig gelesen, hätte Ihnen eigentlich die ausführliche historische Darstellung des Bundesverfassungsgerichts zum Thema Akkreditierung auffallen müssen.
Seit 1998 behandeln die Länder das Thema in der Kultusministerkonferenz. Es ist also kein Thema, das man allein und isoliert aus Sicht unseres Landes behandeln könnte, wie Herr Bell richtig dargestellt hat. Im Gegensatz zu Ihnen hat das auch das Bundesverfassungsgericht übrigens erkannt.