Protocol of the Session on January 28, 2016

Im Zentrum des Antrags steht die Forderung nach der Beschlagnahme von Wohnraum nach dem Hamburger und Bremer Vorbild. Hamburg und Bremen wollen als erste Bundesländer leer stehende Gewerbegebiete für Flüchtlinge beschlagnahmen.

Zu Recht lehnt die rot-grüne Landesregierung einen solchen Schritt für Nordrhein-Westfalen ab. Bauminister Groschek hatte bereits im vergangenen Herbst gesagt, dies sei weder zweckdienlich noch politisch vernünftig und darüber hinaus nach geltender Rechtslage auch sehr fragwürdig. – Diese Haltung teilen wir ausdrücklich.

Zudem sind wir wie Bauminister Groschek davon überzeugt, dass es nicht leichter wird, Flüchtlinge unterzubringen, wenn wir anfangen, Verwaltungsgerichtsverfahren zu provozieren.

Hier aber enden schon unsere Gemeinsamkeiten mit der rot-grünen Landesregierung. Denn Herr Minister Groschek hat auch im Zusammenhang mit der Ablehnung von Zwangsmaßnahmen gesagt: Wir müssen bürokratische Hürden abbauen. – Da liegt der Unterschied zu meiner Vorrednerin. Denn dazu müssten wir erst einmal den von Rot-Grün seit 2010 geschaffenen Bürokratiedschungel roden, der

schon viele Investoren abgeschreckt hat.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, in der Vergangenheit haben hier dirigistisch bevormundende Maßnahmen stattgefunden, die potenzielle Investoren in den Mietwohnungsbau abschrecken.

(Jochen Ott [SPD]: Schwachsinn!)

Speziell für Sie, Herr Schwerd: Hier sehen Sie, welch dickes Brett Sie bohren müssen, wenn Sie als Linker in den ideologischen Wettbewerb eintreten wollen.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Wir stellen ernüchtert fest: Keine einzige sinnlose Vorschrift wurde abgeschafft. Es gibt hierfür noch nicht einmal Pläne.

Darüber hinaus wird die geplante Novellierung der Landesbauordnung zu einer Baukostensteigerung führen. Die rot-grüne Landesregierung hat es versäumt, geeignete Maßnahmen zur Beschleunigung des Wohnungsbaus zu ergreifen. Die wirklichen Probleme, die dem sozialen Wohnungsbau in unserem Land entgegenstehen, werden von Rot-Grün weiter ignoriert.

Dazu gehört in erster Linie auch die Mobilisierung von Bauland, die bisher ausgeblieben ist. Die von Minister Groschek pauschal verkündeten landesweit

verfügbaren 19.000 ha Bauland sind größtenteils Flächen, die noch nicht einmal erschlossen sind und von denen keiner weiß, in welcher Art und Weise sie der Bauleitplanung zur Verfügung stehen sollen. Und die Erleichterungen im Baugesetzbuch durch das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz 2015

werden auch wirkungslos bleiben, wenn sich in dieser Baulandproblematik keine Lösung abzeichnet.

Unser Vorschlag, Kosten und Nutzen bei der energetischen Sanierung von Gebäuden in ein sinnvolles Verhältnis zu setzen, wurde bereits von den Fraktionen von SPD und Grünen abgelehnt. Hier sei noch einmal ganz deutlich gesagt, dass dies gerade bei der Reaktivierung und bei der vorrangigen Nutzbarmachung von Wohnraum das Instrument der Wahl wäre. Denn wenn eine Immobilie nur für einen begrenzten Zeitraum als Überbrückung einer Bedarfsspitze genutzt wird, was soll dann das komplette EnEV-Paket überhaupt bewirken?

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Schwerd, wie Sie sehen, gibt es eine Reihe von Maßnahmen, die dringend angepackt werden müssen. Ihre Forderungen gehören jedoch nicht dazu. Verstehen Sie meinen Redebeitrag bitte auch als Versuch, die Diskussion aus Ihrem ideologischen Schaulaufen wieder in die Ecke der sachlichen Diskussion zu bringen.

Wir lehnen Ihren Antrag ab.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Hausmann. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Düker.

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Ich fühle mich nicht dazu berufen, zu später Stunde in die Tiefen der Landesbauordnung einzusteigen,

(Torsten Sommer [PIRATEN]: Schade!)

sondern möchte unsere Position zu dem Antrag vorstellen. Auch wir glauben nicht, dass wir in Nordrhein-Westfalen zusätzliche rechtliche Möglichkeiten brauchen, Wohnraum zu beschlagnahmen, um Obdachlosigkeit von Flüchtlingen zu verhindern. Im letzten Jahr haben wir es trotz der enorm steigenden Zahlen, die wir besonders im Herbst zu verzeichnen hatten, mit einer riesigen Kraftanstrengung von Land und Kommunen geschafft, Obdachlosigkeit zu verhindern – ohne neue Gesetze.

Im Übrigen schließe ich mich vollumfänglich der Argumentation der Kollegin Philipp an. Es muss nicht immer alles von allen zweimal gesagt werden. Ich stimme also der Argumentation der Kollegin voll zu. Danach lehnen auch wir den Antrag ab.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Düker. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Wedel.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich kurzfassen. Die FDPFraktion wird den Antrag ablehnen.

Zum einen ist dieser Antrag der aktuellen Debatte nicht förderlich, da er Verunsicherung in der Bevölkerung eher schürt als vermeidet.

Aber auch in rechtlicher Hinsicht trägt Ihr Vorschlag nicht, Herr Kollege Schwerd. Er verkennt vielmehr grundlegende ordnungs- und verfassungsrechtliche Anforderungen. Ich sage Ihnen auch, inwiefern. Gleichviel ob privater Wohnraum leer steht oder nicht, haben Sie einen drastischen Eingriff in das Eigentumsgrundrecht, den Sie im Moment nur auf die ordnungsrechtliche Generalklausel stützen können, die für einen solchen Eingriff jedoch möglicherweise nicht bestimmt genug ist.

Selbst wenn Sie eine spezielle Rechtsgrundlage schaffen, nehmen Sie in Person der Eigentümer sogenannte Nichtstörer, also Unbeteiligte, in Anspruch. Die Voraussetzungen für eine solche Inanspruchnahme sind ausnehmend hoch und von der einweisenden Ordnungsverwaltung kaum zu erfüllen. Die Behörde müsste nachweisen, dass sie alles Mögliche so schnell wie möglich zur Abwehr der Gefahr getan hat.

Praktisch formuliert: Die Beschlagnahme eines Hauses müsste die einzige noch zur Verfügung stehende Möglichkeit der Gefahrenabwehr sein. Die Behörde müsste daher darlegen können, dass sie erfolglos versucht hat, den Notstand in Bezug auf Flüchtlingsunterkünfte durch den Bau, den Kauf oder die Anmietung neuer Flüchtlingsunterkünfte oder durch das Aufstellen geeigneter Wohncontainer zu verhindern. Außerdem müsste die Behörde dartun können, dass zunächst kommunale Einrichtungen zur Flüchtlingsunterbringung eingesetzt wurden. All dies wird im Regelfall nicht gelingen.

Der verstärkte Zustrom von Flüchtlingen ist bereits seit einiger Zeit bekannt. Auch wenn der Flüchtlingszustrom in den Monaten September und Oktober 2015 noch einmal erheblich zugenommen hat, werden Ordnungsbehörden nicht darlegen können, erst mit dem Eintritt der „Frostperiode“ sei aufgefallen, dass ankommende Flüchtlinge sachgerecht untergebracht werden müssen. Dem würde in jedem Falle entgegenzuhalten sein, dass genügend Zeit zur Verfügung stand, entweder selbst geeignete Unterkünfte zu schaffen oder Dritte zu beauftragen, entsprechende Unterkünfte zu schaffen bzw. anderweitig zur Verfügung zu stellen.

In verfassungsrechtlicher Hinsicht wird mit Blick auf private Wohnungen ein vorübergehendes Verdrängen aus der Eigentumsposition nicht einmal

dadurch rechtmäßig, dass es entschädigt wird, wenn andere Möglichkeiten zur Herbeiführung der Unterbringung zur Verfügung stehen. Beispielsweise müssten als milderes Mittel zunächst Wohnungen eingezogen werden, deren Eigentümer sich mangels Grundrechtsfähigkeit nicht auf Art. 14 Grundgesetz berufen können.

Berücksichtigt man all dies, ist Ihr Vorschlag schlicht verfassungswidrig. Daher werden wir Ihren Antrag selbstverständlich ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Wedel. – Für die Piraten spricht Herr Kollege Bayer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Besucher am Stream! Gestern stellte hier die CDU in Person von Ralf Nettelstroth die aus CDU-Sicht für das Jahr 2016 entscheidende baupolitische Frage.

Die entscheidende Frage soll angeblich lauten: Wird es gelingen, die Zahl der Flüchtlinge zu reduzieren? – Das war die entscheidende Frage in diesem Jahr. Ich habe mich gefragt, wie mit dieser Leitfrage der dringend notwendige Wohnungsbau gelingen soll. Ich sage: genauso wenig wie die Integration durch eine auf dem Papier stehende Leitkultur.

Ich stelle heute Abend die wirkliche baupolitische Leitfrage für das Jahr 2016. Sie lautet: Wie schaffen wir es, die Anzahl der Wohnungen endlich für alle zu erhöhen? – Sie sehen, auch ich rede jetzt aus baupolitischer Sicht, wie einige meiner Vorredner.

Letztes Jahr sprach sich Minister Groschek pauschal gegen Beschlagnahmungen aus. Damit machte er es sich natürlich sehr leicht. Die Maßnahme wäre ja nur eine Folge eines verspäteten Handelns bei der Schaffung von Unterkünften und Wohnraum.

Nehmen Sie Städte wie Bonn und Köln. Dort wird heute jede fünfte Turnhalle für die Unterbringung von Flüchtlingen genutzt. Allein die Mieten solcher und anderer temporärer Unterkünfte verschlingen Millionenbeträge, und das pro Halle. Dabei wissen wir, dass die Unterbringung auf dem privaten Wohnungsmarkt in kleinen Wohneinheiten viel günstiger ist. Dass aber insgesamt zu wenig Wohnraum bereitsteht, ist immer noch die Folge verfehlter Politik im sozialen Wohnungsbau.

Nimmt man allein den sozialen Wohnungsbau, von dem alle Bewohner in Nordrhein-Westfalen genauso wie die anerkannten Flüchtlinge profitieren sollen, dann stellt man fest, dass die erforderlichen Mittel weder vom Bundesminister Schäuble noch vom Landesminister Walter-Borjans bereitgestellt wer

den. Die Finanzierung umfasst bislang gerade einmal ein Viertel der benötigten Mittel.

Zu den Leerstandsmeldern: Das ist ein guter Anfang, aber noch besser wäre es natürlich, ihn für eine breitere Nutzergruppe zu öffnen. Bei der Gelegenheit möchte ich auf die Initiative „Wohnungen für Flüchtlinge e. V.“ aus Düsseldorf verweisen, ein Beispiel unter vielen, die es geschafft haben, innerhalb von wenigen Monaten 96 Wohnungen von Privatleuten an Flüchtlinge zu vermitteln.

Dieser Verein hat mich unter anderem auf unserer Helferkonferenz auf einige Probleme des Mietrechts hingewiesen. Darauf sollte man vielleicht einmal achten. Ein Beispiel: Es ist derzeit nicht möglich, begrenzt für ein Jahr eine Flüchtlingsfamilie aufzunehmen. Das geht nur in ganz wenigen Sonderfällen. Das ist schwer zu verstehen. Solche Erleichterungen am Wohnungsmarkt sollten an dieser Stelle möglich sein.

Der Antrag selbst, zu dem ich jetzt komme, wird dem komplexen Problem leider nicht gerecht. Die Instrumente, die der Antrag im Beschlussteil fordert – über diesen Beschlussteil stimmen wir ja ab –, gibt es alle. Sie müssen nur eingesetzt werden. Oder besser: Die Landesregierung muss dafür Sorge tragen, dass sie gar nicht erst eingesetzt werden müssen. Ich kann mich an dieser Stelle dem Sachverhalt aus dem Antrag anschließen, komme jedoch zu anderen Schlussfolgerungen.

Ich komme schon länger zu dem Schluss, dass die Beschlagnahmungsmöglichkeiten im Sinne der §§ 19 und 14 des Ordnungsbehördengesetzes Nordrhein-Westfalen ausreichen und im Einzelfall angewendet werden können und müssen. Das haben wir wiederholt dargelegt. Weitere Anträge oder neue Gesetze brauchen wir an dieser Stelle dafür nicht. Es bedarf also keiner Prüfung oder Verschärfung der Beschlagnahmemöglichkeiten.

In unserem Antrag „Aus der Vergangenheit lernen – Nordrhein-Westfalen muss sich der politischen Verantwortung als Aufnahmeland stellen“ von Anfang September machten wir wie bereits seit 2013 Vorschläge, was wir in NRW tun sollten, um die Kommunen zu entlasten und die Schutzsuchenden menschenwürdig unterzubringen.

So wie sich der Antrag im Beschlussteil auf die Beschlagnahmungsmöglichkeiten konzentriert, ist er überflüssig, weil die Instrumente längst vorhanden sind.

Ich persönlich lehne daher den Antrag an dieser Stelle ab. Abgeordnete, die es wichtig finden, dass der Antrag noch einmal den Sachverhalt als solchen ins Plenum bringt und hier darüber debattiert wird, oder die aus Kommunen mit hohem Leerstand kommen, werden dem sicherlich auch zustimmen können oder eine Enthaltung abgeben.