„Wie und mit welchem Inhalt hat sich die Landesregierung bei den Verhandlungen von Ceta eingebracht, um die Interessen der Freien Berufe zu stärken?“
„Die Landesregierung hat ihre Interessen gegenüber der Bundesregierung und den für die Verhandlungen zuständigen Stellen eingebracht und vertreten.“
Wir wollten wissen, wie viele Freiberufler, zum Beispiel Ärzte in Krankenhäusern oder Ingenieure bei
Sie wissen nicht, wie hoch der erwirtschaftete Anteil der Freien Berufe am Bruttoinlandsprodukt in NRW ist. Und wenn man dann nach der Einschätzung der wirtschaftlichen Lage der Freien Berufe im Land fragt, kommt die scharfsinnige Antwort: Die wirtschaftliche Lage ist in den Freien Berufen in allen Bundesländern nicht deutlich unterschiedlich. – Sie erfolgt also getreu dem Motto: Frankfurt/Oder, Bielefeld, Münster, Kevelaer, Schmallenberg – irgendwie alles gleich. Mailand oder Madrid? Hauptsache, Italien.
Mir stellt sich die Frage, wie man auf einer so dünnen Wissensbasis überhaupt vortragen kann, man wolle Politik im Sinne der Freien Berufe machen, weil sie ja so wichtig seien. Wenn man so wenig weiß, kann es mit der Politik und der positiven Wirkung derselben nicht weit her sein.
Wir wollten beispielsweise in Frage 15 wissen, welche Maßnahmen Sie ergreifen, um die flächendeckende Versorgung mit freiberuflichen Dienstleistungen im ländlichen Raum sicherzustellen. Wahrscheinlich hat man nicht einmal die Frage richtig gelesen, sondern sich nur gedacht: Ah, Freie Berufe, ländlicher Raum, da geht es bestimmt um Ärzte. – Und genau so ist die Antwort ausgefallen: Es geht in der Antwort nur um Ärzte. Es geht nicht um Ingenieure, Rechtsanwälte und Ähnliches. Man muss sich schon wundern.
Manches geht schlicht am Thema vorbei. Wenn wir beispielsweise fragen: „Wie will die Landesregierung die Attraktivität von Ausbildungsberufen bei Freiberuflern (z. B. PTA)“ – das steht für PharmazeutischTechnischer Assistent – „steigern?“, kommt der Hinweis auf „Kein Abschluss ohne Anschluss“. Dass Sie es mit der Streichung des Ausbildungszuschusses fast geschafft hätten, diese Ausbildung in NordrheinWestfalen plattzumachen, greifen Sie in Ihrer Antwort mit keinem Wort auf.
Ich muss leider sagen, dass diese wurstige Art der Beantwortung des Umgangs zwischen Regierung und Parlament und auch der Bedeutung der Freien Berufe mit 660.000 Mitarbeiterin in Nordrhein-Westfalen unwürdig ist.
Die Freien Berufe sind ein starker Wirtschaftsfaktor. Sie sind aber noch mehr. Sie sind nämlich auch ein starker Teil der Mitte der Gesellschaft. Subsidiarität und Selbstverantwortung sind die Stichworte, die wir in Sonntagsreden hören und auch selbst hochhalten. Dann muss man aber auch etwas dafür tun, und wenn man wissen will, was man dafür tun muss, muss man den Status quo kennen und sich auch mit den Details auseinandersetzen.
Das ist hier nicht ausreichend erfolgt. Vielleicht war viel zu tun. Vielleicht wurde die Bedeutung nicht ganz erkannt. Oder es ist jemandem durchgerutscht. Ich weiß es nicht.
Es reiht sich nahtlos ein in den fahrlässigen Umgang mit anderen wirtschaftspolitischen Themen. Bei den Start-ups geht nicht viel voran. Die Emscher-LippeRegion tritt auf der Stelle. Wir haben Probleme in großen Teilen der energieintensiven Industrie. Ich sage nur: Stahl. All das ist eine Kette von Themen, bei denen man sich fragen muss: Warum passiert hierbei nicht mehr?
Heute soll es nur um die Freien Berufe gehen. Man könnte hier noch viel schlimmer motzen usw. Wir könnten noch ein paar andere Anfragen auf welchem Weg auch immer stellen, Kleine Anfragen und Ausschussanfragen. Dann schicken wir sie wieder an die Regierung. Die Regierung schickt sie wieder an die Verbände und Kammern. Dann stehe ich wieder hier und bin unzufrieden, weil auf dem Weg irgendwie etwas verloren geht.
Ich schlage Folgendes vor und mache das auch formal über den Weg der Obleutebesprechung: Wir nehmen all die Fragen mit in die nächste Sitzung des Wirtschaftsausschusses. Dann laden wir eine abgestimmte Liste von Verbänden zu einem Expertengespräch ein, wie wir es immer machen. Wir müssen keine große Anhörung durchführen. Dann stellen wir die Fragen selbst. Denn mir geht es nicht darum, der Landesregierung ständig zu sagen: Die Frage habt ihr wieder nicht ordentlich aufgearbeitet. Wir wollen ein paar Antworten haben. – Dann können wir es uns etwas einfacher machen und müssen die Landesregierung nicht wieder bemühen. Der erste Versuch dieses Bemühens war offensichtlich nicht sonderlich erfolgreich. Das ist mein Vorschlag. Der ist etwas außergewöhnlich, aber vielleicht kann man ihm einmal nähertreten. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Wüst. – Für die SPD-Fraktion spricht als Nächste Frau Kollegin Müller-Witt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst auch von meiner Seite ganz herzlichen Dank an das Ministerium für die Beantwortung der Großen Anfrage. Ich habe Verständnis dafür, wie die Beantwortung ausgefallen ist, denn Antworten können nur so gut sein, wie es der Fragenkatalog ist. Der Fragenkatalog war nicht entsprechend qualitätsvoll.
(Lutz Lienenkämper [CDU]: Was ist das denn für eine Logik? – Gegenruf von Michael Hübner [SPD]: Wenn Ihr Plattitüden austeilt, gibt
Mit der Großen Anfrage zur Lage und den Perspektiven der Freien Berufe in Nordrhein-Westfalen wurde der Fokus auf eine keineswegs homogene Gruppe von Berufen gelenkt. Den Freien Berufen ist zwar gemein, dass sie eine Dienstleistung erbringen, aber damit endet schon fast die Gemeinsamkeit. Nach Deneke zeichnen sich die Freien Berufe dadurch aus, dass der Freiberufler bzw. die Freiberuflerin eine persönliche ideelle Leistung in beruflicher Unabhängigkeit erbringt, die weder delegierbar noch vervielfältigbar ist.
Der Dienstleistungssektor, zu dem die Freien Berufe gehören, erlangt auch im Industrieland NordrheinWestfalen nicht zuletzt aufgrund des stetigen Wandels von der Industriegesellschaft zur Dienstleistungsgesellschaft immer größere Bedeutung. Dabei ist gerade im Industrieland Nordrhein-Westfalen festzustellen, dass trotz oder auch gerade wegen des immer noch hohen Industriebesatzes die Gründerzahlen für Freie Berufe zu den höchsten in der Bundesrepublik gehören, was unter anderem wohl auch der dichten Hochschullandschaft geschuldet ist. Lediglich die Stadtstaaten Berlin und Hamburg liegen hierbei laut der jüngsten Veröffentlichung des BFB noch vor Nordrhein-Westfalen.
Dies spricht aus meiner Sicht für zweierlei: Zum einen heißt es, dass sich Industriegesellschaft und Freie Berufe respektive Dienstleistungsgesellschaft nicht per se gegenseitig ausschließen, sondern im Gegenteil zu Synergieeffekten führen können. Freie Berufe benötigen den industriellen Kern als Ort der Wertschöpfung. Sie existieren mit der produzierenden Wirtschaft in Form einer Symbiose.
Zum anderen zeigen die beeindruckenden Gründerzahlen im Segment der Freien Berufe auch, dass die Voraussetzungen für Gründungen hier im Land besonders gut sein müssen und dass die Landesregierung gute Arbeit macht.
Nach jüngsten Erhebungen kommen statistisch in Nordrhein-Westfalen auf jeden der rund 358.000 selbstständigen Freiberufler inzwischen fast zwei sozialversicherungspflichtige Beschäftigte. Beschäftigte, die im Bereich der Freien Berufe angestellt sind, stellen einen nicht zu vernachlässigenden Beschäftigungseffekt dar.
Wenn man sich die Zahlen etwas genauer anschaut, ist festzustellen, dass sich in den einzelnen Berufsgruppen auch die Veränderungen in unserer Wirtschaft widerspiegeln. So macht selbstverständlich Wirtschaft 4.0 vor traditionellen Berufsfeldern der Freien Berufe nicht halt. Während zum Beispiel die Zahl der Apothekerinnen und Apotheker unter anderem aufgrund des stetig wachsenden Onlinehandels in diesem Segments und der Erlaubnis des Betreibens von Filialen rückläufig ist, sind andererseits in
der Kreativwirtschaft zahlreiche neue Berufsfelder entstanden. Gerade sie tragen in erheblichem Maße zur fortgesetzten Erfolgsgeschichte der Freien Berufe insgesamt bei.
Dabei unterscheiden sie sich nicht nur in ihrem Berufszweck, sondern auch in der Organisation des Berufsstandes. Während die sogenannten alten Freien Berufe durch gesetzliche Berufszugangsregeln und bewährte Selbstverwaltungsstrukturen in Form von Kammern, die auf die Einhaltung von Regeln achten, aber auch als Standesvertretung im weitesten Sinne verstanden werden und selbstverwaltet organisiert sind, haben sich die Vertreter der neuen Berufsfelder keine vergleichbaren Strukturen gegeben.
Was aber bislang alle gemeinsam auszeichnete, war der Fokus auf einen Qualitätswettbewerb im Gegensatz zu einem Wettbewerb im marktwirtschaftlichen Sinne über Preise. Auch diese Abgrenzung droht zunehmend zu verschwinden.
Die Freien Berufe in Nordrhein-Westfalen – unabhängig davon, wie sie sich selbstverwaltet organisieren oder nicht – haben einen von ihnen unmittelbar erwirtschafteten steigenden Anteil am Bruttosozialprodukt. Darüber hinaus tragen sie über nicht unerhebliche Multiplikatoreffekte auch mittelbar zum Wirtschaftswachstum bei. Eine entscheidende Rolle spielen dabei die neu hinzugekommenen Berufsfelder der Medien- und Kreativwirtschaft, eines Wachstumsmarktes, der nicht von ungefähr einer der acht Leitmärkte in NRW ist. Laut Wirtschaftsministerium Nordrhein-Westfalen handelt es sich um einen bedeutenden Leitmarkt, der neben den anderen im Fokus der Landespolitik steht.
Das heißt: Trotz des Strukturwandels bei einigen wenigen traditionellen Berufsfeldern sind die Freien Berufe einer der Wachstumsmotoren unseres Landes – vielleicht weil sie sich kein Verharren in alten Strukturen leisten können, wenn sie weiter im Qualitätswettbewerb bestehen wollen.
In ihren Anstrengungen werden die Freien Berufe konsequent durch die Landespolitik unterstützt. So profitieren die Freien Berufe bei den Gründungen durch die Unterstützung durch die STARTERCENTER NRW sowie durch die Beratungs- und Finanzierungsangebote der NRW.BANK und der Bürgschaftsbank, welche auch über die Gründung hinaus den Ausübenden der Freien Berufe zur Seite stehen.
Insgesamt ist festzustellen, dass Nordrhein-Westfalen gute Voraussetzungen für die Freien Berufe bietet. Dies schlägt sich nicht zuletzt in der Erfolgsbilanz der Freien Berufe in NRW nieder.
Deshalb begrüßt die SPD-Fraktion die Gelegenheit, diese Erfolgsbilanz in einer Plenardebatte diskutieren zu können. Wir werden uns sicherlich auch nicht verweigern, das im Ausschuss zu vertiefen.
Mit dem Komplex der regulativen Fragen und der europapolitischen Dimensionen wird sich gleich meine Kollegin Inge Blask befassen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Kollegin Müller-Witt. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich Frau Kollegin Dr. Beisheim das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bedeutung der Freien Berufe wurde durch meine Vorrednerin bereits hervorgehoben. Ich möchte gerne ergänzen, dass der Verband der Freien Berufe aus seinem Selbstverständnis heraus nicht ohne Grund die Gemeinwohlorientierung als eines der tragenden Grundprinzipien der Freiberuflichkeit hervorhebt.
Es ist nicht verwunderlich, dass die Initiativen der Freien Berufe zur Integration von Flüchtlingen in die Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt beitragen. So engagieren sich beispielsweise die Kassenärztlichen Vereinigungen in Nordrhein-Westfalen und alle Heilberufe-Kammern in der Versorgung von Flüchtlingen und in der sozialen und beruflichen Integration. Die gesellschaftliche Verantwortung wird also erkannt und übernommen. Dafür möchte ich meinen Dank aussprechen.
Herr Wüst, wenn ich auf die Debatten der letzten vier Jahre in diesem Hohen Hause zur Wirtschaftspolitik zurückblicke, bestand bis auf die auch in Ihrem Beitrag wieder aufgewärmten Evergreens und das immer wieder vorangestellte Tariftreue- und Vergabegesetz Konsens im Bereich „Handwerk“.
Es bestand Konsens im Bereich „Förderung der Freien Berufe“. Ich denke mir, dass wir diesen Konsens nicht aufkündigen werden. Es ist heute genau ein Jahr her, dass wir an dieser Stelle fraktionsübergreifend einen Antrag verabschiedet haben, in dem wir die Unterstützung der Freien Berufe nach vorne gestellt haben. Gemeinsam haben wir verabredet, uns dafür einzusetzen, die Qualität der Dienstleistung und der Ausbildung auch künftig im bisherigen Maße weiterzuführen.
Ich habe noch einmal im Plenarprotokoll nachgelesen und muss sagen, dass die damalige Analyse meiner Kollegin Schneckenburger bezüglich der Risiken aus Freihandelsabkommen wie TTIP oder TiSA immer noch richtig ist. Ebenso teile ich die Einschätzung des Verbandes der Freien Berufe in dieser Angelegenheit. Ich zitiere:
„Denn nach wie vor ist nicht gesichert, dass die Schutzvorschriften für Kunden, Mandanten und Patienten, der kontinentaleuropäische präventive Rechtsansatz oder auch hohe Ausbildungsstandards erhalten bleiben.“
Um es ganz deutlich zu sagen: Reglementierungen dürfen nicht allein aus traditionellen Gründen aufrechterhalten werden, sondern bedürfen einer regelmäßigen Prüfung, ob sie noch zeitgemäß sind und ob ihre positiven Auswirkungen die Beschränkungen noch rechtfertigen.
Doch um die große Bedeutung der Freien Berufe für Nordrhein-Westfalen zu erhalten, dürfen wir ihre Leistungsfähigkeit nicht gefährden. Denn die Freien Berufe haben wegen ihrer Leistungsfähigkeit, ihrer Eigenständigkeit und des Willens zur persönlichen Verantwortung eine große Bedeutung in unserem Land, insbesondere für die flächendeckende Versorgung der Bürgerinnen und Bürger zum Beispiel im Bereich der Medizin. Sie sind quasi Garant der Daseinsvorsorge.
Laut einer Studie des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn aus dem letzten Jahr weist das Gründungsgeschehen seit dem Jahr 2012 eine steigende Tendenz aus. Eine große Bedeutung haben dabei die urbanen Räume. Den vordersten Platz belegt dabei Bonn. Doch die Frage, warum und wieso bestimmte Städte bevorzugt werden und welche Probleme es in den ländlichen Räumen gibt, wird auch in dieser Studie aus dem Jahr 2015 nicht beantwortet. Es wird der Hinweis gegeben, es fehle das Datenmaterial.