Vielen Dank, Frau Kollegin Koschorreck. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Nettekoven das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine lieben Kollegen! Der Gesetzentwurf zum Bürokratieabbau in den Kommunen – Kommunales Bürokratieabbaugesetz der CDU-Fraktion – jetzt werden die SPD-Kollegen bestimmt klatschen – ist nicht die Lösung aller Probleme unserer Kommunen.
Genau. – Das Ziel unseres Gesetzentwurfes ist es, neue Maßnahmen zum Bürokratieabbau zu erproben, auszuwerten und erfolgreiche Modelle für eine landesweite Übernahme zu prüfen. Zu diesem Zweck sollen, sofern die Mehrheit des Hohen Hauses dem zustimmt, für einen begrenzten Zeitraum Abweichungen von Rechtsvorschriften zugelassen werden, um den kommunalen Körperschaften Aufgabenerledigung zu ermöglichen, sie im Einzelfall von kommunalbelastenden, landesrechtlichen Standards zu befreien und zu testen, ob damit Verwaltungsverfahren beschleunigt, vereinfacht und kostengünstiger für die Unternehmen, die Bürgerinnen und Bürger sowie für die Verwaltung gestaltet werden können.
Sie haben es eben schon gesagt: Ein erster Versuch, diesen rechtlichen Rahmen zu schaffen, erfolgte im Jahr 2006. Das sogenannte Standardbefreiungsgesetz trat am 31. Dezember 2011 außer Kraft. Das MIK urteilte damals, dass die entsprechenden Erfahrungen ernüchternd gewesen seien.
Die Kommunen hatten, wie Sie gerade bereits gesagt haben, nur in einem geringen Umfang von den Möglichkeiten des Gesetzes Gebrauch gemacht.
Sie haben eben im Zusammenhang mit den Anhörungen zwei schriftliche Stellungnahmen erwähnt, sind auf die eine aber nicht weiter eingegangen. Sie können sich vorstellen, dass ich aus dieser auch gerne zitieren möchte. Es hat mich sehr gefreut, dass in der schriftlichen Stellungnahme nachdrücklich erwähnt wurde, dass die Verringerung des Bürokratieaufwandes unterstützt wird.
Ich möchte Ihnen noch ein paar Auszüge aus der Stellungnahme vortragen, die Sie eben nicht erwähnt haben. Dabei handelt es sich um die Stellungnahme des Städte- und Gemeindetages Mecklenburg-Vorpommern.
Der Verband hat von den Erfahrungen mit dem Standarderprobungsgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern berichtet, welches durch den Städte- und Gemeindetag Mecklenburg-Vorpommern angeregt wurde, der auch die Überarbeitung dieses Gesetzes positiv begleitet hat. Ich glaube, allen Anwesenden ist klar, dass das Gesetz nicht der Königsweg für die Entbürokratisierung ist.
Als der Gesetzentwurf eingebracht wurde, wurden zunächst die verschiedenen Flaggen gehisst. Diese sind in Dortmund dann doch nicht im Mai hochgehangen worden, weil man nichts zu feiern hatte. Insofern möchte ich Ihnen von ein paar Beispielen aus Mecklenburg-Vorpommern berichten. In Mecklenburg-Vorpommern konnten durch das Gesetz zum Beispiel bei den Bürgermeisterwahlen verkürzte Wahlzeiten von 9 bis 17 Uhr und andere Erleichterungen in der Wahldurchführung beantragt und auch durchgesetzt werden. Damit konnte insbesondere der Aufwand für das Hauptamt und das Wahlehrenamt reduziert werden, ohne dass die Wahlbeteiligung sank.
Ich möchte Ihnen ein weiteres Beispiel aus diesem wunderschönen Bundesland nennen, auch wenn es sich nur um eine Kleinigkeit handelt. Ich denke aber, dass es auch ein gutes Beispiel ist. Den übergreifenden Zweckverbänden wurde die Möglichkeit gegeben, dem schriftlichen Umlaufverfahren zuzustimmen, womit Sitzungs- und Fahraufwand eingespart wurden. Auch wenn Mecklenburg-Vorpommern nicht mit dem schönsten Bundesland NRW zu vergleichen ist, so können wir anhand der positiven Beispiele sehen, dass ein solches Gesetz gut für unser Land und unsere Bürgerinnen und Bürger sein kann.
Wie ich bereits zu Beginn meiner Rede sagte, ist das Gesetz nicht die Lösung aller Probleme in den Kommunen. Das hat die spärliche Inanspruchnahme der Regelung durch die Kommunen in der Vergangenheit gezeigt. Es bietet aber Optionen, von Standards abzusehen und damit kostengünstige,
Frau Kollegin, Sie haben eben gesagt, wir sollten Vorschläge machen. Ich denke, Sie haben den Gesetzentwurf gelesen. Darin steht, dass die Kommunen Vorschläge unterbreiten sollen. Ich bin übrigens auch Fraktionsvorsitzender, und zwar in der kleinsten, aber schönsten kreisfreien Kommune Nordrhein-Westfalens, Remscheid bzw., wie Thorsten Legat sagen würde, Remscheid.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in zwei Ausschüssen haben die regierungstragenden Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen unseren Gesetzentwurf abgelehnt. Die Piraten haben sich enthalten. Mein gestriger Besuch aus Lennep, Herr Brockmann, würde diesem Antrag heute zustimmen. Ich bitte Sie daher, noch einmal darüber nachzudenken. Im Namen der CDU-Landtagsfraktion bitte ich Sie um die Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Herr Nettekoven, es dürfte Ihnen – nach den Beratungen im Finanzausschuss bzw. im zuständigen Fachausschuss, dem Kommunalausschuss – klar sein, wie die Entscheidung ausfallen wird.
Gerne will ich noch einmal auf das Verfahren und auf das eingehen, was vorgetragen worden ist. Wir hatten miteinander eine schriftliche Anhörung vereinbart. Es gab – da haben Sie recht – drei Stellungsnahmen.
Eine kam vom Städte- und Gemeindetag Mecklenburg-Vorpommern. Interessant fand ich den Hinweis in dieser Stellungnahme: Der vorliegende Gesetzentwurf hat viele Elemente aus MecklenburgVorpommern übernommen. – Andere würden sagen: Es wurde abgeschrieben. Aber egal. Sie erklären, dass der Städte- und Gemeindebund Mecklenburg-Vorpommern dieses Gesetz angeregt hat. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, dass der vorliegende Gesetzesentwurf vom Städte- und Gemeindetag Mecklenburg-Vorpommern ausdrücklich begrüßt wird.
Anders sieht es bei der Stadt Bielefeld aus. Der Kollege, der neben Ihnen sitzt, kommt ja aus Bielefeld. In Bielefeld wird ganz deutlich gesagt: Es wird davon abgeraten, dem Vorschlag zu folgen. Bereits jetzt gibt es schon hinreichende Gelegenheiten, Standards zu hinterfragen. Aus Bielefeld wird vorgetragen: Es ist nicht gut, wenn Standards im Nachgang hinterfragt werden. Es ist besser, wenn man
es am Anfang macht. Solche Regelungen greifen normalerweise zu spät. Sie bemängeln unter anderem die Darlegungspflicht, die Sie in § 2 Nr. 1 vorgeschlagen haben. Und Sie verweisen auf die bestehende Clearingstelle, die schon jetzt gut funktioniert und wo entsprechende Vorschläge und Erfahrungen aus dem kommunalen Raum eingebracht werden können.
Schauen wir einmal etwas näher – meine Vorvorrednerin hat es schon getan; aber ich will noch einmal tun – auf die Stellungnahme aller drei kommunalen Spitzenverbände. Die sagen ganz deutlich: Nicht die Kommunen, sondern das Land sollte hinterfragen, inwieweit die gesetzten Standards angemessen sind oder auch nicht. Das heißt: Delegiere nicht Verantwortung nach unten. – Sie führen weiterhin aus: Es sollten mehr Selbstverwaltungsaufgaben pflichtiger Art den Kommunen übertragen werden, ohne im Detail zu regeln, wie es ausgeführt wird. Das heißt: weniger Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung.
Sie verweisen darauf, dass der Eindruck, der geschaffen worden ist, unzutreffend ist, dass eine Vielzahl von Landesgesetzen in diesem Zusammenhang überhöhte Standards enthalten, und weisen darauf hin, dass viele Vorgaben nicht der Landesgesetzgeber, sondern der europäische Gesetzgeber oder der Bundesgesetzgeber bestimmt.
Die Entscheidungskompetenz – dabei geht es um die Frage, wie man mit entsprechenden Vorschlägen umgeht, wenn man denn Ihrem Gesetzesentwurf folgt – soll das zuständige Fachministerium treffen. Dazu sagen der Städte- und Gemeindebund, der Städtetag und der Landkreistag: Das, was sie in § 2 Abs. 2 geregelt haben, kann doch wohl nicht wahr sein. Diejenigen, die diese Standards formuliert haben, sollen anschließend entscheiden, inwieweit diese Standards beibehalten werden.
Da gibt es eine ganz klare Interessenkollision – insbesondere wenn man sich vor Augen führt, dass diese Standards im Regelfall im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens im Landtag beschlossen worden sind. Insofern gibt es vermutlich auch keine große Bereitschaft, hier entsprechende Abweichungen vorzunehmen.
Insgesamt wird dieses Vorhaben von allen Beteiligten – mit Ausnahme des Initiators des Gesetzesentwurfes, des Städte- und Gemeindetages Mecklenburg-Vorpommern – abgelehnt. Die Erfahrungen aus 2006 sind hier bereits vorgetragen worden.
Das Anliegen, was Sie hiermit verfolgen, nämlich Standards zu reduzieren, teilen wir durchaus. Der Weg aber, den Sie hier beschreiten wollten, ist nicht richtig. Er führt nicht zum Ziel. Daher auch die ablehnenden Stellungnahmen und auch unsere ablehnende Einschätzung. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Krüger. – Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Nückel das Wort.
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Forderungen nach Normenkontrolle und Bürokratieabbau werden sicher so alt sein wie unsere Verwaltungsstrukturen selbst. Je dichter das Netz von Regulierungen ist, die den Alltag strukturieren, desto lauter sind natürlich auch die Forderungen nach Einfachheit.
Es ist schon ein bisschen paradox, dass wir in einer Gesellschaft leben, die einerseits mit hoffnungslos verschuldeten öffentlichen Haushalten hadert, andererseits aber ständig neue Aufgaben, Pflichten und Standards mit hohen Folgekosten erfindet. Wenn wir es also mit der Konsolidierung der Haushalte ernst nehmen wollen, bleibt uns nur, den Teufelskreis zu durchbrechen.
Lippenbekenntnisse gibt es freilich genug. Manchmal werden auch vollmundige Bürokratieabbauinitiativen gestartet. Leider kommt bei solchen Topdown-Vorgängen nur selten etwas Nützliches heraus. Im Rahmen großer Reformprojekte findet sich ja immer jemand, dessen Pfründe in Gefahr sind und der bis ins kleineste Detail darlegen kann, warum gerade sein Standard keinesfalls angetastet werden darf. Diese Erfahrung zeigt: Es ist sinnvoll den entgegengesetzten Weg zu gehen und auf Veränderung von unten zu setzen. Für eine solche Bottom-up-Entwicklung liegt uns heute ein Gesetzentwurf zur Abstimmung vor.
Was die CDU vorgelegt hat, ist nicht ganz frisch, vielleicht auch alter Wein in neuen Schläuchen. Guter Wein reift aber auch mit dem Alter. Die Union reaktiviert gewissermaßen den Vorschlag einer guten Initiative aus der 14. Wahlperiode und vergisst dabei auch nicht, Erfahrungen, die damals in der Anwendungsphase gemacht worden sind, in ihrem Entwurf zu berücksichtigen.
Im Kern geht es natürlich um die Frage: Müssen bestimmte kommunale Aufgaben zwingend überall auf die gleiche Art und Weise erledigt werden? Ist es nicht sinnvoll, gemeindeindividuelle Lösungen zuzulassen, solange der jeweilige Normenzweck erfüllt wird? – Wir Freien Demokraten sind davon auf jeden Fall überzeugt.
Wir sind oft mit einem Wust von fachlichen Regelungen konfrontiert. Vieles ist bis ins kleinste Detail vorgegeben. Der vorliegende Gesetzentwurf leistet deshalb nicht zuletzt auch einen Beitrag zur Revitalisierung der kommunalen Selbstverwaltung.
Aber – das wurde hier schon erwähnt – niemand ist so naiv, zu glauben, dass sich alles auf einen Schlag in idealer Weise verändert. Denn vieles, was
strukturiert, findet seine Vorgabe in bundes- und europarechtlichen Vorgaben. Aber ich glaube, der erste Schritt in die richtige Richtung ist getan.
Kreative Überlegungen, welche Aufgaben sich auf alternativem Wege erledigen lassen könnten, sind nicht immer leistbar. Deshalb stellt die nicht zum Standard gehörende Antragstellung sicherlich eine Barriere für einige Kommunen dar. Aber eine beratende Funktion der kommunalen Spitzenverbände, gepaart mit einem stellvertretenden Antragsrecht, kann hier Abhilfe schaffen. Die regelmäßige Prüfungs- und Beitragspflicht rundet den Gesetzentwurf, wie wir finden, ab. So hat der Landtag Gelegenheit zum Nachjustieren oder für flankierende Hilfestellung.
Entscheidend ist nur, was die Kommunen daraus machen. Proaktive Beratungsangebote und die begleitende Beseitigung bundesgesetzlicher Hemmnisse für den Standardabbau müssen dann natürlich einen Beitrag leisten. Wir stimmen deswegen dem Gesetzentwurf zu. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauer und Zuschauerinnen auf der Tribüne und natürlich im Livestream! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der CDU-Fraktion möchte man Deregulierung und Bürokratieabbau Vorschub leisten. Das ist ein hehres Ziel. Kollege Nückel hat gerade schon ausgeführt, wie oft das eigentlich eher zum Scheitern neigt als zum Gelingen des Ganzen.
Trotzdem muss man das Ziel weiterverfolgen. Da kann es auch ein Weg sein, dass man mehr Erprobung zulässt oder auch mal den einen oder anderen Standard aussetzt. Man kann es vielleicht auch nur kommunal – örtlich sehr begrenzt, aber vom Land begleitet – und dann über eine genormte Berichtspflicht an die Landesregierung greifbar machen, dass man eine einzelne Lösung von vor Ort eventuell auf das ganze Land umleiten kann.
Das alles sind gute Ziele, und ausprobieren kann man vieles. Allerdings haben die Stellungnahmen der eben schon angesprochenen kommunalen Spitzenverbände und auch das andere Gutachten gezeigt, dass der Plan der Entbürokratisierung mit diesem Gesetzentwurf wahrscheinlich so einfach nicht zu erreichen ist.
Das Ziel kann man unterstützen, aber das Wie wird hier nicht wirklich zielgerichtet dargestellt. In einem
ersten Schritt müssten verschiedene Standards überprüft werden. Das soll eigentlich das Land machen. Das steht im Gesetzentwurf aber noch nicht drin; das hätte man zumindest hineinschreiben müssen.
Dann müsste man auch sehr deutlich machen, mit welchem Standard man anfangen will. Man kann nicht sagen: Wir öffnen das jetzt und schauen mal, was die Kommunalen machen. – Man hätte sich für eine solche Erprobung vielleicht eine Sache heraussuchen und sagen müssen: Das testen wir jetzt in drei verschiedenen Kommunen und schauen, ob es Sinn macht, einen Standard zu verändern. Um es an einem solchen Best-Practice-Beispiel zu sehen, macht eine generelle Öffnungsklausel Sinn. Auch das lässt der Gesetzentwurf vermissen.