Protocol of the Session on March 16, 2016

(Dr. Stefan Berger [CDU]: Ja eben nicht!)

Ich kann nur hoffen, dass wir bei der Diskussion im Ausschuss Gelegenheit haben, dieses Thema substanzieller zu behandeln.

(Zuruf von der SPD)

Selbstverständlich werden wir der Überweisung zustimmen.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hammelrath. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Bas.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt sie im Landtag, es gibt sie in der Arena auf Schalke, und es gibt sie auch an zahlreichen Universitäten und Fachhochschulen in unserem Land. Man geht dorthin, um zur Ruhe zu kommen, zu meditieren, um zu beten. Die Rede ist von den sogenannten Räumen der Stille.

Gerade an den Hochschulen wurden diese Räume in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr eingerichtet – nicht, weil Hochschulen dazu verpflichtet sind, sondern als freiwilliges Angebot an eine zunehmend diverser werdende Studierendenschaft und für den offenen Umgang mit Glauben und Ruhebedürfnissen im Alltag von Hochschulen.

Vor einigen Wochen haben Medien über Probleme mit den Räumen der Stille an der TU Dortmund und an der Universität Duisburg-Essen berichtet, darunter auch die im CDU-Antrag aufgeführte Sendung „Westpol“, das ZDF-Magazin „Forum am Freitag“, „FOCUS online“, „SPIEGEL“ und die „WAZ“.

Wenn man sich die Berichterstattung anschaut, wird man höchst unterschiedliche Schilderungen über die Vorfälle in den beiden Unistädten feststellen – von sachlich bis reißerisch. Hinzu kommt noch eine Welle antimuslimischer Schimpftiraden im Internet zu diesem Thema.

Fest steht, dass weder in Dortmund noch in Essen irgendwelche salafistischen Gruppen versucht haben, die dortigen Räume der Stille für sich zu beanspruchen, so wie der vom „Westpol“-Bericht inspirierte CDU-Antrag suggeriert. Vielmehr haben sich in Dortmund einzelne muslimische Besucher des dortigen Raumes der Stille nicht an die vereinbarte Nutzungsordnung gehalten, was unter anderem die nicht erlaubte Veränderung des Raumes beinhaltete und die gar nicht tolerierbare Abweisung von Nutzerinnen des Raumes. Als Folge davon wurde der Raum nun geschlossen – zum Leidwesen der muslimischen, christlichen und anderen Studierenden, die sich bisher an die Regeln dort gehalten haben.

In Essen stellte sich die Lage aber wiederum anders da. Dort hatten sich sowohl Vertreter der Studierendenschaft, aber auch der Hochschulleitung von Berichten distanziert, die vor einer Schließung des Raumes aufgrund von angeblichen Problemen mit radikal-religiösen Nutzern sprachen. Der bereits seit vielen Jahren in Nutzung befindliche Gebetsraum ist laut Auskunft der Uni aufgrund von Sanierungsarbeiten im Gebäude geschlossen worden. Stattdessen soll ein freundlicher gestalteter Raum der Stille für alle Studierenden entstehen –

(Zuruf von Dr. Stefan Berger [CDU])

eine interessante Darstellung der Situation, die auf der Website der Uni Essen übrigens abrufbar ist.

Ähnliches geschieht derzeit übrigens auch an der Uni Köln, wie gerade berichtet, und bald auch am Standort für Islamische Theologie in Münster.

Aus eigener Erfahrung mit Räumen der Stille kann ich sagen, dass ein solcher Raum am besten funktioniert, wenn dieser im Dialog zwischen Hochschule und Studierendenschaft, zu der auch konfessionelle Hochschulgemeinden wie KSHG, ESG oder IHV gehören, entwickelt und verantwortet wird. Die vielen gelungenen Beispiele für funktionierende Räume der Stille zeigen, dass es ohne Dialog nicht geht.

Wie bereits eingangs erwähnt, sind Hochschulen nicht verpflichtet, solche Räume bereitzustellen. Wenn sie diese Räume anbieten, muss man den Hochschulen aber auch zutrauen, bei Problemen mit der Nutzung auch dementsprechend besonnen zu reagieren. Dazu bedarf es aber nicht einer Anordnung aus Düsseldorf oder gar der ständigen Konsultation des Verfassungsschutzes, wie es der CDUAntrag vorschlägt.

(Dr. Stefan Berger [CDU]: Steht doch gar nicht drin!)

Ich glaube, dass ein solches Misstrauen der eigentlichen Intention des Raumes der Stille, Studierenden einen würdevollen Rückzugsort zum Abschalten, Beten oder Meditieren zu bieten, zuwiderläuft.

Der Überweisung in den Ausschuss stimmen wir natürlich zu; dem Antrag an sich werden wir im Ausschuss nicht zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die FDP-Fraktion spricht Frau Kollegin Freimuth.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dem Antrag liegt eine Annahme zugrunde, die wir nicht teilen. Denn in Ihrem Antrag heißt es:

„,Räume der Stille‘ sind ein wichtiges Instrument, religiöse Praxis im öffentlichen Raum zu ermöglichen …“

Meine Damen und Herren – Kollegin Hammelrath hat es gerade auch schon ausgeführt –, Räume der Stille sollen die Möglichkeit bieten, Ruhe und Einkehr in einer sehr hektischen Welt zu finden. Das kann selbstverständlich jeder Mensch für sich auch gestalten;

kann meditieren, beten – zu wem auch immer –, innehalten, nachdenken oder einfach auch nur einmal in Ruhe durchatmen und abschalten.

Für eine tatsächliche religiöse Praxis sind die Räume zumeist auch nicht geeignet. Es handelt sich eben nicht um kleine Kapellen oder Gebetsräume. Im Gegenteil: Diese Räume sind ja auch bewusst weltanschaulich und bekenntnisneutral gehalten.

Der Irrtum zeigt sich dann auch am Ende Ihres Antrags, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie noch einmal von „multireligiöser Nutzung dieser Räume“ durch Katholiken, Protestanten oder sonstige Religionsgruppen schreiben. Denn Atheisten, Agnostiker, religiös Indifferente und einige mehr klammern Sie damit nämlich komplett aus.

(Vereinzelt Beifall von der FDP, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Selbstverständlich stehen die Räume der Stille auch diesen Menschen offen.

Sie selbst fordern in dem Antrag eine säkulare Gesellschaft. Die Ausübung einer Religion – oder eben auch nicht – ist für jeden Menschen eine sehr individuelle Angelegenheit. Niemand hat den Anspruch darauf, seine Religion in öffentlichen Einrichtungen ausüben zu können. Die Entscheidung, ob es einen Raum der Stille in einer Hochschule gibt, sollte daher auch die Hochschule allein in ihrer Autonomie und Verantwortung treffen. Weiteren Handlungsbedarf sehen wir hier nicht.

(Beifall von der FDP)

Ihre Forderung nach einer Übersicht über die Aktivitäten von Salafisten an Hochschulen ist dabei allerdings grundsätzlich eine sinnvolle. Denn dadurch können bei allen Hochschulangehörigen durchaus auch das Bewusstsein und die Sensibilität geschärft werden, womit vielleicht auch präventiv einiges auf den Weg gebracht wird.

(Beifall von Daniel Sieveke [CDU])

Etwas nebulös ist die Forderung, die Hochschulen im Umgang mit den religiösen Gruppen zu unterstützen, die sich nicht an Regeln für die Räume der Stille halten. Ich weiß nicht ganz genau, was die CDU hier konkret anspricht. Die Hochschulen haben das Hausrecht, und wer die Regeln des Hauses bricht, bekommt Hausverbot. Das Instrumentarium gibt es.

(Beifall von der FDP, der SPD und den PIRATEN)

Wird das ignoriert, dann dürfte wohl ein Hausfriedensbruch vorliegen und damit auch ein Fall für die Justiz. Das gilt im Übrigen nicht nur für die religiösen Gruppen, wie es dann schon wieder in dem Antrag heißt.

Aufgrund des Auftretens salafistischer Gruppierungen will die CDU Verfassungsgrundsätze an unseren

Hochschulen verstärkt vermitteln. Auch hier stellt sich mir die Frage: Was konkret ist damit gemeint? Soll etwa ein Zusatzmodul namens Wertevermittlung in alle Prüfungsordnungen integriert werden? Nach meiner Beobachtung und auch nach Meinung vieler Experten ist der akademische Nachwuchs in der überwiegenden Mehrheit mündig, aufgeklärt und ein wesentlicher Träger unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Unsere Studierenden sind wahrscheinlich die Letzten, die wir noch mit extra Staatskunde belehren müssen, zumal viele der berichteten Salafisten möglicherweise gar nicht Angehörige der Hochschulen waren und sind.

Meine Damen und Herren, gerade das friedliche Zusammenleben an den Hochschulen ist doch Gott sei Dank gelebte Praxis. Die vielen multikulturellen studentischen Initiativen und internationalen Teams an den Hochschulen sind doch die besten Vorbilder dafür.

In dem Antrag wird außerdem mehr Geld für die engere Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden gefordert, damit die Nutzung der Räume der Stille reibungslos funktionieren kann. Auch an der Stelle einfach die Frage: Was meinen Sie damit?

(Dr. Stefan Berger [CDU]: Um das Hausrecht durchzusetzen!)

Sicherheitsfirmen, die die Räume der Stille schützen? Meine Damen und Herren, das ist nicht unser Ansatz. Der Rechtsstaat hat Hausfriedensbruch mit Polizei und Justiz zu verfolgen, wenn die Hochschulen ein Hausverbot verhängt haben.

Wir Freien Demokraten sehen bei diesem Antrag noch viel Diskussionsbedarf. Ich freue mich insoweit auf die Beratungen im Fachausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP, der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Freimuth. – Für die Piratenfraktion erteile ich Herrn Kollegen Dr. Paul das Wort.

Vielen Dank. – Verehrter Herr Präsident! Ich muss sagen: Das ist schon sensationell. Dass ich bei einem Beitrag von Frau Freimuth mal klatsche, hätte ich heute nicht erwartet. Aber gut.

(Angela Freimuth [FDP]: Herr Paul, Sie sehen mich auch zutiefst beunruhigt!)

Nein, das müssen Sie nicht sein.

Zunächst einmal, Herr Dr. Berger, ernsthaft: Ich kann Ihre Sorgen verstehen. Aber im Subtext Ihres Antrags scheint ein Alarmismus durch, der einer souve

ränen CDU hochschulpolitisch nicht ansteht. Wir haben ja in der Bundesrepublik zurzeit leider viel zu viel mit Alarmismen und Populismen zu tun.